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Abbasiden-Kalifat

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Die Dynastie der Abbasiden löste 750 die Umayyaden in der Regierung des Kalifats ab. Sie wurden wie die Umayyaden und später die Osmanen, von fast allen Sunniten anerkannt.


Gründe des Dynastiewechsels

Die abbasidischen Kalifen kamen durch eine Bewegung an die Macht, die sich gegen die damals von vielen Muslimen als zu weltlich angesehenen Umayyaden richtete. Diese repräsentierten eher die alte mekkanische Aristokratie. Deshalb wird der Übergang von den Umayyaden zu den Abbasiden von vielen Wissenschaftlern als "konservativer Revolution" beziehungsweise "abbasidischen Revolution" angesehen. Es ist Konsens, dass mit Beginn der abbasidischen Herrschaft nicht nur ein Dynastiewechsel stattgefunden hat, sondern auch eine Reihe weiterer Veränderungen.

Abu Muslim, ein zum Islam übergetretener Perser begann 747 in Merw/Chorassan einen Aufstand und ließ Abu 'l-Abbâs (as-Saffah), einen angeblichen Nachkommen des Onkels des Propheten Muhammad zum neuen Kalifen ausrufen. Zulauf erhielten die Aufständischen vor allem aus der zum Islam übergetretenen persischen Bevölkerung, die mit der Herrschaft des arabischen Adels unzufrieden waren. Im Vergleich zu den Arabern wurden die persischen Muslime als Bürger zweiter Klasse behandelt, verfügten aber über großen Einfluss in Wirtschaft und Verwaltung und unterhielten zudem Kontakte zu den Schiiten, der Partei Alis. 750 brachen die Abbasiden in der Schlacht vom Großen Zab in Nordirak den letzten Widerstand der Umayyaden unter Kalif Marwan II..

Ein einziger Umayyaden-Prinz entkam nach Spanien/Andalusien, wo er 756 als Abd ur-Rahman I. das Emirat von Cordoba gründete. Auch wenn Andalusien verloren ging, konnten die Abbasiden 751 in der Schlacht am Talas das gerade erst erworbene Transoxanien gegen die Chinesen behaupten.

Konsolidierung der Macht

Abu 'l-Abbâs as-Saffah starb 754. Sein Bruder und Nachfolger Abu Dschafar al-Mansur, den viele als den eigentlichen Gründer der abbasidische Dynastie ansehen, ließ Abu Muslim 755 hinrichten und organisierte den Staat als persisches Großreich. Im Gegensatz zu den Umayyaden stützten sich die Abbasiden bei ihrer Herrschaft vor allem auf Iraner und später auf die Türken. In vier Jahren ließ er bis 762 Bagdad erbauen und machte es aufgrund seiner günstigen Lage zur Hauptstadt. Die Verwaltung wurde sparsam und effektiv organisiert, vollkommen in der Hand des Kalifen zentralisiert und durch ein Spitzelsystem abgesichert. Eine Rebellion der Schiiten im Hedschas wurde (762 - 763) unterdrückt.

Höhepunkt der Macht - Blütezeit des Islam

Al-Mansurs Nachfolger al-Mahdi (775-785) begann mit dem Aufbau eines prachtvollen Hofstaates. In der Verschwendung der Staatsgelder zu Zwecken der Repräsentation wurden die Umayyaden von Al-Mahdi bald bei weitem übertroffen.

Unter Harun ar-Raschid (786-809) erreichte die von seinen Vorgängern eingeleitete Entwicklung ihren Höhepunkt. Als Kalif war er zwar nur mittelmäßig, doch sicherte das Wesirat der Barmakiden die Stabilität des Reiches. Dennoch ging nach dem Verlust von Andalusien(756) auch die Kontrolle über den Maghreb verloren als Idrisiden, Rustamiden und Aghlabiden vom Kalifat die Unabhängigkeit erlangten.

rotz dieser Gebietsverluste profitierte das Reich im 8. und 9. Jahrhundert von einer einzigartigen wirtschaftlichen Expansion, die zur Entwicklung einer blühenden Stadtkultur führte. Menschen aller Berufe siedelten sich in den neuen Wirtschaftszentren an, die Wohlhabenden und die Regierung wurden von einem Spekulationsfieber erfasst. Diesem folgte ein Baufieber welches zur Errichtung neuer Paläste, Märkte und Wohnviertel führte.

Hinzu kam der Handel, der von einer gemeinsamen Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit profitierte. Warenströme mit ungeheuren Gewinnen, begleitet von Bankgeschäften kennzeichneten diese Zeit. Selbst ein durchschnittlicher Stoffhändler konnte bis zu 1000 Dinar Erbe hinterlassen. Außerdem konnten Kaufleute damals nach ihrer Selbsteinschätzung Steuern bezahlten, also viel zu wenig.

Die Landwirtschaft stabilisierte sich in dieser Zeit durch die Erschließung neuer Landstriche mit Hilfe von Bewässerungsanlagen, der Trockenlegungen von Sümpfen und dem nachfolgenden Anbau von Produkten wie Zuckerrohr, Datteln, Orangen und Baumwolle.

Die blühende Stadtkultur führte aber zu sozialen Problemen in der muslimischen Gesellschaft. Irgendwer musste das Geld erarbeiten, welches die wirtschaftliche Expansion ankurbelte. Das Problem blieb an den Bauern hängen. Die Steuerpächter setzten die Steuern gern willkürlich fest, die ihnen noch dazu im Voraus bezahlt werden mussten. Viele Steuerpächter machten mit Kaufleuten, welche die Ernten aufkauften, gemeinsame Sache: den Bauern wurde viel zu wenig bezahlt und der Gewinn dann geteilt. Die Regierung in Bagdad setzte solche Leute bei Beschwerden sofort ab, aber das reichte nicht aus, denn Bagdad war fern.

Diese Überspannung des Steuersystems hatte die Verschuldung der Bauern zur Folge. Es kam zur Landflucht und zu religiös-sozial geprägten Unruhen (Nordafrika 767 ff., Ägypten 789, 793, Syrien -796, Tabaristan unter dem Aliden Yahya bis 792, Chorassan unter al-Muqanna bis 796, in Aserbaidschan, Sistan und Kirman). Die Unruhen waren für die Truppen des Kalifen nur schwer niederzuschlagen, da alle wichtigen Entscheidungen in Bagdad getroffen werden mussten.

Nach dem Tod Haruns 809 wurde die Macht unter den Brüdern Al-Amin (in Bagdad) und al-Ma'mun (in Merw) geteilt. Aber schon 810 kam es zwischen den beiden zum Waffengang, den Al-Ma'mun 813 für sich entschied. Er zog allerdings erst 819 wieder in Bagdad ein und wurde bis zu seinem Tod 833 hauptsächlich durch seine Förderung der Wissenschaft berühmt. Damals übernahmen die Araber das wissenschaftliche Erbe der Römer und Griechen und entwickelten dieses weiter. Um 830 gründet al-Ma'mun zu diesem Zweck das Haus der Weisheit (bayt al-hikma), das die sunnitische Reaktion seines Nachfolgers al-Mutawakkil (847861) allerdings nicht überstand.

Auch diese Zeit war von Aufständen begleitet (813 in Bagdad, in Aserbaidschan unter Babak (816-837) und in Tabaristan 840).

Niedergang der Macht

Nach al-Ma'mun regierte sein Bruder al-Mutasim (833-842). Zwei Verschwörungen bewogen ihn 836 zum Bau einer neuen Hauptstadt Samarra und zur Aufstellung einer türkischen Leibgarde. In der Folgezeit waren die Kalifen in Samarra von dieser Garde (vergleiche Mamlukken) vollständig abhängig. Schon Mu'tasims Nachfolger al-Mutawakkil wurde 861 von ihr auf Anstiftung seines eigenen Sohnes ermordet.

Nun wechselten sich in ähnlichen Revolten ständig machtlose Kalifen ab. Ein Kalif flüchtete nach Bagdad und wurde dort 866 belagert und hingerichtet.

Dazu kam das innere Auseinanderbrechen des Reiches. Die Armee verbrauchte die Hälfte der Staatseinnahmen und verlangte sichere Geldquellen, woraufhin schon Ma'mun mit einer persönlichen Lehenvergabe an seinen verdienten General Tahir (in Chorassan) begonnen hatte. In der Folgezeit wurde es üblich, solche Lehen (iqta) an türkische Militärführer zu vergeben, die bald als unabhängige Landesfürsten regierten.

Ende der tatsächlichen Macht

So erkannten Machthaber wie die Tahiriden in Chorassan, die Saffariden in Sistan und die Tuluniden in Ägypten den Kalifen nur noch nominell auf Münzen und im Freitagsgebet als Herrscher an und betrieben ihre eigene Politik. Um 900 regierten die Kalifen gerade noch den Irak, den westlichen Iran, Syrien und zeitweise Ägypten. 945 übernahmen die aus dem Iran stammenden Buyiden die Macht in Bagdad, 1055 die Seldschuken unter Tughrul Beg. Erst Mitte des 12. Jahrhunderts konnten die Kalifen Al-Muqtafi (1136-1160) und an-Nasir (1180-1225) ihre Autorität wieder herstellen, zu einem Zeitpunkt, als die Mongolen ihr Weltreich errichteten.

Nach dem Fall und der Verwüstung Bagdads 1258 durch Hülägü, erlosch das Kalifat zunächst. Allerdings kam ein Abbasiden-Prinz nach Ägypten, wo Baibars das Kalifat unter der Vorherrschaft der Mamelucken, wenn auch nur äußerlich, wieder errichtete. Die Nachkommen dieses Abbasiden amtierten bis 1543. Das Kalifat ging jedoch 1517 offiziell auf die Osmanen über.