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Neutrinooszillation

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Neutrinos sind die leichtesten bekannten Leptonen. Leptonen treten in drei Flavour-Generationen (Teilchen-Arten) auf nämlich

  • Elektron und Elektron-Neutrino
  • Myon und Myon-Neutrino
  • Tau und Tau-Neutrino

Neutrinoozillationen sind die Umwandlung von einem Neutrinoflavour in ein anderes Neutrinoflavour aufgrund quantenmechanischer Prozesse.

Solares Neutrinodefizit

Zum ersten Mal wurde über mögliche Neutrinooszillationen bei der Entdeckung des solaren Neutrinodefizits diskutiert. In den 1960er Jahren begann Raymond Davis mit der Untersuchung des solaren Neutrinostroms mit einem Elektron-Neutrinodetektor in der Homestake-Mine. Der gemessene Neutrinofluss entsprach aber lediglich etwa der Hälfte des aufgrund der Leuchtkraft der Sonne erwarteten Flusses. Da das Sonnen-Modell gut verstanden ist und experimentell mehrfach bestätigt wurde, kann dieses Ergebnis als ein "Verschwinden" der Neutrinos gedeutet werden. Aus heutiger Sicht bedeutet dies, dass die Elektron-Neutrinos in Myon-Neutrinos oszilliert sind. Raymond Davis erhielt für das Homestake-Experiment den Nobelpreis in Physik 2002.

Theoretische Grundlage

Hierfür werden zwei Annahmen benötigt. Zum einen müssen Neutrinos unterschiedliche Massen besitzen, zum anderen sollen die Massen-Eigenzustände der Neutrinos gegenüber den Wechselwirkungs-Zuständen (analog zur CKM-Mischung im Quark-Sektor) vermischt sein. Eine Näherungsformel für die 2-Flavour-Oszillation Elektronneutrino nach Myon-Neutrino ist

Hierbei ist die zurückgelegte Strecke des Neutrinos, der Mischungswinkel der Flavours und der Massenunterschied der Flavours.

Bei Neutrinooszillationen in Materie tritt der so genannte MSW-Effekt auf (benannt nach Stanislav Mikheyev, Alexi Smirnov und Lincoln Wolfenstein). Dieser verursacht für bestimmte Elektronendichten und Neutrino-Massendifferenzen in Materie eine resonante Verstärkung der Oszillation.

Neutrinoozillationen bieten einen ersten Einblick in die Physik jenseits des Standard-Modells. Nach dem Standardmodell hätten Neutrinos keine Masse, insbesondere also keine (quadratischen) Massendifferenzen; zudem würden sie nur als linkshändige Teilchen auftreten. Sind die Neutrinos jedoch massenbehaftete Teilchen - dies wird gerade durch Neutrinooszillationen bestätigt - so sind auch rechtshändige Neutrinos möglich. Die elektroschwache Wechselwirkung wirkt nur auf linkshändige Neutrino-Teilchen, die rechtshändigen Neutrinos würden keiner Wechselwirkung (außer der Gravitation) unterliegen (sterile Neutrinos,WIMPs).


Experimente

  • Radiochemische Experimente messen den Elektron-Neutrino-Fluss über einen langen Zeitraum. Man nutzt in solchen Experimenten aus, dass der Beta-Zerfall durch Neutrino-Einfang umgekehrt werden kann. Zum Beispiel wandelt sich 71Ga durch Einfang eines Elektron-Neutrinos in 71Ge unter Emission eines Elektrons um. Diese Atome können dann chemisch nachgewiesen werden.
  • Echzeitexperimente erfassen nicht die Neutrinos selbst, sondern ihren Rückstoß-Partner. Dessen Impuls wird über Cerenkov-Strahlung ausgewertet. Zu diesen Experimente-Typ gehört der japanische Super-Kamiokande-Detektor, ein 50000t Leicht-Wasser-Target mit mehr als 10000 Photomultipliern sowie der kanadische SNO-Detektor.

Beide Experimententypen bestätigen die Neutrinooszillationen.

http://www.nobel.se/physics/laureates/2002/ http://www.neutrinooscillation.org