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Friedensvertrag von Versailles

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Vertragsunterzeichnung im Spiegelsaal von Versailles

Der Friedensvertrag von Versailles (auch Versailler Vertrag, Friede von Versailles oder Diktat von Versailles) war das am 28. Juni 1919 unterzeichnete Vertragswerk, das nach dem Ersten Weltkrieg formell den Kriegszustand zwischen dem Deutschen Reich und den Mächten der Triple Entente und ihren Verbündeten beendete. De facto waren die Kampfhandlungen bereits mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiegne am 11. November 1918 eingestellt worden. Nach der allseitigen Ratifizierung und dem Austausch der Urkunden trat der Versailler Vertrag am 10. Januar 1920 in Kraft.

Er war der bei weitem folgenreichste der Pariser Vorortverträge, zu denen auch der Vertrag von Trianon mit Ungarn und der Vertrag von St. Germain mit Österreich zu rechnen sind. Er konstatierte die alleinige Verantwortung des Deutschen Reichs und seiner Verbündeten für den Ausbruch des Weltkriegs und verpflichtete es daher zu Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen an die Siegermächte.

Entstehung und Ratifizierung

Der Vertrag war das Ergebnis des seit Januar 1919 in Versailles tagenden Friedenskongresses. Ein engerer Ausschuss des Kongresses war der sogenannte ‚Rat der Vier‘, dem US-Präsident Woodrow Wilson (USA), der französische Ministerpräsidenten Clemenceau (Frankreich), der britischen Premier Lloyd George (Großbritannien) und der italienischen Minister Orlando angehörten. Der Rat legte die wesentlichen Eckpunkte des Vertrags fest. An den mündlichen Verhandlungen nahmen nur die Siegermächte teil; mit der deutschen Delegation wurden lediglich Memoranden ausgetauscht. Das Ergebnis der Verhandlungen wurde der deutschen Delegation schließlich als Vertragsentwurf am 7. Mai 1919 vorgelegt. Der deutschen Regierung wurde nur die Entscheidung darüber eingeräumt, diesen Entwurf entweder im Wesentlichen zu akzeptieren oder ihn vollständig abzulehnen. Da die deutsche Delegation nur geringfügige Änderungen erreichen konnte, trat Reichskanzler Philipp Scheidemann zurück. Um den Einmarsch am Rhein bereitstehender alliierter Streitkräfte zu vermeiden, votierte die deutsche Nationalversammlung am 22. Juni 1919 mit 257 gegen 138 Stimmen für die Annahme des Vertrags. Die beiden deutschen Delegierten, Außenminister Hermann Müller (SPD) und Verkehrsminister Johannes Bell (Zentrum) unterzeichneten ihn am 28. Juni 1919 unter Protest.

Die Vertreter der USA, der wichtigsten Signatarmacht neben Großbritannien und Frankreich, hatten den Vertrag nach den zwei deutschen Delegierten zwar als Erste unterzeichnet, der amerikanische Kongress ratifizierte den Vertrag jedoch nicht.


Inhalt des Vertrags

Kriegsschuldartikel (Artikel 231) und Reparationen

Im Artikel 231 heißt es:

„Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges, der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen wurde, erlitten haben.“

Der Vertrag wies allein dem kaiserlichen Deutschen Reich und seinen Verbündeten die Verantwortung für den Ersten Weltkrieg zu. Er bedeutete eine anfängliche Isolation des Deutschen Reiches, das sich als Sündenbock für die Verfehlungen der anderen europäischen Staaten vor dem Weltkrieg sah.

Diese einseitige Schuldzuweisung hat in den direkt folgenden Jahren und auch später zur Kriegsschulddebatte geführt. Die Unterschriften durch Hermann Müller und Johannes Bell nährten die vor allem durch Hindenburg und Ludendorff sowie später von Adolf Hitler propagierte Dolchstoßlegende.

Politiker und Historiker aller Nationen beurteilen die Ursachen des Ersten Weltkriegs heute differenzierter, als es in dem Vertrag ausgedrückt wird. Der Artikel 231 sollte jedoch nicht die historischen Ereignisse analysieren, sondern die für das Deutsche Reich nachteiligen Friedensbedingungen juristisch und moralisch legitimieren. Darüber hinaus sollte das Deutsche Reich finanziell für die Schäden an Land und Menschen haftbar gemacht werden, welche die kaiserlichen Truppen insbesondere in Frankreich angerichtet hatte. Der Vertrag von Versailles legte daher den Grund für die Reparationsforderungen an das Deutsche Reich, deren Höhe allerdings zunächst nicht festgelegt wurde. Die Vertreter des Deutschen Reiches protestierten gegen den Artikel 231 daher nicht bloß aus Gründen der Selbstrechtfertigung, sondern mit dem Ziel, die moralische Basis der gegnerischen Forderungen insgesamt zu unterminieren. Die Reparationsforderungen belasteten den neuen republikanischen Staat, waren jedoch grundsätzlich an der Zahlungsfähigkeit des Reiches orientiert. Anders als oft behauptet, verursachten die Reparationen nicht die Inflation. Sie hatte unmittelbar mit dem Kriegsausbruch begonnen, beschleunigte sich 1916 und wurde bereits Ende 1922, vor der französischen Ruhrbesetzung, zur sogenannten Hyperinflation. Die Reichsregierung forcierte diesen Prozess bewusst, um den Ruhrkampf gegen den früheren Kriegsgegner zu finanzieren. Umgekehrt diente jedoch das hausgemachte Problem der Inflation dazu, die Zahlungsunfähigkeit des Deutschen Reiches unter Beweis zu stellen und so die Reparationsforderungen zu unterlaufen.[1]

Siehe auch: Deutsche Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg

Territoriale Bestimmungen

Das Reich musste zahlreiche Gebiete abtreten: Nordschleswig an Dänemark, den Großteil der Provinzen Westpreußen und Posen sowie das oberschlesische Kohlerevier und kleinere Grenzgebiete Schlesiens und Ostpreußens an den neuen Staat Polen. Außerdem ging das Hultschiner Ländchen an die neu gebildete Tschechoslowakei. Im Westen ging Elsass-Lothringen an Frankreich, und Belgien erhielt das Gebiet Eupen-Malmedy mit einer ebenfalls überwiegend deutschsprachigen Bevölkerung. Darüber hinaus wurde der gesamte reichsdeutsche Kolonialbesitz dem Völkerbund unterstellt. Insgesamt verlor das Reich 13 % seines vorherigen Gebietes und 10 % der Bevölkerung. Das Deutsche Reich musste die Souveränität Österreichs anerkennen, umgekehrt wurde der von Deutschösterreich angestrebte Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich im Vertrag von Saint-Germain bis zum Jahr 1942 untersagt.

Da Dänemark im Krieg neutral gewesen war, Polen von den Achsenmächten selbst gegründet worden war (Proklamation durch Kaiser Wilhelm II. und Kaiser Franz-Joseph I. am 5. November 1916) und Belgien gegen sein ausdrückliches Bestehen auf Neutralität durch den deutschen Einmarsch in den Krieg verwickelt worden war, hatte Deutschland außer der Rückgabe Elsass-Lothringens in Europa keine Gebietsverluste an die Alliierten zu verzeichnen. Die Besetzung von Industriegebieten bis zur Abzahlung der Reparationen entsprach der deutschen Praxis gegenüber Frankreich von 1871. Frankreich verzichtete auf vorher bekundete Kriegsziele wie die dauerhafte Abtrennung aller linksrheinischen Gebiete von Deutschland (Vertrag zwischen Frankreich und Russland zu Kriegsbeginn).

Demonstrierende Studenten vor dem Tor des Himmlischen Friedens, 1919

Die deutsche Kolonie Kiautschou in der chinesischen Provinz Shandong, die bereits am 7. November 1914 von japanischen Truppen eingenommen wurde, blieb durch die Bestimmungen des Vertrags unter japanischer Verwaltung. Junge chinesische Intellektuelle aus der Neuen Kulturbewegung, die eine Rückgabe des Gebiets an China forderten, gingen in Tokio und in Peking auf die Straße, japanische Waren wurden boykottiert. Die Bewegung des vierten Mai, die daraus entstand, wurde zur Wurzel des Nationalismus in China.

Deutsche Gebietsverluste durch den Versailler Vertrag

Sofort abgetretene Gebiete (Ohne Volksabstimmung)
Ohne Volksabstimmung bei Deutschland gebliebenes Gebiet
  • Nordschleswig (an Dänemark)
  • der Ostteil von Oberschlesien an Polen, das Industriegebiet um Kattowitz, in dessen Teilen es deutliche polnische Mehrheiten gab, an Polen. Auf Betreiben Frankreichs und Polens fand diese Aufteilung Oberschlesiens statt, nachdem 60 % in der Abstimmung gegen den Anschluss Oberschlesiens an Polen gestimmt hatten. Die Abtrennung empfanden viele Deutsche als ungerecht, obwohl der Deutschland verbleibende Gebietsanteil größer war als der deutsche Stimmenanteil bei der Abstimmung. Allerdings wurde Oberschlesien nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit geteilt, so dass die Stadt Kattowitz trotz deutscher Stimmenmehrheit an Polen kam, während Orte mit höherem polnischen Stimmenanteil bei Deutschland blieben.
  • Eupen-Malmedy sowie das bisherige Neutral-Moresnet an Belgien (siehe Ostkantone); ursprünglich ohne Abstimmung, eine spätere Abstimmung bestätigte die Zugehörigkeit zu Belgien. Ob die Abstimmung korrekt war oder nicht, wurde von beiden Seiten gegensätzlich dargestellt. Das abgetretene Gebiet umfasste sowohl Gemeinden mit französischsprachigen (Malmedy, Weismes) als auch mit deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen (Eupen, Sankt Vith und andere). Letztere bilden heute die deutsche beziehungsweise deutschsprachige Gemeinde Belgiens.
Nach Volksabstimmungen im Gefolge des Versailler Vertrags beim Deutschen Reich geblieben
  • Mittelschleswig
  • der Westteil Oberschlesiens (Deutschland behielt 2/3 der Fläche, mehr als dem deutschen Stimmanteil entsprach.)
  • neun Landkreise Westpreußens östlich und westlich des neuen polnischen „Korridors“ (siehe Westpreußen)
  • der Südteil Ostpreußens (jedoch ohne Soldau, Kreis Neidenburg)
Dem Völkerbund unterstellt
Entmilitarisierte Gebiete
Karte Europas nach dem Ersten Weltkrieg und den Bestimmungen des Versailler Vertrag

Militärische Bestimmungen

Dem Deutschen Reich wurden weitgehende Beschränkungen auferlegt:

Abrüstung der Siegermächte gemäß Artikel 8

In Artikel 8 verpflichteten sich die Siegermächte ebenfalls zur Abrüstung. Spätestens 1927, nachdem die Bestimmungen in Deutschland vollständig durchgesetzt waren, hätten die Siegermächte nun ihrerseits abrüsten müssen, um ein militärisches Gleichgewicht in Europa wiederherzustellen. Nachdem die Siegermächte die Abrüstung ablehnten und damit den von ihnen selbst diktierten Vertrag verletzten, versuchte Deutschland folgerichtig auf dem Verhandlungswege zu erreichen, dass es von den extremen Rüstungsbeschränkungen befreit würde (seit 1925 tagte erfolglos die Abrüstungskommission; seit dem 2. Februar 1932 bis zum 11. Juni 1934 die Genfer Abrüstungskonferenz). Diesen für die Weimarer Republik so wichtigen und notwendigen Verhandlungserfolg haben die Westmächte ihr verwehrt und damit die Demokratie weiter geschwächt. Bezeichnend ist, dass die Siegermächte erst Hitler diesen Verhandlungserfolg ermöglichten, der zu einem seiner größten außenpolitischen Erfolge wurde.

Dieser Vertragsbruch hatte das Ansehen der Westmächte nachhaltig beschädigt und führte zu weiteren starken Vorbehalten gegenüber den Westmächten.

Wirtschaftliche Bestimmungen

Die Deutsche Republik beziehungsweise das republikanische Deutsche Reich wurde zur Wiedergutmachung durch Geld- und Sachleistungen in noch festzulegender Höhe verpflichtet. Ebenso wurde eine Verkleinerung der reichsdeutschen Handelsflotte festgeschrieben. Die großen deutschen Schifffahrtswege, namentlich Elbe, Oder und Donau, wurden für international erklärt. Für fünf Jahre musste das Deutsche Reich den Siegermächten einseitig die Meistbegünstigung gewähren. Im sogenannten Champagnerparagraphen 274 wurde festgelegt, dass Produktbezeichnungen, die ursprünglich Herkunftsbezeichnungen aus den Ländern der Siegermächte waren, nur noch verwendet werden durften, wenn die so bezeichneten Produkte auch tatsächlich aus der genannten Region stammten: Seitdem darf Branntwein nicht mehr als Cognac und Schaumwein nicht mehr als Champagner verkauft werden, Bezeichnungen, die bis dahin in den deutschen Ländern durchaus üblich waren. Luxemburg musste die bislang bestehende Zollunion mit dem Deutschen Reich aufgeben.

Völkerbund

Außerdem sah der Vertrag die Gründung des Völkerbunds vor, eines der erklärten Ziele des US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Der Völkerbund war Vorläufer-Organisation der heutigen Vereinten Nationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden. Deutschland war bis 1926 vom Völkerbund ausgeschlossen. Dessen Satzungen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Charta der Vereinten Nationen ersetzt.

Garantiebestimmungen

Als Garantie für die Durchführung der übrigen Bestimmungen des Vertrags wurde eine alliierte Besetzung des linksrheinischen Gebietes und zusätzlicher Brückenköpfe bei Köln, Koblenz und Mainz vereinbart. Diese sollte zeitlich gestaffelt fünf, zehn und 15 Jahre nach dem Ratifizierungsdatum aufgehoben werden (Artikel 428–430).

Folgen des Vertrages

Folgen für das Deutsche Reich

Im Nachhinein betrachtet war das Vertragswerk von Versailles von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da es das Deutsche Reich als immer noch stärkste und geographisch in der Mitte beheimatete, also für die Stabilität des Kontinents unentbehrliche europäische Macht „weder dauerhaft entmachtete noch dauerhaft integrierte“ (Haffner). Er erwies sich als zu hart und zu wirkungslos gleichermaßen. Er war zu hart, als dass ein als politische Einheit und wirtschaftliche Großmacht bestehen gebliebenes Deutsches Reich ihn dauerhaft akzeptieren würde, und zu wirkungslos, um das Deutsche Reich dauerhaft als Großmacht auszuschalten. Zudem war es nur den Worten nach ein Vertrag, von dessen Verhandlung allerdings der eine Vertragspartner – das Deutsche Reich – ausgeschlossen war und der deshalb auch – mit einigem Recht – als „Diktat von Versailles“ empfunden wurde, als ein Papier, an das man sich nicht gebunden fühlte. Es war erklärtes Ziel der deutschen Außenpolitik, diese „Fesseln von Versailles abzuschütteln“. Außerdem konnten weitere europäische Großmächte, die zuvor ein Kräftegleichgewicht in Europa mitgetragen hatten, die Friedensordnung nicht mittragen: Österreich-Ungarn war zerschlagen, Russland ausgegrenzt – und die USA zogen sich ebenfalls zurück. Frankreich und England aber waren allein zu schwach, um den Vertrag in letzter Konsequenz durchsetzen zu können, und kamen so konsequent zu einer Politik des Appeasement. Schließlich beschädigten die Inhalte des Vertrages – insbesondere auch die Gebietsabtretungen mit deutschen Bevölkerungsgruppen – sowie die Art seines Zustandekommens im Deutschen Reich nachhaltig sowohl das Ansehen der Westmächte als auch das Vertrauen in die Staatsform der Demokratie. Quer durch die Parteienlandschaft stieß der Vertrag auf heftige Ablehnung. Der Weimarer Regierung wurde von einigen Gruppen zudem vorgeworfen, durch die Annahme der Vertragsbedingungen die Interessen des Reichs verraten zu haben; es wurde eine Revision des als „Schandfrieden“ oder „Schanddiktat von Versailles“ bezeichneten Vertrags gefordert. Inwieweit der Vertrag von Versailles zur „Machtergreifung“ Hitlers beigetragen hat, bleibt spekulativ. Sicher ist der Weg zu Hitler nicht zwangsläufig gewesen, die zeitgenössische Aussage des Marschall Foch angesichts des Vertrages ist jedoch in seiner wissenden Vorausschau nicht zu leugnen. Er sagte: „Das ist kein Frieden. Das ist ein zwanzigjähriger Waffenstillstand.“ Wobei Foch jedoch nicht eine Lockerung der Vertragsbedingungen befürwortete, sondern für eine Zerschlagung des Deutschen Reiches eintrat. Insgesamt wurde es von verschiedenen Historikern als ein Geburtsfehler des Versailler Vertrages bezeichnet, dass er zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen versuchte: zum einen die von Wilson vertretenen Ideale der Selbstbestimmung der Völker und der territorialen Übereinstimmung zwischen Volk und Staat, zum anderen die Absichten der Siegermächte, insbesondere Frankreichs, das Deutsche Reich entscheidend zu schwächen.

Der Vertrag war selbst unter den Siegermächten umstritten. Großbritannien fürchtete eine zu starke Dominanz Frankreichs auf dem europäischen Festland, und die USA forderten die Durchsetzung von Wilsons 14-Punkte-Programm. Schließlich setzte sich Frankreich durch, das unter den Alliierten die größte Kriegslast getragen hatte und daher auch das größte Sicherheitsbedürfnis geltend machte. Die schwerwiegenden Folgen dieses Vertrags sah der britische Premier Lloyd George bereits im März bemerkenswert klar voraus (siehe Zitat).

Auf die hohen Reparationsforderungen und die Industriedemontagen im Ruhrgebiet versuchte die deutsche Reichsregierung mit einem Generalstreik zu reagieren, der mit ständig nachgedrucktem Geld unterstützt werden sollte. Die Folgen waren Inflation, Verelendung breiter Volksschichten und eine ständig zunehmende Abhängigkeit von ausländischen Krediten (besonders US-amerikanischen). Daher traf die von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise das Deutsche Reich extrem hart, da diese stärker als irgendeine andere Industrie an die amerikanische Wirtschaft gekoppelt war.

Die durch den Versailler Vertrag begründeten bedeutsamen wirtschaftlichen Folgen und die außenpolitische Isolation des Deutschen Reichs versuchte Walther Rathenau im Vertrag von Rapallo zu entschärfen. Darin wurde das Verhältnis zur Sowjetunion normalisiert und auf gegenseitige Ansprüche verzichtet.

Die NS-Diktatur konnte in ihrer Anfangsphase durch die Beseitigung der letzten Zwänge des Versailler Vertrags, unter anderem durch die militärische Wiederaufrüstung und Wiederbesetzung des Rheinlandes, großes innenpolitisches Prestige ernten.

Der Vertrag von Versailles hatte also das Gegenteil von dem bewirkt, was sich die Westmächte von ihm erhofft hatten: den Frieden in Europa zu bewahren. Er bildete eine der Ursachen für den Zweiten Weltkrieg.

Rezeption in der deutschen Öffentlichkeit

Wie überzogen die Kritik großer Teile der deutschen Öffenlichkeit an den Bestimmungen von Versailles war, zeigt beispielhaft die Darstellung im Nachschlagewerk „Ploetz“ aus dem Jahre 1951 [2].

Zitate:

  • Seite 711: 20. März 1921: Abstimmung in Oberschlesien: 60% für Verbleiben beim Deutschen Reich. Trotz des Ergebnisses sprach der Oberste Rat der Alliierten den wertvollsten Teil des Industrierevieres mit … (Aufzählung der Städte) Polen zu. (Tenor: Oberschlesien hätte wegen der 60%-Mehrheit ungeteilt Deutschland zugestanden. Tatsächlich durfte Deutschland mehr als 60% der Landesfläche des Abstimmungsgebietes behalten.)
  • Seite 734: 10. Februar (1920): Abstimmung in Nordschleswig mit 75% Stimmenmehrheit für Dänemark. Der südliche, deutsch besiedelte Teil der der Zone, in dem deutsch gestimmt wurde, ist dabei majorisiert worden. Referenzfehler: Es fehlt ein schließendes </ref>..

„Das ist kein Frieden. Das ist ein zwanzigjähriger Waffenstillstand.“  – französischer Marschall Ferdinand Foch

„Man mag Deutschland seiner Kolonien berauben, seine Rüstung auf eine bloße Polizeitruppe und seine Flotte auf die Stärke einer Macht fünften Ranges herabdrücken. Dennoch wird Deutschland zuletzt, wenn es das Gefühl hat, dass es im Frieden von 1919 ungerecht behandelt worden ist, Mittel finden, um seine Überwinder zur Rückerstattung zu zwingen. [...] Um Vergütung zu erreichen, mögen unsere Bedingungen streng, sie mögen hart und sogar rücksichtslos sein, aber zugleich können sie so gerecht sein, dass das Land, dem wir sie auferlegen, in seinem Innern fühlt, es habe kein Recht sich zu beklagen. Aber Ungerechtigkeit und Anmaßung, in der Stunde des Triumphs zur Schau getragen, werden niemals vergessen noch vergeben werden. [...] Ich kann mir keinen stärkeren Grund für einen künftigen Krieg denken, als dass das deutsche Volk, das sich sicherlich als einer der kraftvollsten und mächtigsten Stämme der Welt erwiesen hat, von einer Zahl kleinerer Staaten umgeben wäre, von denen manche niemals vorher eine standfeste Regierung für sich aufzurichten fähig war, von denen aber jeder große Mengen von Deutschen enthielte, die nach Wiedervereinigung mit ihrem Heimatland begehrten.“David Lloyd George, britischer Premierminister in seinem Memorandum zum Versailler Vertrag, 25. März 1919

„Der Friede ist milde für das, was er an Härten enthält.“ – Jacques Bainville, französischer Journalist und Historiker

„Der Ausgangspunkt der nationalsozialistischen Bewegung ist nicht München, sondern Versailles“Theodor Heuss, erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

Quellenangaben

  1. vgl. Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, 6., überarb. u. erw. Aufl., München 2002 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 16).
  2. Dr. Karl Ploetz: Auszug aus der Geschichte, 24. Auflage, herausgegeben in völlig neuer Bearbeitung

Literatur

  • Woodrow Wilson: Memoiren und Dokumente über den Vertrag von Versailles anno MCMXIX. Hrsg. v. R. St. Baker, in autorisierter Übersetzung von C. Thesing. 3 Bde. Leipzig 1923.
  • Woodrow Wilson: Woodrow Wilson’s Case for the League of Nations. Compiled with his approval by Hamilton Foley. Princeton University Press, Princeton 1923. (Rezension)
  • W. Stanley Macbean Knight: The History of the Great European War – Its Causes and Effects. Bd 1–10. Caxton, London 1914–1919.
  • Bruce Kent: The Spoils of War – The Politics, Economics and Diplomacy of Reparations 1918–1932. Clarendon, Oxford 1989, ISBN 0-198-22738-8.
  • Das Versailler Diktat. Arndt, Kiel 1999. ISBN 3-88741-195-1 (vollständiger Vertragstext mit den Gegegnvorschlägen der deutschen Regierung und einem Vorwort von Generalleutnant a.D. Franz Uhle-Wettler)
  • Eberhard Kolb: Der Frieden von Versailles. München 2005, ISBN 3-406-50875-8. (knapper Überblick)
  • Sebastian Haffner, Gregory Bateson: Der Vertrag von Versailles. Ullstein, Berlin 1988, ISBN 3-548-33090-8 (enthält den vollständigen Text des Versailler Vertrages)