Peter Stein
Peter Stein (* 1. Oktober 1937 in Berlin) ist ein deutscher Theater- und Filmregisseur.
Leben
Peter Stein ist der Sohn des Diplom-Ingenieurs Herbert Stein, der seit den 1920er Jahren eine Motorradfabrik besaß und leitete. Seine Firma wurde später von Alfred Teves übernommen, dort wurde er zum Fabrikdirektor für die Herstellung von Automobilteilen. Während des Zweiten Weltkriegs lieferte sein Werk an die Wehrmacht. Er erhielt nach Kriegsende eine Anklage wegen der Beschäftigung von 250.000 Zwangsarbeitern.[1] Als Mitglied der Bekennenden Kirche stufte man ihn zwar nur als Mitläufer ein, dennoch wurde er zu zwei Jahren Zwangsarbeit als Schienenbauarbeiter verurteilt. Danach arbeitete er wieder bei Teves, was den Anlass zu ständigen Querelen und Vorwürfen seines Sohnes bot. Peter Stein besuchte das Frankfurter Lessing-Gymnasium und fiel wegen den häuslichen Auseinandersetzungen in den Leistungen stark ab. Dennoch konnte er bis zum Abitur 1956 wieder aufholen und zu einem der besten Abgänger werden.[1] Danach studierte er Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte von 1956 bis 1958 in Frankfurt am Main und von 1958 bis 1964 in München. Eine Dissertation über E.T.A. Hoffmanns Erzählungen brach er wegen Unzufriedenheit mit seiner Arbeit wieder ab.
Erste Theatererfahrungen und -erfolge
In München besuchte er regelmäßig die Münchener Kammerspiele und begeisterte sich sehr für die Arbeit von Fritz Kortner. Nach Beendigung seines Studiums begann er bei den Kammerspielen als Kortners Assistent. 1967 erhielt er dort erstmals Gelegenheit für eine Inszenierung in Eigenverantwortung: Gerettet von Edward Bond. Die Zeitschrift Theater heute verkündete, dass mit Stein „eine neue Generation im deutschen Theater“ erschienen sei.[1] Für einen Skandal sorgte er durch eine Spendensammlung nach einer Aufführung des Vietnam-Diskurses von Peter Weiss 1968. Stein wurde daraufhin von Intendant August Everding fristlos entlassen. Zunächst ging er nach Zürich und dann zu Kurt Hübners Theater in Bremen. Am Theater Bremen sammelte Hübner in den 1960er Jahren einige aufstrebende junge Regisseure und viele talentierte Schauspieler um sich. So trug auch Peter Zadek mit seinen Inszenierungen von Frank Wedekinds Frühlings Erwachen oder Friedrich Schillers Räuber zum besten Theater in Westdeutschland in dieser Zeit bei. Peter Stein konnte 1969 zu dieser Reihe von Inszenierungen, die der Pop-Art verpflichtet waren, Goethes Torquato Tasso beisteuern - eine bis heute revolutionäre Inszenierung.
Schaubühne
1970 kam Stein mit seinem in Bremen und Zürich gewachsenen Ensemble an die Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin, die er, geprägt durch die politischen Ereignisse rund um 1968, durch ein Mitbestimmungsmodell leitete. Mit dem Schaubühnenensemble vervollkommnete er seinen Regiestil und einige der Mitstreiter sind bis heute Theaterstars: Edith Clever, Jutta Lampe, Otto Sander, Udo Samel, Ernst Stötzner oder Bruno Ganz, um nur einige Wenige zu nennen. Die legendären Inszenierungen in dem sehr kleinen Theater am Halleschen Ufer ermöglichten ihm 1981, in ein neues Haus umzuziehen, welches nach seinen Wünschen gebaut wurde. Es entstand mit der Schaubühne am Lehniner Platz ein multifunktionales Haus, was bis heute in der deutschen Theaterszene unübertroffen ist. 1985 legte Stein die Intendanz des Hauses nieder und arbeitete fortan freiberuflich und kam dann auch von Zeit zu Zeit an die Schaubühne zurück. Von 1991 bis 1997 leitete er das Schauspiel bei den Salzburger Festspielen.
Das Faust-Projekt
Für die Expo 2000 in Hannover inszenierte er den kompletten Faust von Johann Wolfgang von Goethe - ungekürzt mit den 12.110 Versen des ersten Teils und des zweiten Teils. Für diese 15 Millionen Euro Produktion gründete Stein sein eigenes Ensemble mit über 80 Mitarbeitern. 35 Schauspieler standen auf der Bühne. Später sollte er sich sehr selbstkritisch über seine Inszenierung äußern. Dieses Projekt wollte er ursprünglich 1993 an der Berliner Schaubühne realisieren. Es kam jedoch nicht zustande, was dazu führte, dass Peter Stein seitdem nicht mehr mit der Schaubühne zusammenarbeitete. Das Verdienst der Erstinszenierung des gesamten Faust gebührt allerdings nicht, wie behauptet wird, Peter Stein, sondern Marie Steiner, die 1938 das ungekürzte Werk in Dornach / Schweiz am Goetheanum aufführte und damit den Grund legte zu regelmäßigen Aufführungszyklen in mehrjährigen Abständen am selben Ort.
Wallenstein
Stein inszeniert mit dem Berliner Ensemble ab Mai 2007 auf dem Gelände der alten Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln einen zehnstündigen "Wallenstein" von Friedrich Schiller. Klaus Maria Brandauer spielt die Titelrolle.[2]
Privatleben
Stein ist allseits gefürchtet wegen seines Narzissmus und cholerischen Temperaments, doch „Rotzigkeit in dem Metier gilt als sicherer Ausweis, dass man bedeutend ist.“ [3]
Stein war von 1967 bis 1984 mit der Schauspielerin Jutta Lampe verheiratet. 1985 heiratete er Beatrice Stein und ließ sich 1990 wieder scheiden. Seit 1989 lebt er mit der italienischen Schauspielerin Maddalena Crippa zusammen, das Paar heiratete 1999.[1] Seit einigen Jahren lebt Stein mit seiner Frau in dem Gutshof San Pancrazio nahe bei Rom und betreibt dort Landwirtschaft mit dem Anbau von Oliven, Wein und Obst.[4]
Auszeichnungen
- 1970 Kritikerpreis vom »Verband der deutschen Kritiker e.V.«
- 1971 Kritikerpreis für Schaubühne Berlin, Ensemble von Peer Gynt
- 1978 Schillerpreis der Stadt Mannheim
- 1988 Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main
- 1989 Theaterpreis Berlin
- 1992 Ritter der französischen Ehrenlegion
- 1996 Fritz-Kortner-Preis der Zeitschrift Theater heute
- 2008 Bundesverdienstkreuz I. Klasse
Filmographie (Auswahl)
über Peter Stein
- 1995: Schaubühne Berlin. Von Peter Stein zu Andrea Breth. Des "années Stein" à nos jours. Ein Film von Helmar Harald Fischer, Produktion: SFB. 25 Jahre Schaubühne Berlin
- 1994: Antiken-Drama im Armeetheater. Peter Stein inszeniert die Orestie in Moskau. Ein Bericht von Andreas Christoph Schmidt, Produktion: SFB
- 1992: Peter Julius Caesar Stein. Shakespeares Schauspiel in Salzburg, Buch und Regie: Norbert Beilharz, Produktion: ARTE
- 1987: Eine Bühne verändert die Theaterlandschaft. Peter Stein und die Schaubühne. Film von Hans-Christoph Knebusch, Produktion: ZDF
von Peter Stein
- 1983: Klassen Feind. 125 Min., Drama, Regie: Peter Stein mit Udo Samel, Ernst Stötzner, Tayfun Bademsoy u.a.
- 1976: Sommergäste. 115 Min. (nach Maxim Gorki) Regie: Peter Stein, Produktion: Regina Ziegler
- 1969: Torquato Tasso. TV
Literatur
- Schieb, Roswitha (2005): Peter Stein. Ein Portrait. Berlin: Berlin-Verlag, 548 S., Ill. ISBN 3-8270-0540-X
- Kaiser, Gerhard (2001): Gibt es einen 'Faust' nach Peter Stein? 'Faust' in Weimar. Dramatische Zuspitzung nach Steins leuchtender theatralischer Bilderflut. Goethe-Jahrbuch 118, S. 315-321. auch online
- 2000: Peter Stein inszeniert Faust von Johann Wolfgang Goethe. Das Programmbuch Faust I und II. [anlässlich der Aufführung der Faust-Inszenierung von Peter Stein auf der EXPO in Hannover (22./23. Juli - 24. September 2000), in Berlin (21./22. Oktober 2000 - 15. Juli 2001) und in Wien (8./9. September - 16. Dezember 2001)], hrsg. von Roswitha Schieb unter Mitarbeit von Anna Haas. Köln: DuMont, 319 S. ISBN 3-7701-5418-5
- 1994: Die Orestie des Aischylos. Die Inszenierung von Peter Stein in Moskau 1994, hrsg. von Dagmar Hahn, Fotografien Bernd Uhlig. Schlederloh: Hahn, 118 S.
- Schreiber, Gabriele (1989): Aktuelle Racine-Inszenierungen im Kontext der gegenwärtigen Klassiker-Rezeption durch das Theater. Eine analytische Betrachtung der beiden "Phädra"-Inszenierungen von Alexander Lang und Peter Stein. Universität Erlangen-Nürnberg, Magister-Arbeit, 233 S., Ill.
- Siebler, Harald (1987): Aktuelle Kleist-Rezeption im deutschsprachigen Raum. Aufführungsanalyse der "Prinz von Homburg"-Inszenierung von Peter Stein an der Schaubühne am Halleschen Ufer. Universität Erlangen-Nürnberg, Magister-Arbeit, 119 S., 5 Bl., Ill.
- Patterson, Michael (1981): Peter Stein. Germany's leading theatre director. Cambridge: Cambridge Univ. Press, XV, 186 S., Ill.
Weblinks
- Vorlage:IMDb Name
- „Regisseur Peter Stein. König und Kobold“, Tagesspiegel, 1. Oktober 2007
- „Gründerfigur des Theaters“, NZZ, 1. Oktober 2007, Luc Bondy zu Steins Theaterarbeit
- „Ein Gespräch mit Peter Stein im Hause Peymann“, Tagesspiegel, 1. Oktober 2005
- „Benjamin Henrichs über Peter Steins Kritikerbeschimpfungen“, Die Zeit, Nr. 49, 1996
Quellen
- ↑ a b c d „Master of the rebels“, The Guardian, 9. August 2003
- ↑ Walleinstein-Inszenierung mit dem Berliner Ensemble
- ↑ „Peter Stein liest Schillers „Wallenstein“ – in Berlin“, Tagesspiegel, 1. Oktober 2005
- ↑ „Kein Kind seiner Zeiten“, FAZ, 1. Oktober 2007
Personendaten | |
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NAME | Stein, Peter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Regisseur |
GEBURTSDATUM | 1. Oktober 1937 |
GEBURTSORT | Berlin |