John Dudley, 1. Duke of Northumberland
John Dudley (* 1502, † 22. August 1553 in London) wurde 1542 zum Viscount of Lisle, 1547 zum Earl of Warwick und 1551 zum Herzog von Northumberland erhoben.
John Dudley war ein Sohn von Edmund Dudley, der König Heinrich VII. als Finanzberater diente. Heinrich VIII. ließ den verhassten Steuer- und Finanzfachmann seines Vaters kurz nach seiner Thronbesteigung (1509) hinrichten.
John Dudley entschloss sich in frühester Jugend für eine Militärkarriere. Er bewährte sich als Militärkommandant und wurde 1538 zum Gouverneur von Calais ernannt. Heinrich VIII. beförderte Dudley 1542 zum Lord High Admiral (Oberbefehlshaber der Kriegsmarine). Außerdem erhielt er den Titel eines Viscounts of Lisle. Im Krieg gegen Frankreich (1544) gelang es Dudley einige Seegefechte im Kanal - z.B. im Solent - zu gewinnen. Dudley gewann durch diese Siege, trotz der hohen Verluste an Menschen und Schiffen, hohes Ansehen beim König.
Aufstieg

Heinrich VIII. - schon sterbenskrank - berief am 30. Dezember 1546 John Dudley in einen 16-köpfigen Regentschaftsrat (Council of Regency). Gemeinsam mit Edward Seymour (Somerset) und William Paget bildete John Dudley innerhalb des Regentschaftsrates ein Triumvirat. Noch zu Lebzeiten Heinrichs VIII. leitete dieses Triumvirat den Untergang der Familie Howard (Herzog von Norfolk, Earl of Surrey) ein. Am 4. Februar 1547 (schon unter der Herrschaft des minderjährigen Eduards VI., d.h. unter der Herrschaft des Lordprotektors Edward Seymour) wurde Dudley Kämmerer und Earl of Warwick. Vom Amt des Lord High Admirals musste Dudley aber zugunsten von Thomas Seymour, dem jüngeren Bruder des Lordprotektors, zurücktreten. Als Lord Lieutenant des Protektors unterstützte Dudley Edward Seymour bei dessen schottischen Kampagnen.
Im September 1547 bewährte sich Dudley in der Schlacht von Pinkie Cleigh. Trotz seiner erheblichen Beiträge zum Sieg der Engländer über die Schotten, wurde Dudley - im Gegensatz zu dem populären Edward Seymour - zur Zielscheibe der unzufriedenen Öffentlichkeit. In dieser Zeit erschienen erstmalig Pamphlete, die John Dudley als korrupten, machtgierigen und grausamen Tyrannen darstellten.
Nicht eindeutig lässt es sich heute beweisen, welche Rolle Dudley bei der Vernichtung Thomas Seymours spielte. Dieser wollte sich durch eine Eheschließung mit Elisabeth, der späteren Königin, Macht und Einfluss sichern. John Dudley bezichtigte deswegen Anfang 1549 Thomas Seymour des Bündnisses mit Küstenpiraten und der Regentschaftsrat eröffnete daraufhin einen Hochverratsprozess gegen den Lord High Admiral. Die Vollstreckung des Todesurteils an seinem Bruder konnte der Lordprotektor Edward Seymour nicht verhindern.
Die Ket-Rebellion
Im Sommer 1549 brachen in England infolge der Politik des Rates und aufgrund religiöser Probleme mehrere Unruhen aus. In Cornwall sammelten sich unzufriedene Katholiken. In Norfolk rebellierte der Gerber Robert Ket. Diese Ket-Rebellion war der einzige Baueraufstand während der Herrschaft der Tudors. Ket führte zeitweise 16.000 Bewaffnete und beherrschte das Gebiet um Norfolk. Die Ket-Rebellen hofften vergeblich, dass der „gute Herzog Somerset“ (Edward Seymour) die Armen gegen die ortsansässigen Landadligen unterstützen werde. Im Gegensatz zu den Aufständischen in Cornwall, welche sich eindeutig zu der katholischen Maria Tudor bekannten, waren die bäuerlichen Ket-Rebellen protestantisch ausgerichtet.
Der „gute Herzog Somerset“ handelte nicht. Einerseits konnte er nicht militärisch handeln, da seine Truppen in Schottland kämpften; andererseits schreckte er vor den sozialen Konsequenzen einer Unterstützung der Bauern gegen die Adligen zurück. John Dudley übernahm die Initiative und zog mit seinen Truppen nach Norfolk. Das Bauernheer wurde in der Schlacht bei Dussindale vernichtet. Der Rebellenführer Robert Ket wurde kurz nach seiner Gefangenennahme am 27. August 1549 hingerichtet.
Übernahme der Regentschaft
Dudley festigte seine Stellung im Regentschaftsrat und stellte sich offen gegen Edward Seymour. Dessen Popularität bestand jedoch weiter. Seymour brachte - vorbeugend - am 6. Oktober 1549 den König nach Windsor und am 13. Oktober 1549 umstellten Dudleys Truppen das Windsor Castle. Seymour und seine Familie wurden verhaftet und im Tower inhaftiert.
John Dudley erklärte sich zum Präsidenten des Regentschaftsrates. Er verzichtete auf den Titel "Lordprotektor", sicherte sich jedoch alle Schlüsselstellungen in der Regierung. Schließlich begnadigte Dudley am 10. Februar 1550 Edward Seymour, der - in untergeordneter Stellung - wieder im Regentschaftsrat aufgenommen wurde. Dudley beendete als Regent die Kriege gegen Frankreich (Frieden von Boulogne, 1550 - Boulogne ging an Frankreich) und Schottland (Frieden von Angers, 1551). Gleichzeitig versuchte er eine Ehe zwischen Eduard VI. und Elisabeth, einer Tochter des französischen Königs Heinrich II., zu initiieren.
John Dudley unterstützte zeitweise den radikalen Protestantismus und forcierte die Enteignung der katholischen Kirche. Protestantische Bischöfe wurden erst nach erheblichen materiellen Zugeständnissen in ihren Ämtern eingeführt.
Die Vernichtung Seymours
Am 11. Oktober 1551 wurde John Dudley vom König zum Herzog von Northumberland erhoben. Wenige Tage später ließ Dudley Edward Seymour verhaften und am 24. Oktober 1551 begann der Hochverratsprozess gegen den ehemaligen Lordprotektor. In der aufgeschreckten Öffentlichkeit kursierten Pamphlete, wie "The Epistle of Poor Partte": "Halte fest, was Du besitzt: Die Welt ist gefährlich. Der große Teufel Dudley herrscht (ich hätte Herzog sagen sollen); nun, lass es vorübergehen, und warte, bis es vorbei ist, denn ich glaube, es wird nicht lange dauern."
Seymour wurde zum Tode verurteilt und am 22. Januar 1552 im Tower hingerichtet. An diesem Tag kam es in London zu spontanen Protesten gegen Dudley, der beim Erscheinen im Tower von der wütendenden und aufgebrachten Londoner Bevölkerung mit Steinen und Unrat beworfen wurde.
Die Änderung der Thronfolge
John Dudley erkannte die Gefährdung seiner Macht. Er band den König immer mehr in die Entscheidungen des Regentschaftsrates ein. Doch seit 1552 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Königs akut. Eduard VI. erkrankte an Blattern und nach der Genesung an Masern. Sein Gesundheitszustand blieb trotz des Engagements seines italienischen Arztes Girolamo Cardano labil. Für John Dudley bestand nun die Notwendigkeit, die Thronfolge so zu regeln, dass die Nachfolge der katholischen Maria Tudor verhindert werden kann. Deswegen wollte er zuerst seinen, noch verheirateten Bruder Ambrose, später seinen Sohn Guilford mit Elisabeth verheiraten. Beide Eheprojekte scheiterten an Elisabeths Weigerungen, sich mit den Dudleys zu verbinden. Im Frühjahr 1553 erkältete sich der schon an Schwindsucht leidende König. Dudley entschloss sich, den König zu überzeugen, das Thronfolgegesetz von 1544 zu ändern und Eduard VI. bestätigte den Ausschluss seiner Halbschwestern Maria und Elisabeth von der Thronfolge. Die Thronfolge ging auf Lady Jane Grey, einer Großnichte Heinrichs VIII., über. Der Regentschaftsrat akzeptierte die Änderung der Thronfolge und John Dudley verbündete sich mit Henry Grey, dem Vater der Jane Grey. Schließlich heiratete die widerstrebende Jane Grey am 21. Mai 1553 Guilford Dudley. John Dudleys Macht schien gesichert.
Sturz und Tod
Dudley forderte Elisabeth auf, Abschied vom sterbenden König zu nehmen. Diese befürchtete, zu Recht, ihre Beseitigung und verließ London. Am 6. Juli 1553 verstarb Eduard VI., Dudley verheimlichte den Tod des Königs und versuchte Maria Tudor zu verhaften. Diese wurde - von Robert Dudley, einen weiteren Sohn Dudleys - gewarnt und konnte deswegen rechtzeitig nach Norfolk zu den katholischen Howards flüchten. Am 9. Juli 1553 wurde Jane Grey zur Königin gekrönt. Guilford Dudley wurde nicht gekrönt, dies führte zu Streitereien zwischen der Königin und den Dudleys. Jane Grey war der Öffentlichkeit bis zum Zeitpunkt ihrer Krönung nicht bekannt und galt deswegen als Marionette John Dudleys.
Maria sammelte ihre Anhängerschaft und wurde am 10. Juli 1553 in Norfolk zur Königin ausgerufen. Dudley zog mit seinem Heer nach Norfolk. Aber das Heer löste sich auf. Viele Soldaten desertierten und liefen zu Maria über. Das Volk war nicht bereit, die Legitimität Marias anzuzweifeln. Der Regentschaftsrat nutzte die Abwesenheit Dudleys zu dessen Sturz. Am 18. Juli 1553 wurde Dudley in Cambridge verhaftet. Der Regentschaftsrat begann mit Maria die Machtübergabe zu verhandeln. Henry Grey riss seiner Tochter die Krone vom Kopf und überließ sie ihrem weiteren Schicksal. John Dudley versuchte sein Leben mit dem Übertritt zum katholischen Glauben vergeblich zu retten. In einem Hochverratsprozess wurde er zum Tode verurteilt und am 22. August 1553 im Tower hingerichtet.
John Dudley hinterließ 13 Söhne. Guilford Dudley (geb. 1536) wurde unter den Augen seiner Frau Jane Grey (geb. 1537) am 12. Februar 1554 hingerichtet. Wenig später wurde auch Jane Grey exekutiert. Die anderen Söhne wurden zu einer Haftstrafe von 10 Monaten verurteilt. Robert Dudley, 1. Earl of Leicester (1533 - 1584) wurde später der langjährige Favorit von Elisabeth I.
John Dudleys Wirtschaftspolitik
Der landbesitzende Adel erhoffte sich von Dudley, dass die Protektion der Bauern durch Edward Seymour beendetet wird. Dudley verkörperte den Typ des Grundstücksspekulanten, der sich schamlos an enteigneten Kirchenbesitz bereicherte. Seine Unterstützung des Protestantismus basierte auf seine wirtschaftlichen Interessen. Er ließ sich die eigenen, auf Kosten der Krone erworbenen, Gewinne bestätigen, doch hinsichtlich der Nutzung des Besitzes wurden keine Verpflichtungen eingegangen.
Anna von Kleve schrieb 1550 an ihren Bruder: "Gott weiß, was als nächstes geschehen wird! Und alles wird in diesem Land so teuer, dass ich keine Ahnung habe, wie ich es schaffen soll, meinen Haushalt in Ordnung zu halten."
1551 erkannten Wirtschaftsexperten, dass die Preise sich nur stabilisieren können, wenn die seit 1544 verschlechterten Münzen aus dem Verkehr gezogen werden und durch - mit angemessenen Silbergehalt - neu geprägte Münzen ersetzt werden. Dudley gab die geplante Münzverbesserung vier Monate im voraus bekannt. Aufgrund - auch von Dudley durchgeführten - Manipulationen kam es zu heftigen Preisanstiegen im Sommer 1551. Kurzzeitig nutzte Dudley die Vorteile der Münzverschlechterung, da diese Münzverschlechterung den Tuchhandel zwischen London und Antwerpen stimulierte. Dudley leitete jedoch nach der Herausgabe der neuen Münzen entschlossen die Stabilisierung der englischen Währung ein. Aufgrund dieser Maßnahmen konnte Elisabeth I. mit einer gefestigten Währung regieren.
John Dudley förderte die Seefahrt. 1552 gründete er eine Gesellschaft, die eine Expedition von Richard Chancellor ausrüstete. Chancellor sollte den nordöstlichen Seeweg nach Amerika entdecken. Er erreichte das Weiße Meer und ankerte bei Cholmogory (das heutige Archangelsk). Chancellor gelangte nach Moskau und schuf dort die Voraussetzungen für den englisch-russischen Handel. Aus der von Dudley gegründeten Gesellschaft bildete sich 1555 die "Muscovy Company" (Moskowitische Gesellschaft).
John Dudley versuchte den Verfall der Flotte aufzuhalten. Dies gelang ihm nicht. Lediglich der Bau einer Werft bei Chatham an den Ufern des Medway ist seiner Initiative zu verdanken.
Literatur
- Geoffrey R. Elton: England unter den Tudors; Callwey Verlag, München 1983; ISBN 3-7667-0683-7;
- Bärbel Brodt: "Eduard VI." und Karl Heinz Metz "Maria die Katholische" in "Englische Könige und Königinnen - Von Heinrich VII. bis Elisabeth II."; Verlag C.H.Beck, München 1998; ISBN 3-406-43391-X;
- Marita A. Panzer: Englands Königinnen - Von den Tudors zu den Windsors; Piper Verlag GmbH, München April 2003; ISBN 3-492-23682-0
- Ilan Rachum: Lexikon der Renaissance; Edition Atlantis; Lizenzausgabe für Atlantis Verlag Zürich; ISBN 3-7611-0725-0
- Neville Williams: Elisabeth von England - Beherrscherin eines Weltreiches; Wilhelm Heine Verlag München, 7. Aufl. 1991; ISBN 3-453-55028-5;
- Antonia Fraser: Die sechs Frauen Heinrichs VIII.; Wilhelm Heyne Verlag München; 1996; ISBN 3-453-09892-7
Personendaten | |
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NAME | Dudley, John |
KURZBESCHREIBUNG | englischer Adliger |
GEBURTSDATUM | 1502 |
STERBEDATUM | 22. August 1553 |
STERBEORT | London |