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Forkhead-Box-Protein P2

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Das FOXP2-Protein

Das FOXP2-Gen (engl. Abkürzung für Forkhead-Box P2) gehört zu der Gruppe der Forkhead-Box-Gene, einer großen Klasse von Transkriptionsfaktoren. Es spielt beim Spracherwerb[1], einschließlich grammatikalischer Fähigkeiten, eine große Rolle. Entdeckt wurde dieses Gen erstmals bei Untersuchungen eine Londoner Familie.

Bedeutung

Unter den bisher bekannten Genen ist FOXP2 das wichtigste für eine spezifisch menschliche Eigenschaft. Mit Hilfe der Paläogenetik wurde festgestellt, dass diese Genvariante nicht älter als 200.000 Jahre ist. Dieser Zeitpunkt deckt sich mit dem von Paläoanthropologen datierten Geburtstag der Spezies Mensch.[2]

Der Name Forkhead-Box leitet sich von einer bei Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) beobachteten Mutation ab, die eine gabelartige Veränderung des Kopfes zur Folge hat. Mittlerweile wurde jedoch eine Vielzahl von FOX-Genen identifiziert, die in den unterschiedlichsten Organismen zum Teil völlig verschiedene Aufgaben haben.

Funktion

Psycholinguistik

Das FOXP2-Gen hat bei der Entwicklung der Sprachfähigkeit (Psycholinguistik) eine zentrale Funktion. Deshalb führen Mutationen dieses Gens zu einem spezifischen Sprachproblem, insbesondere bei der Artikulation und dem Sprachverständnis.[3]

Die Sequenz des FOXP2-Proteins wurde im Laufe der Evolution nur minimal verändert. So lassen sich nahezu gleiche FOXP2-Proteine beispielsweise bei Singvögeln, Fischen und Reptilien finden.[4][5]

Mit Ausnahme des Polyglutamin-Abschnittes unterscheidet sich das menschliche FOXP2-Protein von dem der Schimpansen nur durch zwei, vom dem von Mäusen durch drei und dem eines Zebrafinken nur durch sieben Aminosäuren[6][7][7] Einige Forschungsgruppen nehmen daher an, dass der Unterschied in den beiden Aminosäuren zwischen Schimpanse und Mensch zur Sprachentwicklung beim Menschen geführt hat.[6] Diese These ist jedoch umstritten, da andere Arbeitsgruppen keinen Zusammenhang zwischen Spezies mit erlernter Vokalisierung und solchen mit ähnlicher Mutation in FOXP2 feststellen konnten.[4][5]

Die beiden beim Menschen beobachteten Mutationen finden in einem Exon mit bislang unbekannter Funktion statt.

Schizophrenie

Sprachstörungen sind eines der Hauptsymptome einer Schizophrenie. Aus diesem Grund bestand unmittelbar nach der Entdeckung des FOXP2-Gens der Verdacht, dass dieses Gen für die Anfälligkeit zur Ausbildung einer Schizophrenie eine gewisse Rolle spielen könnte. In einer vergleichenden Studie wurden 186 Patienten mit einer Schizophrenie (nach DSM-IV, sie hörten fremde Stimmen) und 160 gesunde Probanden untersucht. Dabei wurden speziell Nukleotidpolymorphien des FOXP2-Gens analysiert. Es konnten dabei statistisch signifikante Unterschiede bezüglich des Genotypus (P=0,007) und der Allelfrequenzen (P=0,0027) zwischen schizophrenen Patienten mit Gehörhalluzinationen und der Kontrollgruppe, in der einzelnen Nukleotidpolymorphie rs2396753 gefunden werden. Das Ergebnis lässt den Schluss zu, dass das FOXP2-Gen einen Einfluss auf die Ausbildung einer Schizophrenie haben kann.[8]

Entdeckung

Der Stammbaum der KE family

1990 beschrieben britische Genetiker vom Institute of Child Health eine erbliche Sprachstörung, die drei Generationen einer Familie betrifft. Etwa die Hälfte der 30 Mitglieder, der in der Fachliteratur als KE Family bekannt gewordenen Familie, hat erhebliche Probleme mit Grammatik, Satzbau und Wortschatz.[9] KE family ist das in der wissenschaftlichen Literatur verwendete Pseudonym für eine Londoner Familie pakistanischer Herkunft.

Der britische Genetiker Anthony Monaco von der Universität Oxford entdeckte 1998 mit seiner Arbeitsgruppe in der KE family auf dem Chromosom 7 einen Abschnitt, den er mit den Sprachproblemen der Familie in Verbindung brachte. Durch genetische Untersuchungen der Familienmitglieder konnte er das sogenannte Sprachgen FOXP2 erstmals identifizierent werden.

Die Mutation des FOXP2-Gens trat offensichtlich erstmals bei der Großmutter der Familie auf. Ihre Sprachstörungen sind so erheblich, dass selbst ihr Ehemann ihre Sätze nur mit Mühe enträtseln kann. Drei ihrer vier Töchter und einer der beiden Söhne haben ebenfalls Sprachschwierigkeiten. Von den 24 Enkelkindern zeigen zehn die gleichen Symptome. Die anderen Mitglieder der Familie aus dem Londoner Süden haben keinerlei Verständigungsprobleme.[10]

Die durch die Mutation bedingte Erkrankung, die sich als sogenannte verbale Entwicklungsdyspraxie (DVD = Developmental Verbal Dyspraxia) äußert, wird autosomal dominant vererbt. Die Mutation befindet sich auf dem Chromosom 7 (7q31). Das Gen wurde SPCH1 genannt. Die von der Erbkrankheit betroffenen Mitglieder der KE-Familie tragen eine Subsitution von Arginin durch Histidin (R553H), wodurch das daraus codierte Protein in seiner Funktion wirkungslos ist.[11]

Mittels bildgebender Verfahren des Gehirnes von Mitgliedern der KE-Familie wurden Abnormitäten im Nucleus caudatus, einem Bestandteil der Basalganglien, festgestellt.

Einzelnachweise

  1. C. Lai u.a., The SPCH1 region on human 7q31: genomic characterization of the critical interval and localization of translocations associated with speech and language disorder. In: Am J Hum Genet, 67/2000, S=357-68. PMID 10880297
  2. U. Bahnsen, Paläogenetik In: Zeit Wissen, 34/2002
  3. Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft, Geschwätzige Zebrafinken, vom 31. März 2004
  4. a b D.M. Webb, J. Zhang, FoxP2 in song-learning birds and vocal-learning mammals. In: J Hered., 96/2005, S.212-6. PMID 15618302
  5. a b C. Scharff, S. Haesler, An evolutionary perspective on FoxP2: strictly for the birds? In: Curr Opin Neurobiol, 15/2004, S.694-703. PMID 16266802
  6. a b W. Enard u.a., Molecular evolution of FOXP2, a gene involved in speech and language.. In: Nature, 418/2002, S.869-72. PMID 12192408 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „pmid12192408“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  7. a b I. Teramitsu u.a., Parallel FoxP1 and FoxP2 expression in songbird and human brain predicts functional interaction. In: J Neurosci., 24/2004, S.3152-63. PMID 15056695 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „pmid15056606“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  8. J. Sanjuán u.a., Association between FOXP2 polymorphisms and schizophrenia with auditory hallucinations. In: Psychiatr Genet., 16/2006, S.67–72. PMID 16538183
  9. J. Cohen, Die Evolution der Sprache. In: Technology Review,2/2008
  10. U. Bahnsen, U. Willmann, Wie Gene die Lippen spitzen. In: Die Zeit, Ausgabe 51/2001
  11. S. Haesler, Studien zur Evolution und Funktion des FoxP2-Gens in Singvögeln., Dissertation, FU Berlin, 2007

Literatur

  • F. Vargha-Khadem u.a., Praxic and nonverbal cognitive deficits in a large family with a genetically transmitted speech and language disorder. In: Proc Nat Acad Sci, 92/1995, S.930-33. PMID 7846081
  • F. Vargha-Khadem u.a., Neural basis of an inherited speech and language disorder. In: Proc Natl Acad Sci U S A, 95/1998, S.12695–700. PMID 9770548
  • C.S. Lai u.a., A forkhead-domain gene is mutated in a severe speech and language disorder. In: Nature, 413/2001, S.519-23. PMID 11586359
  • R.J. McCauley, Assessment of Language Disorders in Children., Lawrence Erlbaum Associates, 2001, S.118. ISBN 0-805-82562-2
  • B. P. Trivedi, Scientists Identify a Language Gene. In: National Geographic Today, 4. Oktober 2001