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Bethaus der Baptisten in Jever

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Datei:Kapelle im Sonnenaufgang.PNG
Bethaus der Baptisten in Jever heute

Das Bethaus der Baptisten in Jever wurde 1858 errichtet und ist eines der ältesten baptistischen Kirchengebäude in Deutschland, das noch immer zu gottesdienstlichen Zwecken genutzt wird. Älter sind nur das Bethaus in Felde bei Westerstede (erbaut 1850) und die Eben-Ezer-Kapelle (erbaut 1856; heute Köbners Kirche genannt) in Wuppertal Barmen. Die älteren Baptistenkirchen in Hamburg (erbaut 1847) und Berlin (erbaut 1848) wurden während des Zweiten Weltkrieges zerstört.

Das Bethaus befindet sich außerhalb des historischen Stadtkerns von Jever. Es liegt am Elisabethufer in der sogenannten St. Annen-Vorstadt.

Baubeschreibung

Das Gotteshaus der Baptisten ist im Laufe seiner 150jährigen Geschichte mehrfach umgebaut und auch äußerlich verändert worden.

Der ursprüngliche Bau

Bei dem jeverschen Bethaus handelte es sich um einen einfachen Saalbau. An den Längsseiten befanden sich jeweils drei einfachverglaste Kirchenfenster im gotisierenden Stil. Das Eingangsportal befand sich in der Mitte der Giebelseite, rechts und links flankiert von zwei weiteren Kirchenfenstern.

In der Giebelspitze befand sich ebenfalls ein Kirchenfenster, allerdings kleiner gehalten als die anderen. Die Vorderfront war aufgegliedert durch vier säulenartige Mauervorsprünge. Zwei von ihnen markierten die Ecken des Bethauses, zwei weitere hoben den Eingangsbereich hervor. Alle vier Mauervorsprünge waren gekrönt mit Zinnen, die über die Dachgrenze hinausragten. Ähnliche Strukturelemente finden sich übrigens bei verschiedenen jeverschen Privathäusern, die im selben Zeitraum erbaut worden sind.

Im Giebel befindet sich bis heute eine Sandsteintafel, die von Johann Ludwig Hinrichs anlässlich der Einweihung des Bethauses gestiftet worden war und deren Inschrift dem Gotteshaus der jeverschen Baptisten seinen Namen gab. Die Inschrift lautet: Mein Haus heißt ein Bethaus allen Völkern. Jesajas 56.7. Erbaut im Jahre Christi 1858.

Aus alten Unterlagen ergibt sich für das Innere des Bethauses folgendes Bild: Hinter dem Eingangsportal lag ein kleiner aus Holz gefertigter Vorraum. Der eigentliche Kirchenraum umfasste etwa zwei Drittel des Saalbaus und bot nach Zahl der Bänke etwa 100 Gottesdienstbesuchern Platz. Im hinteren Drittel des Bethauses befanden sich zwei Mehrzweckräume, wovon einer mit einer einfachen Kücheneinrichtung ausgestattet war. Die Räume dienten bei Taufen auch als Umkleideräume der Täuflinge.

Der Blick des eintretenden Besuchers fiel auf ein schlichtes Kreuz und eine etwas überdimensionierte und erhöhte Kanzel. Vor der Kanzel befanden sich der Abendmahlstisch und drei Stühle. Das für Baptistenkirchen typische Baptisterium war unterhalb des Abendmahlstisches im Fußboden eingelassen. Bei Taufgottesdiensten wurde der Tisch beiseite geschoben und die Abdeckung des Taufbeckens entfernt. Rechts und links der Kanzel befand sich jeweils eine Tür, die in die genannten hinteren Räume führte. Ein Tonnengewölbe schloss den Gottesdienstraum nach oben hin ab.

Auf dem heutige Parkplatz stand zwei zeitgleich mit Kirche errichtete baugleiche Wohnhäuser (Grundfläche ca 40m²) mit jeweils zwei Zimmer im Erd- und und zwei Zimmer im Dachgeschoss. Hier sollten - so die ursprüngliche Absicht - Pastor und Küster der Gemeinde wohnen, wozu es aber aufgrund verschiedener Umstände nicht gekommen ist. Der Wohnraum wurde bis zum Abbruch der Häuser im Jahr 1957 privat vermietet. Dass die beiden Häuser vor die Kirche gebaut wurden und damit die freie Sicht auf das Bethaus blockierten, hing mit den Bauvorschriften der damaligen Zeit zusammen. freikirchliche Gotteshäuser (übrigens auch Synagogen waren nur als Hinterhofgebäude zugelassen ((s. Günter Balders, aaO, S. 291).

Heutiger Zustand

Nach größeren Umbaumaßnahmen in den Jahren 1959 und 1980 bietet sich heute folgendes Bild: Die Strukturelemente an der Fassade wurden beseitigt, auch das Kirchenfenster in der Giebelspitze. Als Eingangsbereich mit Vorraum dient jetzt ein kleiner Seitenanbau. Die ursprüngliche Kirchentür wurde durch ein Kirchenfenster ersetzt. Auch im Inneren haben sich größere Veränderungen ergeben. Kanzel und Abendmahlstisch befinden sich nun an der gegenüberliegenden Seite. Das Tonnegewölbe wurde entfernt und durch eine normale Decke ersetzt. Das Taufbecken befindet sich noch ungefähr an seinem ursprünglichen Platz, ist jedoch offen. Einer der beiden hinteren Räume wurde dem Gottesdienstraum zugeschlagen. Im anderen rückwärtigen Raum befinden sich Toiletten, ein Hinterausgang und eine Treppe, die zu den oberen Räumen führt. Bei diesen Räumen handelt es sich drei Gruppenräume verschiedener Größe und einer Küche.

Geschichte

Die Baptistengemeinde Jever (heute auch Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde genannt) konstituierte sich unter der Leitung Johann Gerhard Onckens am 30. August 1840 in Jever mit 19 Gemeindemitgliedern. Ihr erstes Domizil war das Gartenhaus eines angesehenen jeverschen Kaufmanns. Bereits im Oktober ihres Gründungsjahres stellte die kleine Gemeinde beim Kirchenrat der Oldenburgischen Evangelisch-lutherischen Landeskirche den Antrag, die Gründung einer Evangelisch Taufgesinnten Gemeinde in Jever zu gestatten. Beigefügt war das von Johann Ludwig Hinrichs abgefasste Glaubensbekenntniß der Evangelischen Taufgesinnten (Baptisten) Gemeinden in Amerika, Großbritanien, Hamburg pp und Jever. Der Antrag, der abschlägig beschieden wurde, lenkte die Aufmerksamkeit der landeskirchlichen und staatlichen Behörden auf die junge Gemeinde. Ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte wurden bei Androhung von von Geld- und/oder Gefängnisstrafen verboten. Kinder baptistischer Familien wurden mit Polizeigewalt in die Kirche verbracht und dort vom Pastor gegen den Willen der Eltern getauft. Waren sie nicht bereit, die dafür festgesetzten Gebühren zu bezahlen, wurden sie gepfändet. So war zunächst ein geordnetes gottesdienstliches Leben der Gemeinde nicht möglich. Die Versammlungsorte mussten aufgrund von Verfolgung ständig gewechselt werden. Die Gottesdienste fanden in Privathäusern, Scheunen und unter freiem Himmel statt. Taufen wurden bei Nacht in den Gewässern des Wangerlandes durchgeführt. Dennoch wuchs die Gemeinde und konnte im Umland von Jever weitere Gemeindegründungen initiieren.

Ein erster Durchbruch gelang in der von Jever aus gegründeten Gemeinde Felde bei Halsbek (heute Westerstede). Hier war es vor allem der Gemeindeälteste Frerich Bohlken, der durch seine zahlreichen Eingaben bei großherzoglichen Regierung in Oldenburg eine gewisse Duldung der Baptisten erreicht. Bereits 1847 erhielt er die Erlaubnis, für die Felder Baptisten eine Kapelle#Die freikirchliche Kapelle zu errichten, was auch im selben Jahr geschah. Auch in Jever legten die Behörden ein liberalere Haltung an den Tag. Zu baptistischen Gottesdiensten durfte öffentlich eingeladen werden. Anfang der 1850er Jahre wurde in der Gemeinde der Beschluss gefasst, eine eigene Kirche zu erbauen. Der Durchführung musste allerdings aus zwei Gründen zurückgestellt werden, da sich über 30 Gemeindemitglieder zur Auswanderung nach Illinois entschlossen und Gemeindegründungsinitiativen in Varel und Seefeld (heute: Baptistengemeinde Nordenham) weitere Mitglieder aus Jever abzogen. Als der Gemeindeälteste Anton Friedrich Remmers im Januar 1858 den Grundstein des Bethauses am Elisabthufer legte, hatte die Gemeinde Jever rund 80 getaufte Gemeindemitglieder (ohne Kinder und Freunde). Da die Gemeinde keine Korporationsrechte besaß, wurde im Grundbuch der Kirchbau auf den Namen von A. F. Remmers eingetragen. Als er 1881 starb, verweigerten seine Erben, die nicht zur Gemeinde gehörten, die Herausgabe des Bethauses. Nach jahrelangen vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen kaufte die Gemeinde der Erbengemeinschaft ihr Bethaus ab und bezahlte es gewissermaßen zum zweiten Mal.

Die Einweihung des Bethauses fand am Sonntag, d. 24. Oktober 1858 statt. Die Festpredigten hielten die Gründerväter der deutschen baptistischen Bewegung Johann Gerhard Oncken und Julius Köbner. Auch August Friedrich Wilhelm Haese, der als Missionar rund um den Jadebusen tätig war an den Einweihungsfeierlichkeiten beteiligt. Der Kirchenneubau machte offensichtlich Eindruck in Jever. Auf einer Lithografie von Klusmeier gehört das Bethaus neben dem Schloss, der Stadtkirche und weiteren sechs Gebäuden zu den Sehenswürdigkeiten von Jever.

Zwei weitere Auswanderungswellen sowie die Sogwirkung der nahe gelegenen "neuen" Stadt Wilhelmshaven ließ die Zahl der jeverschen Baptisten zusammenschmelzen. 1914 hatte die Gemeinde nur noch vier Mitglieder und einige Freunde, die sich im Bethaus zum Gottesdienst versammelten. Es wurde ernsthaft darüber nachgedacht, die Kirche zu schließen, was aber ein Anschluss der Jeveraner an die aufblühende Baptistengemeinde in Wilhelmshaven verhinderte. Erst nach 1945 erhielten die Baptisten von Jever ihre Selbständigkeit zurück.

Heute (2007) gehören zur Gemeinde des Bethauses 72 getaufte Mitglieder. Dazu kommen noch rund 60 Kinder, Familienangehörige und Freunde der Gemeinde. Der durchschnittliche Gottesdienstbesuch liegt zwischen 80 und 90 Teilnehmern.

Siehe auch:

Quellen und Literatur

  • Archiv der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Jever: Geschichte der Evangelischen Taufgesinnten Gemeinde (handschriftliche Beigabe des Gemeindebuchs)
  • Archiv der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Jever: Gemeindeprotokolle 1881 - 1905
  • Bund der Baptistengemeinden: Missionsblatt 1/ 1859 (Oncken-Archiv, Wustermark-Elstal)
  • Heinz Buttjes: 150 Jahre Baptisten in Jever, Jever 1990
  • Günter Balders: Artikel Kapelle, in: Evangelisches Gemeindelexikon, Wuppertal 1978, ISBN 3-417-24082-4
  • Margarete Jelten: Unter Gottes Dachziegel. Anfänge des Baptismus in Nordwestdeutschland, Bremerhaven 1984