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Aufrüstung der Wehrmacht

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Die Aufrüstung der Wehrmacht in den Jahren 1933-39 war das Ergebnis eines von der nationalsozialistischen Regierung vorrangig vorangetriebenen und vielschichtigen Programms, welches die Wehrmacht und dadurch das Deutsche Reich innerhalb weniger Jahre zu einem starken Machtfaktor auf dem europäischen Kontinent machte. Aufgrund von wirtschaftlichen Problemen, einer teilweisen unklaren Rüstungsdefinition, laufend kurzfristiger Änderungen der Rüstungsziele und der unübersichtlichen Organisation der nationalsozialistischen Bürokratie lagen die Ergebnisse teilweise weit hinter den Plänen zurück.

Ausgangslage in der Weimarer Republik

Das überlieferte Bild der Wehrmacht bei Kriegsbeginn 1939 verdeckt völlig die Tatsache, dass nur wenige Jahre zuvor das 100.000-Mann-Heer und die Reichsmarine die gesamte bewaffnete Macht des Reiches darstellten. Durch den Vertrag von Versailles waren der Reichswehr drastische Beschränkungen auferlegt worden. Der Artikel 160 des Vertrages legte fest, dass die Reichswehr ausschließlich zur „Erhaltung der Ordnung innerhalb des deutschen Gebietes“ zuständig war. Auch wenn die Politik und die Reichswehr selber eine derartige Abstufung zur „Grenzpolizei“ nicht akzeptieren wollten und durch eine Reihe von teilweise illegalen Maßnahmen -wie die militärische Kooperation mit der Sowjetunion (siehe: Vertrag von Rapallo)- den Vertrag unterliefen, blieben doch der Umfang und vor allem die militärische Effizienz dieser Maßnahmen auf personellem und materiellem Gebiet relativ gering.[1]

Erstes Rüstungsprogramm

Nachdem in den Jahren 1926/27 vor dem Hintergrund vehementer sozialdemokratischer Kritik die Reichswehrführung sich entschloss, die bisher der gegenüber der Republik und ihren Institutionen ausgeübten Distanz und Geheimhaltung aufzugeben und das Kabinett umfassend über die bisher eingeleiteten geheimen Rüstungsmaßnahmen zu informieren[2], war die Regierung unter Reichskanzler Wilhelm Marx sowie dessen sozialdemokratischer Nachfolger Hermann Müller bereit, die Finanzierung der immer noch geheimen Rüstungsmaßnahmen zu übernehmen.[3] So wurde nach fast zweijähriger Vorarbeit das erste Rüstungsprogramm am 29. September 1928 vom Chef der Heeresleitung genehmigt, welches erstmals das gesamte materielle Rüstungsvorhaben des Heeres in ein auf mehrere Jahre konzipiertes Programm integrierte. Das Ziel war die Ausstattung an Gerät und Munition für ein 16-Divisionen-Heer, eine beschränkte Bevorratung und Maßnahmen zur Verbesserung der industriellen Fertigungsmöglichkeiten im Mobilmachungsfall. Dieses Ziel sollte bis 1932 erreicht sein und 350 Millionen Reichsmark ausgegeben werden. Gemessen am Reichshaushalt erscheinen die somit jährlich zur Verfügung stehenden 70 Millionen Reichsmark relativ unbedeutend, jedoch kann es als ein Novum in der deutschen Heeresgeschichte angesehen werden, das die unendlich vielfältigen, sich gegenseitig bestimmenden Faktoren einer von modernen industriellen Fertigungsverfahren bestimmten militärischen Rüstung in einem zielgerichteten Programm aufeinander abgestimmt worden sind.

Zweites Rüstungsprogramm

Kurz vor seinem erzwungenen Rücktritt forderte Reichswehrminister Groener eine Verstärkung des „marschbereiten Reichsheeres“, welches als einziges Machtmittel der Reichsregierung am schnellsten zur Verfügung gestanden hätte. So sollte die Ausstattung mit schwerer Artillerie und einer moderneren Ausrüstung sowie die Verbesserung der Ausbildung insgesamt erfolgen. Dazu wurde im Frühjahr 1932 ein zweites Rüstungsprogramm aufgelegt, welches bei einem Aufwand von 400 Millionen Reichsmark in der Periode vom April 1933 bis März 1938 für ein geplantes 21-Divisionen-Heer die Ausstattung an Waffen, Gerät und Munition sowie eine Bevorratung für sechs Wochen sicherstellen sollte.[4] Dieses Programm selber wurde im November dahingehend verändert, dass durch die Aufnahme zusätzlicher Offiziersanwärter, eine Intensivierung der Kurzausbildung und vermehrter Reserveübungen der Personalbedarf des 21-Divisionen-Heeres bis zum Frühjahr 1938 gedeckt sein sollte und bis dahin 570.000 Mann aktiv unter Waffen stehen sollten.

Da es sich um ein eng kalkuliertes und langfristiges Programm handelte, erwies es sich aufgrund der wirtschaftliche Veränderungen, welche mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise einhergingen, als besonders empfindlich, so dass man sich gezwungen sah, weitere Mittel von der Reichsregierung anzufordern. Entschiedener als in den Jahren zuvor rückten nun wirtschaftliche Rüstungsfragen in den Mittelpunkt der Militärpolitik.

Zu diesem Zeitpunkt war die Reichswehr aufgrund einer Weisung Groeners vom April 1930 halbwegs fest in das innenpolitische und multilaterale Sicherheitssystem eingebettet. In dieser Weisung war der Gedanke an einen „großen Krieg“ aufgrund der völlig unbefriedigenden Rüstungslage von vornherein ausgeschaltet. Ausschließlich politische Gesichtspunkte seien für die Definition der Aufgaben der Reichswehr maßgebend und ihr Einsatz sollte nur unter der Vorbedingung „gewisser Erfolgsaussichten“ erfolgen. Dies änderte sich unter der Regie des neuen Reichswehrministers und späteren Reichskanzlers Schleicher, welcher eine aktivere Revisionspolitik betrieb und die politische Aktivität der Reichswehr wesentlich erweiterte. Die Gestaltung der Außenpolitik und der Innenpolitik – hier insbesondere auf dem Gebiet der Propaganda, der Jugendpflege und der Wirtschaftspolitik – lassen erkennen, dass sich das Reich 1932/33 langsam auf dem Weg zu einem Militärstaat befand.[5]

Aufrüstung der Wehrmachtteile 1933 - 1939

Die Aufrüstung des Heeres

Die Vereidigung des Generals v. Blomberg zum neuen Reichswehrministers am 30.Januar 1933 noch vor der Vereidigung des Gesamtkabinetts veranschaulicht die Bedeutung, welchem man von jetzt an der Reichswehr beimaß.

Bezeichnend war weiterhin Hitlers Ansprache vor den Repräsentanten der Reichswehr am 3. Februar 1933, bei der er gleich zu Beginn verkündete, dass die Wiedergewinnung der politischen Macht das alleinige Ziel seiner Politik sein werde und die Voraussetzung hierfür die Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln sei. Weiterhin wurde ein Programm zur „Wiederwehrhaftmachung“ definiert und der Reichswehr stärkere finanzielle Mittel in Aussicht gestellt.[6] Mit der öffentlichen Ankündigung konkreter Rüstungsmaßnahmen hielt sich der Reichskanzler dagegen aus Gründen der ungeklärten außen- und innenpolitischen Situation merklich zurück.

Für die Rüstungsmaßnahmen des Jahres 1933 galt immer noch das zweite Rüstungsprogramm sowie sein Umbauplan vom November 1932, jedoch erfuhr dieser durch die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel eine merkliche Beschleunigung. Veränderungen fanden größtenteils nur auf organisatorischem Gebiet statt. So wurde die Personalstärke von vor allem Artillerie-, Flak- und Nachrichteneinheiten verändert, was zu einer zusätzlichen Einstellung von 14.000 Mann führte.[7] Zur Erfassung der Wehrfähigen wurden in den sieben Wehrkreisen je drei Wehrgauleitungen geschaffen. Ein weiterer Schwerpunkt war die Intensivierung der Ausbildung von Grenzschutzformationen, wozu neun Grenzschutz-Ausbildungs-Bataillone aufgestellt werden sollten.

Im Laufe des Jahres veränderten sich jedoch die außenpolitischen Rahmenbedingungen. Nachdem sich die englische und französische Regierung faktisch mit dem Austritt des Reiches aus dem Völkerbund und der Abrüstungskonferenz Mitte Oktober 1933 abgefunden haben, fiel im Dezember 1933 die Entscheidung für die Aufstellung eines 300.000-Mann-Friedensheeres.[8] Das Programm, welches am 18. Dezember 1933 vom Chef des Truppenamtes Generalleutnant Ludwig Beck unterzeichnet wurde, sah die Aufstellung eines 21-Divisionen-Heeres bis Ende März 1938 vor, aus dessen später ein 63-Divisionen-Kriegsheer entstehen sollte. Diese Verdreifachung des Heeres sollte mithilfe der bereits aufgebauten 21 Wehrgaue durchgeführt werden. Die gerade erst begonnene Ausbildung der Grenzschutzformationen wurde am 31. März 1934 beendet und die Truppen wurden in das neue Friedensheer integriert.

Im Frühjahr 1934 drängte Hitler auf eine Beschleunigung des Dezemberprogramms. Auch Generalleutnant Beck stellte fest, dass der Schwerpunkt des Aufbaus in den ersten zwei Jahren liegen müsse, auch wenn er für eine Tiefen- statt Breitenrüstung eintrat. So erreichte denn das Reichsheer schon im Herbst 1934 eine Stärke von 250.000 Mann.[9] Im März 1935 verfügte die Reichswehrführung dann über die geforderten 21 Divisionen, die aber nicht ihre volle personelle und materielle Stärke erreicht hatten, denn nun wurden die ersten Nachwirkungen der überhasteten Aufrüstung sichtbar. Rund 280.000 Mann standen unter Waffen, aber von den vorgesehenen 189 Infanteriebataillonen waren erst 109 aufgestellt; die zwei Panzerbataillone besaßen lediglich 12 Panzerkampfwagen. Das Heer hatte nur einen Nachschubvorrat von sechs Wochen; in Planspielen rechnete man ab dem 3. Kriegsmonat mit einem Absinken des Nachschubes auf wenige Prozent und die mögliche Kriegsproduktion von Munition erreichte nur 50 Prozent.[10] Wenn man die für das Jahr 1938 aufgestellten Ziele erreichen wollte, mussten die industriellen Fertigungsmöglichkeiten genauso gesteigert werden wie der Zufluss von Rohstoffen und weiteren finanziellen Mitteln. Jedwede Störung in dieser Zuführung sowie eventuelle Änderungen im Programm mussten bei dieser Komplexität zu enormen Schwierigkeiten führen.

Gleichzeitig erkannte die militärische Führung, dass zu einer Abwehr eines abstrakt befürchteten eventuellen französischen Angriffes mindestens 9-10 sofort einsetzbare Divisionen an der Grenze stehen mussten und diese Kader somit für den Aufbau des aufzustellenden Kriegsheeres ausfielen. Deswegen präzisierte der Chef der Heeresleitung, General Freiherr v. Fritsch, das anzustrebende Rüstungsziel auf 36-40 Divisionen.[11] Mit Hitlers Erklärung zur Wehrhoheit (Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht) und des Wehrgesetzes (Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zum 1. Oktober 1935) am 16. März 1935 wurde gleichzeitig die Stärke des Friedensheeres auf nunmehr 36 Divisionen festgelegt. Im Juli legte der Generalstab die Pläne vor, wonach zum 1.Oktober 1939 die Heeresstärke ca. 700.000 Mann -eingeteilt in 33 Infanterie- und 3 Panzerdivisionen- betragen sollte. Zum ersten Mal wurden auch konkrete Angaben zum Kriegsheer gemacht, welches zum April 1936 auf 28 Divisionen, im Jahr 1939 auf 49 und endgültig erst im Jahr 1941 auf die geplante Stärke von 63 Divisionen anwachsen sollte. Erwähnenswert ist, dass innerhalb der militärischen Führung keine Einigkeit herrschte, wie dieser Ausbau vonstatten gehen sollte. General Beck wollte jetzt einen langsamen und vollständigen Aufbau und die langfristige kontinuierliche Aufstellung von neuen Formationen. Der Chef des allgemeinen Heeresamtes, Oberst Fromm, wollte dagegen die sofortige Aufstellung dieser 36 Divisionen, bei denen es sich laut seiner Meinung übrigens nur um Infanteriedivisionen handeln könne und die Kavalleriedivisionen und Panzerdivisionen zusätzlich dazu kommen sollten. Der Chef des Heerespersonalamtes, General v. Schwedler, lehnte gar eine Vermehrung des Heeres für 1936 entschieden ab. Er argumentierte, dass 1933 das Korps aus 3.800 Offizieren bestand und sich diese Zahl im Herbst 1935 nunmehr auf 6.553 erhöhte, was einem Zuwachs von 72 Prozent in nur zwei Jahren bedeutete und unweigerlich zu einer Minderung der militärischen Qualität führen muss. Für das Jahr 1941 kalkulierte man einen Fehlbestand von 13.150 Offizieren, mit dessen Ausgleich erst im Jahre 1950 gerechnet wurde.[12] Das Tempo ging jedoch unvermindert weiter. Der Aufbau der neuen Divisionen wurde gestärkt durch die Übernahme von 56.000 Mann der kasernierten Landespolizei.[13] Im Herbst 1935 erreichte das Heer eine Stärke von ca. 400.000 Mann, welche sich in 24 Infanterie-, drei Panzer-, zwei Kavalleriedivisionen sowie je eine Kavallerie- und Gebirgsbrigade gliederten.[14]

In die kurze Zeit der Stagnation beim Aufbau des Heeres im Jahre 1936 fiel auf einmal die aufkommende Diskussion über die sich nun eröffnenden Möglichkeiten der neuen Panzertruppe, welche letztendlich unter dem Stichwort Erhöhung der Angriffskraft Auswirkungen auf die weitere Rüstungsplanung haben sollten. Im Generalstab erkannte man die Chance, dass man mit dieser neuen Waffe eine bewegliche Kampfführung in erheblichen Maße durchführen konnte und sich damit neue operative Dimensionen eröffneten. Der Chef des Generalstabes Beck schlug unter dem Eindruck von äußerst erfolgreichen Demonstrationen der neuen Panzertruppe vor, zusätzlich zu den bestehenden Panzerdivisionen motorisierte Schützenregimenter aufzubauen, welche je nach Situation zu selbstständigen Kampfverbänden zusammengefügt werden sollten. Weiterhin wollte er durch Motorisierung von mehreren Infanteriedivisionen die Angriffskraft des Heeres insgesamt erhöhen. Des Weiteren hielt Beck es für angebracht, dass jedes Armeekorps mit einer Panzerbrigade (je vier Panzerabteilungen) ausgestattet werden sollte.[15] Allerdings missachtete er dabei eklatant die wirtschaftlichen Grundlagen jeder militärischen Rüstung, denn eine Reduzierung aus finanziellen Gründen der von ihm geplanten 48 (!) Panzerabteilungen lehnte er strikt ab. Zum Programm Erhöhung der Angriffskraft kann auch der Entwurf des Oberbefehlshaber des Heeres v. Fritsch zählen, welcher aufgrund einer Denkschrift des Chefs der Operationsabteilung im Generalstab, von Manstein, eine Weisung unterzeichnete, demnach jeder Infanteriedivision eine Sturmgeschütz-Abteilung zugeordnet werden sollte. Diese Weisung wurde später nach seiner Entlassung im Rahmen der Fritsch-Blomberg-Affäre revidiert.[16] Die erörterten Punkte bzgl. der Erhöhung der Angriffskraft hätten zu einer extremen Verstärkung der militärischen Schlagkraft des Heeres geführt und der Wehrmacht einen uneinholbaren Anfangsvorsprung gegenüber seinen Nachbarn gegeben, jedoch war letztendlich eine Realisierung aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht möglich.

Im Herbst 1936 erreichte das Heer eine Stärke von ca. 520.000 Mann. Im August desselben Jahres wurde schließlich das endgültige Rüstungsprogramm aufgelegt.[17] Im Endausbau sollte das Friedensheer 36 Infanteriedivisionen (davon vier mot.), drei Panzerdivisionen, drei leichte Divisionen, eine Gebirgsdivision sowie starke Korpstruppen (z. Bsp. 16 Artillerieregimenter) mit einer Gesamtstärke von circa 800.000 Mann umfassen. Das Kriegsheer sollte sich aus 72 Infanteriedivisionen, 3 Panzerdivisionen, 3 Leichten Divisionen und 21 Landwehrdivisionen mit insgesamt 3,6 Mio. Soldaten zusammensetzen. Mit starken Korpstruppen kam das Kriegsheer somit auf 102 Divisionsverbände. Damit hat man in mehr als sieben Jahren den über 40jährigen Aufbauprozess des kaiserlichen Heeres, welches zu Kriegsbeginn 1914 über 2.147.000 Mann verfügte, übertrumpft.

Daten zur Rüstungsplanung.[18] Plan des Truppenamtes

Vom Dezember 1933
Aufbau des 21-Div.-Heeres
Zum 1. April 1938

Plan des Generalstabes

Vom Juli 1935
Aufbau des 36-Div.-Heeres
Zum 1. Oktober 1939

Plan des Heeresamtes

Vom August 1936
Endaufbau des Heeres
Zum 1. Oktober 1939

Höhere Kommandobehörden

Gruppenkommandos

3 4 4
General(Korps)Kommandos 8 12 13
Kavallerie-Korpskommando 1
Panzer-Korpskommandos 1 1
Kdo. Aufklärungsstreitkräfte 1
Verbände

Infanterie-Divisionen

21 33 32
Inf.-Divisionen (mot.) 4
Gebirgs-Division 1
Gebirgsbrigade 1
Kavallerie-Division 3
Kavallerie-Brigade 1 1 1
Panzer-Division 3 3
Panzerverband 1
Leichte Division 1 3
Stärke des Friedensheeres 300.000 693.000 830.000
Stärke des Kriegsheeres 63 Divisionen 63 Divisionen 102 Divisionsverbände

4.620.000 Soldaten

Wirtschaftliche Faktoren

Eine Hochrüstung in solchem Tempo musste unweigerlich zu wirtschaftlichen Problemen führen, die jedoch weder von der militärischen noch von der politischen Führung berücksichtigt wurden. Das errechnete finanzielle Volumen ergab für das Augustprogramm folgendes Bild:

Haushaltsjahr 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945
Bisheriger Bedarf (in Mrd. RM)

Sommerplan 1935

3,58 3,68 3,86 3,44 2,58 2,58 2,58 2,58 2,58
Neuer Bedarf

Augustprogramm 1936

8,88 8,98 8,86 4,67 4,29 3,50 3,47 3,47 3,17
Kosten für Mindestbeschaffung

(Zusätzlich zum Augustprogramm)

2,90 3,33 3,75 4,18 4,60 4,60

Die Mindestbeschaffungsaufträge -welche aufgestellt worden sind, um der Industrie auch nach der Hochphase der Rüstung Aufträge zu vermitteln, damit diese ihre Produktion so früh wie möglich vollständig auf Rüstungsgüter umstellen- ließen in der Zukunft untragbare Zustände entstehen. So rechnete man ab 1940 mit einem jährlichen Zuwachs von 36.000 MG, für die keine Verwendungsmöglichkeit bestand.[19] Diese Fakten ließen nur eine einzige Möglichkeit zu: Der Einsatz der Wehrmacht musste demnächst erfolgen, denn ein Herunterfahren der Rüstung war nicht geplant.[20] Die volkswirtschaftlichen Konsequenzen dieser rasanten Aufrüstung, die immense finanzielle Dauerbelastung und die sich eventuell daraus entwickelnden sozialen Folgen spielten für die militärische Führung keine Rolle und wurden in Vorträgen und Denkschriften nur am Rande oder gar nicht erwähnt. Aber bereits 1936 wurde die Rohstoffknappheit zu einem prekären Faktor und zwang zu fortwährenden Umdispositionen und somit letztendlich zu einer Verlangsamung der Aufrüstung. So ist es kein Zufall, dass in diesen Zeitraum der von Hitler proklamierte Vierjahresplan fiel. Dieses Programm zur Ausbeutung aller heimischen Rohstoffvorkommen und des Aufbaus einer Ersatzstoffindustrie ohne Rücksicht auf Rentabilität und die damit verbundene Zielsetzung, die Wirtschaft „kriegsfähig“ zu machen, ist im Zusammenhang mit dem Augustprogramm des Heeres zu sehen. Doch die Probleme ließen sich nicht lösen. So konnte schon 1937 der Kupferbedarf des Heeres nur zur Hälfte gedeckt werden, was dazu führte, dass ein nicht unerheblicher Teil der im Jahre 1939 zu fertigenden Munition ohne Führungsringe und ohne Zünder zur Auslieferung kam.[21] Neben der Verknappung von Nichteisenmetallen kam 1937 auch ein Mangel von Rohstahl dazu, was zu einer Eisen- und Stahlkontingentierung führte. Dies steigerte sich auf eine Sperre im Dezember 1938 aller Aufträge für Stabstahl und Feinbleche an die Industrie, wodurch es zu gravierenden Lieferverzögerungen an Waffen, Gerät und Munition kam. Das Heeresamt und der Generalstab zogen daraufhin die Konsequenzen und meldeten, dass das Heer erst zum 1.April 1941 vollständig aufgestellt werden und der erforderliche Munitionsnachschub gar erst zum 1.April 1942 erreicht werden könne. Doch Hitler hatte eine Bevorratung von Nachschub niemals ins Auge gefasst und forderte sogar ein noch schnelleres Tempo bei der Aufrüstung. Zwar wurden auf dem Papier die Planungsdaten des Augustprogramms teilweise sogar überschritten, jedoch meldete die Heeresführung am 15. April 1939, dass 34 Infanteriedivisionen so gut wie überhaupt keine Waffen und Geräte besitzen, das Erstheer nur über zehn Prozent an Gewehren u. MG verfügte und der gesamte Munitionsvorrat auf 15 Kampftage gesunken war.[22] Die Infanteriedivisionen des Feldheeres setzten sich zudem aus vier verschiedenen Divisionstypen zusammen, sog. Wellen. So bestanden die 35 Inf.-Divisionen der 1. Welle aus 78 % aktiven Personal, aber schon die 16 Divisionen der 2. Welle verfügten nur über 6 % aktiven Personals, der Rest setzte sich aus Reservisten, Ergänzungseinheiten oder Landwehrpflichtigen zusammen.[23] Dieses Feldheer wurde im Sommer 1939 von der militärischen Führung als nicht kriegsfähig bezeichnet.[24] Die Zahlen auf dem Papier allerdings waren gewaltig: zu Kriegsbeginn hatte das Feldheer eine Stärke von 2,758 Millionen Mann. Den geplanten 44 Divisionen des aktiven Heeres standen 53 Divisionen (35 Inf.-, 4 mot. Inf.-, 6 Panzer-, 4 leichte- und 3 Gebirgsdivisionen) gegenüber. Die mobilisierbaren Verbände waren so gut wie gleich geblieben (103 zu 102 projektierten). Tatsächlich jedoch waren die Infanteriedivisionen selbst der 1.Welle nicht voll aufgefüllt, die Ausrüstung der übrigen Großverbände war nur unbefriedigend und es gab keine ausreichende Nachschubkapazität. Dies war jedoch für die militärische Führung zunächst unerheblich, denn dessen Priorität lag auf den Planungszahlen des Augustprogrammes, welche auf dem Papier erreicht und teilweise sogar leicht überschritten wurden.

Die Marinerüstung

Wie beim Heer nahm die Aufrüstung der Marine ihren Ausgang vom Novemberprogramm 1932, doch entgegen der sich überstürzenden Planungen des Heeres hat der Marine-Aufrüstungsprozess deutlich später eingesetzt. Dies resultiert hauptsächlich daraus, dass die seit 1933 reichlich fließenden Mittel zuvorderst für den Aufbau von Küstenverteidigungen und Hafenbauten verwendet worden sind. 1933 gab es keine klare Zielrichtung für den Flottenbau, weil man erstens den Verlauf der Genfer Abrüstungskonferenz abwarten wollte und weil zweitens Hitler anfangs ein scharfer Gegner einer maritimen Ausrichtung der deutschen Politik war und an einer Forcierung des Flottenbaus nicht interessiert war, weil er auf diesem Wege den Ausgleich mit England erzielen wollte. In einem ersten Gespräch Anfang April 1933 mit dem Chef der Marineleitung Raeder erklärte Hitler zu Beginn, dass England nicht als Gegner für die Marine in Frage komme.[25] Jedoch scheint Raeder dem Reichskanzler den Ausbau der Flotte aus Gründen der Macht- und Bündnispolitik schmackhaft gemacht zu haben, denn Hitler schien seine Meinung kurze Zeit später zu revidieren. Zu Beginn des Jahres 1934 wurden die Bauaufträge für die Panzerschiffe „D“ und „E“ mit erhöhter Tonnage (später Gneisenau und Scharnhorst) und vier Zerstörer vergeben. Nach Verlassen der Abrüstungskonferenz wurde im März ein neuer Schiffbau-Ersatzplan aufgestellt, der den Bau von acht Panzerschiffen, drei Flugzeugträgern, 18 Kreuzern, 48 Zerstörern und 72 U-Boote vorsah und bis 1949 realisiert werden sollte.[26] Im Herbst des Jahres wurden im Rahmen dieses Planes die Bauaufträge für die schweren Kreuzer Blücher und Admiral Hipper sowie für fünf Zerstörer erteilt. Mit dieser Schiffbauplanung war der Rahmen des Versailler Vertrages gesprengt worden, was aber keine Konsequenzen nach sich zog, da man dies vor der Öffentlichkeit gut verheimlichen konnte. Im Juli erhielt die Konstruktionsbezeichnung den Auftrag für die Ausarbeitung von Bauplänen des ersten Großkampfschiffes (Ersatzbau „F“, später Bismarck), so dass mit dessen Baubeginn im Sommer 1936 gerechnet werden konnte. Die anfänglichen Kriegsspiele der Marine wurden mit dem Hintergrund durchgeführt, Frankreich nicht nur am Eindringen in die Ostsee zu hindern, sondern auch dessen Seeverbindungen durch eine aktive Seekriegsführung im Atlantik zu behindern. Deswegen war das Rüstungsziel der Marineführung die Parität mit Frankreich; England wurde in die Planspiele nicht mit einbezogen.[25]

In der Folgezeit kam es zu nicht enden wollenden Auseinandersetzungen und Entscheidungen innerhalb der Marineführung aber auch zwischen dieser, dem Auswärtigen Amt oder Hitler selbst über die Einzelheiten der Schiffbauplanungen sowie über die politische Zielsetzung, welche dazu führten, dass dieses Programm bis Kriegsbeginn auch nicht annähernd realisiert werden konnte. Besonders ein so langfristiges Rüstungsprogramm wie der Schiffbau musste sich als besonders empfindlich erweisen für kurzfristige Planänderungen. Im Januar 1935 betonte Hitler, dass aufgrund des zu erwartenden außenpolitischen Drucks wegen der Saar-Abstimmung das Rüstungstempo zu erhöhen sei, was die Marineführung dazu veranlasste, eine Auftragserteilung für weitere Zerstörer zu geben und den Baubeginn für den ersten Flugzeugträger „A“ (spätere Graf Zeppelin) auf den 1. April 1935 vorzuverlegen, obwohl über die wichtigsten Baudaten dieses Schiffes noch gar nicht entschieden worden war.[27] Dieser voreilige Plan ließ sich nicht realisieren und erst am 16. November wurden der Flugzeugträger „A“ und das Schwesterschiff Flugzeugträger „B“ in Auftrag gegeben, welche letztendlich nie fertiggestellt wurden. Das am 18. Juni unterzeichnete Deutsch-britisches Flottenabkommen bedeutete somit keinen „Verzicht“ für die Marineführung, zumal dessen Ergebnis sowieso nur als vorläufig betrachtet wurde. Aber die statt der 144.000 ts nun offiziell zur Verfügung stehenden 520.000 ts konnten nicht ausgenutzt werden, da die Werftkapazitäten schon jetzt voll ausgelastet waren, was zur Konsequenz hatte, dass eine Baubeschleunigung der bestehenden Aufträge nicht möglich war und zusätzliche Neubauten von den Werften nicht übernommen werden konnten. Trotz der gesteigerten Bautätigkeit wuchs die Flotte im Vergleich zum Vorjahr nur um ein Panzerschiff (Admiral Scheer), acht Räum- und vier Schnellboote.[28]

Auch die U-Boot-Baupolitik blieb diffus und ohne klare Konturen. Der Führer der Unterseeboote (F.d.U.) Dönitz vertrat wiederholt die Ansicht, dass die Hauptaufgabe der U-Boote sei, vor den feindlichen Häfen und an den Brennpunkten des Feindverkehrs massiv aufzutreten. Daher forderte er eine Konzentration auf einen wesentlichen Typ, ein 750-t-Boot, dass sich durch hohe Offensivkraft auf kleinem Raum auszeichnete. Doch bei der Marineleitung warf man den Blick auch auf größere Unternehmungen, welche allerdings immer noch nicht England mit einbezogen, so dass Raeder, anstatt sich auf einen Typ zu konzentrieren, als Kompromiss im Jahr 1936 den Bau von sieben Booten des Typs VII und vier Booten des größeren Typs IX A anordnete. Im folgenden Jahr wurden acht Boote des mittleren Typs VII, fünf Boote des größeren Typs IX und acht Boote des Küstentyps II in Auftrag gegeben. Einen Vorgeschmack auf die kommenden Jahre der konzeptionslosen Baupolitik, welche weder militärischen noch politischen Kalkül, sondern den gerade gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten folgte, wird u.a. durch die Tatsache aufgezeigt, dass plötzlich im Sommer 1937 Aufträge über acht zusätzliche Boote vom kleinen Typ II C vergeben wurden, weil überraschenderweise Werftkapazität zur Verfügung stand.[29] Zu Kriegsbeginn selber standen nur 57 U-Boote bereit, wobei nur die Hälfte für ozeanische Unternehmungen geeignet waren.[30] Der restliche Schiffbau verschleppte sich aufgrund der mangelnden Versorgung mit Stahl und Nichteisenmetallen sowie des spürbar werdenden Fachkräftemangel. Eine für Raeder angefertigte Aufstellung ergab, dass im Jahr 1937 bei den großen Schiffen Verzögerungen von bis zu acht Monaten und beim Flugzeugträger A von bis zu einem Jahr errechnet wurde. Seit Baubeginn betrugen die Verzögerungen bei sämtlichen Schiffen durchschnittlich 12 Monate, in Extremfällen bis 22 Monate.[31] Neben der allgemeinen Verknappung der Rohstoffe sowie dessen Kontingentierung kam als weiteres Hindernis für eine langfristige Baupolitik der Punkt einer sich veränderten Außenpolitik zum Tragen. Hitlers Annäherungsversuche an England, um im Osten eine freie Hand zu bekommen, hatten nicht den gewünschten Erfolg, so dass 1937 erstmals auch England als eventueller Gegner in die Studien der maritimen Operationsabteilungen mit einbezogen wurden musste.[32] Dem wurde mit Raeders Bauprogramm vom 21.Dezember 1937 Rechnung getragen, dass nicht nur den Neubau von sechs Schlachtschiffen vorsah, sondern den schon im Bau befindlichen zwei Flugzeugträgern zwei weitere hinzufügte. Dieser Plan blieb aufgrund der angespannten Lage folgenlos; im Jahr 1937 konnte kein einziges größeres Kriegsschiff bis einschließlich Zerstörer in Auftrag gegeben werden. Gegenüber den weitschweifenden Plänen nahm sich Ende des Jahres der Schiffsbestand recht bescheiden aus; die Flotte bestand aus 3 Panzerschiffen, 6 Leichten Kreuzern, 7 Zerstörern und 12 Torpedobooten.[33]

Im Jahre 1938 wurde endgültig mit dem Bann einer deutsch-englischen Konfrontation gebrochen und im Sommer wurde die Operartionsabteilung der Seekriegsleitung von Raeder beauftragt, eine Denkschrift über die Möglichkeiten der Seekriegsführung gegen England und der sich daraus ergebenden Konsequenzen zu erarbeiten. Das Ergebnis dieses Berichtes sagte aus, dass die Kriegsmarine nie die erwartete britische Blockade sprengen könnte und das einzige Ziel der Seekriegsführung nur in der nachhaltigen Störung des britischen Überseehandels liegen könne. Man favorisierte einen Kreuzerkrieg mit schnellen und weitreichenden Panzerschiffen und den massierten Einsatz von U-Booten. Die Zukunft der von Hitler und der Mehrheit der Seekriegsleitung favorisierten Schlachtschiffe wurde in dem Bericht nur vorsichtig behandelt. In einer Abschlussbesprechung ergab sich die paradoxe Situation, dass der Chef des Stabes feststellen musste, daß man den Schiffstyp zwar brauche, aber eine völlige Klärung des Verwendungszweck nicht erreicht werden konnte.[32] Diesem Bericht wurde in der Schlussdenkschrift vom 31. Oktober 1938 nur am Rande Rechnung getragen und man entwickelte nun ein utopisches Programm, welches unter den Namen Z-Plan fragwürdige Berühmtheit erlangen sollte. Der Planungsausschuss, der aufgrund des Zeitdrucks die vielfältigen Probleme eines so komplexen Programms nicht befriedigend erörtern konnte, einigte sich letztendlich auf einen Bauplan für insgesamt 10 Schlachtschiffe (6 Neue), 15 Panzerschiffe (12 Neue), 5 Schweren, 24 Leichten u. 36 Kleinen Kreuzern, 8 Flugzeugträgern und 249 U-Boote.[32] Das Projekt sollte bis 1948 fertiggestellt sein, wobei die Schlachtschiffe und Flugzeugträger mit ihren extrem langen Bauzeiten vorerst in den Hintergrund rücken sollten. Zugleich ließ es der Flottenchef bei dieser abenteuerlichen Vision nicht bewenden und empfahl in Planspielen die Eroberung von Atlantik-Operationsbasen in Frankreich, Holland und Dänemark und schlug neben einer starken Heimatflotte eine zusätzliche Auslandsflotte vor, deren insgesamt vier Kampfgruppen zu je einem Schlachtkreuzer, Schwerem Kreuzer und Flugzeugträger sowie Zerstörern, U-Booten und Versorgungsschiffen in den Weltmeeren selbstständig operieren sollten. Als Raeder den Z-Plan Hitler am 17. Januar 1939 vorlegte, konnte er sich jedoch mit der Priorität auf Panzerschiffe für die Kreuzerkriegsführung nicht durchsetzen, denn Hitler gab den Vorrang dem Neubau der sechs Schlachtschiffe der H-Klasse und befahl deren Fertigstellung bis 1944.[32] So wurden denn am 14. April 1939 die Aufträge für die Schlachtschiffe „H“ und “J“, und am 25. Mai 1939 die Aufträge für die Schlachtschiffe „K“, „L“, „M“, und „N“ vergeben. Zwar entsprach der nun politisch vorangetriebene Schlachtschiffbau nicht dem Konzept einer Seekriegsführung gegen England, jedoch wähnte sich die Marine nun auf dem trügerischen Weg zu einer Weltmacht.

Doch die Realität sah anders aus. Neben den Lieferschwierigkeiten von Nichteisenmetallen und Stabstahl gesellten sich auch organisatorische Probleme, die sich dahingehend äußerten, dass der Marine zwar -nach der durch die Aufzeichnung des Obersten Hoßbach bekannt gewordenen Konferenz Hitlers mit der Wehrmachtsführung am 5. November 1937 (siehe auch Hoßbach-Niederschrift)- eine Erhöhung der Monatsquote von 45.000 t Stahl auf 70.000 t zugesichert worden war, jedoch die Werften gar nicht in der Lage waren, diese Menge zu verarbeiten, denn im April 1938 lag die interne Lieferforderung nur bei 53.000 t.[34] Noch schwieriger gestaltete sich die Arbeiterfrage, denn der Personalmangel Ende 1938 konnte nur durch im Juli angeordnete Dienstverpflichtungen einigermaßen gedeckt werden. Durch solch eine Weise war jedoch der erhöhte Arbeitskräftebedarf durch den Schlachtschiffneubau im Jahre 1939 gar nicht mehr zu kompensieren. Daneben führten Wohnungsmangel für die Werftarbeiter, das Zulagewesen und die Dienstverpflichtungen zu einem schlechten Betriebsklima.[35] Ein weiteres Problem eröffnete sich Ende 1938 durch eine Berechnung der Abteilung Wehrwirtschaft im Marineministerium, als diese den Mob-Bedarf an Heizöl für die Z-Flotte auf 6 Mio. Tonnen und bei Dieselöl auf zwei Mio. Tonnen veranschlagte, jedoch der gesamte deutsche Verbrauch an Mineralölen im Jahre 1938 bei 6,15 Mio. Tonnen lag, wobei nur 2,4 Mio. Tonnen aus heimischer Produktion kamen. Diesem Problem wollte man durch Einlagerung von Betriebsstoffen -bis 1945 sollten zehn Mio. Kubikmeter Tankraum gebaut werden- und einer gesteigerten heimischen Produktion begegnen, wobei allerdings die Anforderungen der anderen zwei Wehrmachtsteile noch gar nicht berücksichtigt waren.

Auch die Marine erfuhr eine erstaunliche Steigerung der Personalstärke, jedoch hatte sie entgegen dem Heer keine Probleme, den Offiziersbedarf zu decken. Das Offizierskorps bestand 1932 aus 1100 Mann und bei Kriegsbeginn aus 4400 Offizieren. Die Gesamtpersonalstärke im November 1932 betrug 15.000 Mann; bei Kriegsbeginn hatte sich dieser Bestand auf 78.000 Mann verfünffacht. [36] Die für den Aufbau der Kriegsmarine verwendeten Mittel stellen sich wie folgt dar:[37]

Jahr 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939
Schiffbau (in Mio. RM) 49,6 76,1 172,3 287 561,3 603,1 458,8 545,1
Gesamthaushalt (in Mio. RM) 187,4 311,8 496,5 695,1 1160,7 1478,5 1756,3 2389,9
Prozent 26,4 24,5 34,7 41,3 48,4 40,8 26,1 22,8
Datei:DKM Blucher.png
Der Auftrag zum Bau Blücher erging am 30. Oktober 1934

Doch obwohl im Jahr 1939 im Vergleich zu 1932 mehr als das Zwölffache an Etatmitteln ausgegeben wurde, nahm sich der Schiffsbestand der Marine nur bescheiden aus. Die durch den Versailler Vertrag erzwungene Pause beim Schiffbau konnten die Werften nicht so schnell kompensieren. Diese sahen sich den besonderen Problemen des Kriegsschiffbaus konfrontiert und mussten erst zeitraubende Erfahrungen sammeln. So benötigten die Deutsche Werke in Kiel von der Auftragserteilung bis zur Indienststellung z. B. für den schweren Kreuzer Blücher knapp fünf Jahre; für den leichten Kreuzer Karlsruhe dreieinhalb Jahre und selbst für den Zerstörer des Typs 34 fast drei Jahre. Als Extrembeispiel sei das Panzerschiff Deutschland aufgeführt, dessen Entwicklungsgeschichte von den ersten Konstruktionsentwürfen bis zur Indienststellung sich fast über ein Jahrzehnt verfolgen lässt.[38] Der schleppende Aufbau des Schiffsbestandes ist wie folgt zu sehen:

Schlachtschiffe Panzerschiffe Schwere Kreuzer Leichte Kreuzer Zerstörer Torpedoboote U-Boote
1. April 1934 1 5 12
1. September 1939 2 3 1 6 21 12 57

Als England dem Dritten Reich am 3. September den Krieg erklärte, zog Raeder das Fazit der einer konsequenten Leitlinie vermissenden Marinerüstung: Was die Kriegsmarine anbetrifft, so ist sie selbstverständlich noch keineswegs für den Kampf mit England hinreichend gerüstet … Die Überwasserstreitkräfte aber sind noch so gering an Zahl und Stärke, dass sie -vollen Einsatz vorausgesetzt- nur mit Anstand sterben können. Eine so von Resignation gezeichnete Lagebeurteilung gab keine der anderen Teilstreitkräfte ab. Nach Kriegsbeginn wurde der Bau so gut wie aller geplanten Überwasserstreitkräfte annulliert. Die Kampfstärke der Flotte zu Kriegsbeginn schien die immensen finanziellen Aufwendungen, die teilweise 40 Prozent der militärischen Gesamtausgaben ausmachten, nicht zu rechtfertigen.

Die Luftwaffenrüstung

Keine andere Teilstreitkraft hat eine so rasante Entstehung vollzogen wie die Luftwaffe, deren spektakuläre Entwicklung von dem Versailler Totalverbot bis zu den 4.093 Frontflugzeugen bei Kriegsbeginn eine grenzenlose Bewunderung wie auch Befürchtungen bei den Zeitgenossen weckte. Auch hier nahm der Lauf seinen Anfang bei dem zweiten Rüstungsprogramm vom Sommer 1932, wobei allerdings für das Jahr 33/34 nur die Aufstellung von reinen Ausbildungsverbänden vorgesehen war. Bis zum Jahre 1937 sollten dann 22 Staffeln mit ca. 200 Flugzeugen zur Verfügung stehen.[39] Mit der Ernennung von Göring zum Reichskommissar für die Luftfahrt am 30. Januar 1933 und der Schaffung des Reichsluftfahrtministerium am 10. Mai 1933 war mehr als eine Zentralisierung aller Bereiche der Militärluftfahrt geschaffen worden. Das politische Gewicht des zweiten Mann im Staate eröffnete dem neuen Wehrmachtteil ungeahnte Perspektiven.

Als die früheste Äußerung zu Grundsatzfragen der Luftkriegsführung ist die Denkschrift "Die deutsche Luftflotte" des Betriebsdirektors der Lufthansa, Dr. Robert Knauss, anzusehen, die im Mai 1933 dem Staatssekretär Milch im RLM vorgelegt wurde. Die Denkschrift ging davon aus, daß die Großmachtstellung Deutschlands nur über eine Aufrüstung zu erreichen sei und bis zur Realisierung derselben es kein wirksameres Mittel als die Schaffung einer starken Luftflotte gebe, die gegen jeden erdenkbaren Gegner (originär Frankreich und Polen) ein ungeheures Abschreckungspotential darstelle.[40] Das Dossier gewann vor allem deshalb Kompetenz und Überzeugungskraft, weil es sich nicht nur mit der theoretischen Idee einer „Risiko-Luftwaffe“ und eines vielleicht dadurch auf ein Jahrzehnt gewinnenden Vorsprungs begnügte, sondern auch die operativen Möglichkeiten, organisatorischen Grundsätze und technischen Anforderungen detailliert beschrieb. Konkret schlug Knauss den Aufbau eine Luftflotte von ca. 400 viermotorigen Bombern (Eindringtiefe 800 km u. Bombenzuladekapazität mind. 2.000 kg) und ergänzenden 10 Luftaufklärungsstaffeln vor, die zu selbstständigen strategischen Luftkriegsoperationen befähigt sein sollten. Er plädierte mit Nachdruck auf deren sofortige Aufstellung und argumentierte äußerst vorausschauend, dass z.Bsp. der Bau von 2 Panzerkreuzern die derzeitigen Machtverhältnisse nicht ändern würde, aber dass mit den dafür gleichen finanziellen Mitteln 400 Großbombenflugzeuge gebaut werden könnten, welche eine deutsche Luftherrschaft in Europa gewährleisten würden. Trotz der von Milch bekundeten Übereinstimmung mit der Denkschrift wurden die Theorien doch nur unvollkommen in das erste offizielle Luftrüstungsprogramm vom Juni 1933 übernommen, welches bis zum Herbst 1935 die Aufstellung von 600 Frontflugzeugen in 51 Staffeln vorsah.[41] Der Schwerpunkt lag zwar eindeutig in der Aufstellung von 9 Bombergeschwadern in 27 Staffeln mit insgesamt 250 Bombern, jedoch bestand die Luftflotte weder aus dem von Knauss gewünschten Einheitstyp, noch wurden die empfohlenen Größenordnungen erreicht. Ein zuvor angedachtes Programm mit insgesamt 1000 Flugzeugen für das Jahr 1934 wurde als unrealistisch revidiert, da dies die Fertigungskapazitäten nicht zuließen.[42]

Mit welchen Anfangsschwierigkeiten die Luftwaffe zu kämpfen hatte, wird nicht nur daraus erkenntlich, dass sie auf keinerlei Organisationsstruktur zurückgreifen konnte und keine Erfahrung besaß, sondern dass auch der Personenkreis, der mit der Militärluftfahrt verbunden war, äußerst klein war. So befanden sich im Sommer 1933 nur 76 Offiziere im RLM und die fliegenden Verbände bestanden aus einigen getarnten “Reklamestaffeln“. Nur wenige Militärpiloten wurden in den zivilen Flugschulen in Braunschweig, Oberschleißheim, Warnemünde, Würzburg und Jüterbog ausgebildet. Die Luftwaffe war auf Personal der anderen Teilstreitkräfte angewiesen. Trotzdem konnte im Laufe der Zeit eine enorme Steigerung der Personalstärke erreicht werden:[43]

1933 1935 1939
Offiziere ca. 250 1.300 15.000
Unteroffiziere und

Mannschaften

ca. 2.000 ca. 17.000 370.000

Somit hat sich das Offizierskorps vom Zeitpunkt der Enttarnung im Jahre 1935 bis zum Kriegsbeginn verdreizehntfacht. Wenn man bedenkt, dass die Formierung eines homogenen Offizierskorps und die Einführung in die neue komplizierte Technik ein langwieriger Prozess ist, so wird man über die Kohärenz dieses Korps skeptisch urteilen müssen. Ein weiterer gravierender Umstand ist die Tatsache, dass fast das gesamte Offizierskorps aus ehemaligen Heeresoffizieren bestand, die den neuen operativen Möglichkeiten naturgemäß vorsichtig gegenüberstanden und auch auf keine Erfahrung in der Führung größerer Fliegerverbände aufbauen konnten. Dieses Manko konnte bis Kriegsbeginn nicht ausgeglichen werden.

Ein weiteres Problem waren die anfänglichen Kapazitätsprobleme der deutschen Flugzeugindustrie, welche bedingt waren durch die Weltwirtschaftskrise und die in der Branche herrschenden Finanzprobleme. So arbeiteten in den Flugzeugwerken Anfang 1933 nur knapp 4000 Mann.[44] Erst mit der im Juni bei einer Ministerkonferenz erreichten Finanzierungssicherheit durch die Mefo-Wechsel erlebte die Branche eine Anschubfinanzierung, die einen kräftigen Anstieg der Beschäftigungszahlen nach sich zog. Gleichzeitig wurden die Flugzeugwerke durch die Verwaltungsabteilung des RLM dazu ermuntert, neue Werke zu bauen. So vergrößerte sich das Arbeitskräftepotential schließlich in knapp 6 Jahren um das Fünfzigfache:[45]

  • 1934: 16.870
  • 1935: 59.600
  • 1936: 110.600
  • 1937: 167.200
  • 1938: 204.100

Auch die Rationalisierung erfolgte auf Initiative des RLM. So informierte man die Firma Junkers, dass man im Jahr 1934 vorsah, 179 Flugzeuge des Typs Ju 52 zu bestellen. Da im Jahr zuvor nur ganze 18 Flugzeuge dieses Typs hergestellt hat, entwickelte man das sog. Takt-Verfahren, bei dem von Junkers kontrollierte Zulieferbetriebe die Einzelteile herstellten und im Stammwerk Dessau nur noch die Endmontage am Band erfolgte. Unter diesem Aspekt ist auch die vom Oktober bis Dezember 1935 vom RLM durchgeführte Mobilmachungsübung bei den Arado-Werken in Brandenburg zu sehen, wo man in diesem Zeitraum die monatliche Produktion von 20 auf 120 Flugzeuge steigern und die Belegschaft verdreifachen konnte.

Nachdem nun die industrielle Basis geschaffen worden war, wurde ein weiteres Flugzeugbeschaffungsprogramm mit einem Kostenvoranschlag von 10,5 Mrd. RM am 1. Juli 1934 beschlossen, welches bis Ende März 1938 die Beschaffung von 17.015 Flugzeugen aller Art vorsah, wobei bemerkenswerterweise nur 6.671 Frontflugzeuge vorgesehen waren:[46]

  • Jagdflugzeuge: 2.225
  • Bomber: 2.188
  • Sturzkampfbomber: 699
  • Aufklärer: 1.559
  • Schulflugzeuge: ca. 10.000

Die hohe Zahl der Schulflugzeuge machte deutlich, dass die Luftwaffenführung großen Wert auf Ausbildung und Konsolidierung ihrer Waffe legte. Allerdings konnte Reichswehrminister v. Blomberg seinen Willen zu einer taktischen Luftwaffe durchsetzen, wodurch die Ideen von Knauss obsolet wurden und man nun die Idee einer strategischen Bomberflotte mehr und mehr verwarf. In der ersten Phase sollten bis zum September 1935 rund 4.000 Flugzeuge geliefert werden, was einer Vervierfachung der Flugzeugproduktion in kürzester Zeit entsprach. Ende Dezember 1934 waren schon 1.959 Flugzeuge ausgeliefert, was einem Planungsrückstand von nur 6 Prozent bedeutete und einer Meisterleistung der Industrieplaner im RLM gleichkam.[47] Im März 1935 verfügte die Luftwaffe über rund 2.500 Flugzeuge, wobei ca. 800 für einen Einsatz im Ernstfall bereitstanden. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass es sich bei den meisten Typen um veraltete Modelle handelte, was auch im RLM wahrgenommen wurde. So waren die bislang ausgelieferten 270 Bomber Flugzeuge des Typs Ju 52 und Do 11; die 100 Jäger waren Doppeldecker vom Typ Ar 64 und Ar 65. Der Chef der Entwicklungsabteilung im Technischen Amt des RLM, Major v. Richthofen brachte die derzeitige Meinung auf den Punkt, als er meinte, dass bedingt brauchbares Gerät besser als gar kein Gerät sei. Die neuen Flugzeugmodelle Do 17, He 111, Ju 86 und Ju 87 hatten noch eine teilweise langwierige Entwicklungsphase vor sich. Zu einem gravierenden Engpass kam es bei der Flugmotorenentwicklung und –produktion, da nur die Firma Junkers in den zwanziger Jahren an dessen Weiterentwicklung teilgenommen hat und die Firmen Daimler-Benz und BMW nun erst Erfahrungen sammeln mussten. So kam es 1935 und bis Mitte 1936 zu mehreren Ergänzungsprogrammen, die das Ziel hatten, den Technikwandel zu vollziehen, ohne dabei die geschaffenen Kapazitäten herunterzufahren. Die Industrie zeigte sich bemerkenswert flexibel, jedoch kam der Umrüstungsprozess erst im Jahre 1937 tatsächlich zustande.

Trotz der Schwierigkeiten, die der schnelle personelle Aufbau mit sich brachte, waren doch die Jahre 1933 – 1936 geprägt durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der führenden Männer im RLM (Göring ließ Milch, Wimmer und Wever größtenteils freie Hand) und einer umsichtigen Planung, welche im Gegensatz zu den verengten Perspektiven der anderen zwei Wehrmachtsteile die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Faktoren der Rüstung berücksichtigte. Auch in der theoretischen Luftkriegsführung war man allen anderen Staaten voraus, denn die aus dem Jahre 1936 vom Chef des Luftkommandoamtes Wever erstellte Vorschrift zur Luftkriegsführung vereinigte alle Elemente eines modernen Luftkrieges. Er erkannte, dass die Aufgaben der Luftwaffe in der Offensive gegen die Kampfkraft des Gegners, also gegen die feindliche Luftwaffe und dann gegen die Kraftquellen der feindlichen Armee liegen. Ferner erstellte er neue Richtlinien für die weitere Entwicklung eines strategischen Bombers, von welchem er sich weitreichende operative Möglichkeiten versprach. Doch der von Göring misstrauisch erkannte Erfolg seiner höheren Offiziere und schließlich Wevers Tod am 3. Juni 1936 läuteten eine neue Ära in der Luftwaffe ein. Göring mischte sich nun mehr und mehr in die Amtsgeschäfte ein und ernannte als Wevers Nachfolger Generalleutnant Kesselring, welcher als Chef des Luftwaffenverwaltungsamtes ein Experte in Organisationsfragen war, aber für die neue Stelle als Chef des Generalstabes (bis 2. Juni 1937 Luftkommandoamt) kein glückliche Wahl war. Aber die wohl schwerwiegendste Fehlentscheidung war die Ablösung des Chefs des Technischen Amtes General Wimmer durch Görings ehemaligen Fliegerkameraden Udet, welcher zwar ausreichend Fliegererfahrung, aber keinerlei technischen oder organisatorischen Fähigkeiten besaß und sich teilweise selbst als unqualifiziert ansah. Auch sollte es von jetzt an zu teilweise unüberbrückbaren Spannungen vor allen zwischen dem Zivilisten Milch und Göring, Kesselring und Udet kommen. Auf technischem Gebiet kam es auch zu teils gravierenden Veränderungen. Die Entwicklung eines strategischen Bombers wurde zugunsten des Stuka gestoppt und der Wert von nun auf allgemeine Sturzkampffähigkeit gelegt, von welcher sich Udet eine bessere Zielgenauigkeit versprach. Die groteske Folge war, dass alle zukünftigen Bombertypen sturzkampffähig sein sollten, wie später z. Bsp. die schwere He 177 und die vielversprechende Ju 88 (dieser 1936 als Schnellbomber geplante Typ sollte Ende März 1940 bereits in 1060 Exemplaren ausgeliefert worden sein, jedoch kam es durch Udet´s manische Idee zu derart vielen Änderungswünschen, dass 1939 erst 18 Exemplare bei der Truppe waren.) Noch im Jahre 1936 machte man sich grundlegende Gedanken über eine zweite Modernisierungsphase, in welcher die nunmehr eingeführten Typen wie He 111, Do 17 oder auch Me 109 durch noch fortschrittlichere Typen ersetzt werden sollten.[48] Dieser im Jahr 1939 geplante Wechsel sollte 1940 größtenteils abgeschlossen sein, jedoch kam es aufgrund der Kurzsichtigkeit der neuen Führung nicht dazu. Da dieser Prozess einen gravierenden Eingriff in die bestehende Serienproduktion dargestellt hätte, kam Udet die Idee einer Einheitszelle mit Einheitsmotor, was jedoch angesichts der unterschiedlichen Verwendungszwecke bei der Luftkriegsführung und unter Berücksichtigung der beschleunigten technischen Entwicklungen an der Wirklichkeit vorbei ging.

Zusätzlich zu der inkompetenten Führung kam jetzt die allgemeine Verknappung der Rohstoffe erschwerend dazu. Auch wenn Göring als Beauftragter des Vier-Jahres-Plans manchen Engpass überwinden vermochte, konnte 1937 der Stahlbedarf nur zu einem Drittel gedeckt werden. Aufgrund der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Lage sowie der Schwierigkeiten bei einzelnen Flugzeugmustern wurden die Bauprioritäten häufig geändert, so dass es vom Juliprogramm 1937 bis zum Kriegsbeginn zu insgesamt 14 verschiedenen Flugzeugbeschaffungsprogrammen kam. Auffällig ist dabei, dass die Steigerungsraten von 1934 bis 1936 nicht mehr erreicht werden konnten und es zu einem Produktionsrückgang im wichtigen Jahr 1938 kam:[49]

Jahr tatsächliche Produktion Plan 4 Plan 4/5 Plan 5/6 Plan 6 Plan 7 Plan 7/8 Plan 8 Plan 10 Plan 10/11
1934 1.890
1935 3.245
1936 5.180
1937 5.677 6.843 5.767 5.711
1938 5.275 5.800 6.021 6.154
1939 7.938 9.957 8.299 8.619

Nach der von Hitler als Niederlage empfundenen Münchner Konferenz verkündete Göring in Anbetracht der internationalen Spannungen am 14. Oktober 1938 ein gigantisches Rüstungsprogramm, wobei er von einer Verfünffachung der Luftwaffe sprach. Dabei sprach er von einer Generalmobilmachung der wirtschaftlichen Ressourcen, ohne darauf einzugehen, wie diese im Einzelnen zu erfolgen sei. Auf dieser Ankündigung folgend legte der Luftwaffengeneralstab Ende Oktober ein Programm vor, dass die Vergrößerung der Luftstreitkräfte auf 19.000 Frontflugzeuge sowie 500 Trägerflugzeuge bis zum 1. April 1942 in folgender Aufstellung vorsah:[50]

  • 58 Kampfgeschwader (Ju 88, mind. 4 Geschwader He 177)
  • 16 Zerstörergeschwader (BF 110, 8 Geschwader Me 210)
  • 8 Stukageschwader (Ju 87b)
  • 16 Jagdgeschwader (Bf 109)
Von der Ju 88, dem Hoffnungsträger der Luftwaffe, sollten bis zum Frühjahr 1940 eigentlich schon 1000 Stück ausgeliefert worden sein

Doch die derzeitige Rohstofflage machte ein solch utopisches Programm obsolet. Dazu kamen interne Berechnungen zu dem Fazit, dass man für die längere Aufrechterhaltung der Kampffähigkeit solch einer Luftmacht in einem für 1941 angenommenen Kriegsfalle Flugtreibstoff in solcher Menge benötigte, dass zur Auffüllung der entsprechenden, noch nicht gebauten Tanklager 85 Prozent der zur Zeit bekannten Weltproduktion an Spezialbenzin hätten importiert werden müssen.[51] Angesichts der Stagnation der Flugzeugproduktion und der Modernisierungsphase wäre eine allgemeine Konsolidierung in Form der Intensivierung der Ausbildung, dem Ausbau der Infrastruktur und einer Suche nach Auswegen aus der aktuellen Krise angebracht. Doch das Gegenteil geschah. Der Versuch, die derzeitige Krise durch überhöhte Forderungen zu überwinden, musste bei einem so komplizierten Unternehmen wie der Luftwaffenrüstung versagen oder sogar negative Wirkungen hervorrufen. Auch die veränderten politischen Bedingungen übten einen negativen Einfluss aus, denn mit England hatte man einen neuen möglichen Gegner, auf den man vor allem technisch nicht vorbereitet war, denn die mangelnde Ausbildung der Besatzungen für die besonderen Bedingungen eines Einsatzes gegen die britischen Inseln sowie die geringe Eindringtiefe und relativ schwache Kampfkraft der im Moment zu Verfügung stehenden taktischen Bomber ließen erkennen, dass man auf so einen Kampf nicht genügend vorbereitet war. So hatte der rasante Aufbau der Luftwaffe ein politisches Risiko heraufbeschworen, dass sie eigens nicht mehr zu bewältigen vermochte. Die Luftwaffe selbst ging mit 4093 Fontflugzeugen, welche in 21 Geschwader zu insgesamt 302 Staffeln zusammengefasst waren, in den Krieg, wobei der Betriebsstoffvorrat nur für zwei Monate reichte. Im Vergleich zur Denkschrift Knauss hatten sich die Relationen verschoben, denn den 1542 Bombern (einschließlich 366 Stuka) standen 1084 Jägern gegenüber (einschließlich 313 Zerstörer); dazu kamen noch 613 Aufklärungsflugzeuge. Von den 373.000 Soldaten der Luftwaffe waren 107.000 Mann in der Flakartillerie (21 Flakregimenter mit 2.600 schweren und 6.700 mittleren/leichten Flakgeschütze) eingesetzt.

Fazit

Die 1936 vom Chef des Heeresamtes gestellte Frage, ob die Unterhaltung eines auf höchste Kriegsbereitschaft ausgelegten Heeres ökonomisch überhaupt tragbar sei, stellte sich alsbald nicht mehr, denn Hitler hatte seine Absicht verkündet, spätestens ab 1943 die Wehrmacht zum Kampf um die Erweiterung des Lebensraumes einzusetzen. Er rechnete anfangs nur mit begrenzten, aber gewaltigen Schlägen, wofür der Nachschub und die Tiefenrüstung vernachlässigt worden war. Im Verlauf der immer länger währenden und in dieser Form nicht geplanten Ausweitung des Konfliktes sollte sich zeigen, dass die Wehrmacht für einen langen Weltkrieg nicht ausgerüstet war.

Im Ausland ist der Aufbau der Wehrmacht als ein gut geplanter, organisierter und einheitlicher Vorgang verstanden worden, jedoch zeigt der Überblick über die einzelnen Stadien der Aufrüstung, dass von einer planvollen Gesamtwehrmachtrüstung nicht die Rede sein kann. Vielmehr stellt sich der Aufbau als eine im Wesentlichen unkoordinierte Expansion der einzelnen Wehrmachtteile dar, wobei die Rüstungsprogramme der jeweiligen Teilstreitkraft ohne Konsultation der anderen beiden Teilstreitkräfte geplant worden waren. Ein einheitliches "Wehrmachtrüstungsprogramm", welches bei einer so komplexen Materie unabdingbar gewesen wäre, existierte nicht. Zweifellos war diese mangelnde Koordination dem ungelösten Problem der Wehrmachtspitzengliederung und der unzureichenden, teils kompetenzüberschneidenden und unübersichtlichen Organisationsstruktur der politischen und militärischen Führungsebenen geschuldet. In Hitlers Polykratie blähte sich ein Bürokratieapparat auf, bei dem jeder Überblick verloren gehen musste. Soweit bekannt ist, hat Hitler bis zum Kriegsbeginn niemals eine Weisung erteilt, die den Gesamtbereich der Wehrmachtrüstung umfasste und somit eine Koordination der einzelnen Rüstungsmaßnahmen erkennen ließ. Seine laufenden Forderungen nach Beschleunigung der Aufrüstung sowie die Errichtung immer neuer Institutionen förderte die Konkurrenz der Wehrmachtteile untereinander in einer Weise, bei der sich letztendlich niemand als Gewinner zählen konnte. Zusätzlich waren die für die Rüstung Verantwortlichen durch die sich neu öffnenden Perspektiven und Hitlers Phantastereien teilweise so geblendet, dass der ökonomischen Grundlage der Rüstung nicht die angemessene Beachtung geschenkt worden ist und mancherorts wirtschaftlich grundlegende Gegebenheiten in unverantwortlicher Weise einfach beiseite geschoben wurden. In einer von allen Hemmungen befreiten Aufrüstung schien alles möglich. Zwar versuchte der Wehrwirtschaftsstab, welcher als einzige Institution den Gedanken einer koordinierte Rüstung vertrat, die wirtschaftlichen Ressourcen der Nation in ein effektives System einer wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung einzuordnen; jedoch scheiterte dessen Arbeit an der Weigerung der Wehrmachtteile und auch Teilen der Industrie, ihre Rüstungsprogramme den verbindlichen Direktiven einer Wehrmachtdienststelle zu unterwerfen. So vollzog sich die Aufrüstung, die Hitler eigentlich als die wichtigste Voraussetzung seiner Politik und für die Wiederherstellung der Großmachtstellung des Reiches bezeichnet hatte, ohne jede erkennbare Systematik.[52]

Literatur

  • Wilhelm Deist: Die Aufrüstung der Wehrmacht. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Bd. 1: Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik. Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01934-7 (S. 371-534)

Einzelnachweise

  1. Rainer Wohlfeil u. Edgar Graf von Matuschka: Reichswehr und Republik. Frankfurt a. Main 1970, ISBN 3-7637-0304-7 , S. 207 ff
  2. Francis L. Carsten:Reichswehr und Politik 1918-1933. Kiepenheur & Witsch, Köln 1966, ISBN 3-462-00083-7, S. 288ff
  3. Martin Vogt: Das Kabinett Müller II, Akten der Reichskanzlei – Weimarer Republik, 1970, ASIN B0000BQO5Z, S. 153
  4. Michael Geyer: Das zweite Rüstungsprogramm, Eine Dokumentation in MGM (Militärgeschichtliche Mitteilungen) 1/75
  5. Francis L. Carsten:Reichswehr und Politik 1918-1933. Kiepenheur & Witsch, Köln 1966, ISBN 3-462-00083-7, S. 441
  6. Michael Geyer: Das zweite Rüstungsprogramm, Eine Dokumentation in MGM 1/75, S.134ff.
  7. Hans-Jürgen Rautenberg: Deutsche Rüstungspolitik vom Beginn der Genfer Abrüstungskonferenz bis zur Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1932 – 1935, Dissertation Universität Bonn 1973, S. 217
  8. Michael Geyer: Aufrüstung oder Sicherheit. Die Reichswehr und die Krise der Machtpolitik 1924-1936“, Zabern 1980, S. ISBN 3-515-02812-9, S. 336ff.
  9. H. Schottelius u. G.-A. Caspar: Die Organisation des Heeres 1933-1939 in: Wehrmacht und Nationalsozialismus. , München 1978, ISBN 3-7637-0308-X, S. 296
  10. Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA): Das deutsche Reich und der 2. Weltkrieg. Band I, III.Teil: Die Aufrüstung der Wehrmacht. , Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01934-7, S. 418
  11. H. Schottelius u. G.-A. Caspar: Die Organisation des Heeres 1933-1939 in: Wehrmacht und Nationalsozialismus. , München 1978, ISBN 3-7637-0308-X, S. 300ff.
  12. MGFA: Das deutsche Reich und der 2. Weltkrieg. S. 421 u. 433
  13. Rudolf Absolon: Die Wehrmacht im Dritten Reich. Aufbau, Gliederung, Recht und Verwaltung , Band III, Verlag Oldenbourg 1975, ISBN 3-486-41567-0 , S. 31ff.
  14. H. Schottelius u. G.-A. Caspar: Die Organisation des Heeres 1933-1939 in: Wehrmacht und Nationalsozialismus. ; München 1978, ISBN 3-7637-0308-X, S. 302ff.
  15. Klaus-Jürgen Müller: General Ludwig Beck. Studien und Dokumente zur politisch-militärischen Vorstellungswelt und Tätigkeit des Generalstabschefs des deutschen Heeres 1933-1938 , ISBN 3-7646-1785-3 , 4. Kapitel, S. 243
  16. Erich von Manstein: Soldat im 20. Jhdt. Militärisch-politische Nachlese; Bernard & Graefe 2002, ISBN 3-7637-5214-5
  17. Klaus-Jürgen Müller: General Ludwig Beck. , ISBN 3-7646-1785-3 , 4. Kapitel, S. 295
  18. Tabelle aus MGFA: Das deutsche Reich und der 2. Weltkrieg , ISBN 3-421-01934-7 , S. 439
  19. ebd., S. 435
  20. Denkschrift des Chef des Heeresamtes Fromm, dass die derzeitige Rüstung nur dann zu verantworten ist, wenn die feste Absicht zu einem Einsatz der Wehrmacht besteht; ebd. S. 436
  21. Stellungnahme des ObdH vom 10.02.39 in MGFA: "Das deutsche Reich und der 2. Weltkrieg." S. 445
  22. ebd., Verzögerung: S. 446; Ausstattung: S. 447
  23. Burkhart Mueller-Hillebrand: Das Heer 1933 – 1945. Band I: Das Heer bis zum Kriegsbeginn. Mittler 1954, ASIN B0000BSR7Z , S. 47ff.
  24. Urteil u.a. auch in: Matthew Cooper: German Army 1933-45. MacDonald & J, London 1978 sowie: Klaus-Jürgen Müller: Das Heer und Hitler Oldenbourg-Verlag 1988, ISBN 3-486-55350-X , S. 407ff.
  25. a b Michael Salewski: Marineleitung und politische Führung 1931-1935 in MGFA: "Das deutsche Reich und der 2 Weltkrieg." S. 450ff.
  26. Jost Dülffer: Weimar, Hitler und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939", ISBN 3-7700-0320-9 , S.566
  27. Jost Dülffer: Weimar, Hitler und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939", ISBN 3-7700-0320-9 , S. 213ff
  28. Das erste U-Boot wurde am 29. Juni in Dienst gestellt.
  29. Jost Dülffer: Weimar, Hitler und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939", ISBN 3-7700-0320-9 , S.389
  30. Erminio Bagnasco: U-Boote im 2. Weltkrieg , Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-613-01252-9 , S. 56
  31. Jost Dülffer: Weimar, Hitler und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939", ISBN 3-7700-0320-9 , S. 446 u. 568ff.
  32. a b c d Michael Salewski: Die deutsche Seekriegsleitung 1935 – 1945. Bernard & Graefe Verlag 1985, ISBN 3-7637-5168-8
  33. Rolf Güth: Die Marine des deutschen Reiches 1919-1939 , Bernard & Graefe Verlag 1982, ISBN 3-7637-5113-0 , S. 157
  34. Jost Dülffer: Weimar, Hitler und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939", ISBN 3-7700-0320-9 , S. 452ff.
  35. Jost Dülffer: Weimar, Hitler und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939", ISBN 3-7700-0320-9 , S. 501ff.
  36. Rolf Güth: Organisation der Marine in Krieg und Frieden 1913-33 in: Deutsche Marinegeschichte der Neuzeit , ISBN 3-7637-0307-1 , S. 347 ff.
  37. Jost Dülffer: Weimar, Hitler und die Marine. Reichspolitik und Flottenbau 1920-1939", ISBN 3-7700-0320-9 , S. 563
  38. Gert Sandhofer: Das Panzerschiff A und die Vorentwürfe von 1920 - 1928 in Militärgeschichtliche Mitteilungen (MGM) 3/68, S. 35ff.
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  52. vergl.: Militärgeschichtliches Forschungsamt: "Das deutsche Reich und der 2. Weltkrieg" Band I; 3.Teil: "Wehrmachtrüstung und die Expansion der Wehrmachtteile.", Deutsche Verlagsanstalt 1979, ISBN 3-421-01934-7 ,S. 497 ff.