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Senfölglycoside

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Allgemeine Strukturformel der Senfölglykoside (Glucosinolate).

Die Senfölglykoside, auch Glucosinolate, gehören zur Stoffgruppe der Glykoside. Da das Aglykon über ein Schwefelatom an den Zuckerteil (Glykon) gebunden ist, spricht man genauer von einem Thioglykosid.

Senfölglykoside sind schwefel- und stickstoffhaltige chemische Verbindungen, die aus Aminosäuren gebildet werden. Diese sekundären Pflanzenstoffe geben Gemüse wie Rettich, Senf, Kresse und Kohl den etwas bitteren Geschmack.

Es gibt rund 120 verschiedene Glucosinolate, die sich nur im Aglykon-Rest unterscheiden. Als Zucker tritt immer Glucose auf. Das Spaltungsenzym der Glucosinolate ist die Myrosinase, dieses liegt räumlich getrennt in den Zellen vor. Bei Verletzung der Zellen (Kauen oder Schneiden) kommen Myrosinase und Senfölglykoside zusammen, die hierbei zu Senfölen hydrolisiert werden. Senföle sind entweder nicht flüchtig und schmecken scharf oder sie sind flüchtig und riechen stechend.

Da Senfölglykoside als Abwehrstoffe gegen Tierfraß wirken, kann im Rahmen der Evolutionstheorie angenommen werden, dass diese Stoffgruppe im Laufe der Evolution zu diesem Zweck gebildet wurde. Nach neueren Erkenntnissen beugen diese Geschmackstoffe Infektionen vor und unterstützen die Krebsvorbeugung, wie Sulforaphan oder Iberin [1].

Unter bestimmten Bedingungen können sich aus Senfölglykosiden auch Thiocyanate bilden. Thiocyanate können bei hoher Konzentration oder bei hoher Aufnahme (besonders beim Verzehr großer Mengen von Kohl (mit dem Glucosinolat Glucobrassicin), wie dies in Notzeiten vorkommt) zur Kropfbildung bei Mensch und Tier führen. Dabei binden die Thiocyanat-Ionen Iod-Ionen, die nicht mehr oder nur noch in geringen Mengen zur Synthese des Schilddrüsenhormons Thyroxin, zur Verfügung stehen.


Verwendung

Senföle (z. B. Allylsenföl) werden therapeutisch als örtlich wirkende Hautreizmittel (Rubefacientia) eingesetzt. Sie wirken teilweise stark antibakteriell. Dass der Verzehr senfölhaltiger Pflanzen, wie vielfach behauptet, vor Krebserkrankungen schützen kann, ist wissenschaftlich durch Versuchen an Ratten belegt.


Vorkommen und biochemische Charakteristika

Senfölglykoside kommen in Mitteleuropa ausnahmslos in Kreuzblütlern vor. Ansonsten sind sie sie bei den Kaperngewächsen verbreitet, sporadisch kommen sie bei Kapuzinerkressengewächsen, Wolfsmilchgewächsen und andere Pflanzensippen vor. Glycosinolate werden durch die Myrosinase zu Glukose, HSO4- und einem der folgenden Aglykone gespalten: Isothiocyanat, Thiocyanat, Nitril, oder auch Oxazolidin-2-thion. Diese können in höheren Konzentrationen Vergiftungserscheinungen verursachen:

  • Isothiocyanate reizen die Schleimhaut, werden jedoch meist in so geringen Mengen aufgenommen, dass keine weiteren Schäden verursacht werden. Wenn Glycosinolate aufgenommen und im Darm zu Isothiocyanaten abgebaut werden, können sie einen negativen Einfluss auf die Produktion der Schilddrüsenhormone haben.
  • Oxazolidine-2-thione entstehen aus dem Glucosinolat Progoitrin, z.B. aus Raps, über die Zwischenstufe des Goitrin. Oxazolidine-2-thione stören das Wachstum und erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Kropf-Bildung (engl. 'goiter'). Sie blockieren die Schilddrüsenfunktion durch die Hemmung der Iod-Aufnahme in Thyroxin-Vorläufer und durch die Hemmung der Thyroxin-Sekretion aus der Schilddrüse.
  • Nitrile stören das Wachstum, verursachen Leber- und Nieren-Schäden, und fuehren in schwerwiegenden Fällen zu Leber-Nekrosen.
  • Thiocyanate verhindern die Iodaufnahme in die Schilddrüse, dadurch verringerte Tyrosin-Iodierung und verringerte Thyroxin-Synthese.


Die folgende Tabelle (nach Lexikon der Biologie, [2], [3], [4], [5] und[6]) zeigt Glykoside, den chemischen Seitenrest R und deren biosynthetische Herkunft, Senföle und Pflanzen, in denen diese vorkommen.

Senfölglykosid R = chemischer Rest biosynthetisiert aus Senföl Vorkommen
Sinigrin 2-Propenyl Methionin Allylisothiocyanat Schwarzer Senf, Meerrettich, Knoblauchsrauke, Wasabi, Broccoli, Rosenkohl
Sinalbin, Glucosinalbin 4-Hydroxybenzyl, p-Hydroxybenzyl Tyrosin, Phenylalanin? 4-Hydroxybenzylisothiocyanat Weißer Senf
Glucotropaeolin (GTL) Benzyl Tyrosin, Phenylalanin? Benzylisothiocyanat, Tropaeolin Kapuzinerkresse, Gartenkresse, Knoblauchsrauke, Meerrettichbaum, Kapuzinerkresse(Tropaeolum majus)
Gluconasturtiin (GNAST, GST) 2-Phenethyl, 2-Phenylethyl Tyrosin, Phenylalanin? Phenylethylisothiocyanat (PEITC), Nasturtiin (NAS) Meerrettich, Brunnenkresse, Winterkresse, Broccoli, Nasturtium officinale
Gluconapin (GNA) 3-Butenyl Methionin 3-Butenylisothiocyanat, Napin Raps, Rübsen
Glucoraphenin Methionin Sulforaphen Garten-Rettich, Radieschen
Glucoraphanin 4-Methylsulfinylbutyl Methionin Sulforaphan Broccoli, Rettich
Glucobrassicin 3-Indolylmethyl Tryptophan Indol-3-carbinol, 3-Indolylmethyl-isothiocyanat, Brassicin Kohl, Broccoli, Färberwaid, Palmkohl, (besonders roter) Blumenkohl
Glucocochlearin 1-Methylpropyl Methionin sec-Butyl-Isothiocyanat, Cochlearin Echtes Löffelkraut, Wiesenschaumkraut, Wasabi
Glucobrassicanapin (GBN) 4-Pentenyl Methionin Brassicanapin
Progoitrin 2-Hydroxy-3-butenyl (2R) Methionin Goitrin Broccoli
Epiprogoitrin 2-Hydroxy-3-butenyl (2S) Methionin Goitrin Broccoli
Gluconapoleiferin 2-Hydroxy-4-Pentenyl Methionin Napoleiferin
Glucoiberin 3-Methylsulfinylpropyl Methionin Iberin (IBN) Schleifenblume, Broccoli
Glucoibeverin, Glucoiberverin (GIV) 3-Methylthiopropyl Methionin Ibe(r)verin
Glucocheirolin 3-Methylsulfonylpropyl Methionin Cheirolin
Glucoberteroin 5-Methylthiopentenyl Methionin Berteroin
Neoglucobrassicin (NGBS) 1-Methoxy-3-indolylmethyl Tryptophan Winterkresse
Glucoapparin Methyl Methionin Methyl-isothiocyanat, Apparin Kapern, Boscia senegalensis
Glucolepidin Ethyl Methionin Lepidin Gartenkresse
Glucopurtanjivin, Glucoputranjivin ? Isopropyl, 2-Propyl Methionin Purtanjivin, Putranjivin ? Sysymbrium officinale, Tovaria [7]
Glucojiaputin 2-Methylbutyl Methionin Jiaputin
Glucobarbarin (BAR) (S)2-Hydroxy-2-phenylethyl Tyrosin, Phenylalanin? Barbarin Winterkresse
Glucoaubrietin p-Methoxybenzyl Tyrosin, Phenylalanin? Aubrietin Aubrietia spec.
Glucolimnanthin m-Methoxybenzyl Tyrosin, Phenylalanin? Limnanthin
Glucoerucin (GER) 4-Methylthiobutyl Methionin Erucin Eruca sativa
Glucoraphasatin 4-Methylthiobut-3-enyl (Me-S-CH=CH-CH2-CH2) Methionin Raphasatin Rettich
Glucoberteroin 5-Methylthiopentyl Methionin Berteroin
Glucolesquerellin 6-Methylthiohexyl Methionin Lesquerellin Lesquerella spec.
Glucojirsutin 8-Methylthiooctyl Methionin Jirsutin Arabis spec.
Glucoarabin 9-Methylthiononyl Methionin Arabin Arabis spec.
4-(Methylsulfonyl)Butyl Methionin Erysolin
N-acetyl-3-indolylmethyl Tryptophan Tovaria [8]
Glucoalyssin 1-S-6-Methylsulfinyl Methionin Alyssin Raps

Quellenangaben

  1. Cancer modulation by glucosinolates: A review. Das et al. 2000[1]
  2. Jihad Attieh Biochemical characterization of a novel halide/bisulfide methyltransferase purified from Brassica oleracea[2]
  3. Genyi Li und Carlos F. Quiros Genetic Analysis, Expression and Molecular Characterization of BoGSL-ELONG, a Major Gene Involved in the Aliphatic Glucosinolate Pathway of Brassica Species[3]
  4. www.heilfastenkur.de [4]
  5. www.realwasabi.com [5]
  6. ’’Complexes for immobilizing isothiocyanate natural precursors in cyclodextrins, preparation and use’’[6]
  7. (Appel und Bayer 2002)
  8. (Appel und Bayer 2002)
  • Franke, W. (1997): Nutzpflanzenkunde. Thieme Stuttgart
  • Frohne, D. und U. Jensen (1985): Systematik des Pflanzenreichs. Fischer Stuttgart
  • Gessner, O. u. G. Orzechowski (1974): Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa. Winter Heidelberg
  • Lexikon der Biologie (1994). Herder Freiburg.
  • Franz Hoffmann (1978): Senföle. In: Chemie in unserer Zeit. Bd. 12, Nr. 6, S. 182-188. doi:10.1002/ciuz.19780120603