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Dirk Bavendamm

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Dirk Bavendamm (* 20. Mai 1938 in Dresden) ist ein deutscher Historiker und Publizist

Leben und nebenberufliche Tätigkeiten

Nach der Flucht mit seiner Familie aus der sowjetisch besetzten Zone: Schulbesuch, Abitur und in Hamburg und Berlin Studium der Rechts-, Geschichts- und Literaturwissenschaft. 1967 Promotion bei Gerhard Oestreich über ein Thema aus der Hamburger Verfassungsgeschichte zum Dr. phil. 1988 bis 1997 Leitung des Bismarck-Archivs, heute Otto-von-Bismarck-Stiftung. 2002 bis 2004 Geschäftsführer der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft. Referenzfehler: Es fehlt ein schließendes </ref>.

Publizistik

1967 bis 1977 fest angestellter Redakteur und Korrespondent für Die Zeit, Die Welt und Süddeutsche Zeitung sowie für Hörfunk und Fernsehen hauptsächlich im Bereich deutsche Innenpolitik. Seit 1980 freiberuflich tätig.

Anfang der achtziger Jahre, kurz vor dem Hitler-Tagebuch-Skandal, auch freier Mitarbeiter des Stern, Ressort Zeitgeschichte. Das Magazin kaufte Gedichte an, die von Hitler stammen sollten, die aber der Tagebuch-Fälscher Kujau angefertigt hatte. Ohne etwas davon zu ahnen, planten die Historiker Jäckel und Kuhn, diese Machwerke in eine wissenschaftliche Publikation aufzunehmen. Obwohl er davon ausgehen konnte, dass die beiden renommierten Wissenschaftler das Material bereits fachkundig begutachtet hatten, ließ Bavendamm, der daraus eine Geschichte für den Stern machen sollte, die Gedichte noch einmal in einem Doppel-Blindversuch von dem Schrifsteller Rühmkorf und dem Literaturprofessor Brauneck auf ihre Echtheit hin überprüfen. Beide tippten übereinstimmend auf Hitler als Urheber. Leider wurde der Irrtum erst erkannt, nachdem Bavendamms Geschichte im Stern erschienen war.[1]Im Strafprozess gegen Heidemann, der die gefälschten Hitler-Tagebücher an das Magazin verkauft hatte, sagte Bavendamm als Zeuge vor dem Hamburger Landgericht aus, er habe bis zur Aufdeckung des Skandals nichts von Kujau gewusst, geschweige denn Kontakt zu ihm gehabt.[2]Die angeblichen Tagebücher waren vom Ressort Zeitgeschichte auch vor Bavendamm geheim gehalten worden.

Bücher

Seit 1967 schrieb, übersetzte und betreute Bavendamm etwa zwei Dutzend Bücher zur Unternehmens- und Zeitgeschichte. Zu seinen unternehmensgeschichtlichen Auftraggebern zählten u.a. Bertelsmann, Woermann, Würth, Oetker und RWE Dea. Bavendamm erarbeitete auch eine Geschichte seiner Heimatstadt Reinbek sowie, gemeinsam mit der Redaktion, einige Jahrgangschroniken des Dortmunder Chronik-Verlages. 1983 und 1993 veröffentlichte Bavendamm zwei umfangreiche Studien über den US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt, der die amerikanische Weltpolitik von 1913 bis 1945 und darüber hinaus maßgeblich bestimmte.

Der Fall Bertelsmann und die "Unabhängige Historiker-Kommission" (UHK)

1982 erhielten sieben prominente Autoren und Bavendamm als deren redaktioneller Koordinator von Bertelsmann den Auftrag, ein populärwissenschaftliches Buch zu erarbeiten, das 1985 zum 125jährigen Firmenjubiläum erschien (Auflage: 20.000 Exemplare). Den Text über die Zeit von der Gründung bis zur Übernahme der Firmenleitung durch Reinhard Mohn im Jahr 1947 schrieb Walter Kempowski.[3]Der Schriftsteller streifte sowohl die umfangreiche Zusammenarbeit des Unternehmens mit dem NS-Regime, als auch die Schließung der Verlage 1943 und 1944, ohne einen fachwissenschaftlichen Anspruch zu erheben. Wichtige Fakten wie Heinrich Mohns fördernde Mitgliedschaft in der SS und Mauscheleien bei der Lizenzvergabe durch die britische Besatzungsmacht waren Kempowski und Bavendamm jedoch von Mohn verschwiegen worden, so dass die Darstellung der NS-Zeit unzureichend blieb. Darauf wurde Bertelsmann von dem Historiker in den folgenden Jahren wiederholt hingewiesen.

In den neunziger Jahren weitete das Unternehmen seine Aktivitäten in den USA so erheblich aus, dass es verstärkt in den Fokus der dortigen Öffentlichkeit geriet. Durch den Erwerb von Random House, in dem viele jüdische Autoren schreiben, das aber damals auch die Rechte an Hitlers "Mein Kampf" für England hielt, wurde Bertelsmann zum größten Verlag der englischsprachigen Welt. Für ihre Verdienste um die Völkerverständigung wurden das Unternehmen und seine Top-Manager von jüdischen Organisationen u.a. auch deshalb mit Preisen ausgezeichnet,[4] weil es einst angeblich Widerstand gegen das NS-Regime geleistet hatte.[5]Dieser Behauptung trat 1999 der jüdische Soziologe Fischler zunächst in deutschen, später auch in US-amerikanischen Medien entgegen.[6]Er und andere Journalisten erhoben den Vorwurf, Bertelsmann habe seine Geschichte auf Veranlassung Mohns unter Anleitung seines "Haushistorikers" Bavendamm "geschönt".[7]

Nachdem er wiederholt, aber vergeblich auf eine fachwissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Zeit gedrängt hatte, erhielt Bavendamm an der Jahreswende 1999/2000 von Bertelsmann den Auftrag, die Vorwürfe zu überprüfen und, wenn möglich, zurückzuweisen. Inzwischen war der internationale Druck aber so groß geworden, dass sich das Unternehmen entschloss, eine externe Kommission unter Vorsitz des jüdischen Historikers Friedländer zu berufen. Um eine Mitarbeit Fischlers zu verhindern, schloss die Kommission auch Bavendamm davon aus.[8]Die Kommissare unterstrichen damit ihren Anspruch, unabhängig von äußeren Einflüssen zu arbeiten, und gaben 2004 ein zweibändiges Werk über "Bertelsmann und das Dritte Reich" heraus, in dem sie die unternehmenseigene Legende vom "Widerstandsverlag" zu widerlegen versuchten.[9]

Öffentliche Wahrnehmung und Widerspruch

Bavendamms Bücher über den Aufstieg der USA zur Supermacht zwischen den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts wurden teils als "der wissenschaftlich wertvollste Beitrag zur Erforschung der internationalen Beziehungen in den dreißiger Jahren",[10]teils als Versuch interpretiert, Hitler von der Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg freizusprechen. Der Historiker Görtemaker Manfred Görtemaker hielt es in seiner Rezension immerhin für nützlich, "in Deutschland die Diskussion über Roosevelt und die amerikanische Politik im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges zu intensivieren".[11].Tatsächlich ist das aber bisher kaum geschehen - trotz der Kriege am Golf, im Irak und Afghanistan, in denen immer wieder Roosevelts Prinzipien zur Geltung kamen.

Stattdessen wird Bavendamm als Revisionist wahrgenommen, weil seine Erkenntnisse bisweilen zur Unterstützung rechtsradikaler und antisemitischer Positionen missbraucht werden. Durch die öffentlichen Auseinandersetzungen um die Rolle Bertelsmanns als "Hitlers bester Lieferant"[12]. geriet Bavendamm zusätzlich in ein schiefes Licht.[13]Weil er sich selbst von Bertelsmann manipuliert fühlt, weist der Historiker und Publizist den Vorwurf, er habe die Öffentlichkeit im Auftrage Mohns wissentlich in die Irre geführt, zurück. Er glaubt auch nicht, dass Mohn vorher eines seiner Roosevelt-Bücher gelesen hat. "Für Mohn war ich gar nicht so wichtig,wie vielfach angenommen," sagt Bavendamm rückblickend. "Er hat sich für den von ihm seinerzeit begangenen Vertrauensbruch bis heute weder bei meinem inzwischen verstorbenen Kollegen Kempowski noch bei mir jemals entschuldigt."

Werke

  • Von der Revolution zur Reform. Die Verfassungspolitik des Hamburgischen Senats 1849/50, Duncker & Humblot, Berlin 1969
  • Bonn unter Brandt, Fritz Molden, Wien 1971
  • Bertelsmann - Mohn - Seippel. Drei Familien - ein Unternehmen, C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh 1986
  • Roosevelts Weg zum Krieg. Amerikanische Politik 1914 - 1939, Herbig Verlag, 1983
  • Wagnis Westafrika. 150 Jahre C. Woermann, Hanseatischer Merkur, Hamburg 1987
  • Rudolf Heß Briefe 1908 - 1933, Mueller Verlag, Langen 1987
  • Reinbek, Rowohlt Verlag, Reinbek 1988
  • Roosevelts Krieg. Amerikanische Politik und Strategie 1937-1945, Herbig, München 1993
  • 1899 - 1999; 100 Jahre RWE - DEA, Mohndruck, Gütersloh 1999

Übersetzungen

  • Scheer, Robert: Und brennend stürzen die Vögel vom Himmel. Reagan und der „begrenzte Atomkrieg“, Kindler Verlag, München 1983
  • Nussbaum, Bruce: Das Ende unserer Zukunft : revolutionäre Technologien drängen d. europ. Wirtschaft ins Abseits, Kindler, München 1984
  • Baciu, Nicolas: Verraten und verkauft. Die tragischen Fehler Churchills und Roosevelts in Osteuropa, Universitas-Verlag, München 1986

Literatur und Quellen

  • Vorlage:PND
  • Thomas Schuler: Die Mohns: Vom Provinzbuchhändler zum Weltkonzern: Die Familie hinter Bertelsmann, Campus Verlag, 2004
  • Gian Trepp: Bertelsmann: Eine deutsche Geschichte, Unionsverlag, Zürich 2007

Einzelnachweise

  1. Stern vom 24.10.1980
  2. Aussage Bavendamm vor dem Hamburger Landgericht 1985 und Erklärung gegenüber Bertelsmann vom 19.10.1999
  3. Walter Kempowski, "Schwarzbrod und Freiheit sei mir beschieden ..." - Die Chronik der Familien Bertelsmann und Mohn. In: 1835-1985. 150 Jahre Bertelsmann. Die Geschichte des Verlagsunternehmens in Texten, Bildern und Dokumenten. München 1985, S. 8-36
  4. So erhielt der damalige Leiter des Unternehmensbereichs Buch, Wössner, 1998 den "International Humanitarian Reward" für den "Brückenschlag zwischen Juden und Nichtjuden".
  5. Diesen Tenor hatte die ohne Bavendamms Mitwirkung entstandene homepage der Bertelsmann AG von 1998.
  6. Kultur-Sendung bei 3Sat, 13.11.1998, 19.20 Uhr
  7. Hersch Fischler and John Friedman, Bertelsmann's Nazi Past. In: The Nation, New York 28.12.1998
  8. Mitteilung des damaligen Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann, Middelhoff, an Bavendamm vom 23.02.1999. Irgendein "Ultimatum" war damit jedoch nicht verbunden. Mitteilung des UHK-Mitgliedes Wittmann an Bavendamm vom 26.02.2001
  9. Saul Friedländer et. al., Bertelsmann im Dritten Reich. 2 Bände in einer Kassette. München 2002
  10. Karl-Heinz Schmick, Rezension. In: Politische Vierteljahrsschrift, Juni 1986, s. 57
  11. Manfred Görtemaker,Eine deutsche Kriegsschuldlüge? Bavendamm will Roosevelt für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich machen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.03.1994
  12. Erwähnung der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. Januar 2000 in Günter Frech: Der Bewußtseinsriese
  13. Hersch Fischler and John Friedman, Bertelsmann's Revisionist. In: The Nation, New York, vom 22.10.1999