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Lobbyismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Lobbyismus ist eine Form der politischen Beeinflussung, bei der Beamte und gewählte Volksvertreter durch Interessengruppen – den Lobbys – im direkten Kontakt gezielt angesprochen werden und indirekt die öffentliche Meinung über die Medien beeinflusst wird.

Begriff

Der Begriff geht auf die Lobby (Vorhalle, Wandelhalle) des Parlaments - insbesondere des britischen Unterhauses und des US-amerikanischen Kongresses - zurück, in der ursprünglich Vertreter verschiedener Gruppen die Parlamentarier an ihre Abwahlmöglichkeit erinnerten und so eine Form der Kontrolle ausübten.

Lobbyismus und Demokratie

Voraussetzung für Lobbyismus ist, Geld und Zeit zur Verfügung zu haben, um Kontakte zu einflussreichen Personengruppen aufbauen zu können. Lobbyisten versuchen, die Interessen einer Gruppe (Partikularinteressen) durchzusetzen. 'Ausufernder' Lobbyismus wird oft als Gefahr für die Demokratie empfunden. Allerdings treffen die meisten Interessen auf Gegeninteressen, so dass Entscheidungen meist ein "Wettbewerb der Interessen" vorausgeht, der wiederum Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist.

Demokratietheoretisch ist Lobbyismus umstritten:

  • Einerseits stellt er eine Form der direkten pluralistischen Einflussnahme auf das politische System und somit einen Weg direktdemokratischer Tendenzen in einer repräsentativen Demokratie dar. Viele Theoretiker betrachten Lobbyismus als notwendiges Gegengewicht zur Macht des Parteienstaates.
  • Andererseits zeigt sich praktisch, dass die notwendigen Voraussetzungen für erfolgreichen Lobbyismus nur von bestimmten Lobbys erbracht werden können. Zudem wird Lobbyismus oft im Zusammenhang mit mangelnder Transparenz und Korruption genannt und wird von einigen - besonders in Deutschland - in Kombination mit der undurchsichtigen Parteispendenpraxis an die großen Parteien für bedenklich gehalten.

Beispiele

Situation in Deutschland

Die Struktur des Lobbyismus in der Bundesrepublik hat sich gewandelt. Waren in der alten Bonner Republik vor allem die großen Verbände wie Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften oder Kirchen aktiv, entwickeln sich besonders in den letzten Jahren kleinere, spezialisierte Nichtregierungsorganisationen, die Lobbying betreiben. Ihre Arbeit ist dabei vielfältig und abwechslungsreich. Sie kann von öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen und Medienarbeit ausgehen, die gezielte Beeinflussung von Politikern enthalten und bis dahin gehen, Detailregelungen für zu verabschiedende Gesetze zu entwerfen. Lobbyismus war lange Zeit ein großes Tabuthema im parlamentarischen System der Bundesrepublik Deutschland. Spätestens seit dem Umzug des Bundestages nach Berlin und dem Aufblühen der dortigen Lobbyisten- bzw. Beraterlandschaft verändert sich aber auch das Bild der Lobbyisten langsam, die sich zunehmend als professionelle "Berater" sehen. Lobbyisten sind bislang sehr erfolgreich, wenn es um den Erhalt von Subventionen oder Steuerprivilegien geht. Dieser langanhaltende Erfolg wird regelmäßig für die geringe Reformfähigkeit Deutschlands verantwortlich gemacht.

Lobbyorganisationen können sich beim Bundestag offiziell registrieren lassen und erhalten damit direkten Zutritt zu Abgeordnetenbüros.

Seit dem Ende der 1990er Jahre entstand in Deutschland eine große Zahl von Initiativen, die sich für marktwirtschaftliche Reformen und gegen den von ihnen empfundenen Reformstau einsetzen, z.B: Bertelsmann-Stiftung, Bürgerkonvent, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Konvent für Deutschland, Initiative D21, Initiative Klarheit in die Politik, Team-Arbeit für Deutschland. Diese Gruppen verstehen sich selbst als Basisbewegungen, Kritiker bezeichnen sie als Lobby-Organisationen der Wirtschaft und verweisen als Beleg auf ihre Finanzierung. Diese Initiativen nutzen beispielsweise grosse Anzeigen in Tageszeitungen, aber auch Rundfunk, um für ihre (politischen) Ziele (Reformen) zu werben und so in ihrem Sinn Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Sie verstehen sich selbst als Basisbewegungen, vertreten meist klassische wirtschafts-liberale Positionen und werden von der Wirtschadt finanziert. Ihr Ziel ist es, die umstrittenen Reformen, wie z.B. Hartz-Konzept, Agenda usw. als unvermeidlich darzustellen.

Situation in Österreich

Lobbying und Public Affairs sind in Österreich noch immer häufig verpönte und scharf kritisierte Begrifflichkeiten. In der zweiten Republik waren traditionell starke Interessensvertretungen wie Kammern, Gewerkschaften oder Industriellenvereinigungen die stärksten Lobbys. Seit dem EU-Beitritt und der Öffnung Richtung Osten setzt jedoch ein Umdenken ein. Zur Zeit werden ungefähr 50 Public Affairs Manager geschätzt sowie weitere 50 dürften direkt von Unternehmen angestellt sein.

Mit der Gründung von PASA - Public Affairs Society Austria - haben sich Public Affairs Manager führender Agenturen erstmals dem Konzept von Transparenz und Verhaltensstandards verschrieben.

In Österreich versucht die PR-Firma Ecc Publico Lobbying salonfähig zu machen, etwa mit dem Wiener Zigarrenclub, mit einer Gratis-Beratung der ÖVP in Zeiten der EU-Sanktionen oder dem Vorschlag Franz Fischlers zum EU-Kommissar für Landwirtschaft

Situation in den Organen der EU

Wie beim Bundestag können sich Lobbyisten zum Beispiel beim Europaparlament akkreditieren lassen. Da die Legislative der EU vor allem auch in der EU-Kommission und im EU-Ministerrat stattfindet, und der Ratsvorsitz alle sechs Monate von Land zu Land wechselt, ist Lobbyismus in der EU vor allem von großen europäischen Lobbying-Organisationen bestimmt.

Insbesondere auf der Ebene des Europäischen Parlamentes werden Lobbyisten auch gerne wegen ihres Detailwissens in Anspruch genommen. Bei der Vielzahl von komplexen Entscheidungen liefern sie oft notwendiges Detailwissen, um diese kompetent treffen zu können. Das Risiko allerdings besteht darin, dass dieses Wissen nicht unbedingt vollständig und in den allermeisten Fällen parteiisch ist.

Die Brüsseler Lobby steht auch mit der Osterweiterung vor neuen Herausforderungen: Artikel von politik&kommunikation"

Bedeutende Lobbyorganisationen

  • ACC - American Chamber of Commerce
  • AMUE - Association for the Monetary Union of Europe (€-Einführung)
  • BRT - US Business Round Table
  • CEFIC - European Chemical Industry Council
  • CEPS - Center for European Policy Studies
  • EFPIA - European Federal of Pharmaceutical Industustries
  • ERT - European Roundtable of Industrials
  • ESF - European Service Forum
  • EuropaBio - European Association of Bioindustries
  • Fedesa/IFAH International Federation of Animal Health
  • GBD - Global Business Dialogue on Electic Commerce
  • ICC - International Chamber of Commerce
  • IPC - Intellectial Property Commitee
  • TABD - Transatlantiv Business Dialogue
  • TPN - Transatlantic Policy Network
  • UNICE - Union of Industiral and Employer's Confederation of Europe
  • USCIB - US Council on International Business
  • USCSI - US Coalation os Servise Industries
  • VDMA - Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.
  • WBCSD - World Business Council dor Sustainable Development
  • WEF - World Economic Forum

Siehe auch

Literatur

  • Gunnar Bender, Lutz Reulecke: Handbuch des deutschen Lobbyisten ISBN 3899810058
  • Thomas Leif, Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland Westdeutscher Verlag 2003. ISBN 3-531-14132-5
  • Steffen Dagger, Christoph Greiner, Kirsten Leinert, Nadine Meliss, Anne Menzel (Hrsg.): Politikberatung in Deutschland - Praxis und Perspektiven, Verlag für Sozialwissenschaften 2004, ISBN 3-531-14464-2 (Mit Beiträgen von Angela Merkel, Wolfgang Gerhardt, Peter Radunski, Wolf-Dieter Zumpfort, Gunnar Bender, Wigan Salazaar, Marco Althaus etc.)
  • Belén Balanyá, Ann Doherty, Olivier Hoedeman, Adam Ma'anit und Erik Wesselius: Europe Inc.: Regional and Global Restructuring and the Rise of Corporate Power. (Vorwort: George Monbiot) 2. Aufl., Pluto Press, London 2003, ISBN 0-7453-2163-1
  • Belén Balanyá, Ann Doherty, Olivier Hoedeman, Adam Ma'anit und Erik Wesselius: Konzern Europa. Die unkontrollierte Macht der Unternehmen. (Vorwort: Peter Niggli; Übersetzung der 1. Auflage von Europe Inc.) Rotpunktverlag, Zürich 2001, ISBN 3-85869-216-6 (Europe Inc. war die erste systematische Untersuchung des Einflusses der transnationalen Konzerne und ihrer Lobby-Gruppen (AMUE, ERT, ICC, TABD, UNICE u.a.) auf die EU-Politik und andere internationale Institutionen wie OECD, WTO und die UN).
  • Hans Merkle: Lobbying ISBN 3896782339