Autofrei
Unter dem Stichwort autofrei gibt es zahlreiche, meist zeitlich oder räumlich begrenzte Aktionen, in denen keine Kraftfahrzeuge betrieben werden dürfen. Geregelt wird dies durch Gesetze oder örtliche behördliche Bestimmungen. Rechtlich ist es gleichbedeutend mit dem Verkehrszeichen: Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge nach StVO. Ausnahmen sind für z. B.: Notarzt oder Polizei zugelassen.
Die Autofreiheit kann hierbei für einen bestimmten Zeitraum, eine bestimmte Strecke oder auch für ganze Ortschaften gelten. Beispielsweise ist Zermatt generell autofrei und nur mit der Eisenbahn zu erreichen; ebenso ist die Ostsee-Insel Hiddensee nur mit der Fähre von Schaprode oder Stralsund aus zu erreichen.
Autofrei sind auch einige der Ostfriesischen Inseln, wie Wangerooge, wo nur Elektrofahrzeuge zugelassen sind. In § 50 der deutschen Straßenverkehrsordnung ist dies für die Insel Helgoland festgeschrieben: „Auf der Insel Helgoland sind der Verkehr mit Kraftfahrzeugen und das Radfahren verboten.“
Anlass können zum Beispiel Straßenfeste, Demonstrationen oder andere Veranstaltungen sein oder auch die regelmäßig wiederkehrende Freigabe der Fahrbahn für nichtmotorisierte Fortbewegung, etwa Inline-Skates.
Erstmals wurde der Begriff allgemein verwendet und auch in ganz Deutschland bekannt durch den ersten autofreien Sonntag am 25. November 1973 während der so genannten 1. Ölkrise 1973.
Autofreie Sonntage
Seit dem Ende der 80er Jahre gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz zunehmend autofreie Straßen an einem Sonntag im Jahr. Dabei werden die Verkehrswege auf einer Länge zwischen 15 und 140 Kilometern tagsüber komplett für den motorisierten Verkehr gesperrt und Besuchern zu Fuß, auf Fahrrädern oder Rollschuhen zu Verfügung gestellt. Es hat sich eingebürgert, dass am Straßenrand von Anwohnern Getränke, Kuchen und andere Speisen angeboten werden. Die Straßen befinden sich oft in einem Flusstal, häufig sind sogar beide Seiten der Flüsse gesperrt, so zum Beispiel bei Happy Mosel oder bei Tal-toTal, dem autofreien Rheintal. Die Anzahl dieser Erlebnistage stieg laut Umwelt- und Prognose-Institut bis 2008 auf mindestens 67 pro Jahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz an [1].
In der Schweiz werden diese Aktionstage Slowup genannt.
In Italien sind seit 2000 an vier Sonntagen im Jahr die Zentren von 150 Städten tagsüber vom Autoverkehr befreit. In Paris ist das rechte Seine-Ufer an allen Wochenenden des Jahres und den ganzen August tagsüber für Motorfahrzeuge tabu.
Anfang 2008 gründete sich in Berlin erneut eine Initiative zur Durchsetzung eines autofreien Sonntags, die von zahlreichen Abgeordneten des Abgeordnetenhauses unterstützt wird.[2]
Autofreies Wohnen
- Hauptartikel: Autofreies Wohnen
In einigen deutschen Städten sind autofreie Stadtquartiere realisiert worden, z. B. in Hamburg, Münster, Freiburg, im Ausland z. B. in Amsterdam und Edinburgh. Daneben gibt es viele kleinere realisierte Projekte, deren autofreier Vorteil insbesondere in der Kostenersparnis durch nicht gebaute Tiefgaragen besteht (z. B. Bremen). Daneben gibt es auch Bestrebungen verschiedener Gruppierungen, ganze Stadtviertel autofrei umzugestalten. Sie begründen dies u. a. mit der größeren Sicherheit für die dort lebenden Kinder. Andererseits solle damit auch gezeigt werden, dass ein modernes Leben auch ohne Auto vor der Haustür möglich sei, unter der Voraussetzung eines gut ausgebauten Netzes des öffentlichen Verkehrs (ÖPNV) oder/und guter Möglichkeiten für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr.
Autofreie Menschen
Weiterhin bezeichnen sich Personen, die freiwillig ohne eigenes Auto leben, als autofrei – im Gegensatz zu unfreiwillig (z. B. aus finanziellen Gründen) autolosen Personen. Autofreie Menschen begründen ihre Entscheidung oft mit den massiven Nachteilen des Autos für die Gesellschaft, beispielsweise:
- Unfallhäufigkeit: Laut WHO sterben jährlich mehr als 1,2 Millionen Menschen an den Folgen von Verkehrsunfällen, in denen Automobile verwickelt sind. In Deutschland sind es laut statistischem Bundesamt 5094 getötete Menschen (2006), damit verloren durchschnittlich 14 Menschen täglich ihr Leben. Die Zahl der Verletzten beläuft sich auf 421.700 allein in Deutschland.
- Schadstoffemission und Toxizität: In Deutschland sterben nach Schätzung des Umweltbundesamtes jährlich mindestens 14.000 Menschen infolge von Diesel-Abgasen.
- Klimaerwärmung: Mit fossiler Energie betriebene Automobile produzieren große Mengen des Treibhausgases CO2.
- Flächenverbrauch für Straßen, Autobahnen und Parkplätze.
- Lärmemission: Nach Studien des Umweltbundesamtes gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Verkehrslärm an Straßen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Rohstoffverbrauch: Bei der Herstellung eines Automobils werden beispielsweise mehrere hunderttausend Liter Wasser verbraucht.
- Kriegsgefahr: Wegen des enormen Ölverbrauchs des Autos wird Öl immer knapper und umkämpfter.
- Welthunger: Die meisten Entwicklungsländer geben mehr Devisen für Öl und Autos aus als für alle anderen lebenswichtigen Importe. Weiterhin wird bereits damit begonnen, landwirtschaftliche Flächen zur Erzeugung von Autotreibstoffen wie Methanol und Biodiesel zu verwenden, während die Menschen noch zu Tausenden verhungern – z. B. in Brasilien. (Siehe dazu auch unter Nachwachsender Rohstoff.)
- Lebensqualität: Das Leben ohne Auto führt zu mehr Bewegung und fördert Sozialkontakte. Insbesondere Pendler mit Auto führen oft während der Woche ausserhalb Ihrer Arbeitsstätte ein isoliertes Leben. In den USA nehmen Berufstätige, Studenten und Schüler bereits 25 % ihrer Kalorien im Auto zu sich. In vielen Familien gibt es kein gemeinsames Frühstück im Haus mehr.
Daher fordern viele autofreie Menschen auch eine autofreie Gesellschaft – üblicherweise mit Ausnahmen (Krankentransport, Feuerwehr, usw.), da sie anerkennen, dass nicht in jedem Fall adäquate Alternativen existieren.
Siehe auch: Straßenverkehr, Mobilität, sanfte Mobilität, sanfter Tourismus, Umweltbewusstsein, Umweltbewegung
„Autofrei“ in der deutschen Politik
Die Alternative Liste in Berlin forderte Anfang der 80er Jahre ein autofreies Berlin. Der Politikwissenschaftler Winfried Wolf legte 1993 ein Konzept für ein autofreies Marburg vor.
Autofreier Hochschultag
Der Autofreie Hochschultag (AFH) ist ein Tag, der dazu genutzt werden soll, alternative Möglichkeiten der Mobilität vorzustellen und die Problematiken das augenblicklichen Mobilitätsverhaltens unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen. Dazu werden gezielt an den Hochschulen Deutschlands Aktionen durchgeführt. Dies trifft auf Widerstand derjenigen Studenten, die aus verschiedenen Gründen auf die Anfahrt per Wagen angewiesen sind.
Der AFH findet immer am ersten Dienstag nach dem Autofreien Sonntag statt.
Situation in der Schweiz
Einige Orte im Schweizer Berggebiet waren durch ihre schwierige geographische Lage aufgrund technischer und finanzieller Hindernisse lange nicht mit einer Strasse erschlossen; als die Möglichkeit beziehungsweise die Mittel dazu geboten waren, entschloss man sich jedoch in mehreren Orten (auch aus touristischen Gründen), weiterhin darauf zu verzichten.
Zu den nur per Eisenbahn oder Seilbahn erreichbaren Orten gehören in der Schweiz Braunwald, Gimmelwald, Mürren, Niederrickenbach, Riederalp, Stoos, Wengen BE und Zermatt. Für mit dem Auto anreisende Gäste stehen bei diesen Orten an der jeweils letzten mit dem Auto erreichbaren Bahnstation bzw. der Talstation Parkplätze bzw. -häuser zur Verfügung, beispielsweise für Mürren und Wengen in Lauterbrunnen, für Zermatt in Täsch.
Eingeschränkt autofrei ist Saas-Fee, das zwar bis zum Dorfeingang über eine Strasse erreichbar ist, aber im Dorf selbst mit Ausnahme von Arzt, Feuerwehr, Müllabfuhr etc. nur Elektromobile erlaubt.
Einen Sonderfall stellt das Dorf Quinten in der Gemeinde Quarten am Walensee dar, das nur zu Fuss oder mit dem Schiff erreichbar ist.
In der Schweiz kam es bereits zu zwei Volksabstimmungen betreffend regelmäßige autofreie Sonntage:
- 18. Mai 2003 – Volksinitiative ‚für einen autofreien Sonntag pro Jahreszeit – ein Versuch für vier Jahre (Sonntags-Initiative)‘ ([1])
- 28. Mai 1978 – Eidgenössische Volksinitiative ‚für 12 motorfahrzeugfreie Sonntage pro Jahr‘ ([2])
Beide Volksinitiativen wurden vom Schweizer Volk abgelehnt, 2003 mit 62.4 % Nein-Stimmen und 1978 mit 63.7 % Nein-Stimmen.
Verwandte Themen
- In vielen Ländern gilt für Lkw ein Wochenendfahrverbot.
Quellen
- ↑ UPI-Bericht 37: Autofreie Sonntage
- ↑ Autofreier Sonntag in Berlin geplant. In: Der Tagesspiegel, 18. Februar 2008
Literatur
- Winfried Wolf: Sackgasse Autogesellschaft. Köln 1993, ISBN 3-929008-52-1
- Michael Hartmann: Der AutoGeher. AutoBiografie eines AutoGegners. ISBN 3-928300-81-4
- Markus Schmidt: Eingebaute Vorfahrt. ISBN 3-9803508-8-6
- Winfried Wolf: Berlin – Weltstadt ohne Auto? Verkehrsgeschichte 1848–2015. Köln 1994, ISBN 3-929008-74-2
- Winfried Wolf: Die autofreie Stadt: der Autowahn am Beispiel der Stadt Marburg an der Lahn; Geschichte, Perspektive und Alternative. Köln 1993, ISBN 3-929008-41-6
- Nikolaus Huhn, Matthias Lemke (Hrsg.): „ÜberLeben ohne Auto: ein Lesebuch“, München 2000, ISBN 3-928244-60-4
Weblinks
- autofrei leben! e. V.
- Wohnen ohne Auto – Die Wohnidee, Netzwerk Wohnen plus Mobilität
- Autofrei Wohnen, umfangreiche Seite mit Listen autofreier Wohngebiete und autofreier Urlaubsorte weltweit
- World Carfree Network (englisch)
- carfree.com, umfangreiche Seite von J.H. Crawford, Autor von „Carfree Cities“ (englisch)
- Club der Autofreien der Schweiz