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Zeugen Jehovas

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Die Zeugen Jehovas sind eine weltweit aktive Sekte. Sie sind für ihre ausgeprägte Laien-Missionstätigkeit, den häufigen Gebrauch von Bibel-Zitaten sowie ihre Veröffentlichungen Der Wachtturm und Erwachet! bekannt. Sie wurden im 19. Jahrhundert von Charles Taze Russell in den Vereinigten Staaten von Amerika begründet. Die Zeugen Jehovas waren während des Nationalsozialismus schärfsten Verfolgungen ausgesetzt. Wegen ihrer neutralen und als ablehnend bewerteten Haltung gegenüber jeglicher Staatsform und -macht wurde ihnen auch in der DDR die offene Religionsausübung (insbesondere die Missionierung) verboten.

Synonyme und andere Sprachen

Den Namen "Jehovas Zeugen" benutzt die zuvor als "Bibelforscher", "Ernste Bibelforscher" oder "Internationale Bibelforschervereinigung" bekannte Religionsgemeinschaft seit 1931. Die Bezeichnungen Jehovas Zeugen und Zeugen Jehovas werden nicht einheitlich verwendet; so sind Ortsvereine teilweise als Jehovas Zeugen (mit Städtebezeichnung), e.V., der deutschlandweite Förderverein jedoch als Wachtturm Bibel und Traktat-Gesellschaft der Zeugen Jehovas, e.V. eingetragen.

Offiziell wird die Religionsgemeinschaft durch die "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland, e.V." und durch die "Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft der Zeugen Jehovas, e.V." vertreten. Letztere wird kurz auch als Wachtturm-Gesellschaft bezeichnet.

Die englische Bezeichnung ist "Jehovah's Witnesses", im englischsprachigen Raum im Wesentlichen durch die "Watchtower Bible and Tract Society of New York, Inc." und die "International Bible Students Association" vertreten.

Verbreitung

Im Jahr 2004 gab es ca. 6,5 Millionen aktive Zeugen Jehovas weltweit, davon wurden 165.201 in Deutschland gezählt. Am meisten gibt es in den USA (über 1 Mio.).

In vielen Ländern sind sie von staatlicher Seite als Religion anerkannt, einschließlich ehemaliger Verbotsländer des früheren Ostblocks. Auch in solchen Ländern wie dem afrikanischen Malawi, wo es in den 1960er Jahren schwerwiegende Konflikte gab. In Österreich sind sie seit 1997 Bekenntnisgemeinschaft.

Durch deren intensive Mission werden jährlich etwa 250.000 bis 300.000 Erwachsenentaufen durchgeführt (entspricht 3,9% bis 4,7%). Abzüglich der Todesfälle, Fluktuation und Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven Mitgliedern (in den Statistiken werden nur die aktiven Mitglieder gezählt) ergibt sich der tatsächliche Zuwachs um etwa 2,1 % pro Jahr (für 2000 bis 2003).

Lehre

Die Bibelstellen, die unten angegeben sind, sind die, mit denen die Zeugen Jehovas ihre entsprechende Lehre jeweils begründen. Ihre Auslegung dieser Bibelstellen entspricht aber nicht immer denen anderer christlicher Gruppierungen. Der Glaube wird im Sprachgebrauch der Zeugen Jehovas "die Wahrheit" genannt. Wer in ihrem Sinn gläubig ist, befindet sich "in der Wahrheit" (siehe 2. Johannes 4).

Zentrale Lehrsätze

Die Lehre wird durch die "Leitende Körperschaft" der Zeugen Jehovas vorgegeben, die sich als Teil des "treuen und verständigen Sklaven" bezeichnet, der "die Speise zur rechten Zeit austeilt" (vgl. Matthäus 24,45-47). Die Lehre wird nicht durch das einzelne Mitglied bestimmt. Zeugen Jehovas glauben, dass die wirkliche Leitung Jesus Christus als von Gott eingesetztes Haupt der Christenversammlung (gemäß Epheser 1,19; 4,15) inne hat und diese Leitung durch den Heiligen Geist ausübt. Daher ist ihnen wichtig, alle ihre Entscheidungen und Überlegungen anhand ihrer Interpretation der Bibel zu begründen. Alle Mitglieder werden immer wieder daran erinnert, persönlich die Bibel zu lesen, nicht nur die Veröffentlichungen der Wachtturm-Gesellschaft, damit sie eigene Gewissensentscheidungen treffen können (nach Josua 1,8). Falls ein Mitglied der Gemeinde anhand seines Bibelstudiums zu anderen Ergebnissen kommt, wird geraten abzuwarten, weil sich das Verständnis einiger Bibelstellen manchmal ändert (siehe weiter unten). Wird diese konträre Meinung allerdings bewusst öffentlich vertreten oder ausgelebt, riskiert es den Ausschluss.

Angebetet wird nur der allmächtige und ewige Gott, der bei den Zeugen Jehovas den Namen Jehova hat. Er habe die Erde und das Leben darauf erschaffen. Nach ihrem Verständnis der Bibel sind seine wichtigsten Haupteigenschaften Liebe, Gerechtigkeit, Macht und Weisheit, wobei Liebe herausrage (1. Johannes 4, 8) und all sein Handeln bestimme.

In der Weltsicht der Zeugen Jehovas ist der Hauptwidersacher Gottes Satan (ein ehemaliger Cherub), ein abgefallener Engel, der aus Selbstsucht wollte, dass die Menschen ihn anbeten. Ihm haben sich später andere Engel angeschlossen; dadurch wurden sie zu Dämonen. Satan ist nach Ansicht der Zeugen Jehovas derzeit der Herrscher der Welt (1. Johannes 5,19). Satan stellte Jehovas Recht in Frage, alleine für den Menschen über Gut und Schlecht zu entscheiden. Zur Klärung dieser "Streitfrage" erlaubte Gott dem Menschen zu beweisen, ob er von Gott unabhängig über sich selbst regieren könne und seine Probleme selbst in den Griff bekäme. Deshalb gebe es auf der Erde zur Zeit auch so viel Leid und Ungerechtigkeit.

Jesus habe 1914 die Herrschaft über das "Königreich Gottes" im Himmel übernommen. Er verbannte als erste Amtshandlung Satan und seine Dämonen aus dem Himmel in die Nähe der Erde (Offenbarung 12,7-9).

Nach Ansicht von Zeugen Jehovas wird im Gericht Gottes (von der Bibel als Harmagedon bezeichnet) die alte Welt mit allen nicht gottgefälligen Menschen vernichtet. Die Erde wird aber immer bestehen bleiben. Siehe auch: Harmagedon (Zeugen Jehovas).

Zu verschiedenen Zeiten haben Zeugen Jehovas versucht, den Zeitpunkt dieses Ereignisses zu errechnen (zuletzt 1975). Das Verständnis hierüber hat sich mehrmals verändert. Derzeit werden keine konkreten Zeitangaben mehr gemacht, es wird jedoch darauf hingewiesen, dass wir in "der Zeit des Endes" leben.

Nach Harmagedon beginne das Tausendjährige Reich, in dem Christus und 144.000 Auserwählte vom Himmel aus regieren würden (Offenbarung 7,2-8). Die übrigen Menschen hätten dann die Möglichkeit, für immer in Frieden auf der Erde zu leben. Die Verstorbenen würden dazu auferstehen, da sie mit dem Tod für ihre Sünden bezahlt hätten (Römer 6,7). Um diese Zukunft erleben zu können, müsse jeder Mensch eine bewusste persönliche Entscheidung treffen (Römer 9,9-10). Aus dieser Überzeugung führen Zeugen Jehovas ein ausgedehntes Predigt- und Lehrwerk durch und versuchen, die Menschen überall zu erreichen (Matthäus 24,14; 28,19-20).

Für das Jahr 1914 als Herrschaftsbeginn Christi im himmlischen Königreich spräche nach Ansicht von Zeugen Jehovas u.a., dass die "Zeiten der Nationen" 2.520 Jahre lang seien und 607 v.u.Z. begonnen hätten. Zu dieser Zeit soll die Zerstörung Jerusalems stattgefunden haben. Meistens nennen Historiker jedoch 587/86 v.u.Z. als Jahr der Zerstörung Jerusalems. Diese Differenz nehmen Zeugen Jehovas hin, da sie von 537 v.u.Z. als dem Jahr der Rückkehr der jüdischen Bewohner aus dem Babylonischen Exil ausgehen, und die Bibel eine 70-jährige Verwüstung mit anschließender Rückkehr aus dem Exil ankündigte (2. Chronika 36,21-23). Auch die Berechnung vom Erscheinen des Messias im ersten Jahrhundert durch die Juden, gestützt auf Daniel 9,25, bestätige diese Vorgehensweise (Lukas 3,15; Johannes 1,20-21). Sie geben in ihren eigenen Veröffentlichungen zu, dass sie damit eine von anderen Historikern abweichende Sicht einnehmen, da sie die Bibel als einzig zuverlässige Quelle respektieren (Siehe "Dein Königreich komme", Seite 187.).

Aussagen zur Bibel

Nach Ansicht der Zeugen Jehovas ist die Bibel von Menschen geschrieben worden, die von Gott inspiriert wurden (Jesaja 1:1, Offenbarung 1:1,2). Sie sei nur im Gesamtzusammenhang zu verstehen (2. Timotheus 3:16,17) und habe ein einheitliches Thema - "die Rechtfertigung des Rechtes Gottes, über die ganze Menschheit zu herrschen, sowie die Verwirklichung seines liebevollen Vorsatzes durch sein kommendes Königreich" (Matthäus 6:10) (aus dem Lehrbuch der Zeugen Jehovas: "Erkenntnis, die zu ewigem Leben führt", S. 14).

Alles was in der Bibel steht, ist aus Sicht der Zeugen Jehovas nützlich und wichtig (2. Timotheus 3:16,17). Aus dem für Zeugen Jehovas nicht mehr verbindlichen Mosaischen Gesetz werden nur Grundsätze (Prinzipien) abgeleitet (Matthäus 22:37-40).

Die Zeugen Jehovas verwenden gewöhnlich eine eigene Bibelübersetzung, die Neue-Welt-Übersetzung. Früher fand im deutschsprachigen Raum die unrevidierte Elberfelder Bibel Verwendung. Die Aussagen der Bibel werden sowohl wörtlich ausgelegt, als auch symbolisch interpretiert.

Die aus der Bibel abgeleitete Chronologie wird anderen Quellen vorgezogen. In den Publikationen der Zeugen Jehovas wurden bisweilen konkrete Jahreszahlen angegeben, in denen die Sintflut (2370 v.u.Z.), der Turmbau zu Babel (2269 v.u.Z.) und andere biblische Ereignisse stattgefunden haben sollen.

Von der Auffassung anderer christlicher Gruppierungen abweichende Lehren

Menschen besäßen keine unsterbliche Seele, sondern Leib und Seele seien identisch (1. Mose 2:7). Die Sterblichkeit der Seele wird Texten wie Hesekiel 18:4 und Prediger 9:5,10 entnommen. Die Toten seien tot, fühlen nichts, wollen nichts und sollen nicht angebetet werden. Allerdings gebe es eine Auferstehung (Johannes 5:28,29).

Jesus sei der Sohn Gottes und die einzige direkte Schöpfung. Die Dreifaltigkeit wird als heidnische Lehre angesehen. Begründet wird das u.a. damit, dass Jesus seinen Vater ausdrücklich größer nennt (Johannes 14:28) und sich Vater und Sohn als verschiedene Personen anreden (Johannes 10:29-30). Der Heilige Geist sei keine Person, sondern Gottes wirksame Kraft.

Die Hölle als Ort der Qual und als ewige Strafe für Sünden wird als heidnische Lehre abgelehnt und als Verleumdung des gerechten Gottes angesehen (Jeremia 32:35). Der Tod sei der Zustand der Nichtexistenz. Zeugen Jehovas unterscheiden dabei zwischen "Hades" (hebr. scheol, gr. hades), aus dem eine Auferstehung möglich sei, und "Gehenna", aus der es keine Auferstehung gäbe, weil sich der Betreffende einer "Sünde gegen den Heiligen Geist" schuldig gemacht hat. Der Tod allein sei die Strafe für Sünder; er tilge die Schuld (Römer 6:7,23). Daher gebe es eine Auferstehung der "Gerechten" und "Ungerechten" (Johannes 5:28,29).

Zeugen Jehovas sagen, dass Jesus in seiner vormenschlichen Gestalt (Johannes 8:23) der in Daniel 10:13,21; 12:1, Judas 1:9 und in der Offenbarung 12:7 erwähnte Erzengel Michael sei und "das Wort" aus Johannes 1,1.

Gemäß den Zeugen Jehovas starb Jesus an einem Pfahl, nicht am Kreuz. Sie berufen sich dabei vor allem auf die Grundbedeutung der im Bibeltext verwendeten Wörter.

Soziale Regeln

Die Zentren des Kennenlernens zwischen Zeugen Jehovas sind vorwiegend ihre Zusammenkunftsorte, die Königreichssäle und Kongressstätten. Der Grad des privaten sozialen Engagements und privaten Kontakts bleibt dem Einzelnen überlassen. Auf religiöser Ebene versuchen Älteste, Alleinstehende, Alleinerziehende und ältere Mitglieder nach Absprache aufzusuchen, um sie zu ermuntern sowie festzustellen, wie ihnen auch in praktischen Belangen geholfen werden kann.

Zeugen Jehovas glauben die Religionsgemeinschaft gefunden zu haben, die von Gott gebilligt wird. Sie glauben nicht, dass die reine Mitgliedschaft in dieser Religionsgemeinschaft ausreiche, um einen Platz im Himmel oder Paradies zu erlangen, genauso wenig reiche die reine Befolgung von biblischen Regeln aus.

Im allgemeinen werden alle Menschen, die nicht den Zeugen Jehovas angehören, als "die Weltmenschen" bezeichnet. Wie weit der Einzelne Kontakt zu Nicht-Zeugen pflegt, entscheide er persönlich nach seinem Gewissen und nach Notwendigkeiten (Ausbildung, Beruf, Nachbarn usw.). In der Praxis wird jedoch angeraten, solche Kontakte eher einzuschränken.

Ein im Sinn ihrer Lehre schwerwiegendes Fehlverhalten, z. B. das Praktizieren von Spiritismus, das Ausleben der Sexualität außerhalb der Ehe, Homosexualität, Häresie, Kriminalität oder Drogenmissbrauch wird von einem "Rechtskomitee", bestehend aus Ältesten der Versammlung, behandelt. Diese sprechen mit dem Missetäter darüber, warum sein Verhalten gewissen Lehrpunkten widerspricht. Dabei verwenden sie auch Literatur der Zeugen Jehovas. Diese Besuche sollen helfen, wieder in ein gutes Verhältnis zu Jehova zu gelangen. Nach Möglichkeit solle Barmherzigkeit gezeigt werden. Korrigiert der Missetäter sein Verhalten, wird er "still zurechtgewiesen", bei allgemeinem Bekanntwerden vor der Versammlung ohne Angabe der Gründe durch eine kurze Mitteilung. Zeigt er keine Reue, wird er ausgeschlossen.

Zeugen Jehovas sollen Ausgeschlossene meiden (nach 1. Korinther 5, 11-13; 2. Johannes 10). Ausnahmen können enge Familienangehörige wie Ehepartner und Kinder im gleichen Haushalt betreffen (keine belegenden Bibelstellen), es gibt jedoch viele Fälle, wo Familien deshalb zerbrochen sind. Ausgeschlossene dürfen die Zusammenkünfte im Königreichssaal besuchen, sich aber nicht aktiv daran beteiligen.

Ausgeschlossene haben die Möglichkeit, durch schriftlichen Antrag wieder in die Gemeinschaft zurück zu kehren, falls sie das an ihnen gerügte Verhalten nicht mehr zeigen. Eine Rückkehr ist selbst nach Verbrechen möglich, teilweise jedoch mit strengen Auflagen. Falls jemand den Kontakt ausdrücklich missbilligt, wird er nicht angesprochen.

Zeugen Jehovas sagen, dass sie ihre Mitgläubigen nicht kontrollieren würden, denn das setze einen exististenten Kontrollapparat voraus, den es nicht gäbe. Älteste erführen von Vergehen eher zufällig. Die Mitglieder zeigten Interesse an anderen (Hebräer 10, 24), würden aber erinnert, sich nicht in die "Angelegenheiten anderer einzumischen" (1. Petrus 4, 15). Einzelne Ehemaligen-Berichte zeigen auch das Gegenteil. In einer 1994 von den Zeugen Jehovas in Deutschland durchgeführten anonymen Befragung empfanden 6,5% der Befragten das persönliche Interesse von Glaubensbrüdern als negativ, 88,9% als positiv. 4,4% antworteten nicht.

Ablehnung der Evolutionstheorie

Ähnlich wie bei einigen anderen fundamentalistischen Sekten wird von Zeugen Jehovas die allgemein anerkannte Evolutionstheorie (d.h. die Veränderlichkeit der Lebewesen, unter anderem auch die Entwicklung der Menschen aus primitiveren Lebewesen) als falsch betrachtet, da die Bibel ausdrücklich von einer Schöpfung spreche; sie sind Kreationisten. Die Erschaffung Adams habe 4026 v.Chr. stattgefunden. Die Zeugen Jehovas fassen die Schöpfungstage in der Genesis als Schöpfungszeiträume auf, die einige tausend Jahre, höchstwahrscheinlich jeweils 7000 Jahre, umfassten (Wachtturm 15. Mai 1970,S.311ff und 1. Januar 1987,S.30). Auch hätten das Universum und die Himmelskörper einschließlich der Erde bereits Milliarden Jahre vor dem ersten Schöpfungstag existiert.

Dabei lehnen die Zeugen Jehovas die Wissenschaft nicht pauschal ab, sondern erkennen die Leistungen von Wissenschaft und Technik an. Sie betrachten die Bibel als wissenschaftlich genau. Bei Konflikten derselben mit Aussagen wissenschaftlicher Theorien betrachten sie jedoch die Bibel als die höhere Autorität.

Blutgebrauch

Seit Jahrzehnten vertreten Zeugen Jehovas die Ablehnung von jeder Art des sog. "Blutgebrauchs" und erweitert ab 1944 auch Bluttransfusionen. Sie glauben sich dabei auf Apostelgeschichte 15, 29, stützen zu können, und sich von Blut enthalten zu müssen. Die Verwendung von Blutbestandteilen (Blutplasma, Blutplättchen, roten und weißen Blutkörperchen) wird abgelehnt. Die Akzeptanz von Plasmafraktionen (Albumine, Globuline, Gerinnungsfaktoren,Fibrinogen, u.ä.) und Ableitungen von den anderen Komponenten (Hämoglobinlosung von Erythrozyten; Interferone und Interleukine von Leukozyten) stellt eine Gewissensentscheidung des Einzelnen dar. Ebenso wird sowohl die eigene Blutspende als auch die präoperative Eigenblutspende mit Hinweis auf das mosaische Gesetz abgelehnt.

Um den Mitgliedern Unterstützung beim Auffinden von Ärzten zu gewähren, die die Einstellung von Zeugen Jehovas respektieren, haben sie weltweit den Krankenhausinformationsdienst und Krankenhaus-Verbindungs-Komitees eingerichtet, die den Kontakt zu Ärzten, Krankenhäusern und Pflegepersonal aufbauen und rund um die Uhr erreichbar sind. Es gab Fälle, in denen Angehörige der Zeugen Jehovas oder deren Kinder starben, weil sie eine Bluttransfusion verweigerten.

Organ- und Knochenmarktransplantationen waren früher verboten, sind jedoch heute dem persönlichen Gewissensentscheid jedes Zeugen überlassen.

Gottesdienst und Praxis

Zusammenkünfte

Die Zusammenkünfte haben keinen rituellen gottesdienstlichen Charakter im kirchlichen Sinn. Vielmehr werden Vorträge auf der Grundlage der Bibel und Literatur der "Wachtturm-Gesellschaft" gehalten, Situationen bei der Bekehrung anderer demonstriert, Interviews geführt und der Lehrstoff gemeinsam besprochen. Von Kritikern werden die Texte als dogmatisch beschrieben. Auf die Zusammenkünfte sollten sich alle vorbereiten. Zu Beginn und zum Abschluss der Zusammenkünfte und zur Überleitung zwischen den zwei 45- bis 60-minütigen Programmteilen wird jeweils ein Lied gesungen. Am Anfang und am Ende wird außerdem gemeinsam gebetet.

Kollekte während der Zusammenkünfte werden bei Jehovas Zeugen nicht durchgeführt. Man findet dafür, wie bei anderen religiösen Gruppierungen, Spendenkästen.

Die Kirchengebäude werden Königreichssäle genannt und zweckmäßig für 50 bis 200 Personen eingerichtet. Es fehlen allerdings jegliche religiösen Symbole wie Altar, Kruzifixe, Kreuze, Leuchter usw. Lediglich Stühle, Tische, ein Sprechpult, Lautsprecher und Mikrofone sowie eine Bibliothek der Schriften der Wachtturm-Gesellschaft, verschiedene Bibelausgaben und andere religionsbezogene Bücher sind vorhanden.

Es finden wöchentlich fünf Zusammenkünfte statt, von denen jeweils zwei zeitlich zusammengelegt werden:

  • das "Versammlungsbuchstudium", bei dem mit 10-20 Personen ein Buch oder eine Broschüre besprochen wird.
  • die "Theokratische Predigtdienstschule", in der das Predigen in kurzen Reden und Rollenspielen geübt wird.
  • die "Dienstzusammenkunft" dient der Unterstützung für den Predigtdienst.
  • der "öffentliche Vortrag", bei dem eine Ausarbeitung auf Basis eines vorgegebenen Redeplans vorgetragen wird.
  • das "Wachtturm-Studium", bei dem ein Artikel der Zeitschrift in Frage und Antwort gemeinsam mit allen Anwesenden besprochen wird.

Häufigkeit und Stil dieser Zusammenkünfte bewirken aus der Sicht einiger kritischer Soziologen und Psychologen Indoktrination und soziale Abschottung; aus der Sicht von Zeugen Jehovas stärken sie den Glauben und schützen vor schädigenden Einflüssen.

Rituale

Taufe

Die Zeugen Jehovas praktizieren die Erwachsenentaufe. Gemäß einer Studie, die Zeugen Jehovas vor einigen Jahren in Deutschland durchgeführt haben, habe jedes neue Mitglied vor der Taufe etwa drei Jahre auf diese Weise Zeugen Jehovas und biblische Lehren kennen gelernt. Auch die Kinder der Mitglieder müssen ein Bibelstudium mitgemacht haben, um sich selbst für oder gegen die Taufe entscheiden zu können. Bevor ein Taufanwärter zur Taufe zugelassen wird, werden mit ihm/ihr Gespräche geführt, die belegen sollen, dass ausreichendes Verständnis der Lehre vorhanden ist. Vor der eigentlichen Taufe werden öffentlich zwei Fragen gestellt, die jeder Taufanwärter mit "Ja" beantworten muss, will er getauft werden:

  1. Hast du auf der Grundlage des Opfers Jesu Christi deine Sünden bereut und dich Jehova hingegeben, um seinen Willen zu tun?
  2. Bist du dir darüber im klaren, dass du dich durch deine Hingabe und Taufe als ein Zeuge Jehovas zu erkennen gibst, der mit der vom Geist geleiteten Organisation Gottes verbunden ist? (Der Wachtturm, 1. Juni 1985, Seite 30)

Das Abendmahl

Es gibt eine spezielle Form des Abendmahls, das Gedächtnismahl oder auch Feier zum Gedenken an den Tod Christi genannt wird. Dieses Fest wird einmal jährlich am 14. Nisan, dem Tag des alt-jüdischen Passahs, nach Sonnenuntergang gefeiert. Nur eine Minderheit mit himmlischer Hoffnung, von denen die meisten inzwischen verstorben sind, nimmt von den Symbolen, dem ungesäuerten Brot und Wein.

J. F. Rutherford erklärte 1935 auf einem Kongress, wer die große Volksmenge sei, von der die Offenbarung spricht, und dass viele zu dieser Gruppe mit irdischer Hoffnung gehören. Damit änderte sich für viele Zeugen Jehovas die Bedeutung des Gedächtnismahls. Nahmen zuvor alle Zeugen Jehovas von den Symbolen, erkannten viele durch diese Ansprache, dass sie nicht zu der Minderheit mit himmlischer Hoffnung gehörten. Diese und eingeladene interessierte Personen besuchen und beobachten dieses Ereignis, bei dem gemeinsam des Todes Jesu Christi, des Wertes seines Opfers für alle sowie seiner Auferstehung gedacht wird.

Das Gedächtnismahl ist der einzige religiöse Feiertag der Zeugen Jehovas.

Leben im Alltag

Zeugen Jehovas betrachten ihre Religion als verbindlichen Lebensweg. Daher haben ihre Ansichten immer auch Auswirkungen auf ihr Leben.

Freizeit

Unterhaltungsmedien und Sport werden nicht allgemein verurteilt, jedoch legen viele Zeugen Jehovas persönlich Wert darauf, dass ihre Freizeitgestaltung nicht ihrem Verständnis von Nächstenliebe oder moralischer Reinheit widerspricht oder geistigen Interessen im Wege steht. Jagd- und Kampfsport werden aus diese Gründen grundsätzlich abgelehnt.

Moralische Werte

Zeugen Jehovas legen sehr großen Wert auf sittliche Maßstäbe. Sex vor und außerhalb der Ehe ist Tabu. Sex in der Ehe, nicht nur zum Zweck der Vermehrung, ist erlaubt. Ehebruch und Homosexualität werden von ihnen abgelehnt. Grundsätzlich gilt das Gebot, nur innerhalb der Zeugen Jehovas zu heiraten. Bei Nichtbeachtung kann die Person gewöhnlich nicht mehr in Vorbild-Funktionen dienen (Ältester, Dienstamtgehilfe, Pionier, u.ä.). Scheidung mit der Erlaubnis zur Wiederheirat ist nur aus dem Grund der sexuellen Untreue erlaubt. Eine Trennung (d.h. ohne Auflösung der Ehe, s.o.) ist zulässig.

Verhältnis zum Staat

Zeugen Jehovas wenden ihr Verständnis der Bibel auf die Art der Unterordnung unter die Macht des Staates an, indem sie sich nicht an politischen Umwälzungen beteiligen, sondern sich an die staatlichen Gesetze halten. Sie betrachten die staatlichen Organe als von Gott geduldet und mit Autorität ausgestattet (vgl. Römer 13, 1-7). Gott hat für sie die höchste Autorität. Das kann durchaus zu Konflikten zwischen staatlichen Forderungen und den Forderungen ihres Glaubens führen, da sie in der Bibel lesen: Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen (laut Apostelgeschichte 5, 29). So sind sie vor allem dafür bekannt geworden, dass sie sich nicht am Militärdienst beteiligen. (Siehe: Wehrdienstverweigerung der Zeugen Jehovas) Darüber hinaus lehnen sie alle Handlungen ab, die ihrer Meinung nach einer 'Verehrung' des Staates oder seiner Repräsentanten gleich kommen. Bekannte Beispiele hierfür sind die Ablehnung des Fahnengrußes, des Singens der Nationalhymne oder des Hitlergrußes unter dem Nationalsozialismus.

In der Vergangenheit betrachteten sie den Zivildienst als eine unpassende Einschränkung ihrer religiösen Freiheit und eine Form der politischen Beteiligung. Inzwischen sehen sie darin eine soziale Tätigkeit, die den gleichen Stellenwert hat wie die Zeit, die sie durch ihre Arbeit für das Erwirtschaften der Steuern aufwenden müssen. Ob ein Mitglied der Glaubensgemeinschaft dies genau so sieht, steht jedem frei. Die Teilnahme am Zivildienst oder einem "Freien Arbeitsverhältnis nach §15a ZdG", bei dem ein regulärer Arbeitsvertrag mit einer öffentlichen Einrichtung (z.B. Krankenhaus) zustande kommt, oder der Totalverweigerung ist Sache des einzelnen Mitgliedes.

Die Zeugen Jehovas beteiligen sich nicht an politischen Wahlen. Dies wird von Kritikern teilweise als Ablehnung des demokratischen Grundsystems betrachtet, in dessen Kern die Wahl als Mitbestimmungsmöglichkeit steht. Da es hierzulande jedoch keine Wahlpflicht gibt, kann eine Ablehnung des demokratischen Grundsystems nicht vorbehaltlos unterstellt werden. Zeugen Jehovas erklären dazu, dass ihr politisch passives Verhalten ihrem Verständnis der Worte Jesu entspricht, "kein Teil der Welt" (Johannes 17, 16) zu sein. Aus gleichem Grund meiden sie politische Ämter.

Feste und Feiern

Die Zeugen Jehovas sehen die Feste Weihnachten und Ostern, die andere christliche Strömungen feiern, als unbiblisch an und beteiligen sich nicht daran. Ebenfalls abgelehnt werden Karneval, Halloween und Neujahr sowie Geburtstagsfeiern (1. Mose 40, 20-22; Matthäus 14, 6-10), in denen sie eine Verehrung von Menschen und eine Verbindung zur Astrologie sehen, die sich auf das Geburtsdatum stützt. Um Nachteile für die Entwicklung ihrer Kinder zu vermeiden, suchen viele Zeugen Jehovas nach gesellschaftlichem Ausgleich zu anderen Zeiten und Gelegenheiten. Dazu gehören Hochzeiten, Sommerfeste, Kinder-Partys, Sporttreffs wie Fußballspiele, Kaffeekränzchen, gemeinsame Kinobesuche usw. Untereinander pflegen Zeugen Jehovas private Kontakte und Unternehmungen. Wenn sie feiern, so tun sie dieses meistens ohne Anlass, wann immer sie möchten, aber auch hier immer unter Wahrung biblischer Gebote (Sprüche 23, 20 + 21).

Evangelisation und Mission

Besonders fallen Zeugen Jehovas durch ihre Evangelisation auf, die sie als Predigtwerk bezeichnen. Jeder Zeuge Jehovas, der dazu gesundheitlich in der Lage ist, ist aufgerufen, mit anderen Menschen über seinen Glauben zu sprechen. Gemäß eigenen Statistiken wenden die Zeugen Jehovas dafür je nach Land durchschnittlich 100 bis 500 Stunden jährlich auf. Sie sprechen Menschen an Haustüren oder auf öffentlichen Plätzen mit Themen aus der Bibel an und hinterlassen bei Interesse kostenfrei Zeitschriften, Broschüren, Traktate oder bei besonderem Interesse Bücher und Bibeln. Bei dieser Gelegenheit besteht auch die Möglichkeit, den Zeugen Jehovas Geld zu spenden. Vor 1991 gaben Zeugen Jehovas das Schrifttum für ihren missionarischen Einsatz zu dem Preis weiter, zu dem sie es selbst erwarben.

Über diese Hausbesuche und Gespräche fertigt sich gewöhnlich der Zeuge private Notizen an, die er für Nachfolgebesuche verwenden kann. Regelmäßig wird darauf hingewiesen, dass diese Notizen nur mit Einverständnis der Betroffenen an andere Verkündiger weitergegeben werden sollen. Angeboten wird ein Heimbibelkurs (meist Heimbibelstudium genannt). Das Material dafür ist in erster Linie ein Buch oder eine Broschüre[1] mit thematisch geordneten Bibelzitaten und -kommentaren, die jeder Teilnehmer erhält und anhand konkreter Fragen durcharbeiten soll, die dann mit dem Verkündiger besprochen werden.

Freiwillige können vereinbaren, mehr Zeit im Predigtwerk einzusetzen, entweder zeitlich begrenzt ("Hilfspionier") oder zeitlich unbestimmt ("Allgemeiner Pionier"). Allgemeine Pioniere werden nach einem Jahr zu einer zehntägigen "Pionierdienstschule" eingeladen, in der sie Predigtwerk, biblische Lehre und Organisation vertieft kennen lernen.

Zeugen Jehovas betreiben auch ein weltweites Missionswerk, zu dem sie jährlich in den USA Missionare in der "Gileadschule" ausbilden.

Organisation

Die Zeugen Jehovas sind eine weltweit tätige Sekte mit der Hauptverwaltung in Brooklyn, New York. Hierarchisch sind darunter die Zweige, unter Aufsicht von Zweigkomitees, Bezirke mit Bezirksaufsehern, Kreise mit Kreisaufsehern und als lokale Einheiten die Versammlungen angeordnet. Die Hauptverwaltung ordnet die Zweige 15 Zonen mit je einem Zonenaufseher zu, der sie zyklisch besucht.

Es gibt weltweit 109 Zweige, in denen religiöse Literatur der jeweiligen Sprachen übersetzt und verschickt wird; in den größeren Zweigen wird auch gedruckt. Die wichtigste Aufgabe der Zweige ist die Organisation der Predigttätigkeit, an der sich ein Großteil der Mitglieder beteiligt. Die dazu nötige Einteilung des Gebietes, die Klärung rechtlicher Fragen und die Schaffung von Zusammenkunftsstätten sind einige weitere Aufgaben der Zweige. Die Organisationen sind nicht auf Erzielung kommerziellen Gewinns ausgelegt. Den Zweigen steht ein Zweigkomitee vor. Gegenwärtig befinden sich die deutschen Zweigbüros in Selters im Taunus und in Berlin. Die Zeugen Jehovas bedienen sich weltweit verschiedener rechtlicher Werkzeuge (Organisationen), deren Struktur (Vorstand o.ä.) jedoch nicht mit der geistlichen Struktur ihrer Glaubensgemeinschaft identisch ist. In Deutschland sind dies die Wachtturm-, Bibel- und Traktatgesellschaft der Zeugen Jehovas e.V. sowie die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland. Es läuft ein Verfahren, in dem die Zeugen Jehovas in Deutschland den Status als 'Körperschaft des öffentlichen Rechts' anstreben, der auch anderen Kirchen und Religionen verliehen wurde. Der Aufbau einer solchen Körperschaft entspräche, nach Aussage der Zeugen Jehovas, eher ihrer inneren Struktur als die Variante 'eingetragener Verein' (e.V.).

Die Gemeinden werden Versammlungen genannt. Weltweit gibt es 96.894 Versammlungen in über 235 Ländern und Inselgebieten. Den Versammlungen stehen "Älteste" (ausnahmslos Männer [gemäß 1. Timotheus 2,11-12;3,1-13]) vor,die gemeinsam als "Ältestenschaft" tätig sind und für geistliche Belange der Versammlung verantwortlich sind. Sie haben organisatorische Aufgaben, lehren, besuchen die Mitglieder durch "Hirtenbesuche" und beteiligen sich, wie die meisten anderen auch, an der Predigttätigkeit.

Die Säle werden von den Mitgliedern selbst erbaut. Um regionale Unterschiede auszugleichen und erheblichem Bedarf an Neubauten und Instandhaltungsarbeiten gewachsen zu sein, wurde ein nationales und internationales Bauprogramm gegründet. In diesem Bauprogramm arbeiten ebenfalls nur Freiwillige aus den Reihen der Zeugen Jehovas. Zwischenzeitlich musste es häufiger zweckentfremdet werden, um Wiederaufbauarbeit in Katastrophengebieten leisten zu können (in Deutschland geschah das z.B. bei den Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre). Finanziert wird das Bauprogramm durch freiwillige Spenden und Darlehen. Das Eigentum an den Sälen liegt bei der Religionsgemeinschaft.

Zeugen Jehovas betreiben eine riesige Verlagskette mit eigenen Druckereien (in Deutschland befindet sich der Komplex in Selters im Taunus). Die Zeugen Jehovas sehen in dieser Organisationsstruktur ein Mittel, ihre Publikationen preisgünstig zu drucken und sich gesetzeskonform zu organisieren. Die dazu eingetragenen Rechtsorgane sind gemeinnützig und unterliegen daher der strengen Aufsicht durch die Finanzbehörden.

Die Mitteilungen der Hauptverwaltung werden an die Zweigkomitees gesendet und von dort an die einzelnen örtlichen Versammlungen weitergeleitet. Es erscheinen nicht nur die Zeitschriften Der Wachtturm (halbmonatliche Auflage über 25 Mio. in 148 Sprachen) und Erwachet! (halbmonatliche Auflage über 22 Mio. in 87 Sprachen), sondern auch Bibeln, Bücher, Traktate und Broschüren. Auslegungen der Bibel werden in Veröffentlichungen gedruckt und sind im allgemeinen jedem zugänglich.

Es gibt wenige Einrichtungen für Kranke, Senioren oder Hilfsbedürftige, die von Zeugen Jehovas betrieben werden. Besuchs- und Hilfsdienste werden über die örtlichen Versammlungen organisiert.

Ökumene

Zeugen Jehovas lehnen jede Art von Ökumene strikt ab, da es ihrem Verständnis nach einem 'ungleichen Joch mit Ungläubigen' entspräche (2. Korinther 6, 14-17). Aus ihrer Sicht würden sie durch ökumenische Veranstaltungen die Lehren anderer christlicher Richtungen stillschweigend gutheißen, die sich nicht mit dem Bibelverständnis der Zeugen Jehovas vereinen lassen.

Die Taufe anderer christlicher Richtungen erkennen sie nicht an.

Die Taufe der Zeugen Jehovas wird von den anderen christlichen Kirchen nicht anerkannt, da in ihr als wesentliches Element die Taufe auf den "Vater, den Sohn und den Heiligen Geist" fehlt. Dieser Unterschied ist auf ihr Verständnis der Dreieinigkeit zurückzuführen.

Geschichte

Die Ursprünge leiten sich aus einer Gruppe um Charles Taze Russell und den späteren Leserkreis der von Russell herausgegebenen Zeitschrift Zion's Watch Tower (heute: "Der Wachtturm") her. Russell gründete zur Proklamation seiner stark adventistisch geprägten Lehren einen Verlag (Watch Tower Society) und gab vor allem den Wachtturm (englisch: 1879) heraus.

Nach dem Tod Russells am 31. Oktober 1916 wurde Joseph Franklin Rutherford nach verschiedenen Spannungen einstimmig zum Präsidenten der Watch Tower Society gewählt. Die Veränderungen in Lehre und Leitung, insbesondere bezüglich Predigtwerk, führten zum Bruch und zur Gründung verschiedener Bibelforscher-Gruppen, z.B. des Pastoral Bible Institute oder der auch in Deutschland heute (2004) noch aktiven Tagesanbruch Bibelstudienvereinigung oder der Laienheimmissionsbewegung. Die Annahme des Namens "Jehovas Zeugen" im Jahr 1931 diente zur Abgrenzung von diesen anderen Bibelforscher-Gruppen und entsprach dem Wunsch, eine biblische Basis für die Gruppenbezeichnung zu finden; der Verweis auf Jesaja 43, 10-12: "ihr seid meine Zeugen, ist der Ausspruch Jehovas", schien dafür geeignet.

Der Wachtturm auf Deutsch erscheint seit 1897. In Deutschland gibt es Zeugen Jehovas offiziell seit 1903, als in Elberfeld bei Wuppertal ein Zweigbüro eröffnet wurde. Später gab es ein Zweigbüro in Magdeburg. 1927 wurde die Gemeinschaft als Internationale Bibelforscher-Gemeinschaft im Vereinsregister des Amtsgerichts Magdeburg eingetragen.1946 wurde ein zusätzliches Büro in der amerikanischen Zone eröffnet. Als Zeugen Jehovas auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verboten wurden, konnte von Wiesbaden aus weiter agiert werden.

Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung in Deutschland

Wegen ihrer konsequenten Weigerung, Partei für eine politische Seite zu ergreifen, sind sie in Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus und auch in der DDR-Zeit zum Teil heftig verfolgt worden. Seit einigen Jahren beschäftigen sich Historiker und auch Zeugen Jehovas selbst mit dieser Zeit und ihren Auswirkungen auf die Glieder der Gemeinschaft und ihr Umfeld.

Jehovas Zeugen im Nationalsozialismus

Zu Einzelheiten siehe Nationalsozialismus und Zeugen Jehovas.

Jehovas Zeugen in der DDR

Nach dem Krieg erhielten Zeugen Jehovas zunächst die Zulassung der "gottesdienstlichen Betätigung" in Magdeburg. Doch im August 1950 wurden sie in der DDR völlig verboten. Ihnen wurde vorgeworfen, Hetze gegen die demokratische Ordnung zu betreiben und Spione einer imperialistischen Macht zu sein. Am 3. und 4. Oktober 1950 wurden Schauprozesse durchgeführt, die mit hohen Zuchthausstrafen für die Angeklagten endeten. Bis 1956 war allerdings kein einziger Zeuge Jehovas des Vorwurfs der Spionage überführt worden. In diesen ersten Jahren versuchte man durch besondere Härte vorzugehen. Es kamen 1.850 Zeugen Jehovas in den DDR-Strafvollzug. In dieser Zeit gab es 60 Todesfälle, die auf Misshandlung, Unterernährung, Krankheit und hohes Alter zurückzuführen sind. Es wurden 12 lebenslange Haftstrafen ausgesprochen (später wurden sie auf 15 Jahre Haft abgeändert). Man versuchte sogar, den damaligen Leiter des Ost-Berlin-Büros in West-Berlin zu entführen.

Bis Mitte der 1950er Jahre war der Mitgliederbestand der ostdeutschen Zeugen Jehovas in etwa mit dem vor Beginn des Verbots vergleichbar. Das MfS änderte nun die Taktik (auch aufgrund der Abkehr vom Stalinismus). Man versuchte jetzt, die Gemeinschaft zu zersetzen, indem man sie mit eingeschleusten Personen zu unterwandern suchte und versuchte, Zeugen Jehovas von innen heraus zu zerstören. Man suchte dabei, das Vertrauen in die Leitung der Zeugen Jehovas durch Briefe und ab 1965 durch eine eigens herausgegebene Zeitschrift "Christliche Verantwortung" zu erschüttern. Dieses nicht in der offiziellen Postzeitungsliste der DDR nachgewiesene Blatt, stand Interessenten in Ost und West auf Anfrage zur Verfügung. Darüber hinaus erhielten es etliche Zeugen Jehovas in der DDR als ungebetene Zusendung.

Von 1962 bis 1985 wurden Zeugen Jehovas wegen ihrer Weigerung, Wehrdienst zu leisten, in Gefängnissen untergebracht (bis 1987 waren es 2.750). Noch kurz vor Ende der DDR wurden unsystematisch Geldstrafen für den Predigtdienst bis zu 1.000 Mark (mehr als ein Monatslohn eines Arbeiters) erhoben.

Das 1978 eingeführte Pflichtfach "Wehrunterricht" brachte junge Zeugen Jehovas in Bedrängnis. Vielen wurde daraufhin eine berufliche und schulische Weiterbildung verwehrt.

Insgesamt kamen bis zum Ende der DDR-Zeit über 5.000 Zeugen Jehovas in Strafvollzugsanstalten und Haftarbeitslager. Ein Teil der Betroffenen gilt als "Doppeltverfolgte": Circa 325 waren bereits im NS-Regime eingesperrt. Trotz vieler persönlicher Leiden und obwohl es durch die beiden Diktaturen zahlreiche Doppelopfer gab, gelang es dem SED-Staat nicht, die Organisation der Zeugen Jehovas zu zerschlagen.

Jehovas Zeugen in der Bundesrepublik Deutschland

Obwohl die Zeugen Jehovas in der Bundesrepublik grundsätzlich ungehindert tätig sein können, sehen sie sich auch heute verschiedenen Diskriminierungen ausgesetzt. So läuft seit 14 Jahren (Stand: März 2004) ein Rechtsstreit, in dem die Zeugen Jehovas bisher vergeblich anstreben, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Eine Anerkennung würde sie insoweit auf eine Stufe mit anderen grossen steuerbegünstigten Religionsgemeinschaften stellen.

Mit Einführung der Wehrpflicht im Jahr 1956 verweigerten die Zeugen Jehovas wiederum den Kriegsdienst mit und ohne Waffe. Seit Anfang der 1960er führte diese Verweigerung regelmäßig zu Gerichtsverfahren und Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Wehrpflichtgesetz. Insgesamt wurden über 800 Zeugen Jehovas mitunter mehrfach mit erneut mehrmonatiger Gefängnishaft bestraft. Aufgrund des zunehmenden Unverständnisses im In- und Ausland wurde 1969 die sog. "Lex Jehova" (§ 15 a ZDG) in das Zivildienstgesetz aufgenommen. Die Probleme der Zeugen Jehovas mit der Wehrpflicht in der Bundesrepublik waren damit grundsätzlich beseitigt (siehe aber: BVerfG - 2 BvL 9/97 -).

Kritikpunkte

Religionswissenschaftler und Theologen anderer christlicher Konfessionen (z.B. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen) weisen auf folgende Punkte hin. Dabei wird nicht nur die offiziell verkündete Lehre berücksichtigt, sondern ebenso Berichte von Ehemaligen.

Sonderlehren

  • Von der Hierarchie vorgegebene Bibelauslegung, die von der anderer christlicher Gemeinschaften stark abweicht
  • Ablehnung der Ökumene bzw. aller anderen christlichen Konfessionen
  • Ablehnung der Trinität
  • Ablehnung von Blutspenden, Bluttransfusionen und anderen Blutprodukten
  • Ablehnung wichtiger kirchlicher Feiertage wie Weihnachten aufgrund heidnischer Wurzeln

Bezüglich autoritärer Struktur

  • Undemokratische Struktur mit strikt hierarchischem Aufbau
  • Gegenseitige Kontrolle der Mitglieder
  • Bezüglich Lehre sind keine abweichenden Meinungen innerhalb der Zeugen Jehovas vorgesehen
  • Druck auf eigene Kinder, damit sie die Lehre der Zeugen Jehovas nicht ablehnen
  • Weitgehende Ablehnung von sozialen Kontakten zu "Außenstehenden" (von Mission abgesehen)
  • Nicht-Teilnahme an demokratischen Wahlen und am Wehrdienst (und auch Zivildienst in Deutschland bis etwa 1996)
  • Manipulation der Mitglieder durch ihre Zusammenkünfte und die Wachtturm-Literatur
  • Meidung - Austritt hat Verlust der sozialen Beziehungen zu Mitgliedern der Religionsgemeinschaft zur Folge

Siehe auch Zeugen Jehovas (Kritik)

Literatur

Das Buchhandelsangebot zum Thema ist variabel. Nicht alle jemals erschienenen Schriften sind noch lieferbar. Eine Auswahl ist in Zeugen Jehovas (Kritik) aufgelistet. Für weiter Forschende sei auf folgende speziellen Bibliographien hingewiesen:

Offizielle Seiten und offizielle Stellungnahmen