Drei-Punkt-Regel
Die Drei-Punkt-Regel ist ein Konzept der Steigtechnik im Klettersport, das in der Forderung besteht, zu jedem Zeitpunkt mit drei Gliedmaßen Kontakt zum Fels zu halten. Sie wurde lange Zeit als strenges Gesetz gelehrt[1], heute gilt sie allerdings im Sinne einer immer gültigen Grundregel als weitgehend überholt[2].
Klettern nach der Drei-Punkt-Regel bedeutet einen relativ statischen Kletterstil: Es werden jeweils drei Gliedmaßen an Haltepunkten fixiert, wobei sich der Körper in einer stabilen Position befindet. Nur eine Hand oder ein Fuß wird zum Weitergreifen oder -treten bewegt oder zum Einhängen des Seils verwendet. Konkret heisst dass, beim Weitergreifen der einen Hand hält die andere Hand an einem Griff und stehen beide Füsse auf Tritten und analog dazu steht beim Weitertreten der andere Fuss auf einem Tritt und beide Hände halten sich an Griffen. Durch den konstanten Felskontakt von drei Haltepunkte ist die Kontrolle des Schwerpunktes deutlich einfacher und die Gefahr eines Gleichgewichtsverlustes dementsprechend geringer.[3]
Die Drei-Punkt-Regel bietet vor allem sicherheitstechnische Vorteile. Wenn der Kletterer einen Haltepunkt etwa durch Abrutschen oder Ausbrechen eines Griffes oder Trittes verliert, hat er eine bessere Chance, sich doch noch in der Wand halten zu können. Außerdem werden eventuell brüchige Haltepunkte durch die bessere Gewichtsverteilung möglichst wenig belastet. Die klettertechnischen Möglichkeiten werden dadurch jedoch teilweise, vor allem bei höheren Schwierigkeiten in großem Maße eingeschränkt[4].
Geschichte
In den 50er Jahren hielt man sich in den USA strikt an die 3-Punkte Regel. [5] Auch in Europa hat die Regel noch uneingeschränkte Gültigkeit, so beschreibt Eidenschink noch 1964 die 3-Punkte Regel als unbedingt zu beachtende Regel.[1] Doch schon bald wird die Regel etwas weniger streng ausgelegt. 1975 schreibt ein Autorenkollektiv: "Die Bewegungshandlungen werden so ausgeführt dass in der Regel immer nur ein Halte- oder Stützpunkt aufgegeben wird".[6] Mit dem eingeschobenen " in der Regel" lassen die Autoren, die dem sächsischen Freiklettern entstammen bereits Spielraum für ein Nichteinhalten der Regel in gewissen Situationen. Mit der Entwicklung des modernen Sportkletterns wurden einerseits höhere Schwierigkeitsgrade (häufig auch in festerem Fels) erreicht, die schwierigeren Routen boten häufig nicht genug Haltemöglichkeiten für drei Extremitäten. Andererseits sorgten verbesserte sicherungstechnische Möglichkeiten und bessere Absicherung für Akzeptanz eines höheren Sturzrisikos. Auch der sich neu entwickelten Bouldersport führte zu einer wesentlichen klettertechnischen Weiterentwicklung. Hier ist besonders der US-amerikanische Kletterpionier John Gill zu erwähnen, dem die Überwindung der Drei-Punkt-Regel häufig zugeschrieben wird, da er neuartige Techniken wie den Dynamo etablierte und nach eigenen Aussagen schon 1955 begann die Regel zu ignorieren.[7][5]. In den 60er Jahren experimentierten die Boulderer in den USA schon regelmässig mit Dynamos und erfanden auch andere spielerische Boulderformen, wie Beispielsweise das freihändige Klettern von Platten durch Bob Kamp, bei welchen die Drei-Punkt Regel nicht mehr eingehalten wurde. [8][5] In Europa eröffnete Pierre Alain in den 60er Jahren im Bouldergebiet Fontainebleau Boulderprobleme, welche dynamische Techniken und ein Aufgeben der Regel verlangten.[5] Im normalen Felsklettern mit Seil kam der Bruch mit dem Dogma 3-Punkte-Regel dann mit dem Beginn des Sportklettern. Im ersten deutschsprachigen Lehrbuch zum modernen Sportklettern schreibt der Autor Sepp Gschwentner 1981 dann folgerichtig und explizit dass der Grundsatz der Drei-Punkte-Regel bei schwierigen Stellen "hin und wieder durchbrochen werden" muss.[9]
Als nicht dogmatisch angewendete Regel hat die Drei-Punkte-Regel auch im modernen Sportklettern nach wie vor ihre Berechtigung. Insbesondere in der Anfängerschulung wird die Anwendung der Regel, im Sinne einer Vorgabe zur Festigung der elementaren Steigtechnik, nach wie vor praktiziert. Auch im alpinen Klettern, besonders in ernsten, schlecht abgesicherten und brüchigen Routen hat sich die Drei-Punkt-Regel bis heute eine gewisse Gültigkeit bewahrt[10].
Quellen
- ↑ a b Otto Eidenschink: Richtiges Bergsteigen inFels und Eis für Wanderer und Kletterer - die Technik im Fels. 5. Auflage. F. Bruckmann, München 1964, S. 39.
- ↑ Katrin Kiermeier: Sicher Klettern lernen ...die interaktive Kletterschule. (html) Abgerufen am 1. März 2008.
- ↑ Thomas Strobl: Freeclimbing. Technik und Training. Mit Spezialtips für künstliche Kletterwände. „1.“ Auflage. Falken Verlag, Niedernhausen 1992, ISBN 3-8068-1251-9, S. 50.
- ↑ Online-Kurse Grundwissen Klettern, Teil I: Bewegungstechnik. ALPIN - Das BergMagazin, 23. August 2005, abgerufen am 1. März 2008.
- ↑ a b c d John Gill: Reflections & Commentaries: Page 3: Kinaesthetics & Dynamics. 28. Januar 2007, abgerufen am 1. März 2008.
- ↑ Autorenkollektiv unter der Leitung von Wolfram Kind: Bergsteigen. Ein Lehrbuch für Übungsleiter und Aktive. Sportverlag, Berlin (Ost) 1975, S. 32.
- ↑ Kai Hoffmann: Bouldern. (html) Abgerufen am 1. März 2008.
- ↑ John Gill: Reflections & Commentaries: Page 3.1: Ethereal Bouldering. No Hands Problems. 28. Januar 2007, abgerufen am 1. März 2008.
- ↑ Sepp Gschwentner: Sicher Freiklettern. „1.“ Auflage. Bergverlag Rudolf Rother, München 1981, S.17, ISBN 3-7633-6052-2.
- ↑ Online-Kurse Grundwissen Klettern, Teil I: Bewegungstechnik. ALPIN - Das BergMagazin, 23. August 2005, abgerufen am 1. März 2008.