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Bundesstaatlichkeit

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Bundesstaat und Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland



Allgemeine Definition Bundesstaat:

Der Bundesstaat ist eine Verbindung mehrer Staaten zu einem Gesamtstaat. Dieser entscheidet über alle Fragen, die für die Einheit und den Bestand des Ganzen wesentlich sind, wobei die Gliedstaaten, die als Länder, Bundesstaaten, Staaten oder Kantone bezeichnet werden, ihre Staatlichkeit behalten und an der Willensbildung des Ganzen beteiligt sind. Die Souveränität liegt im Bundesstaat beim Gesamtstaat. Der Gesamtstaat hat im Bundesstaat ein Staatsoberhaupt, eine Regierung und eine stärker ausgeprägte Gesetzgebungsgewalt. Die Gliedstaaten haben ein Selbstbestimmungsrecht im Bereich ihrer Zuständigkeit und eine Verfassungsautonomie im Rahmen der Bundesverfassung. Sie haben auch Einfluss auf die Bundespolitik, den sie durch ein Bundesorgan, wie z.B. den Bundesrat, geltend machen können. Ein wesentliches Kennzeichen eines Bundesstaates ist die Verteilung von Aufgaben zwischen den staatlichen Ebenen. Durch das Grundgesetz wird diese Aufgabenteilung geregelt. So ist für bestimmte Aufgaben nur der Bund zuständig, für andere nur die Länder. In manchen Bereichen ist es durch das Grundgesetz in einer Form geregelt, so dass der Bund ein Teil einer bestimmten Aufgabe erledigt und die Länder den anderen Teil.

Bundesstaaten können auf zwei Arten entstehen: 1. Ein Zusammenschluss bislang selbstständiger Staaten zu einem größeren Staatswesen 2. Auflockerung und Zerteilung von bisherigen Zentralstaaten.

Beispiele für Bundesstaaten sind die Schweiz, die USA (sie entsprechen der ersten Entstehungsart), Österreich, Belgien (diese beiden entsprechender zweiten Entstehungsart) und die Bundesrepublik Deutschland.


Bundesstaatliche Verfassungsprinzipien seit 1949

Der Weg zur bundesstaatlichen Ordnung der BRD war kompliziert und von politischen Gegensätzlichkeiten gekennzeichnet, weshalb Kompromisse einzugehen waren. Es wurden mehrere Prinzipien festgelegt, die den deutschen Bundesstaat prägen. So ist die Bundesstaatlichkeit neben der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Sozialstaatlichkeit nur eine der wichtigsten im Grundgesetz definierten Staatsprinzipien. Durch das Zusammenspiel der gerade genannten Staatsprinzipien wurde ein Typ Bundesstaat erschaffen, wie er bis dahin in der deutschen Geschichte noch nicht bekannt war. Dies war eine Reaktion des Parlamentarischen Rates auf die sozialpolitischen Herausforderungen der Nachkriegszeit und somit wurde die Gesamtheit der zentralstaatlichen und gliedstaatlichen Ebenen zum „Sozialen“ verpflichtet.


Die vier Elemente der Unantastbarkeit der Bundesstaatlichkeit

Durch den Art. 20 Abs. 1 GG „ Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ wird die Bundesstaatlichkeit als verfassungsrechtliches Struktur- und Ordnungsprinzip der BRD festgelegt.

Durch den Art.79 Abs. 3 GG, auch des öfteren als Ewigkeitsklausel bezeichnet, die es in keiner anderen Demokratie der Neuzeit gibt, wird die Unantastbar- sowie Unabänderlichkeit der Bundesstaatlichkeit deutlich: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gestaltung oder die in den Artikel 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“  

1. Bestandsgarantie von Bund und Ländern. Dieser Artikel gewährleistet den Bestand der Bundesstaatlichkeit, jedoch nicht den Bestand eines einzelnen Bundeslandes. Nach Art. 29 GG ist eine Neugliederung der Länder möglich z.B. – Baden-Württemberg (erfolgreich) – Berlin-Brandenburg (durch Volksentscheid, 1996, abgelehnt) 2. Staatsqualität der Länder Die Länder der BRD besitzen Staatsqualitäten. Durch ihre eigenen Verfassungen ist der Staatscharakter erkennbar. Die Länderverfassungen gelten unabhängig und selbstständig. Sie stellen die Grundlage für die exekutiven, legislativen und judikativen Institutionen der Länder dar. Die staatliche Hoheitsmacht der Länder ist beschränkt, aber nicht vom Gesamtstaat abgeleitet, sondern nur von diesem anerkannt. Die eigenständigen Rechte der Länder sind nur im gegenseitigen Einvernehmen veränderbar. Es wird also eine zwei-drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat benötigt. 3. Finanzielle Selbstständigkeit Um eigenständige Politik betreiben zu können müssen die Länder zu einem gewissen Grad finanziell unabhängig sein. Die Länder können selbstständig Steuer finden und erheben, die eingenommenen Steuern selbst verwalten und entscheiden für welchen Zweck diese verwendet werden sollen. Auch muss, damit der Bundesstaat funktionieren kann, der Gesamtstaat über eine in ihrer Höhe angemessene finanzielle Ausstattung bestimmen können, die die politische Unabhängigkeit des Gesamtstaats von den Gliedstaaten erlaubt. 4. Mitwirkung an der Gesetzgebung Durch Art. 79 Abs. 3 GG wird den Ländern grundsätzlich garantiert, dass sie an der Gesetzgebung mitwirken können. Daraus folgt, dass die Länder über eigene Gesetzgebungsbefugnisse verfügen. Es muss z.B. möglich sein, dass die Länder selbstständig Gesetze oder Verordnungen erlassen können. Ebenfalls müssen die Länder an dem Gesetzgebungsprozess des Bundes beteiligt sein.


Regeln bundesstaatlicher Politik

Neben den bundesstaatlichen Prinzipien des Grundgesetzes gibt es auch eine Reihe von verfassungsrechtlicher Regelungen, die Vorgaben über das Zusammenwirken von Bund und Ländern treffen z.B. - Die Regelung der verfassungsmäßigen Homogenität von Gesamtstaat und Gliedstaaten. Diese besagt, dass die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaaten entsprechen müssen. Dadurch ist den Ländern der Regierungstyp einer repräsentativ-parlamentarischen Demokratie vorgeschrieben. - Die Bestimmung „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (Art. 31 GG) hat zur Folge, dass immer dann, wenn für einen Lebensbereich oder Sachverhalt eine bundesstaatliche Regelung besteht, diese Vorrecht vor einer landesrechtlichen Regelung hat. Bei Widersprüchen setzt das Bundesrecht die landesrechtliche Regelung außer Kraft.


Verteilung der Kompetenzen

Schwerpunkte bei der Kompetenzverteilung sind - Gesetzgebung beim Bund - Verwaltung durch Länder - Rechtssprechung

Im Grundgesetz gibt es z.B. besonders geregelte Arten der Kompetenzverteilung:

1. Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes Die davon erfassten Materien sind dem Bund vorbehalten, die Länder können allerdings zur Gesetzgebung ermächtigt werden. Beispiele: - auswärtige Angelegenheiten - Landesverteidigung - Staatangehörigkeit - Währungs-, Geld-, Münzwesen - Luftverkehr - Eisenbahnverkehr - Post- und Telekommunikation 2. Konkurrierende Gesetzgebung Der Art.72 Abs. 1 GG enthält im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eine doppelte Einschränkung für Länder: Zum einen sind die Länder nur dann zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Zum anderen besteht das Gesetzgebungsrecht des Bundes nur unter gewissen Vorraussetzungen 3. Rahmengesetzgebung des Bundes Nach Art. 75 Abs.1 GG sind in der Rahmengesetzgebung die inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder dadurch beschränkt, dass der Bund die Richtung der Gesetzgebung vorgeben kann. Der Rahmen ist ausfüllungsbedürftig, muss aber ausfüllungsfähig sein.

Weitere Typen sind: 4. Ausschließliche Gesetzgebung der Länder Beispiel für diese Bereiche sind - das Kommunalrecht - allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht - Bauordnungsrecht - Straßenrecht (mit Ausnahme der Bundesfernstraßen) - Kultur („Kulturhoheit der Länder) z.B.: Schule, Hochschulen, Rundfunk - Verwaltungsverfahren und Verwaltungsorganisation 5. Grundsatzgesetzgebung Die Grundsatzgesetzgebung hat keine eigene Regelung, sie taucht nur in Zusammenhang mit anderen Vorschriften auf: - Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben - Grundsätze der Haushaltwirtschaft - Ablösung von Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften

Es gibt allerdings allgemeine Einschränkungen: Grundsatzgesetze dürfen auf keinen Fall Regelungen enthalten, welche die Bürger unmittelbar berechtigt und verpflichtet.


Verwaltungskompetenz: 1. Die Landesgesetze werden ausschließlich von den Ländern vollzogen 2. Die Bundesgesetze werden grundsätzlich nach Art. 83 GG vollzogen, wobei es Abweichungen für einzelne Materien gibt 3. Die „gesetzesfreie“ Verwaltung liegt nur in seltenen Ausnahmen beim Bund

Rechtsprechung: Die Rechtsprechung ist im wesentlichen nach Instanzen aufgeteilt: - die unteren Instanzen sind Ländereinrichtungen - die Obersten Instanzen sind die Bundesgerichte (Oberste Bundesgerichte)


Gegenseitiges Einwirken: Die Länder wirken auf den Bund und der Bund auf die Länder ein.

Bundesfreundliches Verhalten:

1. Die Grundlagen bestehen aus - dem Vorrang der zahlreichen Einzelregelungen, die das bundesstaatliche Prinzip im Grundgesetz entfalten - dem Rückgriff auf das allgemeine bundesstaatliche Prinzip, allerdings geschieht dies nur wenn es ausnahmsweise Lücken gibt

2. Einzelausprägungen: - die Länder haben die Auswirkungen ihrer Gesetze auf den Bund zu beachten - sie müssen die völkerrechtlichen Verträge des Bundes beachten - und sie müssen gegen Gemeinden einschreiten, die sich in Bundeskompetenzen einmischen


Quellen:

- www.ruhr-uni-bochum.de - Brockhaus Multimedial 2004 - Encarta Enzyklopädie 98 - Grundgesetz - www.bpb.d