Nitrox

Nitrox (zusammengesetzt aus Nitrogenium (N2) und Oxygenium (O2)) ist die Bezeichnung für ein Atemgasgemisch beim Tauchen.
Eigentlich bezeichnet dieser Name nur eine Mischung von Stickstoff und Sauerstoff, wie es auch normale Luft ist (78,07 % Stickstoff, 20,96 % Sauerstoff, 0,93 % Argon, 0,036 % Kohlendioxid). Im Sporttauchbereich versteht man aber unter diesem Begriff Atemgasgemische mit einem Sauerstoffanteil über 21 %. In der Regel liegt der Sauerstoffanteil zwischen 32 % und 40 %. Man spricht im Zusammenhang daher auch teilweise von Enriched Air (mit Sauerstoff angereicherte Luft) oder Enriched Air Nitrox (EAN / EANx).
Anwendungen
Der Vorteil beim Tauchen mit Nitrox ist, dass der Taucher durch den geringeren Partialdruck des Stickstoffs weniger davon in seinen Körperflüssigkeiten aufnimmt. Dadurch ist der Taucher einer geringeren N2-Narkosewirkung ausgesetzt und die Nullzeit verlängert sich entweder oder, wenn man mit Lufttabellen taucht, nimmt die Dekompressionszeit bzw. das Risiko eines Dekompressionsunfalls ab.
Jedoch ist die Zahl von Dekompressionsunfällen bereits so niedrig, dass es unwahrscheinlich ist, dass das bloße Verringern des Stickstoffs eine bedeutsame Steigerung der Sicherheit herbeiführt. Obwohl es hierüber keine experimentellen Studien gibt, deuten Schätzungen darauf hin, dass bei Verwendung von enriched air innerhalb der normalen Pressluft-Nullzeitgrenzen sich das Risiko nur um einen Bruchteil eines Prozents verringert, nämlich max. 0,001%, und daher keine praktische Relevanz hat.
O2 im technischen Tauchen
Im technischen Tauchen wird 100 % Sauerstoff für die Reduktion der Dekompressionszeit verwendet.
Mit der Reduktion des Stickstoffanteils im Atemgas wird der Stickstoffgradient zwischen Gewebe und Atemluft vergrößert, ohne eine weitere Aufsättigung. Wird reiner Sauerstoff geatmet, so ist das Stickstoffgefälle maximal, was einen sehr schnellen Abbau von Stickstoff aus dem Gewebe bewirkt. Dadurch verringern sich Dekompressionszeiten um 60 %.
Um die größtmögliche Sauerstoffausnutzung zu erreichen, werden die Dekozeiten der 6 m- und 3 m-Dekostufen zusammengezählt und auf 6 m (Sauerstoffpartialdruck von 1,6 bar) abgesessen (die Dekostufen auf 9 und 12 m werden mit Luft/Nitrox durchgeführt)
Tauchtiefen
maximale Tauchtiefe
Die maximale Tauchtiefe (Maximum Operating Depth, MOD) wird berechnet mit
Auf Meereshöhe entspricht dies einer Tiefe von
O2-Anteil Max. Tiefe bei
O2-Partialdruck
von 1,4 barMax. Tiefe bei
O2-Partialdruck
von 1,6 bar21 % (norm. Luft) 56,6 m 66,1 m 25 % 46,0 m 54,0 m 30 % 36,6 m 43,3 m 32 % (EAN32) 33,7 m 40,0 m 34 % 31,1 m 37,0 m 36 % (EAN36) 28,8 m 34,4 m 38 % 26,8 m 32,1 m 40 % (EAN40) 25,0 m 30,0 m 45 % 21,1 m 25,6 m 50 % 18,0 m 22,0 m 60 % 13,3 m 16,6 m 70 % 10,0 m 12,2 m 80 % 7,5 m 10,0 m 90 % 5,5 m 7,7 m 100 % 4,0 m 6,0 m
äquivalente Lufttiefe
Unter der äquivalenten Lufttiefe (Equivalent Air Depth, EAD) versteht man die Tiefe, in der der Sticksstoffteildruck normaler Pressluft dem des Nitrox-Gemisches entspricht. Da der Anteil von Stickstoff durch den erhöhten Sauerstoffanteil gegenüber normaler Pressluft reduziert ist, fällt die EAD (also ohne Nitrox) weniger tief aus als die Tauchtiefe mit Nitrox (vgl. Bsp. nächster Abschnitt).
Durch das Modell der EAD wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei der Verwendung von Nitrox-Gemischen der Taucher weniger stark mit Stickstoff aufsättigt wie bei dem selben Tauchgang mit Pressluft.
Für die Ermittlung der EAD bei bestimmten Nitrox-Gemischen können Tabellen verwendet werden, sie kann aber auch durch folgende einfache Formel berechnet werden:
Hat man keine Austauchtabelle für ein bestimmtes Nitrox-Gemisch zur Verfügung, so kann durch Verwendung der EAD statt der tatsächlichen Tauchtiefe in einer für Pressluft entwickelten Austauchtabelle nach dieser Tabelle ausgetaucht werden.
Beispiel
Es wird ein Tauchgang von 40 Minuten auf 27 Meter mit EAN38 (d. h. 38 % statt 21 % Sauerstoff im Atemgas) auf Meereshöhe geplant.
Die MOD vom EAN38 beträgt , der Tauchgang auf 27 Meter kann also durchgeführt werden.
Die äquivalente Lufttiefe beträgt .
Aus einer Austauch-Tabelle (bspw. von Albert Bühlmann) wird für 40 min auf 21 m eine Dekostufe von 2 Minuten auf 3 m vorgegeben.
Würde dieser Tauchgang mit Pressluft durchgeführt, so gibt diese Tabelle für 40 min auf 27 m folgende Dekompressionsstufen vor:
- 2 Minuten auf 6 Meter
- 13 Minuten auf 3 Meter
Die Dekompressionszeit bei EAN38 verkürzt sich also um 13 Minuten gegenüber der Verwendung von Pressluft beim gleichen Tauchgang.
Tieferes Tauchen
Zum Tauchen in größeren Tiefen werden Atemgasgemische aus Helium und Sauerstoff verwendet (Trimix, Heliox). Meist wird der Sauerstoffanteil dann sogar abgereichert und mehrere verschiedene Atemgase zum Wechseln mitgenommen. Siehe auch Technisches Tauchen.
Physiologie
Ein Nachteil des Tauchens mit Nitrox ist die abnehmende maximale Tauchtiefe (engl.: maximum operating depth, MOD) mit steigendem Sauerstoffanteil im Gemisch. Der Grund liegt darin, dass Sauerstoff ab einem bestimmten Partialdruck toxisch wirkt (ZNS-Vergiftung; Symptome: Krämpfe, Bewusstlosigkeit; Langzeitfolgen: Lungenschädigungen). Die Toleranz gegenüber der Sauerstoffvergiftung ist dabei individuell verschieden und von der Tagesverfassung abhängig.
Die verschiedenen Tauchsportverbände empfehlen beim Sporttauchen die Grenze von 1,5-1,7 bar Sauerstoffpartialdruck () nicht zu überschreiten. Unter optimalen Bedingungen werden maximal 1,6 bar, sonst 1,4 bar als maximaler empfohlen.
Das Überschreiten dieser Empfehlungen führt jedoch nicht zwangsläufig zu Unfällen. Da die Toleranz gegenüber einer Sauerstoffvergiftung individuell und zudem von der Tagesform abhängig ist, empfehlen die Tauchsportverbände allerdings die Grenzen mit Vorsicht zu nutzen und die Grenzen nicht immer auszureizen.
Der auch auftauchende Begriff der "Safe Air" (50% Sauerstoff) ist daher nicht korrekt, er vermittelt eventuell ein falsches Bild von Sicherheit.
In den Anfangszeiten dem technischen Tauchen zugeordnet, hat Nitrox als Atemgas mittlerweile auch Einzug in die Sporttaucherei gefunden
Symptome
Die Symptome einer Sauerstoffvergiftung unterliegen einer großen Bandbreite an Ausprägung und Intensität.
Folgende Warnsymptome können eine drohende Sauerstoffvergiftung ankündigen:
- Ängstlichkeit
- Schweißausbrüche
- Schluckauf
- Lufthunger
- Zucken im Gesicht
- Tunnelblick
- Blitz- und Flimmer-Empfindungen
- Schwindel
- veränderter Höreindruck
- Puls/Druckanstieg
Diese Warnsymptome können, müssen aber nicht auftreten.
Bei zu hohem Sauerstoffteildruck ( > 1,7 bar) können Krampfanfälle auftreten, welche epileptischen Anfällen gleichen. Diese Krampfanfälle hinterlassen in der Regel keine direkten Folgeschäden und enden spontan innerhalb 1-5 Minuten nach Normalisierung des Sauerstoffteildrucks ( = 0,21 bar). Danach folgt in der Regel eine Bewusstlosigkeit von 5-10 Minuten. Gelegentlich kommt es zu unkontrolliertem Stuhlgang. Große Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen sind zu erwarten.
Bei einem Sauerstoffkrampf während eines Tauchgangs besteht die Gefahr, den Atemregler aus dem Mund zu verlieren und/oder bei der anschließenden Bewusstlosigkeit zu ertrinken.
Ursachen der Sauerstoffvergiftung
Als Ursache für toxische Sauerstoffeffekte/Sauerstoffvergiftung gelten:
- Veränderung der Zellmebranen
- Veränderung von Schwefelwasserstoffverbindungen (Aminosäuren) in organischen Molekülen
- Blockierung der Synthese von Botenstoffen (Neurotransmitter)
Diese Ursachen sind jedoch noch nicht vollständig medizinisch untersucht und abschließend bewertet.
O2 Toleranz beim Taucher
Dinge welche die Toleranz eines Tauchers gegenüber erhöhtem reduzieren (anfälliger für die Sauerstoffvergiftung)
- Wasser/Luft-Änderung
- Umgebungstemperatur im Wasser (schnellere Auskühlung)
- Erhöhte Arbeitsleistung (höherer Luftkonsum)
- Erhöhtes in der Atemluft
- Repetitive O2-Belastung des Körpers
Weiter:
- Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose)
- Unterzuckerung im Blut (Hypoglykämie)
- Fieber
- Medikamente:
- Aspirin
- Steroide (Kortison)
- Vasodilatantien (Stugeron)
- Insulin
- Azetazolamid
- Katecholamine (Adrenalin)
- Hochdosiertes Penicillin
- Hochdosiertes Vitamin C
- Kokain
- viele weitere ...
Grundsätzlich gilt: Wer Medikamente nehmen muss, sollte die Tauchtauglichkeit mit dem Arzt abklären.
Atmung von reinem Sauerstoff
Bei atmosphärischem Druck (1 bar) führt die lange Atmung zu Veränderungen im Lungengewebe (Lorraine-Smith-Effekt):
- bei über 24 Stunden wird die Vitalkapazität auf 90 % des Ausgangswertes reduziert
- bei 30-48 Stunden wird die Dehnbarkeit der Lunge auf ca. 70 % reduziert
- reduziert den Atemgrenzwert (maximale Atemluftmenge)
- reduziert die Diffusionskapazität zwischen Lunge und Blut
- verändert die Oberflächenspannung der Alveolen (Lungenbläschen)
- führt bei längerer Einwirkung zu Veränderungen im Lungengewebe
Das Atmen von reinem Sauerstoff ist nach einem Dekounfall dringend empfohlen, die beschriebenen Gefahren treten erst nach sehr langem Konsum auf und sind daher beim normalen Tauchen nicht von Bedeutung.
Tauchausrüstung
Aufgrund der hohen Reaktivität von Sauerstoff wird eine speziell dafür ausgelegte Tauchausrüstung für Nitrox-Tauchgänge empfohlen. In Deutschland regelt eine Verordnung, dass jegliches Atemgemisch mit einem erhöhten Sauerstoffanteil (im Vergleich zur normalen Atemluft) wie reiner Sauerstoff zu behandeln ist. So sind für Taucher in Deutschland spezielle Ausrüstungsgegenstände vorgeschrieben. In vielen anderen Ländern hingegen darf man mit einer Mischung bis 40% O2 mit Pressluftausrüstung Nitrox-Tauchgänge durchführen.
Lungenautomaten
Lungenautomaten (erste und zweite Stufe), welche mit Atemgasen mit einem Sauerstoffanteil von mehr als 21 % verwendet werden, müssen sauerstoffrein gemacht oder bereits so hergestellt worden sein. Darunter versteht man die Verwendung von speziellen Schmiermitteln (umgangssprachlich Sauerstofffett) sowie speziellen für den erhöhten Sauerstoffanteil geeigneten O-Ringen.
Zudem ist in Deutschland ein spezielles Nitroxgewinde am Automat vorgeschrieben: M26x2 (anstelle von G5/8" bei Pressluft).
Die gängigsten Hersteller von Lungenautomaten bieten entweder direkt ab Werk Nitroxversionen einiger Modelle an oder aber Umrüstbausätze, die geeignete O-Ringe sowie Schmiermittel enthalten.
Nitrox-Flasche
Bei vielen Nitrox-Füllanlagen wird nach dem Partialdruckverfahren gefüllt. Dies bedeutet, dass in die leere Flasche zuerst reiner Sauerstoff bis zu einem gewissen Druck gefüllt und anschließend mit normaler Pressluft der Solldruck der Flasche hergestellt wird (meist 200 bar, „auftoppen“).
Aufgrund der entstehenden Verwirbelungen und Reibungen beim Füllen mit reinem Sauerstoff ist es wichtig, dass Nitrox-Tauchflaschen ebenfalls sauerstoffrein sind. Es sollten keine normale Pressluftflaschen verwendet werden, die eventuell ungeeignete Schmiermittel in den Ventilen oder Verunreinigungen aufweisen. In solchen fällen kann es zu einer Selbstentzündung der Schmiermittel oder Verunreinigungen kommen, die Aufgrund der beinahe reinen Sauerstoffumgebungen zu heftigen Explosionen führen kann.
Derart gereinigte Flaschen sollten nur an speziellen Nitrox-Füllanlagen und nicht an gewöhnlichen Pressluftfüllstationen befüllt werden. In Nitrox-Füllstationen ist gewährleistet, dass durch die Verwendung sauerstoffreiner Elemente in der Anlage das Atemgemisch selbst den Anforderungen entspricht und keine Verunreinigungen einbringt. Speziell einigen Tauchbasen an hoch frequentierten Tauchplätzen wird nachgesagt, die Wartung der regulären Pressluftstationen nicht ordnungsgemäß durch zu führen, so dass diese dann Schmutzpartikel in die hochreinen Flaschen einbringen würden. Diese Flaschen sind dann nicht mehr für Nitrox Füllungen geeignet, bis sie wieder komplett gereinigt wurden.
Sauerstoffflaschen waren nach alter Vorschrift (gültig bis 1. Juni 2006) ganzheitlich blau, und die Bezeichnung „Sauerstoff“ musste eingestanzt sein. Nach der neuen Form ist der Behälter durchgehend weiß; während der Dauer der Umstellung ist er mit zwei "N" (diametral versetzt) gekennzeichnet.
Flaschenventile
Für Flaschenventile in der Schweiz ist ein G3/4" - Gewinde vorgeschrieben, was es unmöglich machen sollte, Erste Stufen für normale Luft mit eine Nitrox-Flasche zu kombinieren.
In Deutschland sind M26x2-Ventile für Flaschen mit erhöhtem Sauerstoffanteil vorgeschrieben.
Revision durch Fachpersonal
Nitrox-Ausrüstung sollte nur durch Fachhändler durch geführt werden. Dieser sollte mit der Pflege und Wartung von sauerstoffreiner Ausrüstung vertraut sein und die entsprechenden Apparate verfügen.
Die Ausrüstung wird zerlegt und im Ultraschallbad gereinigt und anschließend mit speziellen Chemikalien behandelt. Geschmierte Teile müssen mit speziellem, sauerstoffbeständigem Fett eingefettet werden.
Weblinks
- 3mix.at Infos zum "TEC-Tauchen" und zur sog. "DIR-Konfiguration"
- ntvev Kurzübersicht Nitrox
- weitere Infos und Onlinerechner