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St.-Victor-Kirche (Victorbur)

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Kirche Sankt Victor

Die St.-Victor-Kirche ist eine evangelisch-lutherische Gemeindekirche am Rande des Ortsteils Victorbur der Gemeinde Südbrookmerland in Ostfriesland. Sie ist nach dem Märtyrer Viktor von Xanten benannt.

An Stelle des heute noch existierenden Kirchenbaus gab es mindestens zwei Vorgängerbauten aus Holz. Bis 1250 wurde dann die heutige Backsteinkirche als chorlose Apsidensaalkirche im Stil der Romanik errichtet.

Schon in den Brookmer Willküren (um 1280) wird der Ort Victoris hove genannt. Der Kirchenbezirk gehörte zu den vier befriedeten Rechtsräumen des Brookmer- und Auricherlandes, innerhalb deren jede Übeltat mit einer dreifach hohen Buße belegt war.

Beschreibung

Das Äußere

Kirchenbau

Die bis 1250 aus Backsteinen im Stil der Romanik erbaute einschiffige Bau ist eine chorlose Apsidensaalkirche. In ihrer Architektur finden sich Einflüsse aus Backsteibauten der Region um Verden, aus Schleswig-Hollstein und noch weiter östlich liegenden Gebieten.[1], die wiederum von Kirchenbauten aus der Lombardei beeinflusst waren. Die romanische Kirche wurde mehrfach verändert. So finden sich in Victorbur nur noch an der Nordwand die romanischen Rundbogenfenster, ein Bogenfries und Reste lombardisch beeinflusster Formen, wie etwa sichelförmige Zierbögen über den Fensterstürzen.[2]

Das Kirchenschiff mit einem Grundriss von 51,7 x 11,4 Metern und abgewalmtem Ziegeldach besitzt an seinem westlichen Ende ein Joch, das einen besonderen Abschnitt in dem ansonsten flachgedeckten Raum bildet. Den ältesten Bauabschnitt bildet der Mittelbau. Die ungegliederte Seitenwände sowie die gotischen Langfenster deuten auf eine spätere Bauperiode hin.

An der Westseite der Kirche befindet sich noch heute ein Halseisen aus dem Mittelalter.

Kirchturm

Westlich des Schiffs befindet sich ein freistehender Kirchturm, der niedriger ist als der Kirchenbau. Das Gebäude verfügt über zwei- bis vier Meter dicke Mauern. Er wurde als Ersatz für einen ursprünglich näher bei der Kirche stehenden Turm errichtet. Freistehende Kirchtürme sind typisch für Kirchbauten in Ostfriesland aus dieser Zeit. Vermutlich wurden die Glockenhäuser neben die Kirchen gesetzt, um deren Mauern, welche auf dem weichem Boden der Warften errichtet wurden, vor den Schwingungen der schweren Glocken zu schützen[3].

Innenausstattung

Die St.-Victor-Kirche bietet heute etwa 1000 Sitzplätze. Im östlichen Teil des Langhauses kann man noch den romanischen Ursprung des Gebäudes erkennen. Er entspricht dem Typ des einräumigen, langgestreckten Kirchenraumes mit Hochfenster und Flachdecke, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Ostfriesland üblich war. Die Seitenwände sind horizontal unterteilt, was die Längsrichtung des ursprünglich 30 m langen Innenraums unterstreicht. Das Ostende des Innenraumes wird betont durch die weit gespannten Rundbogen (Triumphbogen) der früheren, im 15. Jahrhundert abgebrochenen Apsis.[4].

Aus vorreformatorscher Zeit ist ein Sakramentsschrein erhalten geblieben. Er befindet sich an der Nordseite des Triumpfbogens[5].

Die aufwändig gestaltete Holzdecke der Kirche wurde 1867/68 vom Dorftischler Dannholz eingezogen. Im 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert wurde der Innenraum mehrfach umfassend renoviert und umgestaltet.

Die beiden Messingkronleuchter stammen aus dem Jahr 1744 und aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Sie sind noch in ihrer ursprünglichen Form mit Kerzen bestückt. Daneben erinnern mehrere wappengeschmückte Grabsteine an frühere Grablegen im Chor.

Altar und Kanzel

Am östlichen Ende steht mittig der 1657 von Meister Marten gestaltete Altar. Auf sieben Gemälden werden hier Szenen aus der Passion Christi gezeigt. Bei der Neugestaltung des Altars verwendete Marten Teile des spätgotischen Hauptaltars wieder.

Die Barockkanzel aus dem Jahr 1697 wurde in der Werkstatt des Meisters der Holzschneidekunst Hinrich Cröpelin in Esens gefertigt.


Kirchengestühl

Orgel

Glocken

Geschichte

Auf der Kirchwarft gab es mindestens zwei Vorgängerbauten aus Holz, von denen mindestens eine einem Brand zum Opfer fiel. Diese wurden im 11. bis 12. Jahrhundert nacheinander errichtet. Bei Ausgrabungen, die 1965 im Rahmen einer Renovierung vorgenommen wurden wurden in der Kirche neben zwei Estrichfußböden der Vorgängerbauten, die übereinander lagen entdeckt[6]. Daneben wurden Kopfbedeckung und Schuhe eines dort beerdigten Mannes sowie Sargdeckel gefunden, die aus dem Mittelalter stammen.[7] In dieser Zeit war der Kirchbezirk St. Victoris-Hofe laut Brokmerbrief einer der vier befriedeten Rechtsräumen des Brookmer- und Auricherlandes, innerhalb deren jede Übeltat mit einer dreifach hohen Buße belegt war. Ursprünglich lag der Kirchbezirk etwa einen halben Kilometer von der Bauernschaft entfernt und war von Mauern und Gräben umzogen.

Bis 1250 errichteten dann die Bewohner von Theene, Uthwerdum und Victorbur gemeinsam eine Kirche, welche dem Schutzpatron des Ortes, Victor von Xanten, geweiht wurde. Ursprünglich entsprach sie dem Typ einer einräumigen, langgestreckten romanische Kirchenraumes mit Hochfenster und Flachdecke, wie er zu dieser Zeit in der Region üblich war. Hinzu kam ein wuchtiger, freistehender Kirchturm, der mit denen der Kirchen von Marienhafe und Osteel vergleichbar war.

Bereits um 1300 wurde der Bau im Westen um ein Joch mit einem Fenster sowie im Norden und Süden verlängert und durch ein schmales Zwischenjoch mit dem von der Kirche getrennt stehenden Westturm verbunden. Im 15. Jahrundert wurde die halbrunde Apsis durch einen gotischen Chor ersetzt und ein früheres Gewölbe an der Westseite erneuert[7]. Kurz vor der Reformation gab es fünf Altäre im Kirchenschiff. Sie wurden um 1500 von zwei Priestern und einem Kaplan bedient[7].

1530 hielt die Reformation mit dem Lutherschüler Johann Radiker Einzug in Victorbur und das Gotteshaus wurde Laufe der Jahre zur heutigen evangelischen Kirche umgestaltet.

Während des dreißigjährigen Krieges wurde die Kirche 1624 durch Truppen des Feldherren Peter Ernst II. von Mansfeld verheert. Der Kirchturm wurde dabei und später nochmals während der Weihnachtsflut 1717 so stark beschädigt, dass er 1837 endgültig abgerissen werden musste. Von ihm ist heute nur noch der untere Teil seiner Ostmauer als Westmauer der Kirche erhalten.

Im 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert wurde der Innenraum mehrfach umfassend renoviert und umgestaltet.

Literatur

Robert Noah: Die St.-Victorkirche in Victorbur (Ostfriesische Kunstführer, 7), Aurich 1983.

Einzelnachweise

  1. Karl-Ernst Behre / Hajo van Lengen – Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0, S. 261
  2. Karl-Ernst Behre / Hajo van Lengen – Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0, S. 261
  3. Hajo van Lengen (Hrsg.): Die Friesische Freiheit des Mittelalters - Leben und Legende, Verlag Ostfriesische Landschaft, 2003, ISBN 3-932206-30-4, S. 250
  4. Gemeinde Südbrookmerland: Kirche Victorbur
  5. Karl-Ernst Behre / Hajo van Lengen – Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0, S. 293
  6. Karl-Ernst Behre / Hajo van Lengen – Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0, S. 99
  7. a b c Ostfriesische Landschaft Ortschronisten Victorbur



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