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Das Exil und das Reich

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Das Exil und das Reich (frz. L'Exil et le royaume) ist eine 1957 veröffentlichte Novellensammlung des französischen Schriftstellers und Existenzphilosophen Albert Camus.


Entstehung

Seit 1952 arbeitete Albert Camus an den Vorlagen einiger Novellen, welche er unter dem Titel „Novellen des Exils“ veröffentlichen wollte. Auch Der Fall sollte in dieser Sammlung erscheinen, wurde dann aber immer umfangreicher, sodass Camus ihn gesondert herausbrachte.

1957 war dann die Gesamtfassung fertig und erhielt den Namen „Das Exil und das Reich“. In diesem Werk fand man jedoch nicht den eindeutigen Moralapostel, der seine Botschaft in epischen Erzählungen verdeutlicht, sondern Camus stellt seine Postulate zur Daseinsbewältigung hier in alltäglichen Situationen dar.

„Es wird eines Tages nichts mehr zur Bewunderung hinreißen, alles ist bekannt, alles Leben vergeht in Wiederholung. Es ist die Zeit des Exils, des dürren Lebens, der toten Seele“, kommentiert Albert Camus im Jahre 1953 seine Arbeit.


Inhalt

Die Sammlung umfasst die folgenden sechs Kurzerzählungen: Die Ehebrecherin, Der Abtrünnige oder ein verwirrter Geist, Die Stummen, Der Gast, Jonas oder der Künstler bei der Arbeit und Der treibende Stein.

„Ein einziges Thema, … das des Exils, ist hier sechsmal auf verschiedene Weise behandelt worden, vom inneren Monolog, bis zur realistischen Erzählung … Was das Reich angeht, von dem auch im Titel gesprochen wird, so fällt es zusammen mit einem gewissen, freien und nackten Leben, das wir wiederfinden müssen, um endlich neugeboren zu werden. Das Exil weist uns auf seine Weise die Wege dahin - unter der einen Bedingung, dass wir dabei sowohl Knechtschaft als auch Besitzergreifung abzulehnen vermögen.“, schreibt Camus selbst in seinem Vorspruch seiner Sammlung. Einerseits leben alle Charaktere der Novellen im Exil, in sinnlosem Alltagstrott, aber ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben, nach Freiheit und eigener Sinngebung macht sie lebendig.

Unter dem Exil ist also die Verfangenheit des Menschen in eine falsche, unechte und beengende Umgebung gemeint, die Gesellschaft mit ihren Konventionen und Normen, das Reich ist der Zustand der Zufriedenheit in Freiheit und Erkenntnis.

Das wilde, unbekannte und überwältigende Land mit seinen geheimnisvollen Bewohnern zeigen den Helden einiger Novellen ein besseres, wahrhaftiges Leben und bewirken bei ihnen einen radikalen Umbruch in ihrem Leben, der ihnen neue Horizonte eröffnet.


Die Ehebrecherin

Janine, die „Ehebrecherin“ begleitet ihren geschäftstüchtigen Mann bei einer Dienstreise durch Algerien. In lockerer Gedanken- und Beschreibungsfolge wird ihre Lebenssituation beschrieben: Verheiratet mit einem Mann, weil es sich gerade anbot, da er sie liebte und ihr das Gefühl gab geraucht zu sein.

Ihre Geschäftsreise bleibt trotz aller Bemühungen Janines Mann erfolglos. Da besucht sie in einer kalten Wüstennacht die Ruine eines verlassenen Forts auf einem nahegelegenen Hügel, wo sie ein erotisches Naturerlebnis erfährt.


Der Abtrünnige oder ein verwirrter Geist

Ein katholischer Missionar, der Religion von jeher als Mittel der triumphalen Unterdrückung verstand, will die barbarischen Bewohner der Salzstadt Taghâza bekehren, die das negative, zerstörerische Prinzip verkörpert. Nachdem er von den Herren der Stadt aufgegriffen, eingesperrt und gequält wird, erkennt er die humanistisch-christlichen Prinzipien als stets unverreicht und der Macht des Bösen unterlegen, sodass ihn alle Hoffnung auf deren Verwirklichbarkeit verlässt und er selbst zu einem bekennenden fanatischen Anhänger der Barbarei, der Gewalt und Zerstörung wird. Trotz diesem ideellen Kurswechsels bleibt seine sklavische Unterwerfung unter seine Ideale, sodass er nun die Herrschaft des von ihm erhobenen Gesetzes des Antihumanismus innig herbeiseht und sogar seinem Nachfolger auflauert, um in zu erschießen.

Ein wahnsinnig gewordener, ehemaliger Missionar lauert seinem Nachfolger auf. Seie Gedanken kreisen um seine nähere Vergangenheit, in der er, statt die "Wilden" zu bekehren, selbst begann deren Fetisch, den Gott des Leids und der Zerstörung, als seinen Herrn anzubeten und nun das Chaos und den Schmerz als übermächtig betrachtend das Ende der Welt herbeei sehnt.

Die zweite Erzählung ist eine einzige Hasstirade des entarteten Zerrbildes eines Menschen gegen alles Menschliche, dem zuletzt von seinen neuen Herren das Maul mit Salz gestopft wird, da selbst für ihn kein Platz im Universum der Unmenschlichkeit ist. Sie schildert die extremste Situation des Exils, da es keine Möglichkeit mehr gibt ins Reich zu gelangen.


Die Stummen

Diese Novelle beschreibt den Streik einer Bötcherbelegschaft und deren Scheitern; charakterisiert damit gleichzeitig den inneren und sozialen Konflikt zwischen veränderten Bedingungen bzw. Umständen und steigenden Ansprüchen, die Diskrepanz zwischen Verständnis für den anderen und eigenem Verlangen.


Der Gast

Der Gast ist ein arabischer Gefangener, den ein Lehrer im Auftrag seines Freundes, eines Polizisten, in ein Gefängnis bringen soll. Trotz der gebotenen Möglichkeit zur Flucht begibt sich dieser freiwillig in die Hände der ihn verurteilenden Justiz.


Jonas oder der Künstler bei der Arbeit

Diese Geschichte erzählt den Lebenswandel des erfolgreichen Künstlers Jonas, der jedoch zusehends absinkt, bis er sich schließlich in einen selbstgebauten Verschlag zurückzieht, in dem er sein Lebenswerk schafft: Eine leere Leinwand, mit der unidentifizierbaren Aufschrift "solitaire" (einsam) oder "solidaire" (gemeinsam).


Der treibende Stein

Hier ist die Ankunft des Ingenerus D´Arrast im brasilianischen Urwalddorf Iguape beschrieben. Er hat keine wirkliche Heimat und eine schleierhafte Vergangenheit. Er trifft den Koch eines gekenterten Schiffes, mit dem er einem lokalen Heiligenritual beiwohnt und der demnächst an einer Bußprozession teilnimmt, indem er einen 50kg schweren Stein voranträgt. Als Der Koch versagt, schafft D´Arrast den Stein in dessen Haus und wird in den Kreis der Anwesenden gebeten.


Ausgaben

  • L'Exil et le royaume. Paris, Gallimard, 1957.
  • Das Exil und das Reich, aus dem Französischen von Guido G. Meister, Hamburg, Rowohlt, 1958.