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Moderne Sage

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Großstadtmythen (engl.: urban legends), auch moderne Mythen, Wandermärchen oder -sagen sind mehr oder weniger skurrile Anekdoten, die meist mündlich, häufig auch per E-Mail weitergegeben werden und deren Quelle sich nicht mehr zurückverfolgen lässt. In seltenen Fällen werden sie auch als Nachricht in den Medien verbreitet.

Zum Begriff

Der Begriff Urban Legend wurde zum ersten Mal von Jan Harold Brunvand, einem Professor für Englisch, bekannt gemacht. In seinem 1981 erschienenen Buch The Vanishing Hitchhiker: American urban Legends & Their Meanings (Der verschwundene Anhalter: Amerikanische Urban Legends und deren Bedeutung) benutzte er eine Sammlung dieser Geschichten, um zwei Aussagen zu machen:

  1. Legenden, Mythen und Folklore kommen nicht nur bei so genannten primitiven oder traditionellen Gesellschaften vor und
  2. durch die Untersuchung solcher Legenden man kann viel über urbane und moderne Kultur lernen.

Meist wird berichtet, dass die Geschichte einem Freund eines Freundes passiert sei im Stil „Ich kenne jemanden, der kennt jemanden, der das Foto definitiv gesehen hat!“. Ein Phänomen das auf Gälisch, der ursprünglichen irischen Sprache, das Dhúirt bean liom gur dhúirt bean leí-Syndrom genannt wird (soviel wie: Eine Frau sagte mir, dass eine Frau ihr sagte, …).

Berühmte moderne Mythen und weitere Beispiele

Papstkrone (Tiara)
  • Die Geschichte über eine Frau, die von Spinnen getötet wurde, die in ihrer aufwändigen Frisur nisteten. Bereits im 19. Jahrhundert wurde eine Variante kolportiert, in der Mäuse in der Perücke einer Dame des ausgehenden 18. Jahrhunderts nisteten.
  • Die Geschichte von dem Mann auf einer Geschäftsreise, der von einer Frau verführt wurde und am nächsten Morgen aufwachte und bemerkte, dass eine seiner Nieren zur Transplantation entfernt wurde.
  • Bekannt ist auch die Legende vom Krokodil im Kanal.
  • Die Geschichte vom Mann, der in einem Bus der Mutter eines Kindes mit der Bemerkung „Ich bin auch antiautoritär erzogen“ eine kräftige Ohrfeige verpasst, nachdem diese seine Aufforderung, sie möchte doch das Kind bewegen, nicht ständig einer alten Frau ans Schienbein zu treten, mit dem Satz „Mach ich nicht, das Kind wird antiautoritär erzogen.“ abgewiesen hatte.
  • Eine klassische Urban Legend besagt, dass die Krone des Papstes, die päpstliche Tiara, die Worte „Vicarius Filii Dei“ (Statthalter des Sohnes Gottes) enthalte. Wenn man daraus die Buchstaben, die zugleich Römische Ziffern sind, aufsummiert, ergibt sich Sechshundertsechsundsechzig, die Zahl des Antichristen, wie sie in der Bibel erwähnt ist. Obwohl diese Geschichte einfach falsifizierbar ist (alle Papstkronen seit dem 16. Jhd. können öffentlich besichtigt werden und auf keiner davon sind diese Worte zu finden), wird dieser Mythos insbesondere in radikal-protestantischen Kreisen weiterhin geglaubt, mit immer dem selben Hinweis auf ein Foto eines Papst-Begräbnisses vom Anfang des 20. Jahrhunderts (wahrscheinlich von Papst Leo XIII. 1903), das die Existenz einer päpstlichen Tiara mit diesen Worten beweise. Das Foto ist allerdings bis heute nicht aufzufinden.
  • Die Geschichte vom Dönerladen in der Nachbarstadt, in dessen Joghurtsoße Ejakulat von 9 verschiedenen Männern gefunden worden sei.
  • Die Geschichte von den beiden Jugendlichen, die rückwärts in einen Kreisverkehr fuhren. Als sie mit dem Heck gegen ein Fahrzeug knallten und die Polizei verständigt wurde, ging der Polizist zuerst zum anderen Auto und meinte anschließend zu den Jugendlichen: „Sie haben nichts zu befürchten, der da hinten ist so besoffen, der sagt, Sie wären rückwärts gefahren.“
  • Die Legende des Bermudadreiecks, in dessen Bereich vornehmlich im 20. Jahrhundert Schiffe und Flugzeuge verschwunden sind bzw. sein sollen. Die verschiedenen Erklärungsversuche basieren sowohl auf paranormalen Geschehnissen (hervorgerufen durch Außerirdische, Parallelwelten, Zeitverzerrungen bis hin zu Atlantis), als auch auf wissenschaftlichen Ansätzen, die von Methangasvorkommen, Stürmen oder Auswirkungen der Plattentektonik ausgehen. Ein anderer Ansatz geht davon aus, dass es gar keine unverhältnismäßig hohe Zahl verschollener See- und Luftfahrzeuge im Bereich des Bermudadreiecks gibt und es somit keiner weiteren Erklärung bedarf.
  • Eine 10-Cent-Münze, die man vom Empire State Building wirft soll angeblich so schnell fallen, dass sie einem am Boden stehenden den Schädel durchschlagen könne. Dazu müsste in New York allerdings ein Vakuum herrschen.
  • Der Spruch „Ich glaube an keine Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“ wird gemeinhin Churchill zugerchnet, dies ist jedoch grob falsch, da gerade Chruchill höchsten Wert auf vollständige Datenerfassung gelegt hat. In Wirklichkeit stamm der Spruch aus einer französischen Zeitung und wurde dann von Göbbels gegen Churchill aufgegriffen.
  • Cow Tipping, (englisch für Kuhschubsen) eine angeblich beliebte Beschäftigung amerikanischer Jugendlicher nach Partys und Kneipentouren, bei der schlafende Kühe umgestoßen werden sollen. Dies sei aufgrund ihres tiefen Schlafes und hohen Schwerpunktes besonders einfach. Diese Urban Legend hat ihren Ursprung wahrscheinlich darin, unbedarfte Jugendliche städtischer Herkunft bei Besuchen auf dem Land bloßzustellen, indem man sie des Nachts auf Kuhweiden herumlaufen lässt.
  • Die Geschichte von George Turklebaum, der in New York fünf Tage tot an seinem Schreibtisch gesessen haben soll, ohne dass es seinen Kollegen auffiel, schaffte es bis in die Londoner Times, den Guardian und die BBC.
  • Häufiges Haareschneiden oder Rasieren soll angeblich das Haarwachstum fördern (von Professor Eberhard Heymann von der Universität Osnabrück widerlegt.)
  • Teflon wurde angeblich von der NASA entwickelt und war ursprünglich für die Raumfahrttechnologie bestimmt. Bratpfannen mit Teflonbeschichtung gab es jedoch schon 1938, also vor Gründung der NASA.
  • Ein verbreitetes Gerücht ist, dass die Indianer nicht nach Indien benannt seien, sondern die Bezeichnung vielmehr auf dem Ausspruch Columbus beruhe, die Indianer seien „una gentre en dio“ - „ein Volk in Gott“, woraus sich dann „Indianer“ entwickelt haben soll.
  • Die Legende vom Samenstau besagt, dass der männliche Körper immer weiter Spermien produziere und wenn keinerlei Entleerung (durch Sex oder Masturbation) geschehe, irgendwann der Mann unglaublich erregt sei und der Hodensack anschwelle. Tatsächlich werden jedoch ungebrauchte Spermien vom männlichen Körper stets resorbiert. Dadurch kann ein „Stau“ der Samenflüssigkeit gar nicht entstehen.
  • Die Legende, dass Kühe nicht schwimmen könnten, da sie keinen analen Schließmuskel besäßen und von unten „zu laufen würden“, wurde erstmals auf der satirischen Seite der TAZ „die Wahrheit“ behauptet. Seitdem schafft sie es auf viele Homepages, viele Emails und in einige dubiose TV-Game-Shows.
  • Auf der Loveparade oder der nächst größeren Disco hat „ein Freund von einem Freund“ eine Spritze mit Blut von einem HIV infizierten injeziert bekommen. Anbei war ein Zettel „Willkommen im Club“. Auf der Spitze der Spritze war ein Gift, dass die Nerven betäubt, so dass der Einstich nicht bemerkt wurde.

Berühmte falsche wissenschaftliche Aussagen

  • Die Chinesische Mauer soll man vom Mond aus mit bloßem Auge sehen können. Dies kann jedoch nicht der Fall sein, da die Mauer zwar eine große Länge besitzt, jedoch nicht breiter als eine mehrspurige Autobahn ist, welche man aus dem Weltall auch nicht sehen kann.

Geschichte

Einige frühe Historiker wie z. B. Tacitus, Geoffrey von Monmouth und Herodot waren die Stammväter der urbanen Mythen. Sie überlieferten Gerüchte und anekdotische Berichte als historische Fakten. Diese Aufzeichnungen waren dann wiederum die Grundlage für andere Berichte, und so wurden vielfach wiederholte nicht exakte Überlieferungen zu einem selbstlaufenden Teufelskreis. Heutzutage behandeln Historiker historische Belege von Geschichtsschreibern wie den erwähnten mit äußerster Vorsicht. (Eine Liste von diesen und anderen Werken, die als verdächtig angesehen werden, kann man im englischsprachigen Wikipedia unter Dubious historical resources finden.)

Quellen

Es gibt eine vielbesuchte, englischsprachige Usenet-Newsgroup namens news:alt.folklore.urban (deutscher Ableger: news:de.alt.folklore.urban-legends ), in der über diese Geschichten diskutiert wird. Die FAQ dieser Newsgroup fasst zusammen, welche der Geschichten wahr sind und welche nicht, sofern das feststellbar ist. Eine ähnliche Liste kann man auf der „Urban Legends Reference Page“-Website unter [snopes.com] finden. Eine andere gute Quelle ist Virus Myths, eine weitere die Darwin-Awards, die jedes Jahr einige Geschichten als besonders fragwürdig herausstellen (früher hat diese Seite ihre Urban Legends als Fakten präsentiert).

Schießlich gibt es Hoaxbusters, ein vom amerikanischen Energieministerium angebotener Dienst, der sich um alle Arten von Hoaxes kümmert, die über Computer verteilt werden.

Es gibt eine Reihe bekannter Aufdecker urbaner Legenden, die sich durch die Aufklärung verschiedener Legenden einen Namen gemacht haben:

Siehe auch

Literatur