Calciumantagonist
Unter Calciumantagonisten (auch Calcium-Antagonisten, Kalziumantagonisten, Kalziumkanalblocker) versteht man eine Gruppe von Arzneimitteln zur Behandlung des Bluthochdrucks, der chronischen koronaren Herzkrankheit (stabile Angina pectoris) und von Herzrhythmusstörungen. Weniger wichtige Anwendungsgebiete (Indikationen) sind die vasospastische Angina (Prinzmetal), der Lungenarterienhochdruck (pulmonale Hypertonie), das Raynaud-Syndrom und die Achalasie (Verkrampfung des unteren Speiseröhrenschließmuskels). Ihren Namen tragen die Calciumantagonisten wegen ihres Wirkmechanismus, der Hemmung bestimmter Calcium-Kanäle an den Blutgefäßen und am Herzen.
Chemische Grundlagen
Man unterteilt die Calciumantagonisten chemisch in drei Typen: Phenylalkylamine (z. B. Verapamil), Benzothiazepine (z. B. Diltiazem) und Dihydropyridine (z. B. Nifedipin).
Am häufigsten werden die Dihydropyridine verwendet. Diese wirken hauptsächlich blutdrucksenkend durch direkte Erschlaffung der glatten Gefäßmuskulatur und nur unwesentlich an der Erregungsleitung des Herzens. Wichtige Vertreter dieses Typs sind neben Nifedipin Nitrendipin, Felodipin und Amlodipin.
Eine Zwischenstellung nehmen die Benzothiazepine ein, die sowohl gefäßerweiternd und damit blutdrucksenkend als auch hemmend auf die Erregungsleitung im Herz wirken. Die Leitsubstanz dieses Typs ist Diltiazem.
Die Phenylalkylamine wirken nur gering auf die Blutgefäße, haben dafür aber eine starke Wirkung auf die Schlagkraft und die Erregungsausbreitung des Herzens. Sie werden daher insbesondere zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen (tachykardes Vorhofflimmern) eingesetzt. Der wichtigste Vertreter dieses Typs ist Verapamil.
Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)
Der molekulare Ansatzpunkt von Calciumantagonisten sind die Calciumkanäle vom L-Typ. Über diese Kanäle strömt Calcium in Muskelzellen ein und bewirkt eine Verengung der Arterien (Schlagadern), eine Zunahme der Herzschlagkraft und eine schnellere Erregungsausbreitung im Herzen. Alle Calciumantagonisten senken den Blutdruck, wobei dies auf unterschiedlichem Weg geschieht: bei den Dihydropyridinen durch die Gefäßerweiterung, bei den Phenylalkylaminen durch die Verlangsamung und Abschwächung des Herzschlags, bei den Benzothiazepinen durch eine Kombination beider Mechanismen.
Aufnahme und Verteilung im Körper (Pharmakokinetik)
In aller Regel werden Calciumantagonisten als Tablette verabreicht und im Dünndarm aufgenommen (resorbiert). Eine Ausnahme ist die (selten praktizierte) Gabe von Verapamil als Spritze (intravenös). Die einzelnen Wirkstoffe werden in unterschiedlichem Maße ins Blut aufgenommen. Problematisch ist dies vor allem bei Verapamil (wechselnde und insgesamt geringe orale Bioverfügbarkeit). Außerdem unterscheiden sich die Substanzen bezüglich ihrer Halbwertszeit. Bei der Behandlung des Bluthochdrucks ist eine lange Halbwertszeit günstig, damit die Tablette nur einmal täglich eingenommen werden muss. Dies gilt insbesondere für Amlodipin, eingeschränkt auch für Nitrendipin und Felodipin. Der Abbau von Calciumantagonisten geschieht überwiegend in der Leber.
Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)
Häufige und wichtige Nebenwirkungen der Calciumantagonisten sind:
- Schwellung der Beine (Ödeme, insbesondere bei Dihydropyridinen)
- langsamer Herzschlag (Bradykardie, bei Phenylalkylaminen und Benzothiazepinen)
- schneller Herzschlag (Reflextachykardie, bei Dihydropyridinen)
- allergische Reaktionen
- Gesichtsrötung (Flush) und allgemeines Wärmegefühl
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Verstopfung (Obstipation, insbesondere bei Phenylalkylaminen und Benzothiazepinen)
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Calciumantagonisten vom Phenylalkylamintyp und vom Benzothiazepintyp dürfen nicht oder nur unter äußerster Vorsicht gleichzeitig mit Betablockern verabreicht werden, da es zu lebensgefährlicher Verlangsamung des Herzschlags kommen kann (Bradykardie, AV-Block).
Die blutdrucksenkende Wirkung anderer Medikamente wird verstärkt.
Der Wirkspiegel vieler anderer Medikamente, die ebenfalls in der Leber abgebaut werden, kann beeinflusst werden.
Gegenanzeigen (Kontraindikationen)
- niedriger Blutdruck (Hypotonie)
- fortgeschrittene Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium IV)
- instabile Angina pectoris und akuter Herzinfarkt
- Schwangerschaft
- AV-Block II° und III° (Phenylalkylanmine, Benzothiazepine)
- WPW-Syndrom
Bedeutung, Vor- und Nachteile der Calciumantagonisten
Früher war Nifedipin ein sehr populäres Medikament zur Behandlung des hohen Blutdrucks. Es hat in seiner unretardierten Form diese Bedeutung jedoch weitgehend verloren, da die Wirkdauer zu kurz ist, es zu raschen bis lebensgefährlichen Blutdruckabfällen kommen kann und die Gegenregulationsmechanismen (z. B. Reflextachykardie) des Körpers insbesondere bei strukturellen Herzerkrankungen auch nicht in diesem Maße erwünscht sind.
Heutzutage werden überwiegend lang wirksame Calciumantagonisten gegen Bluthochdruck verwendet, die nur einmal täglich eingenommen werden müssen (Prototyp Amlodipin). In dieser Form haben die früher sehr populären und in den 90er Jahren dann geradezu verteufelten Calciumantagonisten in den letzten Jahren eine kleine Renaissance erlebt. Studien haben eine positive Wirkung insbesondere bei Patienten mit Nierenschäden durch die Zuckerkrankheit (diabetischer Nephropathie) gezeigt. Außerdem kann die Häufigkeit von Schlaganfällen bei älteren Menschen signifikant gesenkt werden, während bezüglich der Vorbeugung von Herzinfarkten andere Medikamente eindeutig überlegen sind (Betablocker, ACE-Hemmer).
Verapamil und Diltiazem werrden immer noch zur Behandlung des tachykarden Vorhofflimmerns eingesetzt, wenngleich ihre Bedeutung gegenüber Betablockern und Digitalispräparaten zurückgetreten ist. Auch in der Behandlung der chronischen koronaren Herzkrankheit (stabile Angina pectoris) sind die Calciumantagonisten von anderen Medikamenten (Betablockern, retadierten Nitratpräparaten und Molsidomin) weitgehend verdrängt worden.
Zugelassene Einzelsubstanzen
Phenylalkylamintyp:
- Verapamil (CH, D, z. B. Isoptin®)
- Gallopamil (D)
- Fendilin (D, nicht-selektiv)
Benzothiazepintyp:
- Diltiazem (CH, D, z. B. Dilzem®)
Dihydropyridintyp:
- Nitrendipin (CH, D, z. B. Bayotensin®)
- Felodipin (CH, D)
- Amlodipin (D, z. B. Norvasc®)
- Nifedipin (D, z. B. Adalat®)
- Lercanidipin (CH, D)
- Nimodipin (CH, D)
- Nicardipin (D)
- Lacidipin (CH, D)
- Isradipin (CH, D)
- Nisoldipin (D)
- Nilvadipin (D)
- Manidipin (D)
Literatur
- Deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruckes e. V.: Prävention, Erkennung, Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie, AWMF-Leitlinie 11/2003 (046/001)
Weblinks
http://info.multimedica.de/public/html/gufischer/KLF/PHFBI100F/0004/0002/PHFBI104FXXFF00207.html (http://leitlinien.net/)