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Öffentliche Bürgschaft

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Hintergrund

Auf den Kreditmärkten ist eine Überschussnachfrage nach Krediten zu beobachten (siehe Mittelstandsmonitor). Dabei werden nicht nur die Kreditanträge von Banken, bei denen die Kapitaldienstfähigkeit fraglich ist, sondern oftmals auch Finanzierungsanträge für rentable Investitionen abgelehnt. Ursachen für dieses Marktversagen (konkret Kreditrationierung) sind neben der allgemeinen Unsicherheit die Informationsasymmetrien zwischen der Bank und dem Kreditnehmer: Der Kredit- oder Kapitalgeber kann das einzugehende Risiko schwerer bewerten als der Unternehmer (Stiglitz&Weiss). In der Praxis verlangen Banken werthaltige bzw. bankübliche Kreditsicherheiten, da sie diese oftmals einfacher bewerten können und bei Kreditausfall die Verwertung dieser Sicherheiten als Ersatz für den Kapitaldienst des Kredites dienen sollen. Unternehmen ohne werthaltige Sicherheiten haben auch in recht gut funktionierenden Kreditmärkten wie in Deutschland Schwierigkeiten, ihre Investitionen zu finanzieren. Dies gilt besonders für junge (Start-ups, Existenzgründer) und innovative Unternehmen (siehe Mittelstandsmonitor).

Programme öffentlicher Bürgschaften

Neben Garantien der Auslandsgeschäftsabsicherung (besser bekannt als Hermes-Exportgarantien oder Hermes-Bürgschaft) für den Außenhandel und Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland werden für Investitionen in Deutschland öffentliche modifizierte Ausfallbürgschaften über Mandatare oder Bürgschaftsbanken vergeben. "Kleine Bürgschaften" bis zu einer Mio. Euro werden von Bürgschaftsbanken vergeben, welche vom Bund und dem jeweiligen Land rückverbürgt werden. Die Landesbürgschaften werden von den Ländern in der Regel über Mandatare vergeben und decken einen Bürgschaftsbedarf ab einer Mio. Euro ab. Darüber hinaus werden in den neuen Ländern „große Bürgschaften“ ab 10 Mio. Euro unter Einbindung paralleler Landesbürgschaften im Rahmen des Bundesbürgschaftsprogramms über den Mandatar PricewaterhouseCoopers AG WPG vergeben.

Das Prinzip bzw. Funktionsweise einer Ausfallbürgschaft

Bei der Vergabe einer (öffentlichen) modifizierten Ausfallbürgschaft entsteht eine Dreiecksbeziehung zwischen der Bank, dem Kreditnehmer und dem Bürgen. Die Bürgschaft ist akzessorisch und bezieht sich auf das Kreditverhältnis zwischen der Bank und dem Kreditnehmer. Dieser wird durch die Bürgschaft nicht von seiner Verpflichtung entbunden, den Kredit zurückzuzahlen. Vielmehr dient die Bürgschaft der Absicherung des Risikos der Bank. Die Bank übernimmt dabei alleine die Geldleihe (Auszahlung der Mittel) und teilt sich mit dem Bürgen in Abhängigkeit des Verbürgungsgrades die Kreditleihe (Geis 1993). In der Regel beträgt der Verbürgungsgrad in Deutschland bis zu 80%, was bedeutet, dass mindestens 20% des Obligos bzw. des Kreditrisikos bei der Bank bleibt.

Für die Bank kann eine öffentliche Bürgschaft die Rentabilität des Kreditengagements erhöhen und somit Anreize schaffen, mehr Finanzierungen zu ermöglichen. Das Ausfallrisiko des Kapitalgebers wird reduziert und die Bank muss weniger Eigenkapital gemäß den Eigenkapitalhinterlegungsvorschriften (Basel II) hinterlegen (vergleiche Schiereck). Neben dieser Reduzierung des Risikos kann auch die allgemeine Unsicherheit über das einzugehende Risiko reduziert werden, da auch der Bürge das Risiko prüft. Durch die Risikoteilung zwischen Bank und Bürge kann eine Doppelprüfung entstehen. Haben Bank und Bürge zusammen mehr Information, können die Informationsasymmetrien und somit die Kreditrationierung reduziert werden.

Im Gegensatz zu der Bürgschaft auf erstes Anfordern zahlt der Bürge erst, wenn der Ausfall festgestellt wurde. Den Ausfallzahlungen stehen in der Regel Entgelte entgegen, die bereits bei Bürgschaftsantrag und während der Laufzeit fällig werden und von der Bank oder dem Kreditnehmer zu entrichten sind. Bezüglich der Cash Flows ähnelt die Ausfallbürgschaft einer Versicherung.

Aus Sicht des Kreditnehmers kann dieser Zugang zu Bankkrediten erhalten, die er ohne Bürgschaft nicht bekäme. Je nachdem, wie die Banken die Zinsen auf Grund der Bürgschaft reduzieren und Entgelte zu entrichten sind entstehen höhere finanzielle Kosten oder eine Reduzierung der Finanzierungslast. Bei der Vergabe der Bürgschaften entstehen für den Kreditnehmer in der Regel zusätzliche Transaktionskosten.

Art der Finanzierungen

Generell werden Investitions- und Betriebsmittelkredite einschließlich Avale verbürgt. Bürgschaftsbanken garantieren darüber hinaus auch Beteiligungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG) an Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU nach EU-Definition).

Anforderungen der Länder und des Bundes

Bei der Vergabe sämtlicher Ausfallbürgschaften bzw. deren Rückbürgschaften setzen der Bund und die Länder die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Projektes (bzw. Kapitaldienstfähigkeit) voraus. Bei den Landesbürgschaften und parallelen Bundes-/Landesbürgschaften muss darüber hinaus eine volkswirtschaftliche Förderwürdigkeit und die Unmöglichkeit der anderweitigen Finanzierung festgestellt werden (Förderdatenbank BMWI).

Beihilfe gemäß der Europäischen Gemeinschaft

Um den freien Wettbewerb zu schützen und Marktverzerrungen zu vermeiden werden nationale Beihilfen für Unternehmen von der EU kontrolliert. Öffentliche Bürgschaften fallen grundsätzlich unter das allgemeine Beihilfeverbot gemäß Art. 87 (1) EG-Vertrag. Um zu prüfen, ob die Bürgschaften unter eine der im EG-vertrag vorgesehenen Ausnahmetatbestände fallen, müssen Bürgschaften bzw. so genannte Bürgschaftsprogramme ex-ante von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Für Bundes- und Landesbürgschaften muss dazu ein Beihilfewert ermittelt werden. Ein Beihilfewertrechner ist auf der Homepage von PricewaterhouseCoopers AG WPG zu finden. Liegt dieser Beihilfewert unter 200.000 €, kann die Bürgschaft unter die so genannte De-minimis-Verordnung fallen und somit gewährt werden. Bei einem höheren Beihilfewert muss vor Vergabe eine entsprechende Genehmigung der Europäische Kommission für die einzelne Bürgschaft bzw. das zugrundeliegende Bürgschaftsprogramm vorliegen.

Vergabeprozess bei den Bürgschaftsbanken

Bei den Bürgschaftsbanken gibt es grundsätzlich zwei Verfahren, um Kredite an KMU zu verbürgen. Der Standard-Weg und das Bürgschaft-ohne-Bank Programm (BoB). Jedoch variieren die Vergabeprozesse bei den einzelnen Bürgschaftsbanken in den Bundesländern und einzelne Bürgschaftsbanken kooperieren mit den Landesförderbanken (wie in Berlin). Bei dem Standard-Weg meldet sich bei Bedarf die Hausbank bei der Bürgschaftsbank, wenn sie grundsätzlich bereit ist, einen Kredit zu vergeben aber nicht genügend Sicherheiten vorliegen. Daraufhin prüft die Bürgschaftsbank das Vorhaben eigenständig. Wenn sie bereit ist eine Bürgschaft zu vergeben, wird der Antrag dem Bürgschaftsausschuss zur Bewilligung vorgelegt. In diesem Ausschuss sitzen neben den Vertretern der Bürgschaftsbanken Vertreter der Banken, Kammern und Verbände sowie Vertreter des Landeswirtschafts- und des Landesfinanzministeriums, welche ein Vetorecht haben. Wird die Bürgschaft bewilligt, können die Verträge angefertigt und der Kredit mit Bürgschaft durch die Bürgschaftsbank vergeben werden. Bei dem Programm Bürgschaft-ohne-Bank stellt der Kreditnehmer zunächst den Antrag. Die Bürgschaftsbank prüft den Antrag und legt diesen dem Bürgschaftsausschuss vor. Wird die Bürgschaft dort bewilligt, erhält der potentielle Kreditnehmer eine Urkunde, mit der er nun zu einer Hausbank gehen und einen Kreditantrag stellen kann. In der Regel wird dieses Verfahren nur für kleinere Bürgschaften angewendet.

Vergabeprozess von parallelen Bundes-/Landesbürgschaften in den neuen Bundesländern

Beantragen die Banken eine Bürgschaft, müssen sie zunächst die Notwendigkeit schriftlich begründen, welche von den Bürgen und dem Mandatar geprüft wird. Anschließend folgt eine Prüfung der volkswirtschaftlichen Förderwürdigkeit durch die Bürgen und der Tragfähigkeit durch den Mandatar. Mandatar für dieses Bürgschaftsprogramm und weitere Landesbürgschaftsprogramme ist die PricewaterhouseCoopers AG WPG (PWC).

Im Interministeriellen Ausschuss (IMA) erfolgt zunächst eine interne Diskussion mit Vertretern der Wirtschafts- und Finanzministerien des Bundes und des jeweiligen Landes sowie des Mandatars. Danach werden die Vertreter der Banken und des Unternehmens angehört. Wird eine Bürgschaft gewährt, begleitet der Mandatar die Engagements während der Laufzeit des verbürgten Kredites.

Vergabeprozess von Landesbürgschaften

Der Vergabeprozess bei Landesbürgschaften ähnelt im Prinzip dem Prozess bei den Bundesbürgschaften, variiert jedoch von Bundesland zu Bundesland bezüglich der beteiligten Akteure. Im Unterschied zu den Bundesbürgschaften übernehmen teilweise landeseigene Banken (Landesbanken) die Mandatarstätigkeit. Alternativ werden die Bürgschaften von den Ministerien selbständig vergeben und verwaltet. Im Interministeriellen Ausschuss (IMA) variieren die Mitglieder und es nehmen je nach Bundesland Politiker, Industrie- und Handelskammern, Verbände und Vertreter der Banken teil.