Tauberbischofsheimer Altar
Tafeln des Tauberbischofsheimer Altars | |
---|---|
![]() |
![]() |
Kreuzigung | Kreuztragung |
Der sogenannte Tauberbischofsheimer Altar (früher auch als Karlsruher Altar oder Karlsruher Tafeln bezeichnet) ist ein zwischen 1523 und 1525 entstandenes Spätwerk des als Matthias Grünewald benannten Malers Mathis Gothart Nithart. Die ersten Nachweise des Werkes stammen aus dem 18. Jahrhundert, als sich der Altar noch in der Stadtkirche in Tauberbischofsheim befand; sein ursprünglicher Aufstellungsort und Auftraggeber sind nicht sicher nachzuweisen. Die heute getrennt ausgestellten Tafeln des Altars – die Darstellung der Kreuzigung Christi und der Kreuztragung – waren ursprünglich als umgehbarer Altarretabel auf zwei Seiten einer 196 cm hohen und 152 cm breiten Holztafel gemalt. Um die übliche Aufstellung in einer Galerie zu ermöglichen, wurde die Tafel bei ersten Restaurierungsarbeiten 1883 gespalten.
Das Werk befindet sich seit 1900 im Besitz der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.
Der Tauberbischofsheimer Altar gilt nicht nur in maltechnischer Hinsicht als Höhepunkt im Werk Grünewalds. Auch die Klarheit des formalen Aufbaus und der Verzicht auf damals übliche ikonographische Symbole zugunsten einer expressiven Darstellung, lässt diese Malerei weit aus der Tradition des Spätmittelalters hinausragen.
Entstehung und Geschichte
Datierung
Aufstellungsort in Tauberbischofsheim

Von Tauberbischofsheim nach Karlsruhe

Im Jahre 1873 wurde die Kreuzigung, die sich noch in einem barocken Altaraufsatz von 1761 befand, von dem ortsansässigen Fotografen Joseph Heer und dem Vergolder Franz Stark fotografiert und weitere Recherchen zu Herkunft und Urheber angestrengt. Nach Vorlage der Aufnahmen durch Hans Thoma schrieb der Kunsthistoriker Oskar Eisenmann das Werk noch im gleichen Jahr Grünewald zu. Aufgrund des sehr schlechten Erhaltungszustandes entfernte der Stadtpfarrer die Tafel 1875 aus der Kirche und überliess sie Franz Stark als Ausgleich für geleistete Vergoldungsarbeiten. [1]
Eisenmann, der 1877 die Tafel in Tauberbischofsheim begutachtet hatte und eine Stelle als erster Direktor der neuerbauten Bildergalerie in Kassel antrat, wies den deutsch-amerikanischen Kunstsammler Edward Habich auf die Tafel hin. Dieser erwarb die Tafel 1883 von Stark und übergab sie dem Münchner Restaurator Alois Hauser jun., der die Spaltung und erste Sicherungsarbeiten durchführte. Habich überliess das nun aus zwei Tafeln bestehende Werk der Kasseler Galerie als Dauerleihgabe. Hier erregten sie ein außerordentliches öffentliches Interesse als „Hauptzierde der Altdeutschen der Habich-Sammlung“ [2], war doch die Wiederentdeckung der „Altdeutschen Meister“ und Grünewalds im Besonderen eine in der Kunstrezeption wichtige Strömung nach Gründung des Kaiserreiches.
Doch die Eigentumsverhältnisse waren ungeklärt, da die Tafel unrechtmäßig in den Besitz Starks gelangte und somit Habich die Eigentümerschaft nicht legal erworben hatte. Nach Intervention des katholischen Stiftungsrates in Tauberbischofsheim wurden die Tafeln 1889 wieder nach Tauberbischofsheim verbracht, um dort erneut in der Kirche aufgestellt zu werden. Hier litten sie erheblich unter den schlechten klimatischen Verhältnissen, so dass man sie schließlich im Pfarrhaus aufbewahrte, wo sie jedoch weiterhin verfielen. Nach langen Verhandlungen und den Bemühungen des Karlsruher Kunsthistorikers Adolf von Oechelhäuser zur Rettung der Tafeln, gelangten sie 1899 in die Großherzogliche Kunsthalle in Karlsruhe. Ihr Direktor Hans Thoma erwarb am 6. Juni 1900 mit Zustimmung des Erzbischofs von Freiburg Dr. Thomas Nörber das Werk für das Großherzogtum Baden. Die Kaufsumme von 40.000 Mark wurde 1910 zum Abriss und Neubau der Tauberbischofsheimer Stadtkirche verwendet. In der neuen Stadtkirche St. Martin befindet sich seit 1926 eine von Josef Ziegler angefertigte Kopie der „Kreuzigung“ im barocken Altaraufsatz von 1761. Eine Kopie der „Kreuztragung“ von Matthias Hickel wurde 1985 vollendet und ist im Tauberfränkischen Landschaftsmuseum in Tauberbischofsheim ausgestellt.
Material und Restaurierungszustand

Die gespaltenen Holztafeln des Altars bestehen aus 13 einzelnen Tannenholzbrettern mit einer variablen Breite von 6,5 bis 13,5 cm. Diese sind ohne stabilisierende Einfügung von Gewebe auf Stoß verleimt. [3] Die äußeren Bretter sind auffallend schmal, so dass dies ein Indiz für eine spätere seitliche Beschneidung der Holztafel noch vor der Restaurierung 1883 sein könnte. Die ursprüngliche Dicke der Tafel ist nicht mehr bestimmbar, da die Hälften nach der Spaltung ausgedünnt und zur Stabilisierung auf ein rückseitiges Holzgitter aufgebracht wurden. Die derzeitige Dicke des Bildträgers beträgt 2 mm und verhindert somit Rissbildungen durch Feuchtigkeitsunterschiede und Verziehung des Holzes. Eine mögliche Dübelung der Holzbretter und die in den Quellen des 18. Jahrhunderts erwähnten Zapfen zur Drehung der Tafel, sind bei der Ausdünnung möglicherweise verloren gegangen.
Quellen
Literatur
- Heinrich Feurstein: Matthias Grünewald, Bonn 1930
- Walther Karl Zülch: Der historische Grünewald, München (Bruckmann) 1938
- Kurt Martin: Grünewalds Kreuzigung der Karlsruher Galerie in der Beschreibung von Joris-Karl Huysmans, Mainz (Verlag Florian Kupferberg) 1947
- Christian Müller: Grünewalds Werke in Karlsruhe (Hg. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe), Karlsruhe 1984
- Karl Arndt und Bernd Möller: Die Bücher und letzten Bilder Mathis Gotharts des sogenannten Grünewald. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, I. Philologisch-Historische Klasse, Nr. 5 (2002) ISSN 0065-5287
- Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.): Grünewald und seine Zeit (anlässlich der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg). Katalogredaktion: Jessica Mack-Andrick et al., München, Berlin: Dt. Kunstverl., 2007 ISBN 978-3-925212-71-0
- Dietmar Lüdke: Die „Kreuzigung“ des Tauberbischofsheimer Altars im Kontext der Bildtradition. In: Grünewald und seine Zeit, 2007, S. 209 – 240
- Jessica Mack-Andrick: Die „Kreuztragung“ des Tauberbischofsheimer Altars als Beispiel andachtsfördernder Bildstrategien. In: Grünewald und seine Zeit, 2007, S. 241 – 272
- Jessica Mack-Andrick: Von beiden Seiten betrachtet – Überlegungen zum Tauberbischofsheimer Altar. In: Grünewald und seine Zeit, 2007, S. 68 – 77
Einzelnachweise
- ↑ Ausführlich zum Besitzwechsel des Altares von 1875 bis 1900: Ewald Maria Vetter: Der verkaufte Grünewald. Tauberbischofsheimer Trilogie. In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg (1987), Band 24, S. 69-117
- ↑ Oskar Eisenmann: Die Sammlung Habich. In: Zeitschrift für Bildende Kunst, Neue Folge, Band 3 (1892) S. 136
- ↑ Die aktuellen Untersuchungsergebnisse zum Material sind entnommen aus: Karin Achenbach-Stolz: Die „Kreuztragung“ von Matthias Grünewald aus restauratorischer Sicht. In: Grünewald und seine Zeit, 2007, S. 104 – 115