Führerprinzip
Das Führerprinzip war ein politisches Konzept und eine Propagandaformel im deutschen Nationalsozialismus. Demnach sollte Adolf Hitler nicht nur militärisch, sondern analog auch in allen politischen und rechtlichen Gebieten die oberste Befehlsgewalt haben, ohne kontrollierende Instanzen.
Das Führerprinzip ordnet eine Gruppe (ein Volk, eine Organisation etc.) ohne Einschränkungen den Entscheidungen des jeweiligen Führers unter, der wiederum gegenüber Untergebenen und Vorgesetzten die unmittelbare Verantwortung trägt.
Das Konzept gilt von der organisatorischen Struktur her bis heute in der militärischen Hierarchie, jedoch nicht unter diesem Namen. Es wurde dabei durch moderne Erkenntnisse zu Menschenführung und Motivation moderiert, in der Bundeswehr etwa durch das Konzept der inneren Führung, jedoch im Grundsatz nicht abgelöst.
Wirkungsweise
Das Führerprinzip war in allen Formen des Nationalsozialismus beherrschend. In der sozialen Verfassung einer Gesellschaft ist es gegen Demokratie und Parlamentarismus gerichtet. Nach der in der Zeit des Nationalsozialismus gültigen Definition des einflussreichen Verfassungsjuristen Ernst Forsthoff ist Führergewalt nicht durch Kontrollen gehemmt, sondern ausschließlich und unbeschränkt: „Die Führergewalt ist umfassend und total; sie vereinigt in sich alle Mittel der politischen Gestaltung; sie erstreckt sich auf alle Sachgebiete des völkischen Lebens; sie erfasst alle Volksgenossen, die dem Führer zu Treue und Gehorsam verpflichtet sind.“
Im Gegensatz zum demokratischen Prinzip, bei dem eine Gruppe ihre Vertreter wählt und die Machtbefugnisse des Vertreters durch die Wahl legitimiert werden, erfolgt beim Führerprinzip die Einsetzung des „Vertreters“ durch die jeweils übergeordnete Instanz ohne Möglichkeit der Einflussnahme durch die entsprechend untergeordnete Gruppe. Insofern lässt sich in einem nach dem Führerprinzip organisierten System die „Wahl“ von Amts- und Entscheidungsträgern immer bis auf den obersten Führer zurückverfolgen, während etwa in einer Demokratie stets ein Zusammenspiel zwischen „oben“ und „unten“ wirksam ist.
Das Führerideal strahlt dabei ab auf die jeweiligen Hierarchen und deren Untergebene in der Hierarchie. In diesem Sinne wurde das Führerprinzip bei der Reorganisierung von Unternehmen im Laufe der NS-Gleichschaltung verwirklicht, zum Beispiel in den Betrieben, deren Leiter zu „Betriebsführern“ umbenannt wurden und mitsamt den Arbeitnehmern als „Gefolgschaft“ in Massenorganisationen untergebracht wurden: Der ideologisch unerwünschte Gegensatz in den Produktionsverhältnissen, zwischen den Inhabern der Produktionsmittel und den Arbeitern, wurde so aufzulösen versucht. Die vorhandenen Strukturen und Verfahren wurden jedoch überwiegend beibehalten und nur die Begrifflichkeit geändert.
Psychologisch ist der Führergedanke eng verwoben mit der nationalsozialistischen Massenideologie und dem gegenseitigen Bedürfnis von Führer und Masse nach wechselseitiger Bestätigung. Die Masse kann demnach ihre entpersönlichten Bedürfnisse in der Person des Führers verwirklichen, der seinerseits volkstribunhafte Akzeptanz in der Volksgemeinschaft genießt und durch Akklamation bestätigt wird.
Abgrenzung
Im Kommunismus wird die Person des Führers zur Allgegenwart der Partei abstrahiert und idealisiert. Deren Führerschaft unterscheidet sich in ihrem Absolutheitsanspruch kaum von der einer Einzelperson. In der fanatischen Akzeptanz des nationalsozialistischen Führers besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied beispielsweise zum historischen Stalinismus.
Nach Diemut Majer ist das Führerprinzip grundsätzlich ahistorisch, das heißt es steht in keinem geschichtlichen Zusammenhang beispielsweise zu absolutistischen Ideen. Diese kannten im Gegensatz zum totalen Führerstaat noch gewisse Rechte (Naturrecht) und Pflichten gegenüber dem Untertanen, während jener keine Rechenschaft abzulegen brauchte. Gleichzeitig ist das Führerprinzip stark irrational und greift deswegen zu seiner eigenen Legitimation auf Mystizismus und Verklärung des Führers zurück (vgl. auch Personenkult). Ein häufiger Erklärungsversuch greift auf sozialdarwinistische Vorstellungen zurück. Führer sei hierbei der „Stärkste“, indem er sich gegen die „Schwächeren“ durchsetze.
Der irrationale Charakter des Führerprinzips zeigt sich auch im Scheitern aller Versuche, das ideologische Konstrukt in eine juristische Form zu gießen (siehe Ernst Rudolf Huber, 1939). Das Führerprinzip kann nach Majer schon rein logisch nicht zu einer staatsrechtlichen Kategorie werden, weil es selbst Staat und Recht regiert.
Siehe auch
Literatur
- Martin Broszat: Der Staat Hitlers, München 1969.
- Gerhard Hirschfeld, Lothar Kettenacker (Hg.): Der Führerstaat: Mythos und Realität, Stuttgart 1981.
- Norbert Frei: Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933–1945, München 2000