Zum Inhalt springen

Goldene Regel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. Dezember 2004 um 13:36 Uhr durch Stern (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die von Edmund S. Phelps aufgestellte goldene Regel wird auch als phelpsches Theorem bezeichnet, s. dort.


Als Goldene Regel wird allgemein ein für eine gesellschaftliche Gruppe wichtiger Merkspruch oder ein markantes Motto bezeichnet, im engeren Sinne bezieht sich die Bezeichnung aber auf die in dem Sprichwort

Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.

ausgedrückte moralische Regel, die in mannigfaltigen Variationen Grundbestandteil der ethischen Vorstellungen vieler Religionen ist. Streng zu unterscheiden ist sie von Kants Kategorischem Imperativ.

Beispiele (chronologisch geordnet)

  • 620 v. Chr.: "Was immer du deinem Nächsten verübelst, das tue ihm nicht selbst." Pittakos von Mytilene, einer der griechischen Sieben Weisen
  • 500 v. Chr.: "Ein Wort, dass als Verhaltensregel für das Leben gelten kann, ist Gegenseitigkeit. Bürde anderen nicht auf, was du selbst nicht erstrebst." (Lehre vom mittleren Weg 13, 3), Konfuzianismus
  • 500 v. Chr.: "Daher übt er (der Weise) keine Gewalt gegen andere, noch heißt er andere so tun." (Acarangasutra 5, 101-102), Jainismus
  • 4. Jahrhundert v. Chr.: "Man soll sich nicht auf eine Weise gegen andere betragen, die einem selbst zuwider ist. Dies ist der Kern aller Moral. Alles andere entspringt selbstsüchtiger Begierde." (Mahabharata, Anusasana Parva 113, 8; Mencius Vii, A, 4), Hinduismus
  • 90er: "Was Du selbst zu erleiden vermeidest, suche nicht anderen anzutun." Epiktet
  • 2. Jahrhundert: "Was Dir selbst verhasst ist, das tue nicht Deinem Nächsten an. Dies ist das Gesetz, alles andere ist Kommentar." (Talmud, Shabbat 31a), Judentum
  • 9. Jahrhundert: "Niemand von Euch ist ein Gläubiger, bevor er nicht für seinen Bruder wünscht, was er für sich selbst begehrt." (Hadith), Islam
  • (19. Jahrhundert): "Und wenn Du Deine Augen auf die Gerechtigkeit wendest, so wähle für Deinen Nächsten dasjenige, was Du für Dich selbst erwählet hast." (Brief an den Sohn des Wolfs 30), Bahá'í
  • 1870er: "Wünsche er nicht anderen, was er nicht für sich selbst erwünschet." Bahá'í
  • 1999: "Tue nichts, was Du nicht möchtest, das man Dir tun soll." (British Humanist Society), Humanismus

Zwischen den einzelnen Versionen sind leichte, aber relevante Unterschiede feststellbar. So sind die muslimische und Bahá'í-Variante wie auch die aus der Bergpredigt entnommene christliche positiv formuliert und fordern nicht nur das Nichttun dessen, was selbst nicht gewünscht wird, sondern auch das Tun dessen, was man selbst erstrebt. Damit werden diese Versionen von vielen als anspruchsvoller angesehen.

Kritik

Gegen die goldene Regel wird kritisch eingewandt, dass sie selbst bei gutem Willen fehlleiten kann, da die subjektive Sicht des Handelnden zum alleinigen Maßstab gemacht wird. Das, was er selbst wünscht, muss nicht unbedingt auch für seinen Nächsten erwünscht sein, und das, was ihm unangenehm ist, muss nicht auch für seinen Nächsten ähnlich unangenehm sein. Sowohl die positiven als auch die negativen Formulierungen können daher nach Taten oder Unterlassungen rufen, die der "Begünstigte" möglicherweise nicht so haben möchte. Daher sind aus dieser Sicht für eine tugendhafte Lebensweise weitere ethische Prinzipien in Betracht zu ziehen. Nach christlicher Lehre ist dies z. B. die Nächstenliebe.