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Unendlichkeit

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Die Unendlichkeit ist ein der direkten menschlichen Erfahrung fremdes Phänomen. Sie kann nur abstrakt in der Vorstellung entwickelt werden und wird auf Objekte, die keine räumlichen oder zeitlichen Grenzen besitzen, angewendet. Beispielsweise ist ein unendlich ausgedehnter Weltraum vorstellbar; auch kann man sich zeitlich nicht begrenzte Dinge vorstellen. In der modernen Physik kennt man das Phänomen der Singularität im Zusammenhang mit Schwarzen Löchern und dem Urknall: eine Singularität ist ein Punkt in der Raumzeit, an dem Masse in einem Punkt ohne Ausdehnung mit unendlicher Dichte konzentriert ist. Schwarze Löcher wurden indirekt bereits nachgewiesen (wie ihr Name sagt kann man sie direkt nicht nachweisen, allerdings sind ihre Auswirkungen messbar). Andererseits wird die Vorstellbarkeit der Unendlichkeit in der Natur auch bezweifelt, siehe hierzu auch Unendlichkeit (Philosophie).

In der Mathematik und Physik werden unendliche Werte durch das Symbol , eine auf der Seite liegende 8, dargestellt.

Neben der unendlichen Ausdehnung zu immer größeren Größen wird auch die unendliche Teilbarkeit, das unendlich Feine betrachtet, dessen Grenze Null ist, Null aber nicht erreicht. Aus der Negation des unendlich Feinen und deren Paradoxien ergab sich die ursprüngliche griechische „Atomtheorie“ des „Unteilbaren“.

Unendlichkeit in der Mathematik

Die Mathematik selbst kennt den Begriff des Unendlichen in verschiedenen Teildisziplinen. Diese unterschiedlichen „Unendlichkeiten“ haben dann jeweils ihre eigenen Eigenschaften, und die Unendlich-Begriffe sind nicht austauschbar. Für Nicht-Mathematiker bereiten diese Begriffe wegen ihrer Unanschaulichkeit manchmal Schwierigkeiten. Diesen Schwierigkeiten kann man entgehen, wenn man beachtet, dass die Mathematik keinerlei Aussagen darüber macht, was Unendlichkeit "in Wirklichkeit" ist. Stattdessen stellt die Mathematik nur Regeln über die Manipulation von Symbolen auf. Diese Regeln werden in einer Symbolsprache aus endlich vielen Symbolen formuliert, sind also selbst in Bezug auf die Unendlichkeit "problemlos". In dieser Sichtweise machen auch die verschiedenen Arten von Unendlichkeit keine Schwierigkeiten mehr. Es handelt sich lediglich um Begriffe, für die die Mathematik bestimmte Manipulationsregeln vorsieht.

Siehe auch: unendliche Menge

Mengenlehre

Die Mengenlehre kennt die Mächtigkeit einer Menge, welche bei endlichen Mengen genau die Anzahl der Elemente angibt. Die einfache, der Vorstellung relativ leicht zugängliche Menge der natürlichen Zahlen, ist jedoch nicht mehr endlich. Das lässt sich leicht durch einen „Widerspruchsbeweis“ einsehen:

Man nehme an, es gäbe endlich viele natürliche Zahlen. Dann muss eine größte natürliche Zahl existieren, diese Zahl sei k. Da es aber eine natürliche Zahl k+1 gibt (deren Existenz formal durch eines der Peano-Axiome gesichert ist), und k+1 größer als k ist, war die Annahme falsch. Daher gibt es unendlich viele natürliche Zahlen.

Wenn man diesen Beweis etwas genauer betrachtet, sieht man, dass nur bewiesen wurde "es gibt keine endliche Menge, die alle natürlichen Zahlen enthält". Die Aussage "also ist die Menge der natürlichen Zahlen unendlich" folgt nur dann, wenn man schon weiß, dass es diese Menge überhaupt gibt. Hierfür führt man das Unendlichkeitsaxiom ein, welches genau die Existenz dieser Menge behauptet.

Mengen mit unendlich vielen Elementen haben Eigenschaften, die der direkten Anschauung zuwiderlaufen. Beispielsweise enthält die Menge der natürlichen Zahlen die Teilmenge der geraden natürlichen Zahlen. Zwischen dieser Teilmenge und der Menge der natürlichen Zahlen existiert eine Bijektion, das ist eine Abbildung, die jedem Element der einen Menge genau ein Element der anderen Menge zuordnet, und umgekehrt. (Siehe dazu auch Hilberts Hotel.) Wenn zwei Mengen durch eine Bijektion aufeinander abgebildet werden können, besitzen sie (nach der in der Mathematik üblichen Definition der Mächtigkeit) die gleiche Mächtigkeit. Die Menge der natürlichen Zahlen besitzt also eine (echte) Teilmenge, die gleichmächtig zur Menge selbst ist. Da dies für endliche Mengen niemals eintreten kann, und unsere Intuition an endlichen Mengen geschult wurde, scheint dies ein Paradoxon darzustellen.

Eine Menge A mit der Eigenschaft

  • es gibt eine echte Teilmenge B von A, die zu A gleichmächtig ist,

oder auch mit der dazu äquivalenten Eigenschaft

  • es gibt Teilmenge B von A, die zur Menge der natürlichen Zahlen gleichmächtig ist

nennt man Dedekind-unendlich.

Als praktischere Definition des Begriffspaars endlich/unendlich hat sich jedoch in der Mathematik (und insbesondere in der Mengenlehre) der folgende Zugang erwiesen:

Man nennt eine Menge A "endlich", wenn es eine Bijektion zwischen der Menge A und einer Menge {0,..., n-1} von natürlichen Zahlen gibt. (Oder: Wenn es eine Bijektion zwischen der Menge A und einer Menge von natürlichen Zahlen gibt, die ein größtes Element hat.) Weiters nennt man eine Menge "unendlich", wenn sie nicht endlich ist.

Mit dem Auswahlaxiom kann man beweisen, dass jede unendliche Menge auch Dedekind-unendlich ist. (Die Umkehrung: Jede Dedekind-unendliche Menge ist unendlich kann man auch ohne Auswahlaxiom beweisen.)

Diese Begrifflichkeit des Unendlichen wird noch interessanter, da es verschiedene Mengen gibt, die unendlich viele Elemente besitzen, die aber nicht bijektiv aufeinander abgebildet werden können. Diese unterschiedlichen Mächtigkeiten werden mit dem Symbol (Aleph, dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets), und einem (anfangs ganzzahligen) Index bezeichnet (die Indizes durchlaufen die Ordinalzahlen). Die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen (die kleinste Unendlichkeit) ist in dieser Schreibweise 0.

Die Reellen Zahlen bilden eine unendliche Menge, die mächtiger als die Menge der natürlichen Zahlen ist, sie ist überabzählbar.

Die Kontinuumshypothese ist die Behauptung, dass die Mächtigkeit der reellen Zahlen 1, also die nach 0 nächstgrößere Mächtigkeit, ist. Sie ist allein mit den üblichen Axiomen der Mengenlehre (ZFC) weder beweisbar noch widerlegbar.

Zu jeder unendlichen Menge lassen sich weitere Unendlichkeiten mittels Bildung der Potenzmenge (Menge aller Teilmengen) konstruieren. Ob hierbei aus einer Menge mit Mächtigkeit n die nächstgrößere Mächtigkeit n+1 entsteht oder einige Größenordnungen übersprungen werden, ist ein klassisches Problem der Mengenlehre (die verallgemeinerte Kontinuumshypothese). Dieser Vorgang kann (formal) immer weiter geführt werden, so dass es unendlich viele Unendlichkeiten gibt (ein wahrlich die Anschauung strapazierendes Konzept).

Es gibt in der Mengenlehre mehrere „Zahlensysteme“, die unendlich große Zahlen enthalten. Die bekanntesten sind Ordinalzahlen, Kardinalzahlen, Hyperreelle Zahlen und Surreale Zahlen.

Potentiell und aktual

In der Philosophie gab es schon lange vor der Erfindung/Entdeckung der Mengenlehre die Unterscheidung zwischen dem "Potentiell Unendlichen" und dem "Aktual Unendlichen".

  • potentiell unendlich: mit dem Wort "unendlich" beschreibt man nur die Möglichkeit, immer noch weiter zu gehen. Beispiel: Man kann zu jeder natürlichen Zahl einen Nachfolger angeben, daher gibt es unendlich viele natürliche Zahlen. Bei dieser Betrachtungsweise beschäftigt man sich also nur mit endlichen Objekten (nämlich den natürlichen Zahlen)
  • aktual unendlich: man nimmt an, dass es eine unendlich große Menge tatsächlich in ihrer Gesamtheit "gibt". Beispiel: Man betrachtet die Menge aller natürlichen Zahlen.

Die meisten (aber nicht alle) Mathematiker akzeptieren die "Existenz" des aktual-Unendlichen (nicht unbedingt als physikalisch existent, aber doch als "denkmöglich"). Viele Philosophen halten es aber für erwiesen, dass das Unendliche nur "potentiell" existieren kann.

Analysis

Das Symbol ∞ wird in der Analysis verwendet, um anzuzeigen, dass eine Folge reeller Zahlen über alle Grenzen wächst. Siehe dazu Konvergenz und Limes. Es wurde vom englischen Mathematiker John Wallis 1655 als Zeichen für eine unendliche Größe eingeführt. Ursprünglich wurde ∞ im alten Rom als Zeichen für die Zahl 1000 verwendet. Anderen Deutungen zufolge entstand es aus dem kleinen griechischen Buchstaben für Omega.

Für dieses Symbol gelten einige Rechenregeln, die jedoch stets als Aussagen über (uneigentliche) Grenzwerte zu betrachten sind. Unter anderem gilt die Rechenregel

für jede reelle Zahl a

in folgendem Sinne: Sind und zwei Folgen reeller Zahlen, so dass gegen a konvergiert und über alle Grenzen wächst, in Zeichen

dann gilt auch für die Folge , dass sie über alle Grenzen wächst, d.h.

Daraus folgt sofort, dass für ∞ bestimmte Rechenregeln nicht gelten können, dass es sich dabei also nicht um eine Zahl handeln kann: Denn könnte man ∞ von einer Gleichung subtrahieren, dann würde aus der oben genannten Regel für , also , der Widerspruch folgen.

Mit Methoden der Topologie ist es möglich, den Konvergenzbegriff so zu verallgemeinern, dass die obigen Gleichungen nicht nur formale Bedeutung haben, sondern tatsächliche Grenzwerte beschreiben. Die "Unendlichkeit" im umgangssprachlichen Sinne kann dadurch vollständig eliminiert werden.

projektive Geometrie

In der projektiven Geometrie gilt, dass Parallelen sich in einem „unendlich fernen Punkt“ treffen.

Genauer: den Zusammenhang zwischen der affinen (="üblichen") und der projektiven ebenen Geometrie kann man sich so vorstellen: Wenn man alle "Richtungen" der affinen Ebene als neue Punkte definiert, und sie zu einer neuen Geraden zusammenfasst, so erhält man die projektive Ebene. Vormals parallele Geraden haben nun einen Schnittpunkt (nämlich ihre "Richtung"). Wenn man umgekehrt aus der projektiven Ebene (wo je zwei verschiedene Geraden immer genau einen Schnittpunkt haben), eine beliebige Gerade entfernt, so erhält man die affine Ebene.


In der Perspektivenkonstruktion sieht man diesen Zusammenhang dadurch, dass alle Geraden, die "in Wirklichkeit" dieselbe Richtung haben, im perspektivischen Bild alle denselben Fluchtpunkt haben.

Siehe auch: Infinitesimal -- Limes -- Null (Zahl) -- Augustinus

Zitate

Albert Einstein: „Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit - Beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Referenzen

Literatur

Videos