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Bunte Republik Neustadt

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Die Bunte Republik Neustadt (BRN) war eine von 1990 bis 1993 bestehende Mikronation im Dresdner Stadtteil Äußere Neustadt. Seither findet sie als Stadtteilfest jedes Jahr im Juni statt.

Geschichte

Die sich nach westlichem Muster etablierende Parteiendemokratie sowie die politischen Weichenstellungen in Richtung einer schnellen Herstellung der Deutschen Einheit und Einführung der Marktwirtschaft führten in den basisdemokratischen und links-alternativen Kreisen Ostdeutschlands zu Resignation. In dieser Stimmung aus Niedergeschlagenheit über die gescheiterten Utopien eines Gesellschaftsmodells jenseits von DDR und BRD und in befürchtender Erwartung anbrechender kapitalistischer Zeiten entstand die Idee der Bunten Republik Neustadt (BRN). Für die Zeit vom 22. bis 24. Juni 1990, genau eine Woche vor der Währungsunion, wurde eine eigene Republik proklamiert und in einem großen Stadtteilfest gefeiert.

Die Idee zur Bunten Republik entstand eines Nachmittags in der Bronxx, das war eine Kneipe in der Alaunstraße, in einer Schwatzrunde. Da haben wir das Ding innerhalb von zwei, drei Monaten aus dem Boden gestampft.“ (GREGOR KUNZ, Monarch der 1.BRN in JAUSLIN 1997: 31)
BRN 2005

Eine „ordentliche provisorische Regierung“ wurde gebildet, geleitet von einem „Monarchen ohne Geschäftsbereich“ und allen möglichen und unmöglichen Ministern für Wehrkraftzerfetzung, Pfuinanzen und andere Kirchenfragen, Unkultur und Unterseeboote etc. Die Regierung forderte den Anschluss an den Vatikan, gab eine Regierungserklärung ab und erließ Dekrete. Die Grenzen der kleinen Welt der Bunten Republik Neustadt wurden mit einem weißen Strich auf der Straße markiert und umfassten das Karree Bautzner Straße, Königsbrücker Straße, Bischofsweg, Prießnitzstraße (dies ist auch das heutige Territorium). An den Eingängen prangten Schilder mit der Aufschrift:

Hier beginnt das freie Territorium der Bunten Republik Neustadt.

Als alleiniges Zahlungsmittel in der BRN galt die „Neustadtmark“. Diese konnte in Wechselstuben mit dem Wechselkurs zur „Ostmark“ von 1:1 und zur „Westmark“ von 1:2 eingetauscht werden.
Auf der eigens kreierten Flagge der Republik prangte auf Schwarz-Rot-Gelbem Grund ein Micky Maus-Kopf in einem Ährenkranz, wie er auch auf dem Staatswappen der DDR zu finden war. Das Wappen war damals ein Symbol der „Verhonepiepelung“ der alten sich verabschiedenden und der neuen sich bereits ankündigenden Symbolwelt. Das Wappen kann aus rechtlichen Gründen hier nicht gezeigt werden, findet sich jedoch in den unten angegebenen Weblinks.

Die 1990 erfundene Bunte Republik Neustadt war ein entscheidendes identitätsstiftendes Ereignis für das Viertel, denn mit der spaßhaften Realisierung der Utopie eines eigenen politisch-administrativen Systems in Form von Geld, Wappen, gewissen Regeln der Selbstverwaltung und letztlich der optisch sichtbaren Grenzziehung hatte man die bedeutsamsten Symbole einer Autonomie gesetzt.

Die erste BRN fand vom 22. bis 24. Juni 1990 statt. 1993 löste sich die „provisorische Regierung“ auf. Die BRN als Stadtteilfest der Äußeren Neustadt ist jedoch geblieben, entfernte sich aber mit den Jahren zunehmend von politischen Inhalten. Es gab mehrere Versuche, die Veranstaltung durch Trägervereine auszurichten. Dies scheiterte mehrfach, insbesondere durch die Auflagen der Stadt Dresden und auftretende Eskalationen zwischen gewaltbereiten Personen aus der linken und rechten Szene. Insbesondere in den Jahren 2001 und 2002 kam es zu bundesweiten Negativschlagzeilen aufgrund von Gewalttätigkeiten. Während in den vier vorangegangenen Jahren die BRN weitestgehend friedlich verlief, kam es 2007 wieder zu nächtlichen Ausschreitungen mit 12 verletzten Polizisten.

Heutiger Charakter

BRN 2005

Seit 2002 wird das Stadtteilfest ohne einen Gesamtveranstalter ausgerichtet, die beteiligten Personen und Lokale melden Einzelveranstaltungen mit einem Formular bei der Stadt an.
Aufgrund der vorausgegangenen Gewalttätigkeiten wird die BRN von einer umfangreichen Polizeipräsenz begleitet. Die Strategie und Taktik der Polizei hat sich jedoch hin zu deeskalierender, dezenter Präsenz geändert. Auch scheinen externe Polizeikräfte besser über den Charakter des Festes informiert zu sein. Dadurch, aber wahrscheinlich noch mehr durch das Verkaufsverbot von Glasflaschen, konnten die Gewalttätigkeiten weitestgehend eingedämmt werden und die Veranstaltung hat sich als multikulturelles, offenes Straßenfest der Dresdener Neustadt etabliert. Trotz zahlreicher kommerzieller Veranstalter haben sich etliche Privatinitiativen ohne kommerzielle Interessen erhalten können, welche seit jeher ein wesentliches Merkmal der BRN sind. Auch die Zahl der von außen kommenden Veranstalter ist rückläufig, da beantragte Nutzungsflächen nur noch an Anwohner vergeben werden.

Insbesondere die Talstraße ist frei von kommerziellen Angeboten und bietet traditionell Betätigung für kleine und große Kinder.
Das Gebiet der BRN ist während des Festes für fahrenden und ruhenden Verkehr gesperrt. Entlang der Görlitzer/Rothenburger Straße findet jedoch fast regelmäßig ein Umzug aus skurrilen, selbstgebauten Fahrzeugen, begleitet von Musik und Tanz, statt.

2006 besuchten in der Zeit vom 16. bis 18.06. über 150.000 Besucher das Neustädter Stadtteilfest.

Impressionen

Die Weblinks sind bezüglich Objektivität mit Vorsicht zu genießen, stellen jedoch fast die einzigen Informationsquellen zur BRN dar.