Kurpfalz

Kurpfalz (in alten Quellen Churpfalz = "Wahlpfalz") ist die historische Bezeichnung für das früher von den Pfalzgrafen bei Rhein beherrschte Territorium, das heute den Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern ("Obere Pfalz" = Oberpfalz), Saarland sowie der heute zu Frankreich gehörigen Region Elsass zugeordnet ist. Dass die Bezeichnung heute – vor allem in der Region selbst – noch gebräuchlich ist, hängt vor allem damit zusammen, dass das Kerngebiet der historischen Kurpfalz auf beiden Seiten des Rheins lag und dass die seit 1793/1815 im Wesentlichen entlang des Rheins verlaufende Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz von vielen Menschen der Region als "künstlich" empfunden wird (siehe auch: Rhein-Neckar-Dreieck).
Die Kurpfalz hat in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches mehr als 600 Jahre eine bedeutende Rolle gespielt. Im Zuge der Neuordnung Deutschlands und Europas während der Napoleonischen Zeit um 1800 verlor die Kurpfalz ihre Eigenstaatlichkeit und wurde aufgeteilt.
Die historische Kurpfalz



Kurpfalz bezeichnet das Gebiet der Pfalz im Heiligen Römischen Reich mit der Haupt- und Residenzstadt Heidelberg. Ab dem Jahre 1720, bis zur erneuten Verlegung des Hofes im Jahre 1778 nach München im Zuge der Personalunion mit dem Kurfürstentum Bayern, nahm die naheliegende Stadt Mannheim diese Stellung ein.
Wie bei vielen anderen Territorien des alten Reiches auch, handelte es sich nicht um ein geografisch oder landsmannschaftlich klar abgegrenztes Gebiet, sondern um einen „Flickenteppich“, wie der Blick auf die historische Karte (siehe Weblink) zeigt. Das Kerngebiet erstreckte sich auf beiden Seiten des Mittelrheins vom Hunsrück im Nordwesten bis zum Ostabhang des Odenwalds bei Mosbach und den südlichen Kraichgau-Gebieten um Bretten, Knittlingen und dem Kloster Maulbronn.
Der Name Pfalz leitet sich ursprünglich ab von dem römischen Hügel Palatin, auf welchem sich in der Antike der Palast des römischen Kaisers befand. Pfalz war die Bezeichnung für einen burgähnlichen Königshof (palas, daher Palast und Palatin), den die fränkischen und deutschen Könige und Kaiser der Merowinger- bis zur Stauferzeit an wichtigen Orten errichten ließen. Solche Königs- oder Kaiserpfalzen befinden sich z.B. in Bad Wimpfen oder Worms. Der Pfalzgraf bei Rhein war als Erztruchsess des Reichs verantwortlich für die kaiserliche Hofhaltung (die kaiserliche Pfalz). Die Bezeichnung seiner Funktion ging später über auf das von ihm regierte Land.
Die Pfalzgrafschaft bei Rhein (comes palatinus Rheni) war von 1198 bis 1623 und von 1648 bis 1806 eines jener Reichslehen, die mit der Kurwürde verknüpft waren (Kurlande). Der Pfalzgraf verfügte daher über eine Stimme im sieben-, später neunköpfigen Kollegium der Kurfürsten, das den König bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wählte. Seit 1512 gehörte das Land zum Kurrheinischen Reichskreis.
geschichtliche Entwicklung
Die Kurpfalz ist in einem langandauerden Prozess von der lothringischen Pfalzgrafschaft, über die daraus entstehende Pfalzgrafschaft bei Rhein entstanden. Die erste genauer fassbare Familie mit dem Titel der lothringischen Pfalzgrafschaft waren die Ezzonen. Der Amtsschwerpunkt lag zu dieser Zeit in der Eifel mit dem Zentrum um die Königspfalz Aachen. In der Folgezeit führten Auseinandersetzungen mit den Erzbischöfen von Köln zu einer Verdrängung Richtung Süden mit Schwerpunkt Mosel und Mittelrhein. Dieser Vorgang wurde durch das Aussterben der Ezzonischen Pfalzgrafenfamilie Ende des 11. Jahrhunderts begünstigt.
Als Erben treten bis 1155 verschiedene Personen aus unterschiedlichen Adelsfamilien auf. Besonders der Kampf von Hermann von Stahleck mit Otto I. von Salm um die Pfalzgrafschaft hatte negative territoriale Folgen im Gebiet Eifel und Untermosel.
Die Übertragung der Pfalzgrafenwürde an Konrad von Staufen, Halbbruder von Friedrich Barbarossa führte nochmals zu einer Stärkung der pfalzgräflichen Position.
Im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688 bis 1697) wurden große Teile der Kurpfalz, z.B. die Hauptstadt Heidelberg und die linksrheinischen Festungsstädte, von französischen Truppen verwüstet.
Im Zuge der Koalitionskriege wurde der linksrheinische Teil der Kurpfalz infolge der französischen Besetzung vom rechtsrheinischen Teil abgetrennt. Von 1794 bis 1815 waren die linksrheinischen Gebiete als Teil des Départements Mont-Tonnerre (französisch für den Donnersberg) in den französischen Staat eingegliedert.
Die Kurpfalz wurde in Folge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 aufgelöst. Die rechtsrheinischen Gebiete einschließlich der Städte Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen und Weinheim wurden überwiegend dem gleichzeitig zum Großherzogtum aufgewerteten Baden zugeschlagen und von Karlsruhe aus regiert.
Territorium
Im Odenwald gehörten zur Kurpfalz verstreute Territorien, die die Pfälzer Kurfürsten aufgrund ihrer langjährigen Dienste als Vögte des Reichsklosters Lorsch vom Erben des Klosters, Kurmainz, beansprucht hatten, und schließlich durch Kriege und Pfändung unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Diese Gebiete im Odenwald und an der Bergstraße (Neckarsteinach, Viernheim, Heppenheim) kamen zusammen mit den kurmainzischen Gebieten über das kurzlebige Fürstentum Leiningen 1806 großenteils an Hessen-Darmstadt und sind bis heute hessisch. Auch Rheinhessen mit Städten wie Alzey oder Oppenheim wurde 1815 Teil von Hessen-Darmstadt und blieb dies bis 1945.
Das linksrheinische Kernland der Kurpfalz um Ludwigshafen, Neustadt, Landau und Frankenthal kam 1815 zusammen mit zahlreichen anderen Territorien der heutigen Pfalz an das Königreich Bayern, das aus dem Fleckenteppich den „Bayerischen Rheinkreis“ schuf (seit 1836 unter König Ludwig I. „Rheinpfalz“ genannt). Seit 1946 ist die Pfalz Teil des Bundeslandes Rheinland-Pfalz.
Im heutigen Sprachgebrauch versteht man meist unter Kurpfalz im Wesentlichen nur den Raum Mannheim/Heidelberg, also den heute zu Baden-Württemberg gehörenden Teil der historischen Kurpfalz. Seit dem Staatsvertrag zur Verbandsgründung einer länderübergreifenden europäischen Metropolregion[1] vom 28. April 2005 zwischen Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg versucht man von Seiten der Wirtschaft und auch der Politik, den gesellschaftlich und wirtschaftlich zusammengehörenden Raum von Pfalz und Kurpfalz in der Metrolpolregion Rhein-Neckar wieder näher zusammenzufassen.
Die Pfalzgrafen bei Rhein
Die Reihe der Pfalzgrafen bei Rhein begann nach dem Tode des letzten Pfalzgrafen von Lothringen, Hermann II. von Lothringen aus dem Hause der Ezzonen, dessen Witwe Adelheid in dritter Ehe den Luxemburger Heinrich II. von Laach heiratete und diesem damit die Pfalzgrafschaft als Mitgift brachte.
- Heinrich II. von Laach, vorm. Heinrich II. von Gleiberg-Luxemburg, Pfalzgraf bei Rhein 1085/1087–1095.
- Siegfried von Ballenstedt und Weimar-Orlamünde (Askanier), Pfalzgraf bei Rhein 1095/1097–1113, Heinrichs Stief- und Adoptivsohn
- Gottfried, Graf von Calw, Pfalzgraf bei Rhein 1113–1129 als Vormund für Wilhelm von Ballenstedt.
- Wilhelm von Ballenstedt, Pfalzgraf bei Rhein 1129–1140, Sohn Siegfrieds (Askanier).
- Otto I., Graf von Rheineck, Pfalzgraf bei Rhein 1140, Stiefvater Wilhelms.
- Heinrich Jasomirgott (* 1107; † 1177), Pfalzgraf bei Rhein 1140–1141
- Hermann von Stahleck († 1156), Pfalzgraf bei Rhein 1142/1143-1156, Schwager König Konrads III.
1156 übertrug Kaiser Friedrich Barbarossa seinem Halbbruder Konrad dem Staufer die Pfalzgrafschaft bei Rhein als erbliches Lehen. Das Wappen der Staufer – der aufrecht stehende goldene Löwe auf schwarzem Grund – ist von da an das Wappen der Pfalzgrafschaft bei Rhein, welches sich bis heute noch in den Landeswappen aller süddeutschen Bundesländer wiederfindet. Als Konrad 1195 starb, erbte sein Schwiegersohn Heinrich I., der Ältere aus dem Haus der Welfen die Pfalzgrafschaft bei Rhein.
- Konrad der Staufer (* 1136; † 1195), Pfalzgraf bei Rhein 1156–1195
- Heinrich I., der Ältere, (* 1173; † 1227), Pfalzgraf bei Rhein 1195–1212
- Heinrich II., der Jüngere (* 1197; † 1214), Pfalzgraf bei Rhein 1212–1214
Heinrich II. verstarb ohne Erben. Das Lehen wurde von König Friedrich II. an Ludwig von Wittelsbach vergeben.
- Ludwig I. der Kelheimer (* 1174; † 1231), Pfalzgraf bei Rhein 1214–1228
- Otto II. der Erlauchte (* 1206; † 1253), Pfalzgraf bei Rhein 1228–1253
- Ludwig II. der Strenge (* 1229; † 1294), Pfalzgraf bei Rhein 1253–1294
- Rudolf I. der Stammler (* 1274; † 1319), Pfalzgraf bei Rhein 1294–1319
- Adolf der Redliche (* 1300; † 1327), Pfalzgraf bei Rhein 1319–1327
- Rudolf II. der Blinde (* 1306; † 1353), Pfalzgraf bei Rhein 1329–1353
Die Kurfürsten von der Pfalz
Die Kurfürsten von der Pfalz (Pfalzgraf bei Rhein) stammten aus der Dynastie der Wittelsbacher. 1356 erhielten die Pfalzgrafen die Kurwürde und verloren sie 1623 an die Herzöge von Bayern. Nach dem Westfälischen Frieden wurde 1649 eine achte Kur für die Pfalz eingerichtet. Die bayerische Kur erlosch 1777 nach dem Aussterben der Münchner Wittelsbacher; der pfälzische Erbe Karl Theodor führte den Titel eines „Kurfürsten von Pfalz-Bayern“. Die pfälzische Kur erlosch mit ihrer Aufhebung durch den Reichsdeputationshauptschluss.
- Ruprecht I., Kurfürst von der Pfalz 1353/54-1390
- Ruprecht II., Kurfürst von der Pfalz 1390–1398
- Ruprecht III., Kurfürst von der Pfalz 1398–1410 (ab 1400 römisch-deutscher König), danach Aufteilung unter den vier Söhnen Ruprechts
Hauptlinie (auch „ältere Kur-Linie“ genannt):
- Ludwig III., Kurfürst von der Pfalz 1410–1436
- Ludwig IV., Kurfürst von der Pfalz 1436–1449
- Friedrich I., der Siegreiche, Kurfürst von der Pfalz 1452–1476
- Philipp der Aufrichtige, Kurfürst von der Pfalz 1476–1508
- Ludwig V., der Friedfertige, Kurfürst von der Pfalz 1508–1544
- Friedrich II., Kurfürst von der Pfalz 1544–1556
- Ottheinrich, Kurfürst von der Pfalz 1556–1559
Linie Pfalz-Simmern:
- Friedrich III., Kurfürst von der Pfalz 1559–1576
- Ludwig VI., Kurfürst von der Pfalz 1576–1583
- Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz 1583–1610 (1583-1592 unter Vormundschaft seines Onkels Johann Casimir
- Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz 1610–1623 (Verlust der Kur)
- Karl I. Ludwig, Kurfürst von der Pfalz 1649–1680 (Wiedererlangung der Kur)
- Karl II., Kurfürst von der Pfalz 1680–1685
Linie Pfalz-Neuburg:
- Philipp Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz 1685–1690
- Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz 1690–1716
- Karl III. Philipp, Kurfürst von der Pfalz 1716–1742
Linie Pfalz-Sulzbach:
- Karl IV. Philipp Theodor, Kurfürst von der Pfalz 1743–1777, 1777–1799 Kurfürst von Bayern
Anmerkungen
Literatur
- Rudolf Haas, Hansjörg Probst: Die Pfalz am Rhein: 2000 Jahre Landes-, Kultur- u. Wirtschaftsgeschichte. Südwestdeutsche Verlagsanstalt, Mannheim 1984, ISBN 3-87804-159-4
- Meinrad Schaab: Geschichte der Kurpfalz.
- Bd 1. Mittelalter. Kohlhammer, Stuttgart 1999, ISBN 3-17-015673-X
- Bd 2. Neuzeit. Kohlhammer, Stuttgart 1992, ISBN 3-17-009877-2
- Alexander Schweickert: Kurpfalz. Kohlhammer, Stuttgart 1997, ISBN 3-17-014038-8
- Armin Kohnle: Kleine Geschichte der Kurpfalz. G.Braun Verlag, Karlsruhe 2005, ISBN 3-7650-8329-1
- Virto-Christian Rothfuss: Die Schönauer Epitaphien der Pfalzgrafen bei Rhein. in: Der Odenwald 54 (2007), S. 99-102.
- Peter Sandbiller (Fotos), Manfred Frust (Text): Flug über die Kurpfalz. Deutsch – englisch – französisch. Silberburg-Verlag, Tübingen 2007. ISBN 978-3-87407-756-9