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Weingarten (Württemberg)

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Wappen Karte
Deutschlandkarte, Position von Weingarten hervorgehoben
Basisdaten
Bundesland: Baden-Württemberg
Regierungsbezirk: Tübingen
Region: Bodensee-Oberschwaben
Landkreis: Ravensburg
Gemeindeart: Große Kreisstadt
Geografische Lage: 47° 49' n. Br.
9° 38' ö. L.
Höhe: 465,5 (Rathaus) m ü. NN
Fläche: 12,17 km²
Einwohner: 23.782 (31.12.2003)
Bevölkerungsdichte: 1.955 Einwohner je km²
Postleitzahlen: 88240 - 88250
(alte PLZ: 7987)
Vorwahl: 0751
Kfz-Kennzeichen: RV
Gemeindeschlüssel: 08 4 36 082
Adresse der
Stadtverwaltung:
Kirchstraße 1
88250 Weingarten
Website: www.weingarten-online.de
E-Mail-Adresse: info@weingarten-online.de
Politik
Oberbürgermeister: Gerd Gerber
Gemeinderat: CDU 9, FWV 7, SPD 4,
Grüne und Unabhängige 3,
Bürger für Weingarten 3
Weingarten 1917

Weingarten, Landkreis Ravensburg, ist eine Große Kreisstadt im mittleren Schussental. Zusammen mit der südlichen Nachbarstadt Ravensburg und Friedrichshafen bildet sie eines von 14 Oberzentren (in Funktionsergänzung) in Baden-Württemberg. Weingarten ist Sitz einer Pädagogischen Hochschule und Fachhochschule.

Geschichte

Bis 1865 wurde der Name Weingarten nur für das Kloster Weingarten verwendet, die umgebende Ortschaft hieß Altdorf.

Altdorf war schon im späten 5. Jahrhundert von Alamannen besiedelt. Archäologische Funde lassen durch ihren Reichtum auf einen alamannischen Herrensitz schließen. Spätestens im 8. Jahrhundert wurde Altdorf wie ganz Alamannien Teil des Fränkischen Reichs. Um die Mitte des 9. Jahrhunderts kam das mittlere Schussental in Besitz des schwäbischen Zweiges der Welfen, die in Altdorf (wahrscheinlich auf dem Martinsberg) eine Pfalz errichteten. Um 935 gründeten die Welfen in Altdorf ein Frauenkloster, das als Grablege ihres Geschlechts bestimmt war, aber bereits 1053 durch einen Brand zerstört wurde. Die Nonnen wurden zunächst auf den Martinsberg umgesiedelt.

1056 gründete Welf IV. nach der Verlegung der Burg ins benachbarte Ravensburg auf dem Martinsberg ein neues Benediktinerkloster, das mit Mönchen aus Altomünster besiedelt wurde; die Altdorfer Nonnen besiedelten im Gegenzug das Kloster Altomünster. Der Name Kloster Weingarten ist um 1123 belegt. Die Mönche beschäftigten sich u. a. mit der Buchmalerei, ihr berühmtestes Werk ist das so genannte Berthold-Sakramentar (1217, heute in der Pierpont Morgan Library in New York). Das Kloster wurde 1274 zur Reichsabtei erhoben und war durch seinen großen Landbesitz von zuletzt 306 km² eines der reichsten Klöster in Süddeutschland. 1715 wurde die romanische Klosterkirche von 1124-1182 größtenteils abgerissen; an ihrer Stelle wurde 1715-1724 eine große, reich ausgestattete barocke Basilika erbaut, die inmitten einer idealtypischen Klosteranlage stehen sollte. Der Idealplan des Klosters wurde jedoch nur teilweise in die Wirklichkeit umgesetzt. Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster 1803 aufgelöst und wurde zunächst Besitz des Hauses Oranien-Nassau.

In der Ortschaft Altdorf entwickelte sich ab dem 13. Jahrhundert ein Markt. Unter König Rudolf von Habsburg wurde die Entwicklung zu einer Stadt aber durch Errichtung der Landvogtei Oberschwaben (später Landvogtei Schwaben) mit Sitz in Altdorf gehemmt. Die Landvogtei wurde zumeist an Fürsten oder Adlige verpfändet, darunter die Reichstruchsessen von Waldburg. In einer kaiserlichen Urkunde von 1377 wurde Altdorf zwar das Recht auf einen regelmäßigen Wochenmarkt gewährt, der allerdings bestehende Märkte innerhalb einer Meile (7,4 km) - und damit den Ravensburger Markt - nicht gefährden durfte. Auch eine Stadtbefestigung wurde untersagt. Die Nachbarstadt Ravensburg zog in dieser Zeit als Freie Reichsstadt zahlreiche Einwohner aus Altdorf an, darunter die späteren Ravensburger Handelsfamilien und Patriziergeschlechter Holbein und Humpis. Altdorf selbst wurde 1452 Teil Vorderösterreichs und blieb bis 1805 Sitz der Landvogtei Schwaben, als es nach dem Preßburger Frieden zum Königreich Württemberg kam. Auch das seit 1803 nassauische Kloster wurde 1806 württembergisch.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Altdorf zum Militärstandort mit mehreren Kasernen (deren letzte Ende des 20. Jahrhunderts geschlossen wurde). Wie in der Nachbarstadt Ravensburg entwickelte sich auch eine bedeutende Maschinenbauindustrie. 1865 wurde Altdorf nach dem Namen der Abtei in Weingarten umbenannt. 1922 wurde in einem Teil der Klostergebäude wieder eine Benediktinerabtei gegründet.

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde Weingarten nach Ravensburg eingemeindet. Die rivalisierenden Nachbarstädte wurden allerdings nach Kriegsende wieder getrennt.

Seit 1949 dient der größte Teil der ehemaligen Klostergebäude der Lehrerausbildung (seit 1962 als "Pädagogische Hochschule").

Bestrebungen zu einer erneuten Verbindung mit Ravensburg während der Gemeindereform der 1970er Jahre konnten aufgrund der fehlenden Zustimmung der Weingartener Bevölkerung nicht verwirklicht werden.

Städtepartnerschaften

Sehenswürdigkeiten

  • Das Münster (auch Basilika), erbaut als Klosterkirche der Abtei Weingarten, gilt als größte Barockkirche nördlich der Alpen mit ungefähr der halben Länge des Petersdoms in Rom. Die von Franz Beer u. a. errichtete Kirche ist heute noch Zeugnis der Macht und des Reichtums der einst reichsfreien Benediktinerabtei. Zur reichen Ausstattung gehören Fresken von Cosmas Damian Asam, Stuckarbeiten und das Chorgestühl von Joseph Anton Feuchtmayer. Die große Orgel von Joseph Gabler (1750) gilt als eine der bedeutendsten Barockorgeln Deutschlands.
  • Die umgebenden barocken Klostergebäude werden von der Benediktinerabtei Weingarten, der Pädagogischen Hochschule und der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart genutzt. Die Hochschulgebäude sind weitgehend zugänglich, die Abtei und deren mittelalterlicher Kreuzgang sind nur selten im Rahmen besonderer Ausstellungen und Führungen zu besichtigen. Der barocke Fruchtkasten (Kornspeicher) des Klosters von 1688 ist seit 1972 Sitz der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule. Die Höfe der Klosteranlage werden im Sommer für Open-Air-Aufführungen der Klosterfestspiele genutzt.
  • Das Alamannenmuseum Weingarten beherbergt die reichhaltigen archäologischen Funde aus dem frühmittelalterlichen Gräberfeld von Weingarten und ist eines der größten Spezialmuseen zur Geschichte der Alamannen.
  • Das "Schlössle" wurde um 1550 als Verwaltungssitz der vorderösterreichischen Landvogtei Schwaben im Stil der Renaissance erbaut. Im 18. Jahrhundert war es Wohnsitz der kaiserlichen Landrichter (aus dieser Zeit stammen reiche barocke Stuckaturen von Franz Schmuzer), im 19. und frühen 20. Jahruhundert diente es als Wohngebäude für Offiziere. Seit 2001 ist im Schlössle das Stadtmuseum untergebracht, das die Geschichte der Stadt und des Klosters darstellt. Im Dachgeschoß finden Wechselausstellungen statt, der Hof wird im Sommer für Theateraufführungen der Klosterfestspiele genutzt.

Regelmäßige Veranstaltungen

Fanset: Plätzler

Fasnet

Die schwäbisch-alemannische Fasnet hat in Weingarten möglicherweise eine Tradition seit 1348, als angeblich Rathaustänze nach einer Pestepidemie stattgefunden haben sollen.

Die Fasnet beginnt am Gumpigen Donnerstag mit dem Hemdenglonkerumzug, bei dem jedermann im Schlafanzug oder Nachthemd durch die Innenstadt laufen darf. Am Sonntag findet der grosse Fasnetsumzug statt mit Weingartner Narrenfiguren wie den Plätzlern (seit 1868 bildlich verbürgt), den Lauratalgeistern oder den Bockstallnarren und vielen Gastgruppen aus der Umgebung. Am Fasnetsdienstag wird abends die Jungfrau Fasnet zu Grabe getragen und auf dem Münsterplatz verbrannt.

Blutritt

Blutritt, ca. 1865

Am Freitag nach Christi Himmelfahrt findet der Blutritt statt, eine Reiterprozession zu Ehren einer Reliquie, die der Legende nach einen mit Erde vermsichten Blutstropfen Jesu Christi enthält. Die Reliquie wird vom Heilig-Blut-Reiter mitgeführt, der den Segen des Heiligen Blutes für Haus, Hof und Felder spendet.

Der Blutritt wurde 1529 erstmals schriftlich erwähnt und bereits damals als Brauch "von alt her" bezeichnet. Zum Auftakt des Blutrittes nehmen an Christi Himmelfahrt tausende von Pilgern an einer abendlichen Lichterprozession zum Kreuzberg (seit 1890) teil. Am Blutfreitag beginnt dann ab ca. 7.00 Uhr morgens der Blutritt, an dem rund 3.000 Reiter in Frack und Zylinder und zahlreiche Musikkapellen teilnehmen. Der Blutritt wird an den Straßen der Stadt von etwa 30.000 Pilgern und Zuschauern verfolgt. Der Kinofilm Die Blutritter (2004) von Douglas Wolfsperger zeigt Teilnehmer und Pilger am Blutritt und ihr Leben in der Region.

Wirtschaft und Infrastruktur

Verkehr

  • Straßen: Weingarten liegt an den Bundesstraßen 30 und 32. Die nächsten Autobahnzugänge liegen bei Ulm (A 8) und bei Wangen im Allgäu (A 96).
  • Eisenbahn: Weingarten liegt zwar an der Strecke der Württembergischen Südbahn, wird aber aufgrund der Entfernung der Strecke zur Stadtmitte nicht von Zügen des Nah- und Fernverkehrs der Deutschen Bahn AG bedient, die im nur wenig weiter entfernten Bahnhof Ravensburg halten. Seit 1998 wird in Weingarten jedoch der Haltepunkt Weingarten/Berg der privaten Bodensee-Oberschwaben-Bahn GmbH & Co. KG (BOB) betrieben.
  • Straßenbahn (Bähnle): Im Jahre 1888 wurde eine 4,2 km lange elektrische Straßenbahnstrecke (Spurweite 1000 mm) zwischen Ravensburg und Weingarten eröffnet, 1911 erfolgte eine 2,4 km lange Erweiterung bis Baienfurt. Am 23. Februar 1959 wurde die Strecke Ravensburg–Weingarten stillgelegt, im Juni 1959 folgte die Reststrecke Weingarten – Baienfurt.
  • Sonstiger Nahverkehr: In Weingarten verkehren neben der Bodensee-Oberschwaben-Bahn Stadtbusse (Stadtverkehr Ravensburg-Weingarten) und Regionalbusse. Weingarten gehört dem Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund (bodo) an.

Ansässige Unternehmen

Das bedeutendste Unternehmen in Weingarten ist das Maschinenbau-Unternehmen Müller Weingarten AG (Weblink) mit Standorten in den USA, Europa, China und Russland.

Der 1976 gegründete Kunstverlag Weingarten ist national und international einer der führenden Anbieter von Bildkalendern.

Die CHG-MERIDIAN Deutsche Computer Leasing AG (Weblink) gehört zu Europas größten Leasing-Unternehmen im Bereich der Informations-Technologie. Das Unternehmen wurde 1979 in der Nachbargemeinde Berg gegründet und hat seit 2003 seinen Hauptsitz in Weingarten.

Behörden

Das Finanzamt Ravensburg hat seinen Sitz in Weingarten.

Bildungseinrichtungen

Hoch- und Fachschulen

  • Fachhochschule Ravensburg-Weingarten
  • Pädagogische Hochschule Weingarten
  • Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
  • Religionspädagogisches Institut
  • Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung

Schulen

In Weingarten gibt es mehrere Grund- und Hauptschulen, eine Realschule, ein Gymnasium, eine Vorschule sowie eine Sonderschule fur Körper- und Geistigbehinderte.

Soziale Einrichtungen

Krankenhäuser

Die Geschichte des stadteigenen Krankenhauses 14 Nothelfer geht zurück bis aufs Jahr 1474.

Persönlichkeiten

  • Herzog Welf IV. (Klostergründer)
  • Herzogin Judith von Flandern (Stifterin der Heilig-Blut-Reliquie und Gemalin des Welf IV.)
  • Abt Sebastian Hyller (Erbauer der Basilika)
  • Cosmas Damian Asam malte in der Basilika
  • Joseph Gabler (Erbauer der Basilika-Orgel)
  • Heinrich Schatz

Literatur

  • Rudolf Fesseler: Geschichte und Geschichten in und um Altdorf-Weingarten. Ein historischer Rundgang. Oberschwäbische Verlagsanstalt, Ravensburg 1996 ISBN 3-926891-13-0
  • Werner Heinz: Altdorf-Weingarten 1805-1945. Industrialisierung, Arbeitswelt und politische Kultur. Eppe, Bergatreute 1990 ISBN 3-89089-018-0
  • Jürgen Hohl: Schwäbisch-Alemannische Fasnacht in Altdorf-Weingarten. Chroniken-Verlag, Allensbach 1974
  • Norbert Kruse (Hrsg.): Weingarten von den Anfängen bis zur Gegenwart. Biberacher Verlagsdruckerei, Biberach 1992 ISBN 3-924489-61-0
  • Norbert Kruse, Hans Ulrich Rudolf (Hrsg.): 900 Jahre Heilig-Blut-Verehrung in Weingarten 1094-1994. Thorbecke, Sigmaringen 1994 ISBN 3-7995-0398-6