Neue Musik
Als Neue Musik werden meistens unterschiedliche Musik- und Kompositionsrichtungen des 20. und 21. Jahrhunderts bezeichnet, die als Gegenbewegung zur romantischen Tradition des 19. Jahrhunderts innerhalb der europäischen Konzertmusik entstanden. Der Übergang zur Neuen Musik wird ab etwa 1900 mit Claude Debussy, dem führenden Vertreter des Impressionismus, angesetzt.
Die folgenreichste Stilrichtung der Neuen Musik im deutschsprachigen Raum und vielleicht auch außerhalb war die Zweite Wiener Schule. Ihre wichtigsten Vertreter:
- Arnold Schönberg sowie seine Schüler Alban Berg und Anton von Webern.
Wichtige Stilelemente der Zweiten Wiener Schule sind die Atonalität und die Zwölftontechnik (Dodekaphonie)
Weitere Strömungen der Neuen Musik zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind u.a.:
- Volksmusik als Quelle neuer kompositorischer Entdeckungen: u.a. bei Béla Bartók.
- Atonalität und Zwölftontechnik (unabhängig von der Neuen Wiener Schule): Alexander Skrjabin.
- Futurismus: Luigi Russolo, George Antheil
- Neoklassizismus (Musik): u.a. Igor Strawinsky, Sergej Prokofjew, Francis Poulenc, Alfredo Casella.
- Synthese von U-Musik und E-Musik: u.a. George Gershwin, Kurt Weill.
- radikale Experimente verschiedenster Art: u.a. Charles Ives.
- Experimente mit Mikrointervallen: u.a. Alois Hába, Ivan Wyschnegradsky
- Bruitismus: Edgar Varèse
- sogenannte gemäßigte Moderne: u.a. Ernst Toch, Maurice Ravel.
Während der Zeit des Nationalsozialismus werden die meisten Formen der Neuen Musik, ebenso wie beispielsweise die Jazzmusik, als „entartet“ eingestuft und verboten oder unterdrückt. Die Ausstellung Entartete Musik anlässlich der Reichsmusiktage 1938 in Düsseldorf prangerte das Schaffen von Komponisten wie Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Alban Berg und Kurt Weill an, die darauf ins Exil gingen. Gefördert wurde stattdessen im Sinne der NS-Kulturpolitik die harmlose Unterhaltungs- und Gebrauchsmusik wie Operette, Tanz- und Marschmusik, die in die Propaganda einbezogen wurden. Von den Nazis wurden zahlreiche Komponisten, häufig wegen ihrer jüdischen Herkunft, verfolgt oder ermordet (In der Zeit des Nationalsozialismus verfolgte Komponisten).
(Eine besonders wichtige Quelle über die Rolle Musik in der Nazizeit bot die Rekonstruktion der Ausstellung Entartete Musik dar, die ab 1988 zunächst in Frankfurt kommentiert lief - eine Ausstellung über ein lange Zeit verdrängtes Thema, das großes Aufsehen auch im Ausland errang.)
In der Sowjetunion gab es nach der Revolution in allen kulturellen Gebieten zahlreiche Experimente. Mit Aufkommen des Stalinismus wurde eine Richtung, die ab 1932 Sozialistischer Realismus genannt wurde, in allen künstlerischen Bereichen zur Doktrin. Nach 1956 setzte eine Liberalisierung ein, eine Avantgarde wie in anderen europäischen Ländern konnte aber nicht entstehen.
Die Nazizeit war im deutschsprachigen Raum ein großer Einschnitt, was die Entwicklung der Musik anbelangt auch weil meistens die kreativsten Komponisten ins Exil gehen mußten. In vielen anderen Ländern gab es völlig andere Entwicklungen - so etwa in England, wo es eine ganz andere Kontinuität in der musikgeschichtlichen Entwicklung gibt. Ein Komponist wie Benjamin Britten war gleichzeitig Traditionsbewahrer und Erneuerer.
Nach Kriegsende werden die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik, die alle zwei Jahre vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt veranstaltet werden, zu der in Deutschland einflussreichsten internationalen Veranstaltung Neuer Musik. Herrschend waren dort Kompositionstechniken der seriellen Musik. Leitfigur wird Anton von Webern. Olivier Messiaen, der in seinen Werken u.a. musikalische Techniken außereuropäischer Musikkulturen aber auch Methoden der seriellen Musik verwendet, ist Lehrer einiger der Komponisten, die dort am meisten Aufsehen erregen. Unter ihnen sind:
- Pierre Boulez (auch Tätigkeit als Dirigent Neuer Musik)
- Karlheinz Stockhausen (elektronische Musik)
- Luciano Berio
- Mauricio Kagel experimentelles Musiktheater.
- Iannis Xenakis
(Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Darmstädter Institut für Neue Musik und Musikerziehung, das über ein umfangreiches Archiv seltener Aufnahmen verfügt, besonders auch von früheren Veranstaltungen der Internationalen Ferienkurse für Neue Musik. Die Aufnahmen stehen auf diversen Medien zur Verfügung; seit mindestens 1986 auch auf digitalen Medien.)
Einen weiteren Einschnitt bildet die Zeit um 1950; der Kritiker Karl Schumann resummiert, das Wirtschaftswunder habe auch zu einem Kulturwunder geführt. Ab den 50er Jahren treten verschiedene Entwicklungen ein, u.a.:
- Aleatorik (Würfelzufall): John Cage
- Neodadaismus (ab etwa 1968)
- Verwendung von Alltagsgeräuschen, Musique concrète: u.a. Pierre Schaeffer, Luc Ferrari
- Erweiterung traditioneller Spieltechniken: Helmut Lachenmann und der junge Krzysztof Penderecki
- Mikropolyphonie: György Ligeti
- Minimal music in Amerika: u.a. Terry Riley; Steve Reich,John Adams. Ein minimalistischer Zug wohnt auch der religiösen Musik Arvo Pärts inne.
- in Deutschland: Neue Einfachheit; Zu ihren Vertretern zählt u.a. Hans-Jürgen von Bose
- Musique spectrale vor allem in Frankreich: Harmonie und Melodie werden aus den akustischen Gegebenheiten des Klanges heraus definiert.
Vor allem ab den 70er Jahren setzt ein Trend zur Individualisierung ein. In der Musik unserer Zeit kann man daher von einem Stilpluralismus sprechen. In Ligetis Musik z.B. sind musikalische Einflüsse aus verschiedenen Kulturen und Zeiten zu beobachten.
Allgemein ist zu bemerken, dass eine feste Einteilung der Komponisten in Strömungen und „Schulen“ nicht zwingend sein kann, da sich viele zeitgenössischen Komponisten in ihrem Leben mit mehreren Stilistiken befasst haben (bestes Beispiel: Igor Stravinsky). Außerdem existiert neben der jeweiligen Avantgarde eine große Zahl von Komponisten, die neue Techniken mehr oder weniger partiell und selektiv in ihre von der Tradition bestimmte Kompositionsweise integrieren bzw. eine Synthese zwischen beiden Welten versuchen, was mit dem Stichwort Gemäßigte Moderne nicht ganz ausreichend, weil zu einseitig, beschrieben ist.
Siehe auch: Portal Musik, Epochen der Musik, Musikgeschichte
Foren der Neuen Musik
- Weltmusiktage
- Darmstädter Ferienkurse,
- Donaueschinger Musiktage,
- Warschauer Herbst´
- Rencontres, Metz
- Eclat Stuttgart
- Wittener Tage für Neue Kammermusik
Wichtige Ensembles
- Ensemble Modern, Frankfurt
- Ensemble InterContemporain, Paris
- Neue Vocalsolisten
Organisationen und Institutionen
- Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM), http://www.iscm.nl/ - Hauptaufgabe der „Internationale Gesellschaft für Neue Musik“ ISCM sind die jährlich von Mitgliedsland zu Mitgliedsland wechselnden Weltmusiktage.
- Gesellschaft für Neue Musik e.V. (GNM), http://www.neue-musik-gesellschaft.de/ -
Literatur
- Paul Griffiths: Modern Music and after. Oxford University Press, 1995. ISBN 0-19-816511-0
- Ulrich Dibelius: Moderne Musik nach 1945. erweiterte Neuauflage, Piper Verlag, München 1998 ISBN 3492040373
Weblinks
- Ircam Paris
- Boosey&Hawkes Music Publishers
- Schott Music International
- Universal Edition
- Neue Musik im WDR - Programmübersicht.
- Internationales Musikinstitut Darmstadt
- Neue Musik Zeitung
- Nova Ensemble Wuppertal
- Verlag Neue Musik/Edition Margaux - auf zeitgenössische Musik spezialisierter Verlag aus Berlin;
- INMM Institut für neue Musik und Musikerziehung, Darmstadt