Hermann von Görtz-Wrisberg
Wilhelm Otto Hans Hermann Graf von Görtz-Wrisberg, * 5. April 1819 in Hannover, † 22. Februar 1889 in Braunschweig war ein Finanzfachmann, Politiker und braunschweigischer Staatsminister. In einer kritischen Phase des Herzogtums Braunschweig sicherte er als Vorsitzender des Regentschaftsrates, und damit höchster Repräsentant des Herzogtums, die Eigenstaatlichkeit Braunschweigs.
Graf von Görtz-Wrisberg stammte aus dem in Brunkensen (Kreis Holzminden) ansässigen Zweig der Familie. Er besuchte in Braunschweig das Gymnasium Martino-Katharineum und das Collegium Carolinum, den Vorläufer der heutigen Technischen Universität Braunschweig. Von 1839 bis 1841 studierte er Rechtswissenschaften, zuerst in Göttingen, wo er sich dem Corps Brunsviga anschloss, danach in Jena.
Nach seinem Studium trat er in den braunschweigischen Staatsdienst ein und erreichte in der Finanzverwaltung im Jahre 1873 den Titel „Geheimer Finanzrat“. Mitglied des braunschweigischen Landtages ("Landesversammlung") war er von 1866 bis 1876, musste das Mandat aber aufgeben, da er in diesem Jahre Mitglied des Staatsministeriums wurde, also der Regierung (Exekutive). Vorsitzender des Staatsministeriums mit dem Titel „Staatsminister“, also Regierungschef, wurde er im Jahre 1883.
Nach dem Todes des kinderlosen Herzogs Wilhelm entstand eine kritische Situation für das Herzogtum. Der rechtmäßige welfische Thronprätendent wäre Herzog Ernst August von Cumberland aus der hannoverschen Linie der Dynastie gewesen. Die Welfen befanden sich aber nach der Niederlage im Deutschen Krieg von 1866 im Exil in Gmunden/Österreich. Das Königreich Hannover war von Preußen als Provinz annektiert. Die ehemalige Königsfamilie lag mit Bismarck und dem Kaiser aus dem Hause der Hohenzollern im unversöhnlichen Streit. Eine rechtmäßige Nachfolge war also realpolitisch nicht durchsetzbar.
Von welfischen Parteigängern heftig angegriffen, setzte Graf von Görtz-Wrisberg als Vorsitzender des Regentschaftsrates durch, dass das Herzogtum Braunschweig ab dem Jahre 1885 von Albrecht Prinz von Preußen, einem Neffen von Kaiser Wilhelm I., als Prinzregent regiert wurde. Die Wahl wurde am 21. Oktober 1885 entschieden und am 24. Oktober 1885 vom Prinzen angenommen. Am 2. November 1885 konnte das Prinzregentenpaar in Braunschweig einziehen.
Die Zeit der Prinzregentschaft dauerte über den Tod des Grafen von Görtz-Wrisberg hinaus. Der zweite Prinzregent war Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, der das Herzogtum so lange regierte, bis sich im Jahre 1913 die Versöhnung der Hohenzollern mit den Welfen abzeichnete und der letzte Herzog aus dem Hause der Welfen den Thron in Braunschweig besteigen konnte.
Historiker bewerten heute die Leistung des Grafen von Görtz-Wrisberg dahingehend, dass durch seine pragmatische Politik die Eigenstaatlichkeit Braunschweigs als Land innerhalb des Deutschen Reiches erhalten werden konnte. Das galt auch noch nach dem Ende der Monarchie im Jahre 1918. Der Freistaat Braunschweig ging erst im Jahre 1947 im Land Niedersachsen auf. Es ist anzunehmen, dass eine allzu legitimistische Politik im Jahre 1885, also das Festhalten an der welfischen Thronfolge, eine Annexion Braunschweigs durch Preußen zur Folge gehabt hätte, wie es mit dem welfischen Königreich Hannover im Jahre 1866 geschehen war.