Charles de Gaulle
Charles André Joseph Marie de Gaulle (* 22. November 1890; † 9. November 1970) war ein französischer General und Staatsmann. Sein Familienname enthält zwar kein Adelsprädikat, aber ein Formdialekt des Artikels; man müsste logischerweise De Gaulle schreiben, wie man Le Chatelier schreibt, aber üblich ist die Kleinschreibung.
Herkunft und Bildung
De Gaulle wurde in einer gebildeten, katholischen, moralisch konservativen, aber sozial fortschrittlichen Familie in Lille geboren. Er entstammte einer Intellektuellenfamilie: Sein Großvater war Historiker, seine Großmutter war Schriftstellerin. Sein Vater, der an verschiedenen katholischen Privatschulen als Lehrer lehrte, bevor er seine eigene gründete, ließ ihn die Werke von Barrès, Bergson und Péguy entdecken. Während der Dreyfus-Affäre distanzierte sich die Familie von konservativen, nationalistischen Kreisen und unterstützte den aus antisemitischen Gründen verurteilten Alfred Dreyfus. 1908 trat de Gaulle in die Militärschule von Saint-Cyr ein - dem französischen Gegenstück zu den Militärakademien in Sandhurst und Westpoint - die er 1912 mit Diplom verließ. Anschließend trat er der Infanterie der französischen Armee bei. Er wurde dem 33. Infanterie-Regiment von Arras zugeteilt und stand unter dem Befehl von General Henri Philippe Pétain.
Erster Weltkrieg
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er vom Leutnant zum Hauptmann befördert. Während seines ersten Kampfes bei Dinant wurde er am 15. August 1914 verletzt. Er kehrte dann zum 33. Infanterieregiment an die Front von Champagne zurück, um die 7. Kompanie zu befehligen. Am 10. März 1915 wurde er erneut während eines Gefechts an der Somme verletzt. Er war entschlossen, weiter zu kämpfen und widersetzte sich seinen Vorgesetzten, in dem er auf die feindlichen Gräben feuern ließ. Wegen dieses Akts des Ungehorsams enthob man ihn für acht Tage seiner Funktionen. Als ihm der Kommandant des 33. Infanterieregiment anbot, sein Adjutant zu werden, hatte sich de Gaulle als fähiger Offizier, wiederholter Freiwilliger und durch seine Intelligenz und seinem Mut im Angesicht des Beschusses hervorgehoben.
Am 2. März 1916 wurde sein Regiment bei der Verteidigung des Forts Douaumont in der Nähe von Verdun vom Feind attackiert und fast vernichtet. Seine Kompanie wurde während des Gefechts fast vollständig vernichtet und die Überlebenden eingekreist. Er versuchte dann einen Ausbruch und wurde zum dritten Mal durch einen Bajonetthieb schwer verletzt. Er ergab sich den Deutschen, wurde im Krankenlager gepflegt und interniert. Nach einem erfolglosen Fluchtversuch wurde er in die Festung von Ingolstadt in Bayern transferiert, einem für aufsässige Offiziere vorgesehenen Repressalienlager. Ein „jämmerliches Exil“ („lamentable exil“), mit diesem Ausdruck beschrieb er seiner Mutter sein Schicksal eines Gefangenen. Um die Langeweile zu ertragen, organisiert de Gaulle für seine Mitgefangenen magistrale Exposés über den Stand des laufenden Krieges. Seine fünf Flichtversuche scheiterten alle an seiner Körpergröße, die ihn weithin für jeden sichtbar machte. Nach dem Waffenstillstand wurde er freigelassen. Von den zweieinhalb Jahren der Gefangenschaft behielt er eine bittere Erinnerung und schätze sich selbst als „Heimkehrer“ und Soldat ein, der zu nichts genützt hatte.
Während des polnisch-sowjetischen Krieges von 1919 bis 1920 wurde er freiwillig Mitglied der französischen Militärmission in Polen und Infanterieausbilder der polnischen Armee. Er nahm freiwillig an den Kämpfen am Fluß Zbrucz teil und erhielt dafür die höchste polnische Militärauszeichnung Virtuti Militari. Durch diese Kriegsteilnahme wurde seine spätere Taktik stark beeinflußt, die sich insbesondere durch schnelle Mannöver, den Einsatz von Panzern und Flugzeugen und den Verzicht auf Schützengräben auszeichnete. Aufgrund seiner Erfahrungen in Polen, die sich von den vorangegangenen während des Ersten Weltkrieges fundamental unterschieden, veröffentlichte er einige Bücher und Artikel zur Reorganisation der Armee, insbesondere „Vers l'Armée de Métier“, in denen er die damals neuen Ideen von mechanisierten Truppen und spezialisierten, gepanzerten Divisionen vorstellte, die im Gegensatz zu den statischen Theorien seiner Zeit standen, die sich in der Maginot-Linie exemplifizierten. Während Heinz Guderian und der deutsche Generalstab sich von den Schriften de Gaulles beeinflussen ließen und den Erfolg ihres später folgenden Blitzkrieges gegen Frankreich diesem Konzept verdankten, lehnte General Pétain die Ideen de Gaulles ab, weshalb das Verhältnis zwischend den beiden Militärs immer schroffer wurde.
Zweiter Weltkrieg
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, hatte er den Rang eines Colonel inne. Am 14. Mai 1940 wurde ihm der Befehl über die neue 4. gepanzerte Division (5.000 Mann und 85 Panzer) übertragen. Am 17. Mai führte er mit 200 Panzern ohne Luftunterstüzung eine Gegenattacke Richtung Moncornet nordöstlich von Laon aus. Am 28. Mai hatte er mehr Erfolg, als seine Panzer die Deutschen bei Caumont zum Rückzug zwangen. Er war in der Phase der deutschen Invasion in Frankreich der erste und einzige französische befehlshabende Offizier, dem es gelang, die Deutschen zu einem Rückzug zu zwingen. Am 1. Juni übte er die Funktion eines temporären Brigadegenerals aus. Am 6. Juni ernannte Premierminister Paul Reynaud ihn zum Untersekretär des Kriegsstaates und zum Verantwortlichen für die Koordination mit Großbritannien. Als Kabinettsmitglied lehnte er den Waffenstillstand ab, verließ Frankreich am 15. Juni und setzte nach Großbritannien über. Dort vereinbarte er mit Winston Churchill am 16. Juni eine britisch-französische Kooperation gegen Deutschland. Als er am Abend nach Bordeaux zurückkehrte, dem provisorischen Sitz der französischen Regierung, schickte sich Marschall Pétain an, legal die Macht zu übernehmen. De Gaulle missbilligte die Politik Pétains, der den Waffenstillstand mit den Nazis zu unterzeichnen bereit war, weshalb er Pétain als illegitim ablehnte. Mit 100.0000 Goldfrancs aus einem geheimen Fonds Paul Reynauds ausgestattet, floh er am Morgen des 17. Juni 1940 an Bord eines Flugzeugs der deutschen Luftwaffe entkommend nach England.
Appell vom 18. Juni
Als sich de Gaulle vorbereitete, über BBC von London aus zum französischen Volk zu sprechen, wollte das britische Kabinett sich dem widersetzen, aber Winston Churchill unterstützte ihn. Von Frankreich aus konnte man den Appell vom 18. Juni 1940 um 19 Uhr hören. Er wurde in den Zeitungen des noch unbesetzten Südfrankreichs abgedruckt und in den folgenden Tagen von BBC wiederholt ausgestrahlt. Von dem Tag an bleibt der Text einer der berühmtesten Ansprachen der Geschichte Frankreichs.
Das britische Kabinett hatte im Vorfeld dem französischen Innenminister Georges Mandal vorgeschlagen, nach England zu ziehen und selbst einen Appell an die Franzosen zu richten. Mandal hat sich durch seine wiederholten Mahnungen über die Bedrohungen des Dritten Reiches – und im Gegensatz bei diesem Thema zu seinem Freund und Präsident Léon Blum – charakterlich wie ein Staatsmann gewirkt. Mandal weigerte sich jedoch, Frankreich zu verlassen, um nicht eine Flanke zu bieten, dies als Desertion zu kritisieren, die sofort ausgenützt worden wäre (er war Israelit) und empfahl, de Gaulle die Aufgabe zu übertragen.
Freies Frankreich
Von London aus formierte und dirigierte de Gaulle zunächst die „force français libre“ (FFL). In Frankreich wurde de Gaulle im August 1940 in Abwesenheit zum Tode wegen Hochverrats verurteilt. Die USA erkannten, wie die meisten Regierungen der Welt, das Vichy-Regime Marschal Pétains als die legitime Regierung Frankreichs an. Churchill bemühte sich zwar anfangs diplomatisch um das Vichy-Regime, unterstützte aber de Gaulle und ließ die in Nordafrika unter dem Kommando Pétains vor Anker liegende, französische Kriegsflotte zerstören. Mehrere französische Kolonialbesitzungen, vornehmlich in Afrika, darunter Diego Suarez auf Madagaskar und Dakar in Französisch-Westafrika unterstellten sich im Laufe des Krieges ab 1942 dem von de Gaulle erschaffenen Freien Fankreich, das von seinem Comité Nationale Français regiert wurde. Aber er sorgte besonders dafür, dass Frankreich im Lager der Alliierten durch seine „Freien Französischen Kräfte“ (FFL), die auf verschiedenen Fronten den Kampf fortsetzten, stets präsent blieb. U.a. stimulierte und förderte er dank Colonel Passy, Pierre Brossolette und besonders Jean Moulin die Bewegung der „résistance intérieure“, die er von „France libre“ zum „France combattante“, zum kämpfenden Frankreich transformierte. De Gaulle gilt als Inkarnation Frankreichs während des Krieges. Er stützt sich seit Juni 1940 auf das Freie Frankreich und verteidigt fortdauernd die Interessen Frankreichs im Krieg und für die Zeit nach dem Konflikt, die in seinem Ausspruch gipfeln, „Frankreich hat keine Freunde, es hat nur Interessen“. Er bekommt von Churchill die Unterschrift für den „accord des Chequers“ (7. August 1940) nach dem Großbritanien die Integrität aller französischen Besitzungen und die „integrale Restauration und Unabhängigkeit und die Größe Frankreichs“ erhalten soll. Außerdem erbot sich die britische Regierung, die Ausgaben des freien Frankreichs zu finanzieren, aber de Gaulle bestand darauf, dass die Summen rückzahlbare Vorschüsse und keine Spenden werden, die später einen Schatten auf ihn und die Unabhängigkeit seiner Organisation werfen würden. Die genannten Summen wurden tatsächlich zurückgezahlt und das wohl noch vor dem Ende des Krieges. Bei Prinzipienfragen war de Gaulle unerbittlich. Trotz des durch die Verträge zwischen Churchill und de Gaulle besiegelten Vertrauens waren die Beziehungen teilweise gespannt, aber niemals ungesund. Als Churchill, mangels besserer Argumente de Gaulle vorwarf: „Aber Sie sind nicht Frankreich! Sie sind das kämpfende Frankreich, das haben wir alles schriftlich festgelegt“ erwiderte de Gaulle sofort: „Ich agiere im Namen Frankreichs. Ich kämpfe an der Seite Englands, aber nicht auf Rechnung Englands. Ich rede im Namen Frankreichs und bin ihm zur Rechenschaft verpflichtet.“ Churchill erwiderte daraufhin resignierend: „Ich hatte gehofft, mit Ihnen Seite an Seite zu kämpfen. Aber meine Hoffnungen wurden enttäuscht, weil wenn Sie so kämpferisch wie unzufrieden sind, gegen Deutschland, Italien und Japan zu kämpfen, wollen Sie bestimmt auch gegen England und Amerika kämpfen...“. De Gaulle rückte die Debatte zurecht, indem er präzisierte: „Ich fasse dies als einen Scherz auf, aber er ist nicht von bestem Geschmack. Falls es einen Mann gibt, über den sich die Engländer nicht beschweren können, dann bin wohl ich es.“ Die Beziehungen zu Franklin Delano Roosevelt waren problematischer, da der amerikanische Präsident kein Vertrauen in de Gaulle hatte. In der Tat hassten sie sich. Ein Zitat von de Gaulle an Churchill erklärt in Teilen die französische Haltung angesichts der amerikanischen Arroganz: „Ich bin zu arm, um mich zu beugen“.
Sieg
Trotz Ausschluß von der anlgo-amerikanischen Landung in Nordafrika (Operation Torch) durch Roosevelt und vor allem trotz geleisteter Unterstützung für Admiral François Darlan und schließlich für General Henri-Honoré Giraud durch die USA gelang es de Gaulle in Algier im Mai 1943 Fuß zu fassen. Er schuf von dort das französische Comitée für die nationale Befreiung (CFLN), um die politischen Richtungen des befreiten Frankreichs zu vereinigen und stand alsbald an dessen Spitze. Das CFLN nahm im Juni 1944 den Namen Gouvernement provisoire de la République Française (GPRF) an und zog im September 1944 in das befreite Paris um. Es gelang de Gaulle, eine Alliierte Militärregierung für die besetzten Gebiete in Frankreich zu verhindern und schnell den Freien Französischen Kräften die Regierungsgewalt für die befreiten Gebiete zu übertragen. De Gaulle verstörte viele Résistants, als er sich nach dem Einmarsch in Paris nicht zuerst bei den Kämpfern des la France Combattantes, sondern bei den Gendarmes für ihre Unterstützung bedankte, die erst am letzten Tag die Seiten gewechselt hatten. Auch damit wollte er jede Auseinandersetzung unter den bewaffneten Franzosen, die den Alliierten den Vorwand für eine Besatzungsregierung geliefert hätte, vermeiden. Gleichzeitig erklärte er mit seiner Rückkehr in das Kriegsministerium die Kontinuität der Dritten Republik und die Illegitimität des im Gefolge der Nazis nach Süddeutschland geflohenen Vichy-Regimes. De Gaulle wollte die Reinigung von der Kollaboration nicht den Siegermächten überlassen, sondern betrachtete dies als originäre Aufgabe der Franzosen. De Gaulle sprach sich bei der Befreiung für das Frauenwahlrecht für Französinnen aus. Diese Reform ist nur einer von mehreren Aspekten der gaullistischen Reformen der Befreiung, insbesondere die Bewerkstelligung eines modernen, staatlichen Sozialsicherungssystems. De Gaulle führt seine Visionen in Bayeux am 16. Juni 1946 aus.
unmittelbare Nachkriegszeit
Nach dem Krieg wurde er kurzzeitig Präsident der provisorischen Regierung ab Oktober 1945, aber er demissionierte am 20. Januar 1946, weil er ungeduldig und missbilligend gegenüber der Konstitution der Vierten Republik war. Er verlangte eine stärkere Stellung des Staatspräsidenten in der Verfassung, während die Mehrheit in der Nationalversammlung die Macht beim Parlament konzentrieren wollte. 1947 gründete er eine politische Bewegung, die RPF (Rassemblement du Peuple Français), um die politische französische Szene zu transformieren, aber 1953 zog er sich erneut nach Colombey-les-Deux-Églises zurück.
"Die Hoffnung"
Algerienkrise
Im Anschluss an den Misserfolg der Vierten Republik in Indochina und der konstitutionellen Krise wegen Algerien ließ sich de Gaulle am 1. Juni 1958 zum Ministerpräsident nomminieren und mit den von ihm geforderten, weitreichenden Notstandsmachtbefugnissen für sechs Monate ausstatten. Er nutzte diese Gelegenheit, um eine neue Verfassung beschließen zu lassen. Im September nahm das Volk in einem Referendum die neue Konstitution mit 83% an, wodurch die Fünfte Republik entstand. Alle Kolonien - Algerien wurde nicht als Kolonie, sondern Bestandteil der Republik betrachtet - konnten wählen, ob sie an der Abstimmung teilnehmen oder ihre sofortige Unabhängigkeit wählen wollten - unter Fortfall aller weiteren französischen Unterstützung. Alle Kolonien nahmen an dem Referendum teil - mit Ausnahme Guineas. Im November gewann de Gaulle die legislativen Wahlen und erhielt eine komfortable Mehrheit. Im Dezember wurde er zum Präsident der Republik mit 78% der Stimmen in indirekter Wahl gewählt.
Präsidentschaft der Republik
Charles de Gaulle nahm die Funktionen des Präsidenten der Republik am 8. Januar 1958 auf. Er ergriff schwierige Maßnahmen, um das Land zu revitalisieren, besonders mit der Einführung des neuen Franc (entsprach 100 alten Francs). In der internationalen Szene, die Dominanz der USA und der Sowjetunion ablehnend, stellte er ein unabhängiges Frankreich auf, das mit einer eigenen Nuklearschlagkraft ausgestattet wurde, die letztlich die Großbritanniens übertrifft. Als Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) legte de Gaulle sein Veto gegen den Beitritt des Britischen Königreichs ein. Was den Algerienkrieg betraf, merkte de Gaulle schnell, das es nicht möglich war, ihn zu gewinnen und unterstützte die Unabhängigkeit Algeriens. Diese Haltung provozierte starken Widerstand in einigen nationalistischen Gruppen und de Gaulle sah sich gezwungen, Widerstände der „pieds-noir“ in Algerien zu unterdrücken. Er wurde auch zur Zielscheibe von terroristischen Organisationen, wie der „Organisation de l'armée secrète“ (OAS). 1962 unterzeichnete er einen Waffenstillstand in Algerien (Vertrag von Evian) und ließ ein Referendum durchführen, das die Unabhängigkeit verfügte und im April 1962 in Kraft trat. Im April 1962 wurde der Premierminister Michel Debré durch Georges Pompidou ersetzt. Im September 1962 schlug de Gaulle vor, die Verfassung dahingehend zu ändern, den Präsidenten der Republik durch eine Direktwahl zu wählen. Die Reform der Konstitution trat trotz des Widerstandes des Parlaments in Kraft. Im Oktober votierte die Nationalversammlung für ein Misstrauensantrag gegen die Regierung Pompidous, aber der General lehnte die ihm vom Premierminister angebotene Demission ab und entschied sich, die Nationalversammlung aufzulösen. Die neuen Wahlen stärkte die gaullistische Parlamentsmehrheit.
Außenpolitik
De Gaulle mußte das Ende des Konflikts in Algerien abwarten, um wirklich seine Außenpolitik zu lancieren. In der Tat reduzierte die Bürde Algeriens („boulet algérien“) beträchtlich die französische Manövrierfähigkeit und, in der einen oder anderen Weise, mußte dem Konflikt ein Ende gesetzt werden. Die Politik der „nationalen Unabhängigkeit“ („l'indépendance nationale“) wurde sodann vollständig zur Anwendung gebracht.
Am 19. Dezember 1965 wurde er für ein weiteres Mandat von 7 Jahren zum Präsidenten der Republik wiedergewählt, aber erst beim zweiten Durchgang der Wahlen, bei denen er in einer Stichwahl gegen Francois Mitterand und Jean Lecanuet mit 13.083.699 Stimmen bzw. 55 % gewann. Seine Gegner warfen ihm seinen Nationalismus vor und zogen Argumente aus der abgeschwächten wirtschaftlichen Konjunktur in Frankreich.
International förderte de Gaulle die Unabhängigkeit Frankreichs weiter: Er verweigerte England den Eintritt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), er verurteilte die militärische Hilfe der USA an die Republik Vietnam (genauer: Süd-Vietnam) gegen die vom Viet Minh geführte, kommunistische Rebellion der selbstproklamierten „Volksrrepublik Vietnam“ (also Nordvietnam) und forderte die USA im Interesse eines dauerhaften Friedens zum Abzug ihrer Truppen auf. Er verurteilte ebenfalls den israelischen Gegenschlag gegen die ägyptische Blockade der Meerenge von Tiran während des Sechstagekriegs und die dauerhafte Besetzung des Gazastreifens und der Westbank. Unter de Gaulle näherte sich der einst engste Verbündete Israels der arabischen Welt, insbesondere Ägypten, aber auch Syrien und Libanon an, verhängte ein Waffenembargo gegen Israel, ließ die bereits bezahlten Mirage-Kampfflugzeuge nicht ausliefern und überließ es von da an den Amerikanern, Israel mit Waffen zu beliefern. Bis heute ist die israelkritische, proarabische Orientierung französischer Außenpolitik eine gaullistische Konstante.
1966 zog sich Frankreich aus der integrierten militärischen Kommandostruktur der NATO zurück, während es weiterhin Mitglied der atlantischen Allianz blieb.
Am 14. Dezember 1965 deklarierte de Gaulle: „Selbstverständlich kann man auf den Stuhl wie ein Zicklein springen und rufen: „Europa, Europa, Europa! Aber das führt zu gar nichts und bedeutet gar nichts.“ Dennoch ist es Europa, das den Rahmen seiner Ambitionen festlegt, ein Europa, das selbst vom „Atlantik bis zum Ural“ geht, einen Strich durch den provisorischen Eisernen Vorhang ziehend.
In der Tat war die Hauptstütze der französischen Außenpolitik die Annäherung mit dem anderen Schwerpunkt des Kontinents: Deutschland. Es ist der alte Traum der französischen Diplomatie, die de Gaulle wiederholte, während er den „Angelsachsen“ den Rücken kehrte. Sein vertrauensvolles Verhältnis zu Konrad Adenauer und seine strategische Politik verhinderten den Revanchismus Georges Clemenceaus, der das ohnehin schwierige Verhältnis Frankreichs zu Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg vergiftet hatte. Sie gipfelte im Elysée-Vertrag am 22. Januar 1963. Man kann sich tatsächlich über die gaullistische Unnachgiebigkeit, besonders gegenüber Großbritannien wundern. Für de Gaulle und übrigens auch für Churchill hat Großbritannien lediglich seine „Hausaufgaben“ gemacht und de Gaulle betrachtete Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg weder gegenüber London noch gegenüber Washington als „in ihrer Schuld“, wie dies US-Präsident George W. Bush bei der Feier anläßlich des 60. Jahrestages der Landung in der Normandie selbstverständlich annahm. Gerade um diese außenpolitische Freiheit zu besitzen, hatte de Gaulle seit seiner legendären Rede am 18. Juni 1940 während des Zweiten Weltkrieges soviel Wert auf die Teilnahme französischer Verbände an allen Phasen des Krieges gelegt. In seinen Augen hatte Frankreich sein Territorium auch aktiv selbst befreit und sich nicht passiv befreien lassen. De Gaulle war ein Mann von Prinzipien und die Position Großbritanniens als „Vasall“ der USA seit dem Zweiten Weltkrieg war für ihn albern und keine Frage, die Einfuhr eines derartigen „amerikanischen trojanischen Pferdes“ („cheval de troie américain“) in Mitten Europas zu akzeptieren. Die Briten mußten also bis 1973 warten, bevor sie der Europäischen Union beitreten konnten.
Die Position de Gaulles angesichts der kommunistischen Welt war ohne Zweideutigkeit: er war fanatisch anti-kommunistisch und hatte als Erster den Fall dieses Systems prophezeit. Seit seiner Rückkehr zur Macht 1958 beurteilt er, dass die Bedrohung einer „russischen Invasion“ quasi Null sei. Er propagiert folglich die Normalisierung der Beziehungen mit diesen mit den Augen der Geschichte „vorübergehenden“ Regimen. Die Anerkennung des kommunistischen China ab dem 27. Januar 1964 geht in diese Richtung, wie gleichfalls auch seine Reise in die UdSSR im Juni 1966. Damit nimmt er nur die Erkenntnis Richard Nixons vorweg, der mit seiner spektakulären Chinapolitik den gleichen Schwenk acht Jahre später vollzieht.
Die Beziehungen zwischen de Gaulle und den Vereinigten Staaten waren sicherlich die schwierigsten. Trotz mancher lebhafter Spannungen war de Gaulle immer beim Rendez-Vous im Falle echter, schwerer „Coups“: besonders bei der Berlin- oder der Kubakrise. Im Gegenzug, sobald die Amerikaner die gelbe Linie überschritten, bereitete es dem „Polizist“ de Gaulle große Schadenfreude, einen verbalen Pfeil öffentlich gegen Washington zu richten. Man behält folglich die Rede am 31. August in Phnom Penh in Erinnerung, in der er die amerikanische Attitude zu Vietnam schmähte, „ein Theater von Operationen“, das Frankreich allerdings sehr gut selbst kannte...
Hauptsächlich in der Außenpolitik kommt das gaullistische Denken vom Wesen der Nation zum Ausdruck: „eine gewisse Idee Frankreichs“. De Gaulle schöpft seine Stärke aus dem Wissen von der Geschichte Frankreichs. Nach ihm ist das Gewicht dieser Geschichte der Art, dass sie Frankreich eine besondere Position in Mitten des Konzerts der Nationen gibt. Für ihn und für zahlreiche Franzosen sind England und die USA nur Sprösslinge Frankreichs. Gleichfalls bewertete er die Instutition der UNO als lächerlich und nannte sie „das Ding“ („le machin“), was ihn nicht daran hinderte, den ständigen Sitz Frankreichs im Weltsicherheitsrat einzunehmen.
Attentat von Petit-Clamart
Ein polytechnischer Rüstungsingenieur namens Jean-Marie Bastien-Thiry betrachtete die Organisation der Spaltung des weltstädtischen Frankreichs und Algeriens, selbst durch ein Referendum ratifiziert, als eine Unredlichkeit. Er beschloss mit der Hilfe von Personen, die seine Ansicht teilten (der Bewegung namens OAS für Organisation de l'Armée Secrète) De Gaulle zu entführen oder falls sich eine Entführung als unmöglich herausstellen sollte, ihn zu töten. Ein Attentat wurde auf der Kreuzung von Petit-Clamart organisiert, die heutzutage verschwunden ist. Es scheiterte, obwohl der präsidentielle Citroën DS die Spur einer Kugel aufwies, die die Gesichter des Präsidentenpaares seitlich um einige Zentimeter verfehlt hatte. „Dies hätte ein schönes/sauberes Ende gemacht“, kommentierte de Gaulle, während er das Loch ansah, das der Einschlag hinterlies. (Das Attentat von Petit-Clarmart gab den Plot für den Film Der Schakal.) Obwohl das Attentat scheiterte, stoppte die OAS ihre Aktivitäten nicht und selbst heute noch ist de Gaulles Algerien-Politik teilweise heftig umstritten.
Atomstreitmacht
Überzeugt von der strategischen Bedeutung der Atomwaffe, engagierte de Gaulle das Land unter Protest der Opposition für die kostspielige Entwicklung der „force de frappe“, die sie nur als ein „Bömbchen“ („bombinette“) ansahen. Die Antwort de Gaulles sollte sein: „In zehn Jahren werden wir etwas haben, womit wir 80 Millionen Russen töten können, selbst wenn wir selbst 800 Millionen Franzosen töten, vorausgesetzt es gäbe 800 Millionen Franzosen“. Dafür ließ er 1960 in der algerischen Wüste, ab 1966 auf dem Mururoa-Atoll im Pazifik Kernwaffentests durchführen. Präsident Jacques Chirac folgte in dieser Punkt seinem Vorbild Charles de Gaulle mit demonstrativen Nukleartests im September 1995 auf dem Mururoa-Atoll im Pazifischen Ozean. Die Rolle der USA in dieser Sache erscheint seltsam. Zuerst hartnäckig feindlich gegenüber der Idee, dass auch Frankreich eine Atommacht wird, folgert, ein bisschen vorschnell, dass Frankreich nicht der Größe dieser Herausforderung entspricht. John F. Kennedy hatte für die französische Unterstützung bei der Berlin- und Kubakrise Hilfe in der Nuklearfrage versprochen, aber JFK hielt sein Versprechen nicht... Die Nuklearfrage vergifteten die franco-amerikanischen Beziehungen während der ganzen 1960er Jahre. Deshalb mußte man auf Richard Nixon warten, um erstmalig einen amerikanischen Präsidenten zu finden, der klar profranzösisch war. Mit ihm teilte de Gaulle seine Geringschätzung für Ideologien, multilaterale Verträge und Institutionen. Nixon umschiffte zunächst die verpflichtende amerikanische Legislative in der Nuklearfrage, bevor er offiziell den Weg der nuklearen franco-amerikanischen Zusammenarbeit öffnet. Das Gros der Arbeit war schon geleistet und die französischen „Bömbchen“ („bombinettes“) waren schon sehr effizient. 1968 gelang es Frankreich ohne Hilfe der Amerikaner, die Wasserstoffbombe zur Detonation zu bringen. Die Briten, deren Nuklearstreitmacht eng mit der der Amerikaner verknüpft ist, fassten es als Ohrfeige auf, als de Gaulle Frankreich zur Dritten Atommacht erklärte. Doch die force de frappe bestand aus landgestützten Mittelstreckenraketen auf dem Plateau d'Albion, seegestützten Mittelstreckenraketen auf U-Booten und Atombomben, die von Flugzeugen abgeworfen werden konnten. Nicht zuletzt um auch auf diesem Gebiet von den beiden Supermächten unabhängig zu bleiben, forcierte er den Bau eigener französischer Kampf- (der Dassault Mirage III) und Zivilflugzeuge (der Caravelle als Vorläufer des späteren Airbus). Auch die europäische Trägerraketentechnik, deren ziviler Zweig ELDO mit den Europa-Raketen war, wurde von de Gaulle in diesem Zusammenhang vorangetrieben. Während François Mitterand sich in virulenten Weise gegen dieses Bömbchen sperrte, versagte sich de Gaulle nicht das Vergnügen, die Aufsicht des Projekts seinem Bruder, Jacques Mitterand anzuvertrauen. Dabei stichelte er: „Ist es, dass einer kritisiert, dann stellt der andere es sicher.“ Während der Amtszeit Präsident Mitterands wurde sogar die Neutronenbombe eingeführt.
Konversion des Dollars
Aufgrund der Empfehlung des Ökonomen Jacques Rueff, der durch den Vietnamkrieg die amerikanische Zahlungsbilanz aus dem Gleichgewicht geraten sah, ersuchte de Gaulle die USA um einen Transfer der französischen US-Dollar Währungsreserven in Gold wie übrigens auch die Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt einen beträchtlichen Teil ihrer Goldreserven auf diesem Wege erhielt. Die Operation war legal, da der Dollar zu dieser Zeit offiziell im Verhältnis zu 1 : 35 Goldunzen definiert war. Die USA entsprachen ihren eigenen Verpflichtungen von Bretton Woods und das Gold wurde nach Frankreich transferiert. 1971 machten die USA der Parität ein Ende, um den Kurs des Dollar floaten zu lassen. Von 1973 bis 1975, nach dem Öl-Preisschock, stieg der Kurs des Goldes, während der Kurs des Dollar zunehmend verfiel. Der Ratschlag von Jacques Rueff erwies sich als auf lange Sicht gut.
Die Affaire des „Quebec Libre“
De Gaulle wollte an der 100 Jahrfeier der Nation in Kanada und der Weltausstellung 1967 teilnehmen, provozierte jedoch die Empörung der Föderalisten, als er in Montréal vor einer Menge von 100.000 Québécois, deklarierte: „Es lebe das freie Quebec!“ („Vive le Quebec libre!“), begleitete von allgemeinen, großen Ovationen, falls man den gefilmten Ausschnitten der Zeit glaubt. Dies löste eine Regierungskrise in Kanada aus. In der Folge der Rede de Gaulles, die eine gewisse Menge an Augenzwinkern enthielt („Aber nach alledem fühlt man sich wie zu Hause hier“, „ich werde euch ein kleines Geheimnis verraten, das Ihr Niemandem weitererzählen werdet: auf meinem Weg habe ich eine Atmosphäre gesehen, die mich an die Befreiung erinnert hat“), erklärte der kanadische Premierminister Lester B. Pearson seine Worte für „inakzeptabel“. De Gaulle antwortete, dass das Wort „inakzeptabel“ selbst inakzeptabel war und sagte (aber hatte man ihn nicht diplomatisch dazu gezwungen?) unilateral die vorgesehene Visite in Ottawa ab. Er kehrte auf der Stelle an Bord desKreuzers Colbert nach Frankreich zurück – die Wahl eines Kriegsschiffs als Transportmittel war offensichtlich eine Botschaft. Das Ziel de Gaulles war es nicht, Aufruhr zwischen Quebec und Kanada zu provozieren, sondern eher die Franzosen in Kanada angesichts der angelsächsischen Nachbarn aufzumuntern. Aber man stelle sich vor, ein ausländischer Staatsgast hätte bei einem Staatsbesuch in Perpignan „Es lebe das freie Langedoc“ unter dem Beifall Tausender Südfranzosen gerufen - de Gaulle hätte dies sicher auch als Provokation empfunden. Der große Mann sagte außerdem bei dem Schritt der Visite in Quebec:„Ich habe sie 30 Jahre gewinnen lassen“. Über seine Kritiker hatte er ungefähr diese Worte: „Es gibt drei Kategorien von Leuten, die dies ärgern wird. Die Diplomaten, aber gut, um die kümmern wir uns, die Journalisten, aber wir pfeifen auf sie, da sie nicht die Geschichte schreiben und schließlich die Angelsachsen. Die haben mich noch nie gemocht, also...“
Die Regierung von Ottawa mußte seit dieser Zeit mit einer besonderen Achtsamkeit auf die Forderungen der Québécois achten, die, von dieser Ermunterung erstarkt, weil sie von einer gegebenenfalls starken Unterstützung Frankreichs ausgingen, anfingen, über eine Sezession zu reden.
Dieses Beispiel ist heute ein Schulbeispiel in der Spieltheorie geworden, zum selben Titel wie die Raketenkrise auf Kuba. Um einen Ausdruck de Gaulles aus anderen Zusammenhängen wieder aufzugreifen: „Sie hätten weiter ruhig das Kartenspiel spielen wollen, aber ich zwang sie, Poker zu spielen und da bin ich der Stärkere.“
Man kann sich über die Fürsorglichkeit Charles de Gaulles bezüglich der frankophonen Kanadier nur wundern, angesichts der Tatsache, daß sie während des Zweiten Weltkriegs vielfach Pétainisten und feindlich gegenüber dem Freien Fankreich waren, im Gegensatz zu den anglophonen Kanadiern und der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die, zu dieser Zeit, den Gaulle gegen die Vichy-Regierung unterstützt haben.
Mai 1968
Die Demonstrationen während der Streiks von 1968 waren eine weitere Herausforderung. De Gaulle war bereit, die Forderungen der Demonstranten zu akzeptieren. Er wollte ein Referendum über die Reformen durchführen lassen, aber Georges Pompidou überredete ihn, eher die Nationalversammlung aufzulösen. De Gaulle kündigte es am 30. Mai 1968 in der Rede an, von der nur der Ton übertragen wurde. Die Sätze waren kurz, jeder einzelne fast eine Entscheidung: „Als Inhaber der nationalen und republikanischen Legitimität habe ich seit 24 Stunden alle Eventualitäten, ohne Ausnahme, erwogen, die mir es ermöglichen würden, sie zu erhalten.“ (In den Medien war spekuliert worden, dass de Gaulle kurz vor der Rede General Massu in Baden-Baden mit einem Helikopter besucht und mit ihm wahrscheinlich den Einsatz der Armee zur Niederschlagung der Unruhen erörtert hatte.)
- „Ich habe meine Entschlüsse gefasst. Unter den gegenwärtigen Umständen werde ich mich nicht zurückziehen.“
- „Ich werde nicht den Premierminister wechseln, der die Anerkennung von uns allen verdient.“
- „Ich löse heute die Nationalversammlung auf.“
- „Ich beauftrage die Präfekten, die Kommissare über das Volk geworden oder wieder geworden sind, die Subversion zu jeder Zeit und an jedem Ort zu verhindern.“
- „Was die Legislativwahlen angeht, so werden sie in den von der Verfassung vorgesehenen Fristen stattfinden, zumindest bis man hört, dass das ganze französische Volk mundtot gemacht wird, in dem man es davon abhält, sich auszudrücken und gleichzeitig davon abhält, zu leben, durch dieselben Maßnahmen man versucht, die Studenten vom Studieren abzuhalten, die Lehrer vom Lehren, die Arbeiter vom Arbeiten. Diese Mittel, das sind die Einschüchterung, die Vergiftung und die Tyrannei, ausgeübt seit langer Zeit in Folge durch organisierte Gruppen und einer Partei, die eine totalitäre Unternehmung ist, selbst wenn es schon Rivalen diesbezüglich gibt.“ (Er zielte auf die kommunistische Partei Frankreichs (Parti communiste français)).
- Das Ende der Rede erwähnt betreffend der kurz vorhergehenden Deklaration und ohne sie zu zitieren „die Ambition und der Hass der ausrangierten Politiker“, und bestätigt, dass „nach der Benutzung“ die Persönlichkeiten diese „nicht mehr wiegen würden, als deren Gewicht, was nicht viel sein würde“.
Nach den ein wenig enttäuschenden, vorangegangenden Reden scheint das Volk seinen de Gaulle der großen Tage wiederzuentdecken. Eine Demonstration wurde organisiert (die am 13. Mai 1968), die nach Angabe der Organisatoren von einer Million Teilnehmern, nach Angaben des Polizeipräsidiums 300.000 Teilnehmer besucht wurde. Die Wahlen vom Juni 1968 wurden ein großer Erfolg für die Gaullisten, die 358 von 487 Sitzen erhielten. Im Juli wurde Georges Pompidou durch Maurice Couve de Murville ersetzt.
Das Referendum
In einem Referendum schlug de Gaulle den Transfer einiger Machtbefugnisse an die Regionen und die Transformierung des Senats vor, in dem er Regionalräte aus Repräsentanten der professionellen und gewerkschaftlichen Organisationen einzuführen beabsichtigte. Sein ganzen Gewicht in das Referendum einbringend, kündigte er im Voraus im Falle des Sieges des „non“ seine Rücktrittsabsichten an. Dieses, zu dem Valérie Giscard d'Estaing zusammenführte, nahm ihn bei 52,46% mit, und de Gaulle gab kurz nach Mitternacht bekannt: „Ich höre auf, die Funktionen des Präsidenten der Republik wahrzunehmen. Diese Entscheidung wirkt ab heute Mittag“. Charles de Gaulle nahm also am 28. April 1968 Urlaub, erholte sich in Irland (von wo aus er per Brief wählte) und zog sich schließlich in Colombey-les-Deux-Églises zurück, wo er an seinen Mémoiren arbeitete und am 9. November 1970 starb.
Ein stolzer/hochmütiger Tod
Sein Testament bleibt eine letzte Ohrfeige außerhalb des Grabes für die Konventionen:
- „Ich möchte in Colombey beerdigt werden“.
- „Bei meiner Beisetzung weder Politiker noch Minister!“ (Der Finanzminister Valéry Giscard d'Estaing nahm trotzdem teil, argumentierend, dass er nicht als Minister kommt, sondern als einfacher Franzose) „Lediglich die Compagnons der Befreiung“ (was Jacques Chaban-Delmas und André Malraux einschloss. Alle anderen Offiziellen, inklusive Präsident Nixon, mussten sich mit der Teilnahme an einer simplen Messe zu seinen Ehren zur selben Zeit in Notre-Dame in Paris zufrieden geben. De Gaulle war der letzte der Riesen des Krieges, der die Welt der Lebenden verließ und die Prominenz der ganzen Welt für eine simple Messe in Notre-Dame versammelte.
- „Auf meinem Grab: Charles de Gaulles, 1890-19... Nichts anderes“
Zweifelsohne hatte de Gaulle im Gegensatz zu einigen Politikern seiner Zeit (es gab einige Immobilienskandale) nicht von seinem Staatsamt persönlich profitiert, um sich zu bereichern: seine Erben mußten sogar seinen Besitz der Boisserie in Colombey verkaufen. Durch eine Subskription zurückgekauft, ist es heute das Charles de Gaulle Museum geworden.
Erinnerung
Zahlreiche öffentliche Strassen und Gebäude tragen seinen Namen in Frankreich. Im Besonderen der Place de l'Étoile in Paris und außerdem der Flughafen Roissy – Charles de Gaulle. Sein Name wurde auch dem gegenwärtig letzten Flugzeugträger, dem Charles de Gaulle gegeben. Erstaunlicherweise, einige Jahre nach dem Tode de Gaulles, fangen viele Leute an, die ihn zu seinen Lebzeiten kritisiert haben, sich auf ihn zu berufen. Dies hat es vielen ermöglicht, sich einer berühmten Phrase des General de Gaulles zu erinnern: „alle waren, sind oder werden Gaullisten sein“.
Mißerfolge
Die gaullistische Periode kannte nicht nur Erfolge.
- Er scheiterte vor dem Zweiten Weltkrieg, die politische Klasse zu bewegen, die Armee zu modernisieren.
- Er fühlte sich gezwungen, 1946 zu demissionieren.
- Seine Einstellung zur Entkolonialisierung war zweideutig. Jacques Foccart war beauftragt, diskret das wieder zu erlangen, was offiziell aufgegeben wurde. Hier verstärkten sich die „Netze Foccarts“ („réseaux Foccart“), die sogleich durch die Pourfendeurs der Franceafrique denonciert wurden.
- Die Beseitigung des marokkanischen Gegners Mehdi Ben Barka auf französischem Territorium unter Mitwirkung der französischen Polizei, unterstreicht die Doppeldeutigkeit der Entkolonialisierung.
- Falls die Mehrheit der Franzosen die Meinung über die Frage der „Algérie francaise“ zwischen 1954 und 1962 geändert hätte, hätten es jedoch einige der Anderen de Gaulle nicht verziehen, sich mit der „Algérie algerienne“ zusammenzutun, nach dem er 1958 den Slogan „Vive l'Algerie française“ ausgerufen hatte. (In der Wirklichkeit nur ein mal und an einem abgelegenen Ort Algeriens, bei der „Tournee der Kumpels“ genannten Inspektion. François Mitterand hatte seinen analogen Stimmungsumschwung über die Algerienfrage - noch später - erfahren). Deswegen war de Gaulle nie bei der Mehrheit der algerienstämmigen Franzosen beliebt gewesen, die während des Krieges in großen Teilen Pétainisten waren.
- Aber, gleichgültig ob man für oder gegen die Algerienpolitik de Gaulles war, bedauerlich bleibt der unverzeihliche Fehler, den er gegenüber den Harkis (algerische Moslems, die auf französischer Seite mitgekämpft hatten) und ihren Familien durch seinen Minister Joxe begehen ließ, der den Harkis das Asyl in Frankreich verweigerte, nachdem er sie zuvor entwaffnen ließ.
- De Gaulle hatte niemals die Notwendigkeit eines fortschrittlichen Telefonnetzwerks in Frankreich ernst genommen. Er sah sie als die Post der Reichen an (nachdem sich die Kosten gegenläufig entwickelt hatten, ist es heute die Post der Armen geworden). Er veranlasste Valérie Giscard d'Estaing, während seines einzigen Septenats (siebenjährige Amtsperiode) mehr Telefonkabel verlegen zu lassen, als in Frankreich seit 1900 verlegt wurden, was die Prosperität der Gesellschaft Alcatel garantierte.
- Die Atlantiker beurteilen, dass seine Annäherung an die osteuropäischen Länder von 1966 von einigen Historikern (welche?) Fragen ausgehändigt wurden und sahen darin eine Instrumentalisierung seiner Politik durch die Sowjets, deren Vision des Kalten Krieges dienend und der der USA abträglich wirkend.
- Der Überschallflieger Concorde, der gemeinsam mit Großbritannien gebaut und von Air France und British Airways geflogen wurde, geriet wegen des amerikanischen Boykotts zu einem kommerziellen Fehlschlag.
- Sein letztes Referendum war für ihn fatal. Er erhielt nicht die Mehrheit und gab die Macht auf.
- Er wollte nicht, dass man auf seinem Grab etwas anderes erwähnte als seinen Namen und seine Lebensdaten. Seine „Freunde“ haben ein gigantisches lothringisches Kreuz zu seinem Gedenken gebaut, das man gut von Weitem an seinem Grab sehen kann und es dominiert.
Anekdoten
Der Abzug der Nato-Truppen hatte für die Erwachsenden der 60er Jahre eine schwierige Konsequenz: Das Verschwinden der ganzen Rock-Musik auf UKW, die für die in Frankreich lebenden Familien der Nato-Soldaten ausgestrahlt wurde. Eine schwere Stille in Sachen Pop-Musik entstand auf dem FM-Band, die sich erst 1968 ein bißchen mit der TSF 68 (dem Vorfahre des FIP) löste. Es gab insgesamt und für alles nur vier Stationen auf dem FM-Band. Nach einem Geplänkel, darunter das des Radios FI Bleu, wurden die Radiofrequenzen 1981 unter François Mitterand liberalisiert, zum Besseren oder Schlimmeren.
Durch den monatlichen Sciences et Vie befragt, sagte der Präsident des Mensa (der Klub der großen IQs) in England „Der General de Gaulle würde ohne die geringsten Schwierigkeiten den Aufnahmetest der Mensa bestehen“. Zur selben Frage die Königin Elizabeth II. des Vereinigten Königreichs betreffend, weigerte er sich zu antworten.
Die englische Presse (unter anderen der Daily Mirror) unterstellte Anfang der 1960er Jahre de Gaulle einige Zeit die Intention, in Frankreich die Monarchie zu retablieren! Der Ursprung dieses Gerüchts, war ein simpler Scherz seinerseits mit dem Grafen von Paris, der de Gaulle fragte, wer ihm nachfolgen würde und als Antwort bekam: „Warum nicht Sie, Monseigneur?“, aber von den Nächsten des Interessierten zweifelsohne im engeren Sinne aufgenommen wurde. Die Angelegenheit erschien in Frankreich so absurd, dass sie nur durch eine spezialisierte Presse aufgenommen wurde. Was man nicht wusste war, dass die einem französischen General nachgesagten Absichten, durch einen anderen – spanischen - General im Begriff war, mit dem jungen Prinz Juan Carlos umzusetzen.
De Gaulle hatte nichts gegen die Monarchie, aber er schätzte sie einfach als in Frankreich für nicht mehr möglich ein.
Die Beurteilung der Geschichte
Die Jahre, die Jean Fourastié die dreissig Glorreichen („trente glorieuses“) (1945-1975) genannt hatte, hatten den Franzosen die Erinnerung an einer Epoche hinterlassen, die wenn nicht glücklich (zwei Kolonialkriege), dann zumindest von Wachstum und – gegen Ende – von Prosperität gekennzeichnet war. „Wir sind nicht die Reichsten, wir sind nicht die Mächtigsten, aber ich garantiere Euch, dass wir unter den Glücklichsten sind“, bestätigte Georges Pompidou bei den üblichen Neujahrsansprache an die Franzosen. Nun das Ende dieser glücklichen Periode läßt sich in etwa mit dem Ende des Gaullismus in Zusammenhang bringen: Es ist schwierig unter diesen Umständen objektiv zu trennen, was dem Menschen und seinem designierten Dauphin gebührt und von dem, was der Wirtschaft gebührt, so wie beide nicht ohne Überschneidung sind.
- Im Rückblick erscheint heute der Präsident der Fünften Republik wie einer der letzten großen Macher der Geschichte, der, wie man es von höherer Sicht sieht, es verstanden hat, die Ereignisse zu lenken, anstatt sich von den Ereignissen lenken zu lassen. Sein für einen Politiker seiner Epoche unkonventionelles Vokabular (culbute, chienlit), sein Humor („Glaubt man, dass ich im Alter von 67 Jahren eine Karriere als Diktator anfange?“) und seinen Sinn für Schlagfertigkeit (bei einer Pressekonferenz hatte er dem Journalisten bei der einfachen Frage „Wie geht es Ihnen?“ geantwortet: „Mir geht es gut, aber seien Sie versichert, ich werde es nicht versäumen, zu sterben“), seine plakative Verachtung für die politischen Parteien, sein Mißtrauen gegenüber einer Rechten, die er nicht mochte und es ihm 1969 zeigte, wie gegenüber der Linken, die nie wirklich das Projekt der participation unterstützte (Gehälter entsprechend den Profiten der Unternehmen), das ihm teuer war, das alles hat dazu geführt, dass zahlreiche Franzosen für ihn, sei es spät, die selbe Art von Sympathie wie für Jean Yanne oder Coluche hegen. De Gaulle war sehr im Geiste „Asterix“: „Der Kleine, der keine Angst vor den Großen hat“. Man wunderte sich nicht über seine Erklärung, dass sein Lieblingsbuch Cyrano de Bergerac war. Eines Tages machte er folgende ironische Bemerkung: „Im Grunde habe ich nur einen internationalen Rivalen: das ist Tintin.“
Familie
siehe auch: Familie de Gaulle.
Charles de Gaulle hatte am 7. April 1921 Yvonne Vendroux (22. Mai 1900 bei Calais – 8. November bei Paris 1979) geheiratet, mit der er drei Kinder zeugte:
- Philippe de Gaulle (28. Dezember 1921 bei Paris), Admiral, danach Senator.
- Élisabeth de Gaulle, geboren am 15. Mai 1924 in Paris.
- Anne de Gaulle (1. Januar 1928 bei Trier – 6. Februar 1948 bei Colombey-les-Deux-Églises), geistig behindert geboren.
Charles hatte drei Brüder, von denen zwei Résistants waren:
- Xavier de Gaulle (1887-1955), Kriegsgefangener, danach Résistant während des Zweiten Weltkriegs, er ist der Vater von Geneviève de Gaulle-Anthonioz.
- Jacques de Gaulle (1893-1946), 1926 behindert nach einer Gehirnentzündung.
- Pierre de Gaulle (1897-1959), Résistant, Politiker, danach Unternehmensverwalter.
Ein Enkel Charles de Gaulles trägt seinen Vornamen, nicht zu verwechseln mit: Charles de Gaulle (* 1948)
Werke
- La discorde chez l'ennemi (1924)
- Histoire des troupes du Levant (1931) écrit par le major de Gaulle et le major Yvon, avec le colonel de Mierry collaborant à la préparation du texte final.
- Le fil de l'épée (1932)
- Vers l'armée de métier (1934)
- La France et son Armée (1938)
- Trois études (1945) (Rôle historique des places fortes ; Mobilisation économique à l'étranger ; Comment faire une armée de métier) suivi par le Mémorandum du 26 janvier 1940.
- Mémoires de Guerre
- Volume I - L'Appel, 1940-1942 (1954)
- Volume II - L'Unité, 1942-1944 (1956)
- Volume III - Le Salut, 1944-1946 (1959)
- Mémoires d'Espoir
- Volume I - Le Renouveau, 1958-1962 (1970)
- Discours et Messages
- Volume I - Pendant la Guerre, 1940-1946 (1970)
- Volume II - Dans l'attente, 1946-1958 (1970)
- Volume III - Avec le Renouveau, 1958-1962 (1970)
- Volume IV - Pour l'Effort, 1962-1965 (1970)
- Volume V - Vers le Terme, 1966-1969
Corinne Maier hat zwei Psycho-Analysen gemacht.
Bibliografie
- Paul-Marie Coûteaux, Le génie de la France. Tome I: De Gaulle philosophe, Paris, Éd. Jean-Claude Lattès. 323 p., 2002.
- Jean-Louis Crémieux-Brilhac, La France Libre, Paris, Gallimard, 1996.
- Yves Maxime Danan, La vie politique à Alger de 1940 à 1944, Paris, Librairie générale de Droit et de Jurisprudence, 1963.
- Vincent Jouvert, L'Amérique contre De Gaulle, Paris, Seuil, 2000.
- Jean Lacouture, De Gaulle, Paris, Éditions du Seuil, 1984.
- Jean Lacouture, De Gaulle, (3 volumes): 1 — Le Rebelle (1890-1944), 2 — Le Politique (1944-1959), 3 — Le Souverain (1959-1970), 1984, 1985 et 1986. Paris, « Points Histoire », 1990.
- Dominique Venner, De Gaulle, la grandeur et le néant, Monaco, Éditions du Rocher. 300 p., 2004.
- Philippe de Gaulle, Entretiens avec Maurice Tauriac: De Gaulle, mon Père, Paris, Plon 2003.
Anlagen
siehe auch:
- Charles de Gaulle (Philatelie)
- Familie de Gaulle
- Amtszeit Charles de Gaulle
- die gaulistischen politischen Parteien
- Place de l'Étoile à Paris
Wikisource
Weblinks
- Frankreich, Präsidentschaftswahlen 1965 (in Französisch)
- Stiftung und Institut Charles de Gaulle (in Französisch)
- sehr detaillierte Biografie (in Französisch)
- Informationscentre über den Gaullismus (in Französisch)
Personendaten | |
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NAME | de Gaulle, Charles |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 22. November 1890 |
GEBURTSORT | Lille, Nord, Frankreich |
STERBEDATUM | 9. November 1970 |
STERBEORT | Colombey-les-Deux-Églises |