Digitale Kunst
Digitale Kunst oder Digitalkunst, oft gleichbedeutend mit Computerkunst gebraucht, sind im Allgemeinen Sprachgebrauch Sammelbegriffe für Kunst, die digital mit dem Computer erzeugt wurde.
Begriffe und Definitionen
Computerkunst: In den 1950er Jahren begann Computerkunst wahrscheinlich mit der Ausgabe von Plotterdaten als Striche auf Papier. Ausnahmen wurden auf Analogrechnern erzeugt. Erst in den 1990ern wurde der Ausdruck „Digitale Kunst" gebräuchlich.
Heute wird „Computerkunst" außerdem in einem engen Sinn nur für elektronische Kunst oder für digitale Bildkunst gebraucht, die den Computer selbst und seine Arbeitsweise thematisiert.
Elektronische Kunst meint alle künstlerischen Arbeiten und Werke, die funktionierende analoge oder digitale Elektronik enthalten, sei es in Kunstgattungen wie Architektur, Performance, Tanz, Bildhauerei und Musik oder in neuen Bereichen wie Robotik und Computerkunst.
Das Festival Ars Electronica geht auf entscheidende Entwicklungen im Bereich elektronischer Kunst ein. Auf dem Festival sind Computerkunst und Digitale Kunst ständig ein Schwerpunkt. Die Ars Electronica inspiriert neue künstlerische Arbeiten und fördert Künstler durch den manchmal als Oscar der digitalen Kunst bezeichneten Prix Ars Electronica.
Digitale Kunst: Sie kann auf allen Geräten entstehen, die Information digital verarbeiten und künstlerisch anwendbar sind, wie beispielsweise Computer oder Mobiltelefone. Viele Formen digitaler Kunst sind durch den Unterschied zwischen dem rein digitalen Werk, den binären Dateien, und der Repräsentation geprägt:
Liegen Werke in digital kodierter und gespeicherter Form vor, wie beispielsweise als Bilddateien, Algorithmen, Hypertexte, ausführbare Programme und Code für Internetseiten, kann von Digitaler Kunst im engeren Sinne gesprochen werden. In bestimmten Fällen sind die Dateien und digitalen Vorgänge sogar das eigentliche Kunstwerk.
Sind Werke ohne die Repräsentation nicht vollständig, kann durch ausgesuchte Hardware und Software die Repräsentation künstlerisch gezielt beeinflusst werden. Unter Anderem ist es möglich, ergebnisoffen zu gestalten, beispielsweise mit Software, die bei Veränderungen an Variablen zu nicht genau vorhersagbaren künstlerischen Ergebnissen führt. Die Repräsentation einer Datei muss nicht akustisch oder visuell sein, sie kann z.B. aus einer kollektiven multimedialen Performance bestehen. Beispiel: biennale.py, der Virus für die 49. Biennale Venedig.
Digitale Bildkunst: Computergenerierte Bildkunst ist fast ausschließlich digital. Sie vereint meist zwei Herkünfte: Ihre technische Herkunft liegt in den ersten künstlerischen Experimenten mit der Ausgabe von Dateien auf Papier oder auf Bildschirme, sie orientiert sich aber auch an den traditionellen Kunstgattungen Malerei, Grafik und Fotografie. Die Bildausgabe auf zweidimensionale Medien (Web/Print/Projektion) steht im Vordergrund. Der Begriff Computergrafik wird sehr allgemein für beliebige visuelle Ausgaben eines Computers verwendet, nur ein Bruchteil davon ist als künstlerische Computergrafik oder digitale Bildkunst im Sinne zeitgenössicher oder angewandter Kunst bedeutend. Eine Übersicht der Differenzierungen digitaler Bildkunst folgt unten.
Computergenerierte Kunst und Digitale Kunst (medial): Künstler und Medientheoretiker unterscheiden heute Computergenerierte Kunst von medial ausgerichteter Digitaler Kunst (hier "Digitale Kunst (medial)" genannt).
- Computergenerierte Kunst setzt den Computer als bloßes Werkzeug ein, um Werke zu erzeugen, die traditionelle Kunstgattungen und Kunstformen digital weiterentwickeln, wie beispielsweise Druck, Malerei, Fotografie, Video/Film und Musik.
- Digitale Kunst (medial) nutzt Computer und Netzwerke, oder z.B. auch Mobiltelefone, als eigenes Medium, in dem eigene Kunstformen wie Netzkunst (Net Art), Software Kunst (Software Art), digitale Installationen und auch Kunstwerke im Bereich Virtuelle Realität entstehen. Eine Übersicht heutiger Differenzierungen folgt unten.
Medienkunst und Digitale Kunst (medial) bezeichnen künstlerische Arbeiten in heute weitgehend digitalisierten, ineinander fließenden Kunstbereichen, sehen sie jedoch von historisch unterschiedlichen Standpunkten. Medienkunst umfasst heute zwar alle digitalen Medien, ist ursprünglich jedoch aus dem künstlerischen Umgang mit den Medien Video, Film, und Fernsehen, in eingeschränkterem Maße mit Fotografie und Radio, entstanden.
Digitale Bildkunst

- Digitales Malen: Mit Grafiktablett oder Maus direkt erzeugte Bildkunst
- Fotomanipulation: Durch Integration bzw. Verfremdung digitaler Inhalte (Fotografien) erzeugte Bilder und Fotomontagen. Siehe auch Bildbearbeitung
- Szenische 3D-Kunst: Mittels 3D-Software erzeugte Darstellungen virtueller Räume
- Mathematische Kunst: Bildausgaben durch mathematische Algorithmen, Teil der Generativen Kunst
- Fraktale als Parametrierung festgelegter Formeln, z.B. Mandelbrot-Menge
- Vector Art: Vektordarstellungen, oft grafikdesign-orientiert
- Digitale Stilkunst: Digital erzeugte Nachempfindung und Weiterführung traditioneller Kunststile, z.B. digital-impressionistisch, digital-abstrakt
- Mixed Media: Mischformen aus obengenannten Techniken
- Computerkunst: Computerkunst als Digitale Bildkunst, die den Computer selbst und seine Arbeitsweise thematisiert
Eine bekannte jährliche Konferenz im Bereich digitaler Bildkunst ist die SIGGRAPH.
Computergenerierte Kunst
Nach der in "Digital Art" von Christiane Paul vertretenen Unterscheidung zwischen computergenerierter Kunst und Digital Art (medial) könnte ein Teil der oben genannten Digitalen Bildkunst vielleicht als computergenerierte Kunst betrachtet werden, würde aber nicht unbedingt restlos darin aufgehen. Eindeutig unter computergeneriert fallen:
- Digitale Musik: Siehe Computermusik und Elektronische Musik. Frühe elektronische Musik ist in etwa vergleichbar der ersten visuellen Computerkunst (siehe Oscillions) noch mit analogen Generatoren erzeugt worden. Die erste bekannt gewordene musikalische Anwendung eines digitalen Computers für digitale Musikkomposition ist die Illiac Suite 1957. Iannis Xenakis entwickelte 1961 seine Kompositionstheorie auf Grundlage des neuentwickelten Verfahrens der Klangsynthese mit Klangquanten. Aufgrund zu langer Rechenzeiten und zu geringer Speicherkapazitäten setzte sich die voll digitalisierte Musikausgabe erst gegen Ende der 1970er Jahre mit einer neuen Computergeneration durch.
- Digitale Poesie (Code Poetry): Computergenerierte Wortspiele, Dichtungen und programmierte Dialoge.
- GFX Grafik: GFX ist eine spielerische Abkürzung für "Graphical Effects". Ähnlich analogen Kunstformen, wie Comic- oder Grafitti, die mit Jugendszenen und Jugendkultur verbunden sind, ist GFX mit der GFXszene bzw. der Demoszene verbunden, einer digitalen Jugenkultur oder Netzkultur, in der grafische Effekte ursprünglich für Spielecomputer und Spielkonsolen wie C64, Atari ST, Commodore Amiga oder X-Box programmiert wurden. Auch heute beruht die Programmierung von GFX Grafiken und Animationen auf Verfahren, die besonders geeignet sind, Grafik und Klang in außergewöhnliche Qualität aufeinander abzustimmen, und damit die Möglichkeiten des Computers zu demonstrieren. GFX ist eine eigenständige Kunstform, die einerseits als angewandte Kunst untrennbar mit Computerspielen verbunden ist, andererseits aber auch eigenständige Werke hervorbringt, die als Zeitgenössiche Kunst gesammelt werden.
Digitale Kunst (medial)
Die neuen Formen digitaler Kunst (medial) tendieren zu Interaktivität und Multimedialität. Es wird mit Oberflächen von visuell und auditiv fordernden Webseiten gearbeitet, die für viele Teilnehmer zugänglich sind. Es werden Programme gestartet, die spielerische Kreativität verlangen. In bedien- oder begehbaren softwaregesteuerten Installationen und Projektionen geht es um die Interaktion zwischen Kunstwerk und Mensch. Zu den neuen Kunstformen zählen:
- Netzkunst: Unter diesen Sammelbegriff wird künstlerische Arbeit in analogen oder digitalen Netzen mit Arbeit in künstlerischen Netzwerken zusammengefasst. Internet- oder Webpräsenzen, die entweder durch ihr programmiertes Verhalten oder die Interaktion mit dem Besucher am Bildschirm eigenständige Kunstwerke bilden, können unter beide Kategorien fallen. Netzkunst und Digitale Kunst überschneiden sich in weiten Bereichen, vor allem dort, wo Digitale Kunst telematische Netze einbezieht oder gemeinsame Kunstwerke durch die Vernetzung von Teilnehmern ermöglicht.
- Softwarekunst: Der Ursprung liegt am Massachusetts Institute of Technology. Dort wurde im englischen Slang eine Computeroperation „Hack“ genannt, die kreativ kodiert besondere Systemeigenschaften ausnutzt, um überraschend wirksam zu werden. Software Art als bewusst eigene Kunstform wurde jedoch erst gegen Ende der 1990er Jahre z. B. durch de-programmierte Computerspiele oder andere herunterladbare Programme allgemein bekannt, die den Nutzer animieren, sein Verhältnis zu Internet, Rechner und eigenem Nervensystem zu überdenken.
- Digitale Kunstwelten und Virtuelle Realität: Virtuelle Räumlichkeit hat bildhauerische und architektonische Aspekte und kann mit Text, Grafik, Animation, Audio und sogar körperlicher Erfahrung als Einheit erlebt werden. Sie kann durch virtuelle Persönlichkeiten bzw. Avatare gestaltet werden und sich zu einer gelebten Traumwelt entwickeln. Es gibt
- - Virtuelle künstliche Personen und Räume, die durch digitale Netzkommunikation in der Vorstellungswelt der Teilnehmer entstehen, wie beispielsweise Muds oder Figuren wie Monty Cantsin (oder noch virtueller: Karen Eliot). Charakteristisch für solche Figuren und Fantasiewelten: Das Muster ist ursprünglich durch analoge Telekommunikation entstanden und auch die heutigen digital kommunizierten Ausprägungen sind im Prinzip auch in analogen Communitys als Vorstellungswelten oder Rollenspiele möglich.
- - Virtuelle Räume, erfahrbar als dreidimensionale Illusionswelten z.B. als Cave Automatic Virtual Environment, Head Mounted Display (HMD) oder Ähnliches.
- - Virtuelle Welten, die weitgehend von den als Avatar präsenten Beteiligten selbst, als komplett digitale und virtuelle Realität gestaltbar sind, wie beispielsweise Second Life
Im Bereich Digitale Kunst und Medienkunst wird als bekannter Preis der Digital Sparks Award verliehen.
Geschichte
Die Entwicklung der Digitalen Kunst verläuft parallel zur Entwicklung der Computertechnologie. Zu den Pionieren im künstlerischen Bereich zählen Personen, die entweder von der Informationsästhetik (Max Bense) beeinflusst sind oder in Verbindung zu Informatikern stehen (z. B. Kurd Alsleben). Arbeiten können sie nur in Verbindung mit öffentlich getragenen Rechenzentren, wie dem DESY in Hamburg, da Computer in den 1950er und 1960er Jahren noch raumfüllende Anlagen sind. In dieser Entstehungszeit knüpft sich an die Entwicklung der theoretischen Grundlagen und deren technologisch/künstlerischen Umsetzung die Erwartung, hiermit eine neue Ästhetik zu entwickeln („So ist die Ästhetik als objektive und materiale Ästhetik gedacht, die nicht mit spekulativen sondern mit rationalen Mitteln arbeitet.“ - Bense 1969) Mit der Entwicklung der Plotter beginnen sich in dieser Zeit zunehmend mehr Künstler für Computer und computergesteuerte Zeichenmaschinen zu interessieren. Während die ersten Programme für Plotter zur Anwendung durch Architekten und ähnliche Berufe konzipiert waren, erstellen Künstler wie Frieder Nake und Herbert W. Franke eigene Programme. Neben den Informatikern interessieren sich anfangs vor allem solche Künstler für die Arbeit mit Computern, die aus dem Sektor der konkreten und abstrakten Kunst kamen. Dazu zählte beispielsweise Vera Molnar, die 2005 für ihr Lebenswerk den vom Digital Art Museum [DAM], Berlin geschaffenen [ddaa] d.velop digital art award erhielt.
Mit der Verbreitung leistungsfähiger und zugleich erschwinglicher PCs werden zunehmend digitale Bildbearbeitungsprogramme von Künstlern benutzt, um vorhandenes Bildmaterial zu manipulieren oder Bilder vollständig am Computer zu generieren. Diese Entwicklung wurde stark von den jeweils aktuellen Softwareprodukten geprägt, so der Paintbox in den 1980er Jahren und in den 1990er Jahren von Photoshop. Die neuen Techniken wurden von Künstlern wie Peter Greenaway oder in der Fotografie von Jeff Wall, Thomas Ruff und Andreas Gursky aufgegriffen, die bislang mit analogen Medien gearbeitet hatten und gewöhnlich nicht als Vertreter der Digitalen Kunst genannt werden; Künstler, in deren Arbeiten eine digitale Verfremdung des Bildes im Vordergrund steht sind unter anderen Aziz & Cucher, Olga Tobreluts oder die Modefotografin Inez van Lamsweerde.
In der Digitalen Malerei werden Bilder vollständig durch Eingabegeräte am Computer erzeugt und manchmal mittels spezifischer Algorithmen manipuliert, um bestimmte – mitunter traditionellen Maltechniken ähnelnde – Effekte zu erreichen. Digital manipulierte oder generierte Bilder können auch um eine zeitliche Dimension ergänzt werden; oftmals geht digitale Kunst so in die Videokunst über, beispielsweise in den Arbeiten von Yves Netzhammer.
Die Grenze zwischen einerseits digitaler Kunst im engeren Sinne und andererseits computergenerierter Kunst und klassischen Kunstdisziplinen wird zunehmend fließender. Die zunehmende Digitalisierung verschiedenster Medien führt teilweise zu deren digitaler Weiterformulierung. Beispielsweise wurde Videokunst ursprünglich mit analogen Verfahren erstellt, die inzwischen durch digitale Aufnahmetechniken abgelöst wurden. Dies gilt vergleichbar für viele andere künstlerische Medien.
Künstlerinnen und Künstler (Auswahl)
Vorwiegend in den Bereichen Computerkunst und Digitale Bildkunst:
- Jean-Pierre Balpe Frankreich
- Rodney Chang (Pygoya), USA
- Caterina Davinio, Italien
- Heiko Daxl, Deutschland
- John Fischer, USA
- Monika Fleischmann & Wolfgang Strauss, Deutschland
- Herbert W. Franke, Deutschland
- Peter Gabriel, Großbritannien
- Laurence Gartel, USA
- Dieter Grossmann, Deutschland
- István Horkay, Ungarn/USA
- Ingrid Kamerbeek, Deutschland
- Kytom L., Deutschland
- Miltos Manetas, weltweit
- Manfred Mohr, Deutschland/USA
- Phil Schmitt, Deutschland
- Vera Molnar , Ungarn/Frankreich
- Frieder Nake, Deutschland
- Yves Netzhammer, Schweiz
- Julian Opie, Großbritannien
- Pipilotti Rist, Schweiz
- Sebastian Baumer, Deutschland
- Michael Saup, Deutschland
- Christa Sommerer & Laurent Mignonneau, Österreich/Frankreich
- Peter Weibel, Österreich
- Iannis Xenakis, multinational
Siehe auch
Literatur
- Monika Fleischmann, Ulrike Reinhard (Hrsg.): Digitale Transformationen Medienkunst als Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Fraunhofer MARS - Exploratory Media Lab und whois, Heidelberg 2004, ISBN 3-934013-38-4.
- Oliver Grau: Virtual Art: From Illusion to Immersion. MIT-Press, Cambridge/Mass. 2003, ISBN 978-0262572231.
- Christiane Paul: Digital Art. Thames Hudson, London 2003, ISBN 0-500-20367-9.
Weblinks
- Künstlerliste „Digitale Kunst“ des Open Directory Projects
- The SIGGRAPH Art Show (englisch)
- Virtual Art Archiv der Digitalen Kunst, kollektives Pionierprojekt seit 1999.
- Digital Art Museum (englisch)
- Was ist Digitalkunst? Eine Annäherung, Dr. Michael Schetsche, 2005
- Computerkunst-Entwicklung von Herbert W. Franke 2008