GSG 9 der Bundespolizei



Die GSG 9 der Bundespolizei (GSG 9), früher Grenzschutzgruppe 9, ist die Antiterrorismuseinheit der deutschen Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz) mit Standort in Sankt Augustin-Hangelar. Auch nach der Umbenennung des Bundesgrenzschutzes trägt die GSG 9 ihren Namen weiter, jetzt aber nur noch in der Abkürzungsform.
Auftrag
Die GSG 9 ist eine auf Antiterrorkampf und Geiselbefreiung spezialisierte Einheit der Bundespolizei und wird heute vornehmlich im Bereich der Schwerstkriminalität eingesetzt, der für Beamte im Streifendienst oft zu gefährlich wäre. Im Jahr 2000 absolvierte die Einheit 26 erfolgreiche Einsätze. Dazu zählen sowohl die der GSG 9 originär zugedachten Einsatzaufgaben als auch Einsätze, bei denen sie andere Sicherheitsbehörden unterstützt hat. Seit ihrer Aufstellung hat die GSG 9 mittlerweile mehr als 1.500 Einsätze durchgeführt.[1]
Anders als die Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei, die für ähnliche Aufgaben gebildet wurden und den einzelnen Bundesländern unterstehen, ist die GSG 9 eine Einheit des Bundes und kann mit dem Einverständnis des Einsatzlandes auch außerhalb der Bundesrepublik eingesetzt werden. Kriegseinsätze können mangels Kombattantenstatus, der dem Bundesgrenzschutz mit einem neuen Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG) 1994 entzogen wurde, durch die GSG 9 nicht mehr durchgeführt werden.
Rechtsgrundlage für den Einsatz der GSG 9 ist das Bundespolizeigesetz (BPolG) als Teil des Besonderen Verwaltungsrechts.
Organisation (Stand 1981)
Die Antiterroreinheit gliederte sich 1980 nach offenen Quellen folgendermaßen in:
- Führungsgruppe
- vier Einsatzeinheiten mit je 32 Mann
- drei technische Gruppen
- Versorgungseinheit
Rekrutierung und Ausbildung
GSG-9-Anwärter können ausgebildete Polizeivollzugsbeamte in der Bundespolizei oder der Länderpolizeien sein. Sie werden einem harten Auswahlverfahren unterzogen. Als erstes gibt es ein dreitägiges Auswahltraining, bei dem Leistungsfähigkeit, Konzentration, Ausdauer, Motorik und der Umgang mit der Waffe getestet werden. In der Regel bestehen 10–15 % der Bewerber und haben dann eine viermonatige Basisausbildung vor sich. Im Anschluss daran folgt eine speziellere Schulung, deren Inhalte sich nach der geplanten taktischen Verwendung des jeweiligen Beamten richtet. Erfolgreiche Absolventen der Ausbildung werden eingesetzt in den folgenden Einsatzeinheiten:
- Präzisionsschützen
- Einsatztaucher
- Fallschirmspringer bzw. luftbewegliche Einsatzeinheit
- Sprengstoffexperten
Einsätze werden von allen Einheiten durchgeführt. Das Präzisionsschießen, Tauchen und Fallschirmspringen sind nur „Zusatzqualifikationen“, falls spezielle Einsatzlagen es erfordern. Die Einsatztaucher der GSG 9 sind regelmäßig in Eckernförde, um dort unter anderem mit den Kampfschwimmern der Bundeswehr Erfahrungen bezüglich Ausbildungsverfahren und Ausrüstung auszutauschen.
Die Polizeivollzugsbeamten der GSG 9 sind wie alle Polizeibeamten zum Schweigen über den Inhalt ihrer Tätigkeit verpflichtet. Ihre Dienstpläne gelten als Verschlusssache.
Die Erschwerniszulage für Polizeibeamte der GSG 9 beträgt laut Deutscher Polizeigewerkschaft etwa 225 Euro monatlich (2002). Davon werden nahezu 100 % für zusätzliche Versicherungen oder erhöhte Versicherungsprämien benötigt. Die Motivation von Polizeibeamten, dieser Spezialeinheit anzugehören, dürfte daher nicht im finanziellen, sondern im ideellen Bereich liegen, nämlich dem Eliteverband der Bundespolizei anzugehören. (Quelle: SEK-Sprecher über alle deutschen Spezialeinheiten)
Ausrüstung
- Heckler & Koch MP7
- Heckler & Koch MP5 Maschinenpistole in zahlreichen Versionen und Konfigurationen
- Heckler & Koch HK416 Karabiner
- Heckler & Koch G36, G36K und G36C
- Heckler & Koch HK 21 bzw. G8 Maschinengewehr
- PSG-1 Scharfschützengewehr
- SIG 550 und Modifikationen
- Steyr AUG A3 Sturmgewehr
- Glock 17 Pistole
- Heckler & Koch HK USP Pistolen und Modifikationen (Mark 23 und weitere)
Geschichte
Aufstellung nach den Olympischen Spielen 1972
Die GSG 9 wurde nach der blutig verlaufenen Geiselnahme von München bei den Olympischen Spielen (Angriff am 5. September 1972) am 26. September 1972 aufgestellt. Während der Spiele nahm ein palästinensisches Terrorkommando israelische Sportler als Geiseln. Beim misslungenen Zugriff durch reguläre Polizeikräfte (es gab zu diesem Zeitpunkt noch keine SEK/MEK in Deutschland) am Flugplatz Fürstenfeldbruck starben alle neun Geiseln, fünf der acht Terroristen und ein Polizeibeamter. Ulrich Wegener, Offizier im Bundesgrenzschutz, wurde daraufhin von Innenminister Hans-Dietrich Genscher mit der Aufstellung einer schlagkräftigen Antiterroreinheit beauftragt.
Die Bezeichnung „GSG 9“ erklärt sich aus der damaligen Struktur des Bundesgrenzschutzes, welcher zum Zeitpunkt der Gründung dieser Einheit aus 4 Grenzschutzkommandos mit insgesamt 8 Grenzschutzgruppen (GSG 1–8) bestand. Da die GSG 9 in keine der vorhandenen Strukturen eingegliedert wurde, erhielt sie folglich die Bezeichnung Grenzschutzgruppe 9. Diese Bezeichnung und den Status einer Grenzschutzgruppe behielt sie auch im Laufe der Umorganisationen beim Bundesgrenzschutz, auch während der Auflösung der Grenzschutzgruppen zu Gunsten der Grenzschutzabteilungen 1981 und bei der Umgliederung der Grenzschutzkommandos zu Grenzschutzpräsidien 1993 bei. Nach der Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei wurde die Abkürzung wegen ihrer Bekanntheit beibehalten, allerdings wurde der Zusatz „der Bundespolizei“ beigefügt. Die Langform wird dagegen seit der Umbenennung nicht mehr verwendet.
Operation Feuerzauber
Der bisher größte Einsatz der GSG 9 war die Beendigung der Flugzeugentführung der „Landshut“. In der Nacht zum 18. Oktober 1977 wurden die Geiseln der von palästinensischen Terroristen der PFLP entführten Lufthansa-Maschine Landshut in Mogadischu befreit. Dieser Einsatz machte die GSG 9 weltbekannt und begründete erstmals ihr hohes Ansehen unter den Spezialeinheiten der Welt. Die Erstürmung von Flugzeugen gilt dabei als das schwierigste der möglichen Einsatzszenarien.
Celler Loch
Am 25. Juli 1978 erfolgt ein von der niedersächsischen Landesbehörde für Verfassungsschutz fingierter Sprengstoffanschlag auf die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle zur geplanten Einschleusung von V-Leuten in die Rote Armee Fraktion (RAF).
Siehe Hauptartikel Celler Loch
Einsatz in Bad Kleinen
Siehe Hauptartikel GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen
Am 27. Juni 1993 versuchten 37 GSG-9-Männer und 60 weitere Beamte die RAF-Terroristen Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld in Bad Kleinen festzunehmen. Während der Zugriff auf Hogefeld gelang, leistete Grams Widerstand. Im Verlauf des Schusswechsels kamen der 26-jährige Beamte Michael Newrzella und Grams ums Leben. Newrzella war der erste GSG 9-Beamte, der im Dienst getötet wurde. Ein weiterer Beamter wurde schwer verletzt. Eine offizielle Untersuchung stellte den Suizid von Grams fest.
Getötete und vermisste Beamte im Irak
Von den aufgrund der unsicheren Lage nach dem Krieg im Irak stationierten GSG-9-Beamten wurden seit dem 7. April 2004 zwei Beamte, Thomas Hafenecker und Tobias Retterath, vermisst. Die beiden Beamten waren Objekt- und Personenschützer an der deutschen Botschaft in Bagdad.
Nach ARD-Informationen wurden die Männer in einem Fahrzeugkonvoi vom jordanischen Amman nach Bagdad überfallen. Der Überfall habe sich in der Nähe Falludschas ereignet. Rebellen hätten den aus sechs Geländewagen bestehenden Konvoi verfolgt, nachdem er ihren Kontrollpunkt durchbrochen habe. Der Wagen der beiden Deutschen sei der Letzte gewesen; die Iraker hätten auf ihn mit Raketen und Gewehren geschossen, bis er mit zerschossenen Reifen von der Straße abgekommen und gegen ein Haus geprallt sei. Die Deutschen hätten keine Chance mehr gehabt.
Die beiden vermissten Deutschen seien tot. Sprecher der irakischen Rebellen entschuldigten sich für diesen „Unfall“, insbesondere bei den Angehörigen der Beamten. Man sei von einem Konvoi einer US-Spezialeinheit ausgegangen, obwohl deutsche Flaggen auf den Fahrzeugen angebracht waren.
Am 1. Mai 2004, mehr als drei Wochen nach dem Überfall, wurde die Leiche eines der beiden vermissten Beamten, Tobias Retterath, gefunden. Die sterblichen Überreste des zweiten Beamten, Thomas Hafenecker, gelten bis heute als vermisst.
Verhinderung von terroristischen Anschlägen
Am 4. September 2007 stürmten GSG-9-Beamte eine Ferienwohnung im nordrhein-westfälischen Oberschledorn, in der drei Verdächtige damit begonnen hatten, aus Wasserstoffperoxid Sprengstoff herzustellen.[2]
Die mutmaßlichen Terroristen waren über mehrere Monate observiert worden (manche Quellen sprechen auch vom Einsatz von Online-Durchsuchungen, Medienberichten zufolge durchgeführt von US-Geheimdiensten). Auch war laut offizieller Stellen schon Monate vor dem Zugriff die Menge an beschafftem 35 %igen Wasserstoffperoxid, die zum Herstellen von Sprengstoff (Acetonperoxid) mit einer Sprengkraft vergleichbar zu 500 kg (andere Angaben auch: 550 kg) TNT ausgereicht hätte, durch eine (für die Sprengstoffherstellung ungeeignete) 3 %ige Mischung ersetzt worden.[3] Ausgelöst wurde der Zugriff durch einen Polizisten, der bei einer Routinekontrolle erwähnte, dass das eben kontrollierte Fahrzeug auf Fahndungslisten des BKA stehe[4].
Anschlagsziele sollen unter anderem US-amerikanische Gebäude in Deutschland gewesen sein, aber auch amerikanisch geführte Restaurants und Diskotheken. Auch der Flughafen Frankfurt am Main soll auf der Liste der Terroristen gestanden haben. Es war die größte Aktion zur Verhinderung von Terroranschlägen seit dem Bestehen der GSG 9, da die Operation schon Monate vor dem Zugriff mit der Überwachung angefangen hatte. Durch die Festnahme der drei Verdächtigen wurde ein großangelegter Terroranschlag vereitelt.[5]
Einsatzplanung und Durchführung (Stand 1980)
Vorbereitung der Einsatzkräfte
- Training des Eindringens in das Zielobjekt
- intensives Vertrautmachen mit dem Zielobjekt (Modell, Baupläne usw.)
- Training des zeitlichen Ablaufs in Varianten
- Üben von Sprengungen an vergleichbaren Objekten bzw. mögliches Verhindern derselben
- Üben des Verhaltens beim Eintritt veränderter Lagebedingungen
Einsatzablauf
- Vorbereitungsphase
- Heranführungsphase
- Handlungsphase (ohne oder mit eingelegter Pause)
- Rückführungsphase
- Auswertung
Einsatzordnung
- Aufklärungskräfte
- Täuschungskräfte
- Überfallkräfte
- Sicherungskräfte
- Sicherstellungskräfte
Vergleichbare Einheiten in der DDR
Die Hauptabteilung XXII (HA XXII) des MfS unterhielt ein Bataillon als Antiterror- und Spezialaufklärungseinheit mit fünf dezentralen Einheiten über das Territorium verteilt.
Bei der Polizei gab es die 9. Volkspolizei-Kompanie der Kasernierten Einheiten des Ministeriums des Innern in Potsdam/Eiche (Kaserne der 3. und 20. VP-Bereitschaft) mit einem ähnlichen Einsatzprofil. Es wird aber angenommen, dass diese Einheit in Wirklichkeit ebenfalls zum MfS gehörte und nur als zum MdI gehörig legendiert war.
In Bezirksbehörden der DVP/BDVP gab es kleinere Antiterroreinheiten vergleichbar den SEK aus Angehörigen der Dienstzweige der Volkspolizei/ Diensteinheit IX.
Sonstiges
- Die GSG 9 ist Mitglied des ATLAS Verbundes europäischer Polizei-Spezialeinheiten.
- Die GSG 9 übt auch im Ausland aufgrund dort teilweise geeigneterer Trainingsmöglichkeiten.
- Die GSG 9 – Kameradschaft e. V. ist ein im Vereinsregister des Amtsgericht Siegburg eingetragener Verein ehemaliger Beamter der GSG 9 der Bundespolizei, der am 31. Oktober 1982 in Sankt Augustin-Hangelar gegründet wurde. Eine Gemeinnützigkeit wird z. Zt. angestrebt. Die aktuelle Mitgliederzahl ist seit der Gründung bis heute auf ca. 250 Männer angewachsen.
- Seit 1975 ist die Gemeinde Bischofsgrün im Fichtelgebirge die Patengemeinde der GSG 9 der Bundespolizei. Die Patenschaft wird durch gegenseitige Besuche und gemeinsame Veranstaltungen gepflegt.[6][7]
Verweise
Einzelnachweise
- ↑ Informationsbroschüre der Bundespolizei S. 17
- ↑ SPIEGEL ONLINE: Bombenbauer planten massiven Terrorschlag (5. September 2007)
- ↑ SPIEGEL ONLINE: Geheimaktion in Wittlensweiler (9. September 2007)
- ↑ SPIEGEL ONLINE: Dorfpolizist zwang Terror-Fahnder zum Zugriff (8. September 2007)
- ↑ WELT: Schlimmer als London und Madrid (6. September 2007)
- ↑ Der GSG 9 Kameradschaft e. V. über die Patengemeinde
- ↑ Grußwort des Bischofsgrüner Bürgermeisters zum 25-jährigen Jubiläum der Patenschaft
Literatur
- Kerstin Froese/Reinhard Scholzen: GSG 9, ISBN 3613017938
- Hachmeister, Lutz: Schleyer. Eine deutsche Geschichte, München 2004.