FARC-EP

Die FARC, eigentlich F.A.R.C.-E.P. (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo – Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens / Volksarmee), ist eine linksgerichtete, sich selbst als marxistisch bezeichnende kolumbianische Guerillabewegung, die seit 1964 mit terroristischen Mitteln einen bewaffneten Kampf gegen staatliche und nichtstaatliche Akteure führt. Sie ist gegenwärtig die größte Guerillaorganisation Lateinamerikas.
31 Länder bezeichnen die FARC offiziell als terroristische Organisation (Kolumbien, Perú, USA,[1] Kanada,[2] und die EU[3]). Venezuela hingegen betrachtet die FARC als eine "aufständische Partei mit politischen Zielsetzungen" und nicht als Terroristen.[4]
Geschichte und Ideologie
Die FARC entstand im Kontext der seit 1948 andauernden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der liberalen und der konservativen Partei Kolumbiens (La Violencia). Im Laufe dieser Auseinandersetzungen wurden 1949 die sogenannten unabhängigen Republiken (repúblicas independientes) von der kommunistischen Partei Kolumbiens sowie liberalen und radikalen Bauern in Teilen des Landes gegründet. 1964 eroberte das kolumbianische Militär die República de Marquetalia. Die überlebenden Bewohner um Manuel Marulanda und Jacobo Arenas hielten am 20. Juli des selben Jahres in Marquetalia eine Konferenz ab, auf der sie die Guerillaorganisation Bloque Sur gründeten. 1966 ging der Bloque Sur in der FARC auf, die am 5. Mai offiziell als militärischer Arm der kommunistischen Partei Kolumbiens gegründet wurde. Sie verstand sich als bäuerliche Selbstverteidigungsgruppe gegen die von Großgrundbesitzern und Militär ausgehende Gewalt und hatte sich eine „revolutionäre Landreform“ zum Ziel gesetzt. Bis heute bezeichnet die FARC sich selbst als marxistisch-leninistisch und bolivarisch.[5]
Entwicklung bis 1980
Während sich die Aktivitäten der FARC bis Ende der 1970er Jahre ausschließlich auf ländliche Gebiete beschränkten und die Organisation fast ausschließlich aus Bauern bestand, reisten einige Mitglieder durch Lateinamerika, um sich über die Strategien anderer kommunistisch orientierter Guerillaorganisationen zu informieren und um die Ausbildung der FARC-Kämpfer zu verbessern. Ende der 1960er Jahre wurde eine Schulungsstätte für Ideologie ins Leben gerufen, 1973 wurde das Generalkommando der FARC gegründet, dem Manuel Marulanda seitdem angehört. Trotzdem ging das politische Programm bis 1980 nicht über Agrarthemen hinaus.
Modernisierung und Internationalisierung (1980-1996)
Beeinflusst durch die sandinistische Revolution in Nicaragua 1979, wurden ab diesem Zeitpunkt zunehmend Studenten aus den größeren Städten Mitglieder der FARC. Dadurch geriet die Beschränkung der FARC auf ausschließlich landwirtschaftliche Forderungen etwas in den Hintergrund, und die ideologischen Grundlagen der Gruppierung wurden ausgebaut. Auf Initiative von Jacobo Arenas wurde 1982 die Siebte Guerilla-Konferenz abgehalten, auf der eine neue Strategie beschlossen wurde, die das Einbeziehen aller Arten von Kampf (politisch und militärisch) zum Erreichen der revolutionären Ziele vorsah. Im Zuge dieser strategischen Neuausrichtung benannte sich die FARC in FARC-EP (EP: Ejército del Pueblo, Volksheer) um; es wurden nicht mehr nur Taktiken des Guerillakampfes eingesetzt, sondern auch größere Operationen nach militärischem Vorbild durchgeführt. Die Verbindungen der FARC zu anderen lateinamerikanischen Guerillaorganisationen wurden ausgeweitet, und als marxistische Gruppierung wurde die FARC von Kuba und (in geringerem Maße) von der Sowjetunion finanziell unterstützt. In den 1980er Jahren wurde Kolumbien zu einem der größten Kokainproduzenten weltweit. Die FARC war zu diesem Zeitpunkt noch nicht direkt in den Drogenanbau verwickelt, gewann aber unter den Kokabauern neue Anhänger. In einigen Gebieten des Landes erfüllte sie ab Mitte der 1980er Jahre quasi staatliche Funktionen, beispielsweise durch Erhebung von Steuern. Außerdem verbreiterte die FARC ihr finanzielles Fundament dadurch, dass sie Sicherheitsdienste und Infrastruktur für die Drogenhändler bereitstellte. 1984 äußerte sich die FARC erstmals mit allgemeineren politischen Forderungen in Form eines Offenen Briefes. Im selben Jahr nahm sie Verhandlungen mit dem damaligen kolumbianischen Präsidenten Belisario Betancur auf, die zu einem Waffenstillstand führten, der - mit mehreren Unterbrechungen - bis 1987 anhielt.
Unión Patriótica
1985 gründeten Mitglieder der FARC und der kommunistischen Partei eine neue Partei, die „Patriotische Union“ (Unión Patriótica), um ihre Ziele auf legalem Wege durchzusetzen, anstatt den bewaffneten Kampf weiterzuführen. 1986 wurde die UP als legale Partei anerkannt. Im selben Jahr trat sie zu den Parlamentswahlen an und erlangte 1,4 % der Stimmen. Bei den Präsidentschaftswahlen bekam ihr Kandidat Jaime Pardo Leal 4,5 % der Stimmen. Auch an den Gouverneurswahlen 1988 nahm die UP teil. In den folgenden Jahren wurden 2000-3000 der Mitglieder der UP (die FARC spricht von bis zu 5000), insbesondere solche mit öffentlichen Funktionen, von paramilitärischen Gruppierungen und Todesschwadronen systematisch ermordet. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Pardo Leal wurde 1987 von einem 14-Jährigen getötet. Amnesty International machte im April 1988 auf Beteiligungen des Militärs an diesen Tötungsaktionen aufmerksam, was die Regierung Virgilio Barco Vargas heftig abstritt. Die meisten Morde wurden nie offiziell aufgeklärt. Nachdem am 22. März 1990 auch der neue UP-Präsidentschaftskandidat Bernardo Jaramillo Ossa ermordet wurde, trat die UP stark geschwächt zu den Wahlen 1991 an. Sie existierte noch bis 2002 offiziell als Partei, war allerdings spätestens seit Anfang der 1990er Jahre bedeutungslos.
Nach Verabschiedung der neuen Verfassung 1991 nahmen die FARC und die kolumbianische Regierung unter venezolanischer und mexikanischer Vermittlung die Verhandlungen wieder auf; sie blieben allerdings ergebnislos. Am 4. September 1996 griff die FARC eine Militärbasis in Guaviare an; bei den drei Wochen andauernden Kämpfen starben über 130 Personen. Anfang der 1990er Jahre bestand die FARC aus schätzungsweise 7.000-10.000 bewaffneten Kämpfern, die in über 60 regionalen Fronten organisiert waren. Charakteristisches Merkmal der FARC-Kämpfer sind die meist olivgrünen oder schwarzen Gummistiefel, die sie zu ihren Kampfanzügen tragen; damit unterscheiden sie sich bereits aus der Ferne von den mit Schnürstiefeln ausgerüsteten Regierungssoldaten.
Ziele
1993 stellte die FARC im Rahmen der Plattform für eine Regierung des Wiederaufbaus und der nationalen Aussöhnung einen Zehnpunkteplan auf, der als Gesprächsgrundlage mit der Regierung dienen sollte und folgende Forderungen beinhaltete:
- Die Lösung des Konflikts mit politischen Mitteln
- Die Armee darf keine innenpolitischen Funktionen wahrnehmen
- Durchsetzung der Gewaltenteilung zwischen Justiz und Politik, Pressefreiheit und demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten auf allen Ebenen
- Stärkung des internen Konsums, Schutz der einheimischen Industrien vor ausländischer Konkurrenz sowie staatliche Kontrolle über den Energiesektor
- Verwendung von 50 % des Staatshaushaltes für Sozialausgaben und 10 % für die Förderung der Wissenschaften
- Einführung eines progressiven Steuersystems
- Entwicklungsprogramme für ländliche Regionen
- Revision der Energiepolitik und Neuverhandlung der Verträge zur Ausbeutung der Bodenschätze mit den multinationalen Unternehmen
- Aufbau souveräner, auf dem Recht auf Selbstbestimmung basierender Beziehungen zu allen Ländern der Welt
- Nicht-militärische Lösung des Drogenproblems
1996-2002
Unter Präsident Andrés Pastrana (1998-2002) kam es zu Friedensverhandlungen zwischen Regierung und FARC. Im Zuge dieser Verhandlungen wurde der FARC ein etwa 40.000 km² großes Gebiet zur Verfügung gestellt, die so genannte Zona de despeje, das die FARC de facto vollständig unter ihrer Kontrolle hatte. In diesem, offiziell als neutral deklarierten Gebiet, sollten die Verhandlungen stattfinden, und das kolumbianische Parlament musste alle sechs Monate über die Verlängerung der Aufrechterhaltung der Verhandlungszone abstimmen. Während der Verhandlungen intensivierte die FARC ihre Offensiven gegen das kolumbianische Militär. Außerdem entführte sie mehrere Politiker und entführte ein Passagierflugzeug. Am 21. Februar 2002 erklärte die Regierung die Friedensverhandlungen für gescheitert und begann eine Militäroffensive in der Verhandlungszone. Kurz darauf wurde die Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt von der FARC entführt. Trotz Vermittlungsversuchen Frankreichs ist sie immer noch in der Gewalt der Gruppierung.
Seit der Zerschlagung der beiden großen Drogenkartelle Ende der 1990er Jahre hat die FARC ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit der Kokainproduktion verstärkt. Anstatt lediglich Hilfs- und Schutzleistungen für die Drogenproduzenten anzubieten, begann die FARC angeblich selbst Koka anzubauen und eigene Labore für die Weiterverwertung zu betreiben. Die FARC dementiert diese Aussage. Sie sagt vielmehr, dass sie die wirtschaftlichen Aktivitäten in ihren Regionen besteuere, also auch den Koka-Anbau. Sie sagt, dass sie den Koka-Anbau dulde, um den Bauern nicht die Lebensgrundlagen zu entziehen. Die Drogenanbaufläche in Kolumbien hat sich während der 1990er Jahre auf rund 120.000 Hektar versechsfacht.
Entwicklung und Struktur seit 2002
Mit der Forderung, drastisch gegen die FARC vorzugehen, gewann Pastranas Nachfolger Álvaro Uribe die Wahlen 2002. Er gab also den Verhandlungskurs auf und strebt aktuell eine militärische Lösung des Konflikts an.
Die FARC wird bis heute von Manuel Marulanda, dem mittlerweile ältesten Guerillaführer Lateinamerikas, kommandiert. Weitere Mitglieder des Generalkommandos sind u.a. José Briceño alias Mono Jojoy und Leon Saenz Vargas alias Alfonso Cano. Die Truppenstärke wird auf 16.000 bewaffnete Kämpfer geschätzt[6], wobei der Frauenanteil bei etwa 40% liegt.
Die FARC kombiniert in ihrem Kampf gegen den kolumbianischen Staat und die paramilitärische Autodefensas Unidas de Colombia Guerilla-Taktiken mit „konventionellem“ militärischen Kampf.
Die FARC finanziert sich hauptsächlich aus Lösegeldzahlungen und dem Drogenhandel. Die Einnahmen werden auf jährlich über 300 Millionen US-Dollar geschätzt, andere Quellen gehen von bis zu 980 Millionen US-Dollar aus. Im Jahr 2000 hat die FARC mit ihrem „Gesetz 002“ festgelegt, dass jeder Kolumbianer mit einem Vermögen von über einer Million Dollar eine „Revolutionssteuer“ von zehn Prozent zahlen muss - wobei der Prozentsatz vom tatsächlichen (geschätzten) Vermögen abhängt. Entführungen sieht sie dabei als Druckmittel an. In Kolumbien ereignen sich derzeit fast die Hälfte aller weltweit registrierten Geiselnahmen. Berüchtigt sind die pescas milagrosas, die „wundersamen Fischzüge“, bei denen Straßensperren errichtet werden, um potenzielle Entführungsopfer abzupassen.
Auch wird ihnen vorgeworfen, Kindersoldaten zu rekrutieren, da sie zunehmend Schwierigkeiten haben sollen, Erwachsene für ihren Kampf zu begeistern.[7]
Die permanenten Verstöße der FARC gegen das Völkerrecht sind seit Jahren bekannt und belegt. Selektive Morde und Massaker an Zivilisten, die Verwendung von Antipersonenminen, Geiselnahmen, Verletzungen der Menschenrechte und ihr autoritärer, militärischer Regierungsstil in den von ihr kontrollierten Gebieten stehen im krassen Widerspruch zu ihrem demokratischen Anspruch.
Entwicklungen 2004 bis 2007
- Am 13. Juli 2004 verurteilte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte aus dem Anlass eines Massakers die anhaltende Gewalt der FARC und die Vertreibungen, die dadurch entstehen. Er wies darauf hin, dass die FARC damit Artikel 17 des Zweiten Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen verletze.
- Im Februar 2005 begann die FARC mit militärischen Offensiven im Südwesten Kolumbiens, bei denen es etwa 40 Tote und Verletzte auf Seiten des kolumbianischen Militärs gab. Viele Beobachter werteten dies als ein Indiz für die Wiedererstarkung der FARC und das Ende ihrer strategischen Rückzugsphase. Sie vermuteten, dass die FARC mit dieser offensiven Taktik die Wiederwahl des derzeitigen Präsidenten Uribe im Jahr 2006 verhindern wollte.
- Am 20. Februar 2005 meldete die Zeitung El Tiempo, dass der Sprecher des Oberkommandos der FARC, Raúl Reyes, in einem Rundfunkinterview erklärt habe, die Zeit der Zurückhaltung und der militärischen Regeneration der FARC sei vorbei und man strebe nach wie vor die Machtübernahme im Land an, wie das auch die Angriffe auf militärische Ziele in jüngster Zeit gezeigt hätten. Anfang Oktober 2005 blockierte die FARC den Verkehr in der Provinz Arauca, dem Haupterdöllieferanten Kolumbiens. In der Provinz Putumayo nahe der Grenze mit Ecuador verursachte die FARC in der selben Woche einen Stromausfall durch einen Bombenanschlag auf einen Hochspannungsmast.
- Am 5. April 2006 wurde der Deutsche Lothar Hintze nach fünf Jahren Geiselhaft in Kolumbien freigelassen.
- Am 31. Juli 2006 wurden in Tibú 15 Soldaten in einen Hinterhalt gelockt, indem ein anonymer Anrufer auf eine Autobombe hinwies. Die Soldaten wurden durch Sprengsätze und einen darauf folgenden Schusswechsel getötet. Am selben Tag explodierte ein Mazda 626 in Bogotá und riss einen 50 Jahre alten Mann in den Tod. Weitere 21 Verletzte wurden bekannt, unter anderen Kinder aus einer nahe liegenden Kindertagesstätte. Das verfehlte Ziel war ein Truppentransport mit 45 Soldaten.[8] Seit dem 9. September 2006 läuft ein Verfahren gegen zwei Elite-Offiziere des kolumbianischen Militärs wegen deren Beteiligung an den Anschlägen in Bogotá. In einem Video erschienen diese mit Mitgliedern der FARC. [9]
- 17 Polizisten und zwei Zivilisten wurden in mehreren Hinterhalten am 1. November 2006 von den 5., 18. und 58. Brigaden der FARC in Tierradentro, Córdoba getötet. Es wird geschätzt das sich an den Angriffen 450 Mitglieder der FARC beteiligten. Dies ist die stärkste Niederlage der Regierung in der zweiten Amtszeit von Uribe, da diese Anschläge mitten im ehemaligen Gebiet der aufgelösten Paramilitärs (AUC) stattfanden. Die Guerilleros hatten die Polizeistation mit Gaszylindern und Sturmgewehren beschossen und die 50 Polizisten, die als Verstärkung kamen, in einen Hinterhalt gelockt. Ein Polizist starb in der Polizeistation und 16 weitere als Teil der Verstärkung. Dies war der zweite Vorfall in dieser Gegend. Im Jahr 2000 starben 36 Soldaten, als sie aus ihren Hubschraubern ausstiegen.[10]
- Am 06. Dezember 2006 erklärte die FARC der ELN (Ejército de Liberación Nacional) den Krieg, nachdem die ELN mit der Regierung über einen Friedensschluss verhandelte und damit nach Aussagen der FARC gemeinsame revolutionäre Ziele verriet. Hinter dem Konflikt wird ebenfalls eine Auseinandersetzung um ölreiche Gebiete, wie Gebiete zum Drogenanbau und Handel angenommen. Die FARC startete eine systematische militärische Kampagne in der über 500 Guerilleros ums Leben kamen. Tausende Einwohner flohen vor dem Konflikt.[11]
Entwicklungen 2008

- Am 10. Januar 2008 wurden Clara Rojas, die im Februar 2002 gemeinsam mit Ingrid Betancourt entführt worden war, und die am 10. September 2001 entführte damalige Kongressabgeordnete Consuelo González, nach Vermittlungen durch den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, von der FARC freigelassen.[12] Die FARC weigern sich jedoch weiterhin, die inzwischen schwerkranke Ingrid Betancourt freizulassen.
- Am 4. Februar 2008 kam es in Kolumbien zu landesweiten Protesten gegen die FARC. In Bogotá beteiligten sich nach Polizeiangaben mehr als 1 Million Menschen an der Protestaktion. Auch in anderen Städten in Kolumbien und im Ausland fanden Demonstrationen und Kundgebungen statt. In Madrid beteiligten sich mehr als 10.000 Menschen an der Veranstaltung. Die kolumbianische Regierung hatte zur Teilnahme an der mit Unterstützung der Behörden organisierten Aktion aufgerufen. Im Ausland waren die Demonstrationen von den kolumbianischen Botschaften organisiert worden.[13]
- Am 27. Februar 2008 ließ die FARC, nach Vermittlungen durch den venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez und die oppositionelle kolumbianische Senatorin Piedad Cordoba, vier frühere kolumbianische Abgeordnete (Gloria Polanco, Luis Eladio Pérez, Orlando Beltrán und Jorge Eduardo Géchem), die sie mehr als sechs Jahre als Geiseln festgehaltenen hatte, ohne Gegenleistung frei. Die FARC begründete diesen Schritt mit dem schlechten Gesundheitszustand der Festgehaltenen und wollte die Freilassung als eine positive Geste gegenüber den Vermittlern verstanden wissen, nachdem diesen der kolumbianische Präsident das Mandat zur Vermittlung entzogen hatte.[14] In einer Presseerklärung riefen die Freigelassenen zu einem Austausch der restlichen Geiseln mit inhaftierten Mitgliedern der FARC und einer nicht militärischen Lösung des Konflikts auf. Die FARC erklärte, ohne Gegenleistungen weitere Freilassungen einzustellen,[15] reagierte aber auch nicht auf das Ende März 2008 formulierte, durch die Regierungen Spaniens, Perus und Frankfreichs unterstützte Angebot der kolumbianischen Regierung, Ingrid Betancourt und andere Geiseln gegen inhaftierte FARC Mitglieder einzutauschen.[16]
- Am 1. März 2008 flog die kolumbianische Luftwaffe einen nächtlichen Luftangriff auf ein Lager der FARC auf ecuadorianischem Hoheitsgebiet. Durch das Bombardement und den anschließenden Einsatz von Bodentruppen wurden der Sprecher des Oberkommandos der FARC, Raúl Reyes, sowie 23 weitere Menschen getötet, darunter FARC-Rebellen und Zivilisten, darunter, wie später festgestellt wurde, ein ecuadorianischer Staatsbürger namens Franklin Aisalla, der nach kolumbianischen Angaben ein langjähriges FARC-Mitglied gewesen sei. Zwei der Getöteten, Raúl Reyes und Franklin Aisalla, wurden vom kolumbianischen Militär nach Kolumbien gebracht, die anderen am Tatort zurückgelassen. Drei Frauen überlebten den Angriff, der die Guerilleros im Schlaf überraschte. Eine der drei überlebenden Frauen berichtete, dass Überlebende von kolumbianischen Soldaten hingerichtet worden seien.[17][18][19][20][21] Im offiziellen Untersuchungsbericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wurde diese Anschuldigung nicht aufgegriffen, sondern lediglich berichtet, dass die Zeugin sich zur Zeit der Befragung noch im Schockzustand befand und keine klare Aussage machen konnte.[22] Nicaragua gewährte den drei Frauen, darunter eine Studentin der Universidad Nacional Autónoma de México und zwei Kolumbianerinnen, die nach eigenen Angaben für häusliche Arbeiten im Camp zuständig waren, Asyl.[23]
Laut Veröffentlichung eines vorläufigen Ergebnisses forensischer Untersuchungen, die von ecuadorianischen Behörden unter Beteiligung zweier französischer Gerichtsmediziner durchgeführt wurden, seien mehrere der vom kolumbianischen Militär zurückgelassenen Toten in verwundetem Zustand von hinten erschossen worden. Die Untersuchungen an dem ecuadorianischen Staatsbürger hätten ergeben, dass ihm wohl in kniender Position der Schädel mit einem viereckigen Gegenstand eingeschlagen wurde, nachdem er schon eine Schussverletzung im Rücken hatte, die aber nicht tödlich war.[24] Die kolumbianische Regierung wies diese Anschuldigungen zurück. Es existierten Videoaufnahmen der Operation, die auch zeigten, wie mit den Verwundeten umgegangen wurde. Man äußerte die Verwunderung darüber, dass Ecuador das angebliche Obduktionsergebnis erst zwei Monate nach der Operation veröffentlichte und betonte, dass die eigenen Obduktionen an den Körpern von Franklin Aisalla und Raúl Reyes streng nach dem Minnesota-Protokoll durchgeführt worden sei.[25][26] Der Leichnam von Franklin Aisalla war den ecuadorianischen Behörden übergeben worden, nachdem die Eltern des Getöteten ihn auf einem Zeitungsfoto als ihren Sohn erkannt hatten und klar geworden war, dass es sich um einen ecuadorianischen Staatsbürger handelte. Der Leichnam von Raúl Reyes wurde von den kolumbianischen Behörden an einem unbekannten Ort entsorgt.
Die kolumbianischen Behörden gaben an, drei Computer erbeutet zu haben, die kompromittierende Informationen über die Verstrickungen der FARC in den Drogenhandel und über die Finanzierung der FARC durch den venezolanischen Staat enthielten.[27] Letzteres wird von venezolanischer Seite entschieden dementiert. Untersuchungen durch Interpol hatten jedoch keine Hinweise auf Manipulation der Daten durch kolumbianischen Behörden ergeben.[28] Der ecuadorianische Präsident, Rafael Correa, beschuldigte Kolumbien der Verletzung der Hoheit seines Landes und zog seinen Botschafter aus Kolumbien ab. Der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, ordnete die Schließung der Botschaft seines Landes in Kolumbien und eine verstärkte Militärpräsenz an der kolumbianischen Grenze an. Auch Nicaragua brach die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien ab.[29] [30]
Am 5. März 2008 formulierte die OAS in einer Krisensitzung eine Resolution, in der der kolumbianische Militärschlag gegen die FARC-Rebellen im ecuadorianischen Nachbarland als Verletzung der Souveränität Ecuadors kritisiert wird, ohne darin eine direkte Verurteilung Kolumbiens auszusprechen.[31] Zwei Tage später kam es am Rande eines Gipfeltreffens der Rio-Gruppe mit der Entschuldigung und dem Versprechen Uribes, nie wieder militärische Operationen außerhalb der Grenzen Kolumbiens zu unternehmen, zu einer vorläufigen Beruhigung des Konflikts.[32]
Ende März 2008 reichte Ecuador Klage gegen Kolumbien beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen des Angriffs auf sein Hoheitsgebiet ein.[33] Außerdem warnte Ecuadors Präsident Correa die FARC, dass Ecuador in Zukunft Militärcamps und -patroullien der Guerillaarmee auf ecuadorianischen Hoheitsgebiet als Kriegshandlung gegen sein Land betrachten werde. Man werde weder reguläre noch irreguläre ausländische militärische Truppen auf ecuadorianischem Boden dulden.[34]
Einzelnachweise
- ↑ [1]
- ↑ [2]
- ↑ EU-Liste der Terrororganisationen vom 22. Dezember 2006 (PDF)
- ↑ [3]
- ↑ Miguel Urbano Rodrigues: Las FARC reafirman la opción comunista y responden a campañas difamatorias. Entrevista con el comandante Ricardo González, del Estado Mayor Central de las FARC-EP, 7.4.2004 [4]
- ↑ Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK): KONFLIKTBAROMETER 2006. Krisen - Kriege - Putsche. Verhandlungen - Vermittlungen - Friedensschlüsse. Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg, S.41.
- ↑ El País: Una muñeca por un fusil AK 47 vom 17. April 2008
- ↑ Las Farc eligieron objetivos militares para despedir a este Gobierno, 31.07.2006 [5]
- ↑ Dos oficiales de grupo elite del Ejército, tras falsos atentados terroristas en Bogotá [6]
- ↑ El Tiempo: Presidente Uribe ofrece bonificación a campesinos que sirvan de cooperantes contra las Farc 2. November 2006
- ↑ Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK): KONFLIKTBAROMETER 2007. Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg, S.37f.
- ↑ http://www.venezuelanalysis.com/news/3050
- ↑ Tagesschau: Massenproteste gegen Farc-Rebellen in Kolumbien vom 5. Februar 2008
- ↑ Welt:[http://www.welt.de/politik/article1733041/Kolumbianische_Rebellen_lassen_vier_Geiseln_frei.html Befreiung von vier Geiseln] vom 27. Februar 2008.
- ↑ Der Standard:Befreite Geisel: Betancourt "sehr krank" vom 28. Februar 2008.
- ↑ Artikel in El Pais vom 29. März 2008 [7]
- ↑ Telesur: Ejército ecuatoriano rescata dos guerrilleras heridas en bombardeo que mató a Raúl Reyes, 2. März 2008
- ↑ Portal ALBA: Sobrevivente Mexicana asegura que militares remataron a Guerrilleros heridos, 14. März 2008
- ↑ elpais.com: Bogotá afirma que en el ataque a las FARC falleció un ecuatoriano vom 24.3.2008
- ↑ TeleSUR: Canciller ecuatoriana reiterará condena a Colombia ante la OEA, 13. März 2008
- ↑ Michael Fox: Hypocrisies of a US-backed Venezuela-Colombia Crisis, venezuelanalysis.com, 12. März 2008
- ↑ Untersuchungsbericht der OAS vom 17. März 2008 [8] (spanisch)
- ↑ IPS: NICARAGUA: Asylum for Survivors of Attack on FARC Camp vom 14. Mai 2008
- ↑ teleSUR: Primeras autopsias revelan que Franklin Aisalla murió por golpes en el cráneo, 6. Mai 2008
- ↑ El País de Cali.: Gobierno rechazó versión ecuatoriana sobre ataque a campamento vom 7. Mai 2008
- ↑ El Tiempo.com Colombia rechaza versión de ejecución extrajudicial de ecuatoriano en ataque a 'Raúl Reyes' vom 7. Mai 2008
- ↑ Die Welt vom 7. März 2008 [9]
- ↑ Baseler Zeitung: Interpol: Kolumbien hat FARC-Computer nicht manipuliert vom 16. Mai 2008
- ↑ Telesur: Chávez ordenó reforzamiento militar de la frontera colombo-venezolana, 2. März 2008
- ↑ Tagesschau Auch Nicaragua bricht Beziehungen zu Kolumbien ab vom 7. März 2008.
- ↑ Süddeutsche Zeitung 05. März 2008
- ↑ Die Presse: Ecuador-Kolumbien: Die Krise ist vorbei vom 7. März 2008.
- ↑ elpais.com: Ecuador demanda a Colombia en La Haya por las fumigaciones en la frontera vom 31. März 2008
- ↑ El País: El presidente de Ecuador lanza una advertencia a las FARC vom 17. April 2008
Siehe auch
- Ejército de Liberación Nacional (ELN)
- Bewaffneter Konflikt in Kolumbien
- Autodefensas Unidas de Colombia
Literatur
- Dario N. Azzellini/Raul Zelik: Kolumbien-Große Geschäfte, staatlicher Terror und Aufstandsbewegung, ISBN 3-929-008-48-3
- Thomas Fischer: 40 Jahre FARC in Kolumbien. Von der bäuerlichen Selbstverteidigung zum Terror, in: Sozial. Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts, N.F. 20 (2005)
Weblinks
- Offizielle Website der FARC
- FARC-nahe Website
- http://www.farc.de – Kritische Seite zweier ehemals entführter Mitarbeiter der GTZ über die FARC
- Ein BBC-Spezial zum 40. Geburtstag der FARC (spanisch)
- Documentary 52': "50 years of Guerrilla"
- Deutschsprachige Internet-Zeitung der FARC mit Details zu den Ursprüngen 1964
- Friedens- und Konfliktforschung
- Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung: Konfliktbarometer 2007: FARC vs. ELN & FARC vs. REGIERUNG, S. 37f. (Vergleiche auch ältere Ausgaben des Konfliktbarometers)
- INCORE (International Conflict Research), University of Ulster: Länderspiegel Kolumbien
- Einflussgebiet von Guerilla und Paramiltärs 2000, Landkarte, Le Monde diplomatique
- Kokaanbaugebiete 2002, Landkarte, aus „The Drug Trade in Colombia: A Threat Assessment“, U.S. Drug Enforcement Agency, Intelligence Division, März 2002