Visa-Affäre
Der Volmer-Erlass, auch Visa-Affäre genannt, bezeichnet den vom Staatsminister im Auswärtigen Amt Ludger Volmer am 15. Oktober 1999 vollzogenen Erlass zur Regelung des "Verfahrens zur Erteilung von Visa für die Einreise nach Deutschland".
Inhalt des Erlasses
Mit dem Erlass wurden die deutschen Botschaften zu einer gelockerten Vergabepraxis bei der Visa-Erteilung angewiesen: Bei Zweifeln an der Rückkehrbereitschaft des Antragstellers sollte nicht mehr wie bisher eine Ablehnung erfolgen ("in dubio pro securitate") sondern der Antrag positiv beschieden werden, sofern sich sonstige Umstände für oder gegen eine Erteilung die Waage hielten ("in dubio pro libertate").
Hintergründe
1999 stellte die Deutsche Botschaft in Kiew (Ukraine) alleine ca. 150.000 Einreise-Visa aus. Durch die hohe Anzahl der Antragstellenden bildeten sich lange Schlagen vor der Botschaft. Innerhalb der Botschaft sorgte der BGS für Ordnung, außerhalb dagegen ukrainische Sicherheitskräfte. Antragsteller berichteten, das diese Sicherheitskräfte Geld von den Antragstellern verlangten, damit sie unbehelligt blieben. Sie verlangten zwischen 100-500 DM je nach Platz in der Warteschlange. Daraus entwickelte sich mit den Jahren ein regelrechtes System ("Warteschlangen-Mafia"). Offenbar konnte dies auch nicht ohne Mitwissen des BGS und der Konsularbeamten passieren.
Ein Journalist fand heraus, dass die durchschnittliche Bearbeitungszeit für Visa, die in der Ukraine ausgestellt wurden, nur wenige Minuten betragen haben muss.
Gleichzeitig mit dem Erlass wurde das sogenannte Reisebüroverfahren eingeleitet. Dadurch war es möglich ein Visum über ein Reisebüro zu beantragen. Auf diese Weise sollte die Warteschlangen-Mafia bekämpft werden. Sowohl der BGS als auch das BKA wandten sich jedoch gegen dieses reformierte Verfahren. Sie behaupteten, dass seit 2001 aus der Ukraine fast ausschließlich Kriminelle und Schwarzarbeiter kamen. Die Ursache sollte dabei sowohl im Reisebüroverfahren als auch im Volmer-Erlass gelegen haben: So wurde der Geschäftsführer eines Neu-Ulmer Reisebüros zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem nachgewiesen wurde, dass er Gruppenreisen mit fingierten Programmen beantragt und im Massenverfahren an die deutsche Botschaft in Kiew weitergeleitet hatte; das Gericht stellte zudem fest, dass die Eingereisten umgehend untertauchten, in andere Länder weiterreisten oder der Prostitution nachgingen.
Der Reiseschutzpass Carnet de Touriste des ADAC wurde am 2. Mai 2001 vom Auswärtigen Amt zugelassen. Diese Reiseschutzpässe galten als Nachweis einer Reiseversicherung. Die Allianz AG verkaufte ca. 35.000 Stück solcher Pässe, der ADAC zwischen 120.000 und 150.000 Stück, die ITRES GmbH ca. 31.000 Stück.
In diesem Zusammenhang gibt es viele Gerüchte und Halbwahrheiten zu Zusammenhängen. Spekulationen, politische Interessen und Korruption ergeben ein verschwommenes Bild. In einem Verfahren gegen Anatoli B. stellte die Kölner Strafkammer fest, dass der Volmer-Erlass, das Reisebüroverfahren und die Reiseschutzpässe zu Masseneinschleusungen von Personen geführt hätten. Diese Behauptungen konnten allerdings nicht unzweifelhaft bewiesen werden.
Als Ergebnis dieses Widerstandes wurde das Reisebüroverfahren am 1. Oktober 2001 wieder eingestellt.
Bundestags-Anfragen
Untersuchungsausschuss
Am 20. Januar 2005 fand die erste Sitzung eines Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages (initiiert von der CDU/CSU-Fraktion) zu dem Thema statt. In den Ausschuss soll u.a. auch Bundesaußenminister Joschka Fischer aussagen.
Am 12. Februar 2005 trat Ludger Volmer als außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen und seinem Sitz im Auswärtigen Ausschuss zurück. Ebenso lässt er seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und seine Mitarbeit der Synthesis GmbH ruhen.
Weblinks
- Die Visa Affäre (R-Archiv)
- "Volmer-Erlass" nicht verantwortlich für Schleuserkriminalität (Presse-Mitteilung von L. Volmer]
- Visa-Untersuchungsausschuss erst 2005
- Union beantragt Untersuchungsausschuss 'Visa-Kriminalität'
- »Organisierte Kriminalität« Die Visa Affäre (R-Archiv)
Siehe auch: Ludger Volmer, Visum, Reiseschutzpass, Carnet de Touriste, Menschenhandel, Schleuserbande, Schengener Abkommen