Siad Barre
Mohamed Siad Barre (Somali Maxamed Siyaad Barre, * 1919[1]; † 2. Januar 1995 in Lagos, Nigeria) war ein somalischer Offizier und Politiker, der 1969 durch einen Putsch an die Macht kam und danach bis zu seinem Sturz 1991 Präsident Somalias war.
Leben
Siad Barre wurde 1919 als Angehöriger des südsomalischen Marehan-Darod-Clans geboren.
Präsidentschaft
Nach der Ermordung des somalischen Präsidenten Abdirashid Ali Shermarke am 15. Oktober 1969 kam Barre am 21. Oktober im Zuge eines Militärputsches an die Macht, die er in den nächsten 22 Jahren mit harter Hand verteidigte.
Er verfolgte zunächst die Politik eines „wissenschaftlichen Sozialismus“, brachte die wenigen „modernen“ Bereiche der Wirtschaft Somalias unter staatliche Kontrolle und versuchte die traditionell bestehenden Unterschiede und Diskriminierungen nach Clanstrukturen – von ihm als somalische Version von Klassenunterschieden angesehen – aufzuheben, dies mit mäßigem Erfolg. Zugleich stützte er seine Macht weiterhin auf seinen eigenen Clan der Marehan-Darod sowie auf die Ogadeni- und Dolbohanta-Darod ab, die sogenannte „MOD-Allianz“.
Populär waren die Maßnahmen seiner Regierung zur Förderung der Bildung in Somalia; 1972 wurde die seit Jahrzehnten politisch geforderte Standardisierung und Verschriftung der somalischen Sprache verwirklicht, anschließend wurden Alphabetisierungskampagnen gestartet. Diese erreichten laut offiziellen Angaben bis Mitte der 1970er Jahre eine Alphabetisierungsrate von 60 % (unabhängige Angaben schätzten den Erfolg weniger groß ein).
Außenpolitisch ging Siad Barre eine enge Bindung an die Sowjetunion ein, die 1974 in einem Freundschaftsvertrag gipfelte. 1976 übertrug Barre auf Anraten der Sowjetunion die Macht formell an die Somalische Revolutionäre Sozialistische Partei und schuf damit ein Einparteisystem nach sowjetischem Vorbild. Somalia rüstete mit sowjetischer Hilfe auf, um seine außenpolitischen Ambitionen realisieren zu können. Diese zielten vor allem auf die von Somali bewohnte Grenzregion Ogaden, die seit Ende des 19. Jahrhunderts zu Äthiopien gehörte. Dort unterstützte Barre ab Mitte der 1970er den Aufstand der Western Somali Liberation Front (WSLF).
1977 ließ er sich schließlich zum Überfall auf das Nachbarland hinreißen, da Äthiopien nach dem Sturz des Kaisers Haile Selassie innenpolitisch geschwächt war. An der Seite der WSLF nahm die somalische Armee einen Großteil Ogadens ein. Das Blatt wendete sich allerdings bald darauf, als die marxistische Militärjunta Derg unter Mengistu Haile Mariam in Äthiopien ihre Macht konsolidiert hatte. Die Sowjetunion unterstützte diese neue äthiopische Regierung, woraufhin Barre im November 1977 mit ihr brach und sich den USA zuwandte. Da ihn die USA aber nicht in einem vergleichbaren Maße unterstützten, wie die Sowjetunion demgegenüber das kommunistische Regime in Addis Abeba verstärkte, endete der Ogadenkrieg 1978 mit der Niederlage Somalias.
Ins Blickfeld Deutschlands geriet Barre im Herbst 1977, als er der deutschen Spezialeinheit GSG9 gestattete, die in Mogadischu gelandete entführte Lufthansa-Maschine Landshut zu stürmen. Diese Erlaubnis war eine Überraschung, galt Barre doch als überzeugter Sozialist und Sympathisant terroristischer Vereinigungen, wie beispielsweise bestimmter radikaler Gruppen innerhalb und außerhalb der PLO.
Nach dem Wechsel auf die Seite des Westens erhielt die Barre-Regierung von den USA und weiteren westlichen Staaten umfangreiche Militär- und Entwicklungshilfe. Korruption und Vetternwirtschaft nahmen in dieser Zeit deutlich zu, während sich die Wirtschaftslage durch die Folgen des Ogadenkrieges, anhaltend hohe Militärausgaben, Dürre und erfolglose Wirtschaftspolitik verschlechterte. Dadurch sank die Popularität Barres. 1978 versuchten einige Armeeoffiziere, hauptsächlich Majerteen-Darod, einen Umsturz gegen seine Regierung. Diese reagierte darauf, indem sie die Spezialeinheit der Red Berets (somali: Duub Cas) auf die Majerteen ansetzte und Wasserreservoirs in deren Gebiet in Mudug zerstören ließ. Einer der Beteiligten an dem Umsturzversuch, Abdullahi Yusuf Ahmed, entkam nach Äthiopien und führte 1982 eine von Äthiopien unterstützte Militäroffensive der Somali Salvation Democratic Front (SSDF) in den Grenzregionen Mudug, Galguduud und Hiiraan.
1981 gründeten Angehörige des Isaaq-Clans in Nordsomalia das Somali National Movement (SNM), das den Sturz des Barre-Regimes zum Ziel hatte. Die Regierung reagierte mit umfangreichen Vergeltungsmaßnahmen gegen die Isaaq, die 1988 in der Bombardierung der Städte Burao und Hargeysa gipfelten. Auch der Hawiye-Clan im Süden, obwohl zunächst auf Seiten der Regierung, war von Repressionen betroffen; von Exil-Hawiye wurde der oppositionelle United Somali Congress (USC) gebildet, der 1989 eine Rebellion anführte. In der Hauptstadt Mogadischu kam es zu Protestkundgebungen und Unruhen, auf die der Staatsapparat mit Massakern an Demonstranten und Zivilisten und willkürlichen Todesurteilen gegen Regimekritiker reagierte. Um seine Macht zu sichern, wandte Siad Barre auch die Teile und herrsche-Taktik an, indem er Clans gegeneinander aufbrachte, namentlich die Hawiye gegen die Darod. Wegen der Menschenrechtsverletzungen, und weil er nach dem Ende des Kalten Krieges seine Bedeutung als Bündnispartner verloren hatte, distanzierten sich die USA von Barre. Ohne die US-Unterstützung geriet er noch stärker unter den Druck der verschiedenen Rebellenbewegungen, schließlich kontrollierte er nur mehr die vom USC umstellte Hauptstadt Mogadischu. Am 26. Januar 1991 wurde Barre abgesetzt und floh schließlich aus Somalia. Seine Flucht fand in Nigerias Hauptstadt Lagos ein Ende, wo er am 2. Januar 1995 an einem Herzinfarkt starb.
Siad Barre wurde in seinem Heimatdorf in Südwestsomalia begraben. Sein Schwiegersohn Mohamed Siad Hersi Morgan kämpfte als Kriegsherr im somalischen Bürgerkrieg im Raum Kismaayo, war aber auch mit einer Fraktion der Puntland-Separatisten verbündet.
Anmerkungen
- ↑ Manchen Quellen zufolge in Ganane, Somalia; anderen Quellen zufolge ist er im äthiopischen Ogaden geboren und gab später den somalischen Ort Garbahaarrey als Geburtsort an, um einen Posten in der Kolonialverwaltung Italienisch-Somalilands zu erhalten.
Personendaten | |
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NAME | Barré, Mohamed Siad |
ALTERNATIVNAMEN | Barre, Maxamed Siyaad |
KURZBESCHREIBUNG | somalischer Präsident |
GEBURTSDATUM | 1919 |
GEBURTSORT | Ganane, Somalia |
STERBEDATUM | 2. Januar 1995 |
STERBEORT | Lagos, Nigeria |