Katholizität
Das Wort katholisch kommt von griechisch καθολικος (katholikos) und bedeutet das Ganze betreffend, allgemein gültig.
Etymologie oder Ursprung des Wortes Katholisch
Katholisch (altgriechisch: κατά [kata] ὅλον [hol'on]= kata holon)
κατά [kata] ist eine Präposition und bedeutet im Altgriechischen örtlich: von ... herab, über ... hin, entlang
ὅλος [holos] bedeutet im Altgriechischen ganz, gänzlich, völlig, das Ganze betreffend, „ganz, vollständig“
ὅλον [holon] bedeutet im Altgriechischen zusammengesetzt aus den beiden Wörtern hólos [ὅλος] und on [ὀν]: ganzes Seiendes (mögliche Interpretation: Jedes Ding ist ein Ganzes und gleichzeitig Teil eines größeren Ganzen)
Der Ausdruck kata holon also katholisch = weltumspannend ganz seiend, meint bei allen, weltumspannend, alles umfassend, oder vielleicht auch: "ökumenisch" also "universal". Die Eindeutschung dieses Wortes ist: "über alles, überall".
Es wird auch in der Philosophie benutzt.
Der Begriff „katholisch“
Als früheste Belegstelle für die Verwendung des Begriffs kann Ignatius von Antiochien (35–117) angeführt werden: „Denn da, wo Jesus Christus ist, ist auch die katholische Kirche“ (Brief des Ignatius an die Smyrnäer 8, 2).
Im weitesten Sinne versteht man heute unter der katholischen Kirche die von Jesus Christus begründete Gemeinschaft aller Christen. Sie ist abstrakt gesehen die von Christus gewollte, eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche und als solche die eine Kirche Christi oder Mutterkirche aller Christen. Während im ersten Jahrtausend die Kirche noch relativ einig war, begann mit der Kirchenspaltung im Jahre 1054 zugleich die theologische Kontroverse über die Frage, in welcher der jeweiligen Teilkirchen die katholische Kirche in diesem Sinne zu finden sei. Der Hintergrund ist, dass es nur eine einzige allgemeine Kirche geben kann. In der Folge der Reformation hat diese Frage an Komplexität gewonnen, so dass der Begriff von den verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften unterschiedlich interpretiert wird.
In einem engeren Sinne, vor allem seit der Reformation, versteht man im Deutschen unter katholische Kirche die Römisch-Katholische Kirche, welche jedoch selbst in ihrem Selbstverständnis nicht mit der oben beschriebenen, einen Kirche Christi einfach identifiziert werden kann. In dieser engeren Verwendung, die sich in der Folge der Reformation entwickelt hat, bezeichnet „katholische Kirche“ also eine bestimmte Konfession. In der ökumenischen Bewegung wird heute manchmal statt dem Wort katholisch das Wort sobornost verwendet, das die russische Übersetzung des griechischen Wortes katholikos ist, um die allgemeine Kirche zu bezeichnen, ohne die mit dem Wort katholisch verbundene Assoziation „römisch-katholische Kirche“.
Wenn man von der Katholischen Kirche spricht, kann man meinen:
- die Römisch-Katholische Kirche, siehe eigenen Artikel
- in einem umgangssprachlichen Sinn („der Zölibat der Katholischen Kirche“) die Lateinische Kirche, deren größte Teilkirche. Daneben gehören jedoch noch die mit Rom unierten Kirchen östlichen Ritus dazu, siehe eigenen Artikel
- im Nicäno-konstantinopolitanischen sowie im Apostolischen Glaubensbekenntnis die Gesamtheit aller Christen
Sehr selten wird der Begriff ohne weitere Qualifizierung für folgende Gruppen benutzt:
- die Alt-Katholische Kirche bzw. die Mitgliedskirchen der Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen; in Deutschland nennt diese Kirche sich „Katholisches Bistum der Alt-Katholiken“, ihr Bischof ist nach dem Recht einiger Länder auf Grund eines Staatsvertrages von 1873 ausdrücklich als „katholischer Bischof“ anerkannt.
- die Anglikanische Kirche
- Viele selbständige Nationalkirchen wie die Polnische Nationale Katholische Kirche in den USA oder die Unabhängige Philippinische Kirche, sofern sie nicht schon zur Utrechter Union gehören
- die Alt-Heilig-Katholische Kirche
- die Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung (Volksrepublik China)
- die Erneuerte Kirche (Kirche der Glorie)
- die Freikatholische Kirche
- die Neuchristen (Gemeinschaft um den Schwert-Bischof)
- die Palmarianisch-Katholische Kirche
- die Mariaviten
- die Liberalkatholische Kirche (Theosophie)
- Gallikanismus
- Deutschkatholizismus (deutschkatholische und christkatholische Gemeinden)
- die Katholisch-Reformierte-Kirche (in Österreich entstandene Gemeinschaft)
Es gibt eine Reihe weiterer christlicher Kirchen, deren Bezeichnung das Wort katholisch enthält.
Darüberhinaus verstehen sich auch alle Kirchen, die die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse anerkennen (z.B. Protestantische Kirchen), als neben der römischen Kirche gleichwertige Teile der „einen heiligen katholischen Kirche“. Nach ihrem Selbstverständnis bilden die verschiedenen Kirchen – auch die römische – eine durch den Glauben an Jesus Christus von Gott gestiftete Einheit. Der Anspruch auf Allgemeingültigkeit spielt bei diesen allerdings keine so große Rolle. Auf die aus der Reformation hervorgegangen Kirchen wird der Begriff „katholisch“ jedoch seltener angewandt, um Verwechslungen mit der römisch-katholischen Kirche zu vermeiden.
Der Katholizität im ursprünglichen Wortsinn kommt im ökumenischen Dialog eine besondere Bedeutung zu.
Das Glaubensbekenntnis
Neben anderen Schriftzeugnissen kommt den ersten ökumenischen Konzilien eine besondere Bedeutung zu. Das Nicäno-Konstantinopolitanum hat in seinem Glaubensbekenntnis, welches seither die grundlegende Glaubensformel fast aller Christen ist, die wesentlichen Merkmale der von Jesus Christus errichteten Kirche ausgesprochen:
„Credimus … unam, sanctam, catholicam et Apostolicam Ecclesiam
„Wir glauben … die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche““
Möglich ist auch die Verwendung des deutschen Begriffes „allgemein“ für „katholisch“.
In den evangelischen Kirchen in Deutschland (z.B. in der EKD) wird der Begriff „katholisch“ im Glaubensbekenntnis mit „christlich“ oder „allgemein“ wiedergegeben, etwa:
„Ich glaube … die heilige christliche Kirche.“
„Wir glauben an … die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche.“
In anderen Sprachen hat sich die Verwendung des Begriffes „katholisch“ (catholic, catholique etc.) etabliert.
Wesensmerkmale der Katholizität
Die Katholizität im ursprünglichen Wortsinn gehört damit zu den Wesensmerkmalen der christlichen Kirche. Katholisch, also allgemein, wurde die Kirche in verschiedener Beziehung genannt:
- wegen der Allgemeinheit der Lehre, die in ihr verkündet wird (Kyrill von Jerusalem, Catecheses)
- wegen der Allgemeinheit aller Tugenden, die in ihr geübt werden (Francisco Suárez)
- wegen der Dauer von Adam bis zum Ende der Welt (Augustinus)
- wegen ihrer Veranlagung, das Leben aller Menschen in allen Lebenslagen und zu allen Zeiten zu heiligen,
- wegen ihrer zeitlichen Ausdehnung über die ganze Welt und der Menge ihrer Glieder aus allen Völkern.
Eine häufig verwendete Definition stammt von Vinzenz von Lérins:
„Darüber hinaus müssen wir in der katholischen Kirche selbst alle mögliche Sorgfalt anwenden, dass wir uns an den Glauben halten, der überall, immer, von allen geglaubt wurde.“
Die Bedeutung des Begriffs war während der gesamten Theologiegeschichte Gegenstand der Diskussion. Er bekam eine besondere Bedeutung durch die Kirchenspaltungen des 2. Jahrtausends, als sich die getrennten Kirchen ihrer tatsächlichen Partikularität bewusst wurden. Deshalb bereitet die Verwendung des Begriffs im allgemeinen Sprachgebrauch Schwierigkeiten.
Die Katholische Lehre, die sich als Maßstab unter den christlichen Lehren versteht und z. B. der gemeinsamen Eucharistie mit anderen Kirchen entgegen steht, wird als Orthodoxie bezeichnet.
Die Katholizität wird im allgemeinen mit den folgenden theologischen Merkmalen gekennzeichnet:
- Apostolische Sukzession
- Betonung der Sakramente
- Anerkennung der kirchlichen Überlieferung (Tradition) neben der Hl. Schrift als Offenbarungsquelle (beispielsweise die Apostolischen Väter)
- Anerkenntnis der Ergebnisse der allgemein anerkannten Ökumenischen Konzile:
Die einzelnen sich als katholisch in diesem Sinne verstehenden Kirchen unterscheiden sich in einigen Punkten in ihrem Selbstverständnis. Diese Unterschiede werden in den einzelnen Artikeln weiter dargelegt.
Auffassung der Evangelisch-Lutherischen Kirchen
Die lutherische Reformation versteht sich als innerkatholische Reformbewegung. Dieser Sachverhalt findet seine Begründung und Entfaltung zunächst im 7. und 8. Artikel des Augsburger Bekenntnisses aus dem Jahr 1530. Dort wird festgehalten, dass "allezeit müsse eine heilige christliche sein und bleiben." Der lateinische Text als der dogmatisch verbindliche bekennt und definiert sich als "una sancta ecclesia." Kennzeichen der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche sind die reine Lehre (pure docetur) und die einsetzungsgemäße Spendung der Sakramente (recte administrantur sacramenta). Menschliche Traditionen, Riten oder Zeremonien sind zur wahren Einheit der Kirche nicht notwenig. Dogmatisch wird von der una santca catholica et apostolica auch als Kirche im weiteren Sinn (large dicta) gesprochen. Die reine Lehre und das Verständnis der einsetzungsgemäßen Verwaltung der Sakramente wird in den lutherischen Kirchen in den Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche dargelegt, weil diese dort verfasste Lehre mit der Heiligen Schrift, Alten und Neuen Testaments, übereinstimmt. Lehren und Lehrer, so die Konkordien Formel in ihrem 1. Artikel, die der Heiligen Schrift widersprechen, stehen außerhalb der katholischen Kirche. Die Heilige Schrift als die Offenbarungsquelle steht uneingeschränkt als die Lehrautorität fest. Kirchliche Traditionen und Lehrauffassungen sind nach den Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche dann katholisch, wenn diese im Einklang mit der Heiligen Schrift stehen. Folglich finden sich im Korpus der Bekenntnisschriften zahlreiche Zitate von Kirchenvätern und auch Päpsten.
Deutlich wird die Katholizität der Lutherischen Kirchen auch in ihrem Weiheverständnis, wie es z.B. in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zu finden ist:
Nach dem von dir abgelegten Ordinationsgelübde überantworte ich dir als berufener und verordneter Diener unseres Herrn Jesus Christus dir hiermit das heilige Amt des Wortes und der Sakramente und weihe dich zu einem Diener der Einen, heiligen, christlichen Kirche, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. (Aus: Agende der Evangelisch-Lutherischen Kirche Altpreußens 1935).
Von Rom unabhängige, nach eigenem Selbstverständnis katholische Kirchen
Mitglieder von Weltkirchenrat und Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland
- Alt-Katholische Kirche
- Anglikanische Kirche
- Mitgliedskirchen der Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen
- Orthodoxe Kirchen
- Viele selbständige Nationalkirchen wie die Polnische Nationale Katholische Kirche in den USA oder die Unabhängige Kirche der Philippinen, sofern sie nicht schon zur Utrechter Union gehören
Kirchen außerhalb des Weltkirchenrats
- Alt-Heilig-Katholische Kirche
- Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung (Volksrepublik China)
- Erneuerte Kirche (Kirche der Glorie)
- Neuchristen (Gemeinschaft um den Schwert-Bischof Nikolaus Schneider])
- Palmarianisch-Katholische Kirche
- Mariaviten
- Katholisch-Reformierte-Kirche (in Österreich entstandene Gemeinschaft)
Kirchen und Bewegungen der Vergangenheit
(Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)
Literatur
- Hans Urs von Balthasar: Katholisch: Aspekte des Mysteriums; Freiburg (Breisgau): Johannes-Verlage, 31993; ISBN 3-89411-072-4
- Hendrikus Berkhof: Die Katholizität der Kirche; Zürich: EVZ, 1964
- Hochkirchliche Vereinigung Augsburgischen Bekenntnisses: Um die eine Kirche: evangelische Katholizität; Festschrift für Hans-Joachim Mund zum 70. Geburtstag; München-Gräfelfing: Werk-Verlag Banaschewski, 1984; ISBN 3-8040-0337-0
- J. N. D. Kelly u.a.: Katholizität und Apostolizität: Theologische Studien einer Gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und dem Ökumenischen Rat der Kirchen; Kerygma und Dogma, Beiheft 2; Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1971; ISBN 3-525-56133-4
- Peter Steinacker: Die Kennzeichen der Kirche: eine Studie zu ihrer Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität; Berlin, New York: de Gruyter, 1982; ISBN 3-11-008493-7
- Gert Kelter: Das Luthertum als inner-(römisch)-katholische Reformbewegung. Ein ökumenischer Weg? in: Lutherische Beträge Nr. 4/2007.