Siesta-Kissen
Das Siesta-Kissen war ein inzwischen fast in Vergessenheit geratenes Element der alten Reisekultur bei der Eisenbahn. Zur Verbesserung des Reisekomforts konnten sich die Bahnreisenden in den Zügen der Deutschen Reichsbahn am Anfangsbahnhof ein in Papier verpacktes Kissen für 1 Reichsmark mieten, das sie am Zielbahnhof wieder abgaben. Das Angebot der Siesta GmbH richtete sich vorrangig an Reisende der dritten Klasse, die nur über Holzsitze verfügte, wurde aber auch von anderen Reisenden wahrgenommen.
Für das Ausgeben und Einsammeln der Siesta-Kissen gab es kleine Wagen, die über die Bahnsteige geschoben wurden. Auf historischen Aufnahmen mit Bahnsteigszenen aus den 1920er und 1930er Jahren kann man diese Wagen gelegentlich finden. Auf den Wagen war in großen Buchstaben der Schriftzug SIESTA angebracht. Ein bekannter Hersteller von Zubehör für Modelleisenbahnen, die Firma Kibri, hatte von 1929 bis 1935 auch derartige Wagen mit dem Siesta-Schriftzug im Lieferprogramm. Auch für den französischen Markt produzierte Kibri diese Wagen mit der Aufschrift OREILLERS (auf deutsch: Kopfkissen). Es muss also in Frankreich einen ähnlichen Service gegeben haben.
Im Bildband Eisenbahn-Brennpunkt Berlin ist ein Bild aus den 1930er Jahren wiedergegeben, in dem ein derartiger Kissen-Wagen vor einem 3. Klasse D-Zugwagen zu sehen ist. Das Bild (90) auf Seite 56 ist wie folgt beschrieben: "Reiseverkehr im Sommer - Züge nach dem Süden gingen vom Anhalter Bahnhof ab; rechts die berühmten Siesta-Kissen". Der Kissen-Wagen auf dem Bild trägt bereits das Schild "Mitropa Reisekissen".
Die Firma Siesta GmbH wurde 1928 von der Mitropa übernommen, die auch die Speise- und Schlafwagen bewirtschaftete. [1]
In späteren Quellen aus den 1930er Jahren taucht nur noch der Begriff Mitropa Reisekissen auf. Offenbar versuchte die Mitropa, die Erinnerung an die übernommene Firma zu tilgen (z.B. in einem Werbekatalog zu Sonderzugangeboten von 1934 [2] oder in einer Übersicht zur Geschichte der Mitropa [3]). Der bei den Bahnreisenden eingeführte Name Siesta-Kissen hat sich aber noch längere Zeit im Sprachgebrauch der Vorkriegszeit behaupten können.
Nach dem zweitem Weltkrieg bestand in Deutschland mit der Abschaffung der Holzsitze im Rahmen der Neuordnung der Wagenklassen kein Bedarf mehr an der Vermietung von Reisekissen. Der Verleih-Service wurde daher nicht wieder aufgenommen.
In anderen Ländern ist der Verleih von eingeschweißten Kissen für Fahrgäste in Sitzwagen, vor allem im Nachtverkehr, jedoch noch heute bei manchen Bahngesellschaften üblich, unter anderem bei Amtrak.
Literatur
- Alfred B. Gottwald: Eisenbahn-Brennpunkt Berlin - Die Deutsche Reichsbahn 1920 - 1939. 1976, Seite 56, ISBN 3-440-04303-7