Bereicherungsrecht (Deutschland)
Das Bereicherungsrecht ist ein Teilgebiet des Zivilrechts. Es wird auch als Kondiktionsrecht oder Kondiktionenrecht bezeichnet. Das Bereicherungsrecht befasst sich mit der Problematik von Vermögensverschiebungen, für die kein zureichender Rechtsgrund (mehr) besteht. Die condictio war im römischen Recht die Klage zur Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung. Das Bereicherungsrecht ist in Deutschland in den §§ 812 ff. BGB normiert, in der Schweiz in den Art. 62 ff. fünften Teil des ZGB (Zivilgesetzbuch)
Überblick
Das Bereicherungsrecht kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn eine Sache aufgrund eines Kaufvertrages übereignet wurde, sich aber hinterher herausstellt, dass der zugrundeliegende Kaufvertrag etwa wegen Geschäftsunfähigkeit oder Sittenwidrigkeit unwirksam ist oder später angefochten wird. Da der zugrundeliegende Kaufvertrag aufgrund des Abstraktionsprinzips von der dinglichen Übereignung in seinem Bestand unabhängig ist, wirkt sich seine Unwirksamkeit nicht auf die dingliche Übereignung aus. Das Bereicherungsrecht sorgt dafür, dass die übereignete Sache dennoch herausverlangt werden kann, wenn dies noch möglich ist. Bei Unmöglichkeit der Herausgabe muss der Empfänger grundsätzlich den Wert des Erlangten herausgeben; nur ausnahmsweise wird er von dieser Pflicht befreit, § 818 BGB.
Entreicherung
Eine solche Befreiung gewährt insbesondere die sogenannte Entreicherung. Hat der Empfänger "das Erlangte" verbraucht oder zerstört und ist keinerlei Vermögensüberschuß durch den Zufluß der Bereicherung in seinem Vermögen verblieben, so muß er nichts herausgeben. Dabei wird jedoch eine Gesamtbetrachtung angestellt, so daß etwaige ersparte Aufwendungen bei Verbrauch der Sache als Bereicherung gewertet werden. Hat jemand also z.B. Nahrungsmittel erhalten und diese verzehrt, so hat er sich dadurch die Kosten für andere Nahrungsmittel erspart. Der Wert dieser ersparten Lebensmittel ist herauszugeben.
Saldotheorie
Prinzipiell ist dabei jeder Anspruch auf Herausgabe selbstständig. Das heißt, es kann durchaus sein, daß der Verkäufer den Kaufpreis herausgeben muß, der Käufer aber wegen Entreicherung die erworbene Sache nicht. Der Bundesgerichtshof hat daher durch die richterrechtliche Schaffung der Saldo-Theore beide Ansprüche verzahnt. Es entsteht daher nur ein Anspruch gegen denjeniger, der bei einer Gesamtbetrachtung noch als bereichert anzusehen ist.
Kondiktionsarten
Das deutsche Bereicherungsrecht unterscheidet die Leistungskondiktion ("durch Leistung") und die verschiedenen Nichtleistungskondiktionen ("in sonstiger Weise"). Es handelt sich dabei lediglich um verschiedene Alternativen des §812 BGB. Rechtsfolge ist bei allen die Herausgabe des Erlangten bzw. Wertersatz. Die Leistungskondiktionen sind römischrechtlichen, die Nichtleistungskondiktionen deutschrechtlichen Ursprungs.
Leistungskondiktion
Eine Leistungskondiktion liegt vor, wenn jemand "Etwas" durch eine Leistung erlangt hat. Leistung ist dabei jede bewußte zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
Nichtleistungskondiktionen
Bei den Nichtleitungskondiktionen ist vor allem die Eingriffskondiktion relevant, weiter existieren die Verwendungskondiktion und die Rückgriffskondiktion.
Eine Eingriffskondiktion lieg vor wenn ein qualifizierter Eingriff in den Zuweisungsgehalt fremden Rechts gegeben ist. Dabei ist im Unterschied zum Deliktsrecht weder eine Handlung noch ein Verschulden notwendig. Klassische Beispiele sind Kühe die fremdes Gras fressen, der Besitz am Diebesgut oder die Verwendung fremder Urheberrechtlich geschützter Werke.
Eine Verwendungskondiktion liegt vor, wenn Verwendungen auf eine fremde Sache gemacht werden, ohne daß sich der Verwender darüber bewußt ist, daß er gerade den Eigentümer der Sache bereichert. So zum Beispiel im Falle des Hausmeisters der den fremden Zaun versehentlich mit eigener Farbe streicht. Hier fehlt es für die Leistungskondiktion am Bewußtsein fremdes Vermögen zu mehren.
Verhältnis der Leistungskondiktion zur Nichtleistungkondiktion
Es gilt das "Dogma der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion". Mit dieser wunderschönen Leerformel will uns die Rechtswissenschaft sagen, daß in eine intakte Leistungsbeziehung zwischen zwei Personen nicht durch eine Nichtleistungskondiktion eingegriffen werden soll. Dazu folgendes Beispiel: Dem Eigentümer wurde sein Fahrrad gestohlen und der Dieb hat es weiterverkauft. Der Eigentümer kann das Fahrrad vom jetzigen Besitzer nicht über Eingriffskondiktion herausverlangen. Da zwischen dem Dieb und dem neuen Besitzer eine Leistungsbeziehung besteht. Der Eigentümer hat aber natürlich eine Eingriffskondiktion gegen den Dieb.
Das Gesetz sieht jedoch in §816 Abs. 1 Satz 2 davon wiederum wieder eine Ausnahme vor. Wurde die Bereicherung unentgeltlich erlangt, so ist sie auch in einer Leistungsbeziehung der Eingriffskondiktion ausgesetzt (sog. Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs).
Mehrpersonenverhältnisse
Besonders problematisch sind im Bereicherungsrecht die Mehrpersonenverhältnisse, weil beispielsweise im Fall der Banküberweisung mehrere Beziehungen der beteiligten Personen (Bank - Kunde; Bank - Überweisungsempfänger; Bankkunde - Überweisungsempfänger) zu betrachten sind und diese Beziehungen in verschiedener Weise (beispielsweise keine wirksame Anweisung vom Kunden an die Bank; Überweisung an den Nichtadressaten; kein Rechtsgrund für Überweisung zwischen Bankkunde und Empfänger) gestört sein können.
Siehe auch: Liste der condictiones des Römischen Privatrechts