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Stier (Mythologie)

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Minoischer Stier

Der Stier spielt in der Mythologie verschiedener Völker eine Rolle.

Europäische Mythologien

Erste Stierdarstellungen finden sich in der Steinzeit zum Beispiel in der Höhle von Lascaux.

Der Stier ist in der europäischen Mythologie ist später in zweierlei Hinsicht relevant. Zum einen steht er für Zeugungskraft und damit als Zeichen der Fruchtbarkeit. Zum anderen für die allgewaltige Kraft der Drehbewegung des Himmels.

In der Vereinigung beider Charakteristika ist der kretisch-minoische Stierkult zu sehen. Dort taucht der Stier auch in Verbindung mit der Doppelaxt auf. Die Doppelaxt ist ihrerseits eine Symbolik der Sonne-Mond-Bewegungen am Himmel. Wenn bspw. im mykenischen Schachtgrab IV ein Gefäß in Stierkopfform gefunden wurde, dem eine Doppelaxt zwischen den Hörnern aus dem sonnenverzierten Schädel ragt, so versteht sich das als Gleichnis für den mit der Weltenachse verwachsenen Himmelsstier, der um diese in stoisch kreisendem Lauf das Himmelsjoch zieht. (Vergl. auch Gordischer Knoten).

Skulptur von Paul Mersmann am Berliner Alboinplatz in Anlehnung an eine Sage um die germanische Totengöttin Hel

Fast identische Bezüge lassen sich bei Menschen- und Rinderbestattungen nördlich der Alpen annehmen. Wiederholt wurden dabei Rinderpaare gebettet, die zuweilen mit Sonnenmotiven dekoriert waren, etwa in der neolithischen Kugelamphoren-Kultur oder der Havelländischen Kultur. Nicht zuletzt zeigen sich Parallelen bei den Rindergravierungen am Züschener und Warburger Steinkammergrab der Wartberggruppe im heutigen mittleren Deutschland. Insbesondere die Rinderdarstellungen im Warburger Steinkammergrab neben zeitrelevanten Zeichen lassen astronomisch-kalendarische Hintergründe auch beim Totenkult erkennen.

Schließlich sind gerade in den vorbezeichneten neolithischen Kulturen des heutigen mitteleuropäischen Raumes auch Schmuckstücke in Form von Doppeläxten weit verbreitet. Ob sich allerdings die neolithische Kulttradition jenseits der Alpen mit den mediterranen, bronzezeitlichen Entwicklungsständen vergleichen lassen muss oder umgekehrt, ist unklar. Die hohe Güte der kretisch-minoischen Kulturzeugnisse muss nicht zwangsläufig mit früher entwickelten oder geistig höher entwickelten Kult- oder Himmelsvorstellungen einhergehen.

Aus Kleinasien stammend breitete sich im römischen Reich der Mithraismus aus. Nach der mithräischen Mythologie hat der Gott Mithras einen Stier verfolgt, eingefangen und auf seinen Schultern in eine Höhle getragen, wo er ihn zur Erneuerung der Welt opfert. Aus dem Blut und Samen des Stiers regenerieren sich die Erde und alles Leben.

Orientalische Mythologie

Kujata ist ein Stiergott auf dessen Rücken sich ein riesiger Rubin befindet, auf dem ein Engel steht, der die Erde hält.

Der Schutz des Rindes gehört zu den grundlegenden Kennzeichen des Hinduismus. Dyaus Pita und Prithivi Mata (Mutter Erde), das älteste Götterpaar der Veden, sind versinnbildlicht durch Stier und Kuh. Die Kuh genießt als lebendiges Tier Verehrung, während der Stier in der hinduistischen Inkonographie als Begleittier mehrerer Gottheiten, wie etwa bei Yama, dem Herrn des Todes und der Rechtschaffenheit, eine große Rolle spielt. Im Kampf der Göttin Durga verkörpert der Stier das durch sie überwundene Übel.

Als Shivas Buckelstier Nandi (Religion) erscheint seine Bedeutung gegensätzlich, ist er einerseits der inbünstige Verehrer Shivas und Verkörperung seiner schöpferischen Aspekte, verkörpert er andererseits wie Shiva Vergänglichkeit und Zerstörung. Die Mythologie nennt Kashyapa als Nandis Vater, der identisch ist mit dem Schöpfergott in Schildkrötengestalt, Prajapati. Als Mutter gilt Subrabhi, "Ur-Kuh" und Wunscherfüllerin. Nandi ist Dharmadevata - Herr des Dharma, Verkörperung des ewigen Gesetzes.

Literatur

  • Annika Backe: Die Stiere des Zeus. Stier und Mythos im antiken Griechenland. KulturKommunikation, Uplengen/Remels 2006
  • Günther Kehnscherper: Kreta, Mykene, Santorin. Urania-Verlag, Leipzig 1973