Akademie für Jugendführung
Akademie für Jugendführung, auch Akademie für Deutsche Jugendführung war die Bezeichnung der höchsten nationalsozialistischen Schulungseinrichtung zur Ausbildung des hauptamtlichen Führungnachwuchses für die Hitlerjugend (HJ) im Dritten Reich. Sie wurde zwischen 1937 und 1939 in Braunschweig errichtet.
Konzeption und Geschichte
Der Entschluss zur Gründung der Akademie für Jugendführung war in dem Willen der nationalsozialistischen Machthaber begründet, die höhere Führungsebene der Hitlerjugend mit einem geschulten „Führerkorps“ von berufsmäßigen „Jugendführern“ im Alter zwischen 23 und 35 Jahren zu besetzen, die Nachwuchsgewinnung zu institutionalisieren und die Laufbahn in der HJ zu einer hauptberuflichen Karriere zu entwickeln. Die Akademie sollte damit an der Spitze eines Schulungssystems der HJ stehen, das mit „Reichsführerschulen“, „Reichsführerlagern“ und einem „Führerschulungswerk“ in den Jahren nach 1933 aufgebaut wurde.
Die „Ausbildungsordnung für das Führerkorps“ wurde am 18. Februar 1938 erlassen. Die einjährige Ausbildung an der Akademie sollte „sämtliche im Bereich der Jugendführung liegenden Aufgaben“ abdecken. [1] Sie umfasste neben sportlicher Ertüchtigung alle Wissensgebiete des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens sowie der Naturwissenschaften, freilich ausschließlich im Blick auf ihre propagandistische und erzieherische Nutzanwendung im Dienste der nationalsozialistischen Ideologie: Biologie als Vererbungslehre und „Rassenhygiene“, Politik als „Führungslehre“ zum "wahrhaft politischen Führertum" [2], Geschichte aus dem Blickwinkel des "völkischen Staates" und so fort. Um den Absolventen andererseits ein auch international angemessenes Auftreten zu vermitteln, standen zudem Fremdsprachen und Tanzkurse auf dem Lehrplan.
Bewerber mussten Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen. Vor dem Eintritt in die Akademie, mit der eine Verpflichtung zu zwölf Jahren Dienst in der HJ einherging, hatte der Führeranwärter vier Monate in einer HJ-Gebietsführung tätig zu sein und einen achtwöchigen Lehrgang an der Reichsführerschule in Potsdam zu belegen. Nach dem Jahr an der Akademie musste er drei Wochen in der Industrie arbeiten und ein halbes Jahr im Ausland verbringen, bevor er sich zur Abschlussprüfung melden durfte. Legte er sie erfolgreich ab, sollte dem Akademie-Schüler das so genannte „Jugendführer-Patent“ mit einem „Führerdolch“ ausgehändigt werden und er als „Bannführer“ in den hauptamtlichen Dienst der HJ berufen werden. Nach der Ableistung der zwölf Jahre war ein Wechsel in den Partei- oder Staatsdienst oder in die Wirtschaft avisiert.
Allerdings ist dieses Ausbildungskonzept nie vollständig in die Praxis umgesetzt worden: Vier Wochen, nachdem die Akademie am 2. August 1939 mit dem ersten Lehrgang von 87 Schülern feierlich eröffnet worden war, begann mit dem deutschen Angriff auf Polen der Zweiten Weltkrieg. Fast alle Schüler und Dozenten erhielten Einberufungsbefehle, der Lehrbetrieb kam rasch zum Erliegen.
Zwischen 1940 und 1942 nutzte die leerstehenden Räume der Bund Deutscher Mädel (BDM), zunächst für Lehrgänge des BDM-Werks „Glaube und Schönheit“, später für solche des BDM-Führerinnennachwuchses. Analog zur Akademie für Jugendführung hatte 1938 zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel im Lechlumer Holz die Errichtung einer „Reichsführerinnenschule des BDM bei Braunschweig“ begonnen, die aber über die Grundmauern nicht hinauskam.
1942 beschlagnahmte die Wehrmacht die Gebäude und nutzte sie als Lazarett. Nachdem Reichsjugendführer Baldur von Schirach den dringenden Wunsch nach einer Freigabe der Akademie geäußert hatte, wurden im November 1942 provisorisch Fünfmonatslehrgänge aufgenommen werden. Schüler waren jetzt kriegsversehrte ehemalige HJ-Führer. der Lehrbetrieb dauerte bis Anfang April 1945, etwa zwei Wochen vor dem Eintreffen der amerikanischen Truppen.
Bau
Der Entwurf sah für die Gesamtanlage eine funktionale Dreiteilung in Lehr-, Wohn- und Sportbezirk vor. Die Bauten für die Akademie wurden in den Jahren 1937 bis 1939 nach Entwürfen des Architekten Erich zu Putlitz in einer Parkanlage nahe Schloss Richmond vor den Toren Braunschweigs errichtet. Die Stadt erwarb das Gelände vom Herzogshaus, schenkte es der NSDAP und trug auch die Baukosten. Dies und die Tatsache, dass der stellvertretende Reichsjugendführer, Stabsleiter Hartmann Lauterbacher, die Drogistenschule in Braunschweig besucht hatte, mag dazu beigetragen haben, dass bei der Standortfrage die Wahl auf Braunschweig fiel. Hitler hatte zunächst München vorgeschlagen, im Gespräch war auch das Schloss Schleißheim.
Die Akademie bestand aus einem durch zwei Baukörper axial gegliederte Haupthaus: Hörsaal und Bibliothek, Lese- und Verwaltungsräume schlossen sich links und rechts an eine offene, durch vier Säulen gegliederte „Ehrenhalle“ mit Skulpturen und Namenstafeln für die Angehörigen der so genannten „Unsterbliche Gefolgschaft“ der HJ an. Die Unterrichtsräume beherbergte ein zweiter, im rechten Winkel angesetzter Baukörper, vor dem sich ein von fünf „Studentenhäusern“ für die Akademie-Schüler umfriedeter Appellplatz erstreckt.
Der Bau geplanter weitläufiger Sportanlagen kam während des Kriegs zum Erliegen. Fertiggestellt wurde lediglich in der Nachkriegszeit das heute noch genutzte Kennel-Freibad.
Die Akademie-Bauten überstanden den Bombenkrieg fast unbeschädigt. Seit 1949 ist im Haupthaus das Braunschweig-Kolleg für Erwachsenenbildung untergebracht, zwischenzeitlich hatte zudem die Deutsche Müllerschule dort ihr Domizil. Die „Studentenhäuser“ wurden zu Wohnungen für bis zu 45 Kollegiaten umgebaut.
Der Komplex steht heute unter Denkmalschutz. Viele bauliche Details sind erhalten; wiederhergestellt ist das 1941 fertiggestellte und nach dem Krieg übermalte Deckenfresko des Hörsaals von Hermann Wilhelm Berger. Es zeigt eine Darstellung von Sternbildern und Figuren aus der griechischen Mythologie sowie den altrömischen Gott Jupiter als Herrn des Himmels, sämtlich allerdings im Stile pseudogermanischer Heldenmystik ausgeführt.
Literatur
- Bültemann, Manfred, Architektur für das Dritte Reich. Die Akademie für Deutsche Jugendführung in Braunschweig, Berlin 1986
- Jürgen Schultz: Die Akademie der Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig, in: Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek, Band 15 / Der ganzen Reihe Band 55, Braunschweig 1978
- Bernhild Vögel: … und in Braunschweig? Materialien und Tips zur Stadterkundung 1930-1945, 2. aktualisierte Auflage, herausgegeben vom Jugendring Braunschweig, Braunschweig 1996
Einzelnachweise
- ↑ Amtliches Nachrichtenblatt des Jugendführers des Deutschen ReichsVI/4 vom 4. Februar 1938, S. 61 ff.; zitiert nach: Schultz, Jürgen, Die Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig, Braunschweiger Werkstücke 55, Braunschweig 1978, 31.
- ↑ Stünke, Hein, Die Akademie für Jugendführung, in: Westermanns Monatshefte, Juli 1944, S. 431; zit. nach Bültemann, Manfred, Architektur für das Dritte Reich. Die Akademie für Deutsche Jugendführung in Braunschweig, Berlin 1986, S. 60