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Vampirroman

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Der Vampirroman ist ein literarisches Werk in Romanform, das Vampire zum Thema hat. Dabei handelt es sich in der Regel um Vampire im mythischen Sinne (also untote, blutsaugende Wesen), aber es gibt auch Romane über "psychologische Vampire", also Menschen, die glauben, Vampir zu sein, und sich wie solche benehmen. Vampirromane werden traditionell oft der Horrorliteratur zugerechnet, müssen aber nicht zwangsweise diesem Genre angehören.

Geschichte

Vorromantik

Schauermärchen und Sagen über Wesen, die Menschen oder Tieren das Blut aussaugen, gab es zu allen Zeiten in allen Kulturkreisen. Besonders im slawischen Volksglauben spielt der Vampirglaube eine wichtige Rolle. Im 18. Jahrhundert, als in Gegenbewegung zur Aufklärung die Phantastik und Mystik künstlerische Bedeutung gewann, begann sich auch die Literatur mit dem Thema des Vampirs zu beschäftigen. Bekannte Beispiele:

  • 1748 veröffentlichte die Zeitschrift "Der Naturforscher" von Mylius neben einem Sachbeitrag zum Thema „Vampirismus“ das Gedicht „Der Vampir oder Mein liebes Mädchen glaubet“ von Heinrich August Ossenfelder.
  • Johann Wolfgang von Goethe legte 1797 mit dem Gedicht „Die Braut von Korinth“ eine Bearbeitung des Stoffes vor, angelehnt an der antiken Sagenwelt.

Romantik

Im darauf folgenden Zeitalter der Romantik nahmen sich Novalis (Hymnen an die Nacht), Heinrich Heine („Helena“, „Die Beschwörung“), E. T. A. Hoffmann („Cyprians Erzählung“ aus: Die Serapionsbrüder) und andere Dichter des Themas an. Dazu trug das romantische Interesse an übernatürlichen, "dunklen" und gesellschaftlich geächteten Themen bei, wie die Beschäftigung mit dem Bösen. Das Vampir-Thema steht für die Angst vor dem Tod und lebendig begraben zu werden, aber auch für die verdrängte Sexualität und Erotik. Besonders den Vertretern der so genannten Schwarzen Romantik ließ die in diesen Künstler-Kreisen kultivierte Todessehnsucht den Vampir als Projektionsfläche interessant erscheinen.

In der angelsächsischen Literatur griff Lord Byron das Thema in dem Gedicht „Doch du, Ungläubiger“ und in seiner unvollendeten Erzählung um den Vampir August Darvell auf ("Fragment of a Novel", 1816). John Polidori, Byrons Leibarzt, schrieb 1819 im literarischen Wettstreit mit Byron, Mary Shelley und Percy Bysshe Shelley "Der Vampyr", die erste Vampir-Erzählung der Weltliteratur. Mit dem Protagonisten, dem durch Byron inspirierten Vampir Lord Ruthven, schuf Polidori zugleich den Prototyp des modernen „Gentleman-Vampirs“, der die animalischen Vampire des Volksglaubens und der früheren Literatur ablöste.

Nikolai Wassiljewitsch Gogol schrieb Mitte des 19. Jahrhunderts die Erzählung „Der Wij“, die sich eng am überlieferten Volksglauben orientiert.

1845-1847 veröffentlichte die Groschenheftreihe "Penny Dreadfuls" die Geschichten um "Varney the Vampire". Als Autoren werden in der Literaturforschung James Malcolm Rymer und Thomas Peckett Prest vermutet. Der Vampir Varney zeigt eine weitere Entwicklung der literarischen Figur: Varney ist der erste Vampir, der sein Vampirdasein verabscheut, aber seinen Begierden ausgeliefert ist. Die Serie war sehr erfolgreich und machte die Figur des Vampirs in einer breiten Leserschaft populär, was aber auch dazu führte, dass die Figur des Vampirs seitdem pauschal der Schundliteratur zugeordnet wird.

Spätes 19. Jahrhundert

1872 erschien mit Carmilla von Joseph Sheridan Le Fanu die erste Erzählung um einen weiblichen Vampir, die schöne Vampirin Carmilla, die eine steirische Provinz über hundert Jahre lang terrorisierte.

Inspiriert durch die erfolgreiche "Varney"-Serie und slawischen Volkssagen, besonders der Legende des rumänischen Fürsten Vlad III. Drăculea (Drakula), schrieb der Journalist Bram Stoker den ersten Roman um einen Vampir: Dracula (Erscheinungsjahr: 1897), der bis heute als der meistgelesene und bekannteste Vampirroman gilt: Graf Dracula wurde zu einem Synonym für den Typus des literarischen Vampirs. Stoker erfindet für den Roman auch erstmals einen ebenbürtigen Gegenspieler des Vampirs: den holländischen Gelehrten und Vampirexperten Professor Abraham van Helsing. Stoker kontrastiert damit die moderne, wissenschaftlich orientierte Welt mit der Welt archaischen Welt des Mystischen. Bei seinem Erscheinen im späten 19. Jahrhundert galten einige Passagen in Dracula als moralisch anstößig, die ersten Kritiker fanden in der Figur des Grafen eindeutige Hinweise auf damals tabuisierte Sexualpraktiken, wie zum Beispiel Cunnilingus.

20. Jahrhundert

Angelsächsische Literatur

Der Vampirroman wurde im 20. Jahrhundert von angloamerikanischen Autoren dominiert. Eine Auswahl wichtiger Werke:

  • 1954 I am Legend (dt.: Ich bin Legende, auch: Ich, der letzte Mensch), ein Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Richard Matheson, in dem um den letzten Menschen in einer Welt, die nur noch aus Vampiren besteht, geht.
  • 1975 Salem's Lot (dt. Brennen muss Salem), ein Roman von Stephen King, der Motive aus Dracula ins 20. Jahrhundert in eine Kleinstadt in Maine, USA, überträgt. The Dracula Tape, Roman von Fred Saberhagen, der erste Roman aus der Sicht eines Vampirs.
  • 1976 Interview with the Vampire (unter verschiedenen Titeln auf Deutsch erschienen, erstmals 1978 als Die Schule der Vampire, heute liegt das Buch unter Gespräch mit dem Vampir vor). Roman von Anne Rice. 1985 setzte die Autorin den Roman in der Serie The Vampire Chronicles (dt.: Die Chronik der Vampire) mit dem Buch The Vampire Lestat (dt.: Fürst der Finsternis) fort. Die Serie ist die kommerziell und in der Kritik erfolgreichste Buchreihe im Vampir-Genre des 20. Jahrhunderts.

Bedingt durch die Kinoerfolge von Coppolas „Bram Stoker's Dracula“ und „Anne Rice's Interview mit einem Vampir“ erlangte das Genre seit Ende des 20. Jahrhunderts wieder größere Popularität.

Deutsche Literatur

1979 erschien der erste Band der Kinderbuchreihe Der kleine Vampir von Angela Sommer-Bodenburg. Seit 1999 arbeitet Wolfgang Hohlbein an der noch nicht abgeschlossenen Reihe Chronik der Unsterblichen. Der erste Band Am Abgrund erschien 1999.

Russische Literatur

In den Romanen der Wächter-Reihe (Band 1: Wächter der Nacht, 1998) des russischen Autors Sergej Lukianenko treten Vampire als Vertreter „der Dunklen Seite“ auf.

21. Jahrhundert

2005 erschien der erste Roman Twilight (dt.: Biss zum Morgengrauen) der Buchreihe von Stephenie Meyer um den Vampir Edward und die High-School-Schülerin Bella Swan. Die Bücher gehören zu den bislang erfolgreichsten Vampirromanen des frühen 21. Jahrhunderts.

Die Darstellung des Vampirs im Roman

Die ersten Vampirromane stellten den Vampir als blutrünstiges Monster oder als gefährlichen Verführer zum Bösen dar, den die Menschen bekämpfen und ihm widerstehen mussten. Moderne Romane beleuchten den Vampir auch von anderen Seiten: In Gespräch mit dem Vampir von Anne Rice erzählt ein Vampir seine Lebensgeschichte und in "Anno Dracula" von Kim Newman gehören Vampire im viktorianischen London sogar zum Alltagsbild, sie sind fester Bestandteil der Gesellschaft, Protagonisten und gleichzeitig Gegenspieler.

Ursprünglich war der Vampir eine Einzelerscheinung. Er trat nur alleine oder in kleinen Gruppen auf. Im modernen Vampirroman kann es vorkommen, dass ganze Vampirclans mit mehreren hundert Mitgliedern auftreten, die oft auf eine lange Geschichte zurückblicken.

Dracula, Protagonist aus Bram Stokers gleichnamigem Roman, ist das Vorbild der meisten Vampire. Er taucht in zahlreichen Vampirromanen wieder auf. Dabei haben sich im Wesentlichen drei Typen herauskristallisiert:

  • 1. die Karikatur eines armen, alten Dracula, der verwaist in einer verfallenen Gruft lebt
  • 2. der übermächtige Dracula, der einen mächtigen Vampirclan begründet hat
  • 3. der reiche Dracula, der adligen Verhältnissen entstammt.

Der Vampir in der modernen Literatur ist vielgestalt. Einige Bücher betonen das "klassische Monster", in anderen Büchern wurde er stark verharmlost. Willis Hall beispielsweise schrieb eine Kinderbuchreihe über "Graf Alucard", der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte, und ständig in Angst vor bevorurteilenden Mitmenschen sein muss. Auch die typischen Klischees (Vampire haben keinen Schatten, kein Spiegelbild, verabscheuen Kreuze, Sonnenlicht, Knoblauch etc...) werden von Autoren beliebig ausgelegt, ausgebaut oder über den Haufen geworfen.

Ein häufig vorzufindendes Merkmal vieler Vampirromane ist es, dass sie in der Vergangenheit spielen; bevorzugt im Mittelalter oder im Viktorianischen Zeitalter). Jedoch sollte man sich dabei vergegenwärtigen, dass zwar zum Beispiel Stokers Dracula im viktorianischen London spielt, dieses aber auch die Zeit war, in der Stoker lebte. Vampire in der Gegenwart unterscheiden sich oft in vielen Punkten von ihren Vorfahren und haben gelernt, sich moderne Technik zu Nutze zu machen (z.B. saugen sie nicht mehr Menschen das Blut aus, sondern konsumieren es aus Blutspende-Beuteln oder Getränkedosen).

Literatur (Auswahl)

Sekundärliteratur

  • Barber, Paul. Vampires, Burial, and Death. Folklore and Reality. New Heaven: Yale University, 1988.
  • Claes, Oliver. Fremde. Vampire. Sexualität, Tod und Kunst bei Elfriede Jelinek und Adolf Muschg. Bielefeld: Aisthesis, 1994.
  • Copper, Basil. Der Vampir in Legende, Kunst und Wirklichkeit. Festa Verlag, 2007. ISBN 978-3-86552-071-5.
  • Freund, Winfried. "Der entzauberte Vampir - Zur parodistischen Rezeption des Grafen Dracula bei Hans Carl Artmann und Herbert Rosendorfer". In: Köpf, Gerhard. Rezeptionspragmatik. München: Fink, 1981. S. 131-148. (UTB 1026).
  • Hamberger, Klaus. Mortuus non mordet. Dokumente zum Vampirismus 1689-1791. Wien: Turia & Kant, 1992.
  • Hock, Stefan. Die Vampyrsagen und ihre Verwertung in der deutschen Literatur. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1900. Hildesheim: Gerstenberg, 1977. (Forschung zur neueren Literaturgeschichte, Bd. XVII).
  • Leatherdale, Clive. Dracula. The Novel & the Legend. A Study of Bram Stoker's Gothic Masterpiece. Wellingborough: Aquarian, 1985.
  • Märtin, Ralf-Peter. Dracula. Das Leben des Fürsten Vlad Tepes. Berlin: Wagenbach, 1996.
  • Meurer, Hans. Der dunkle Mythos. Blut, Sex und Tod: Die Faszination des Volksglaubens an Vampyre. Schliengen: Ulrich Schmidt, 1996. (Edition Argus).
  • Pütz, Susanne. Vampir und ihre Opfer. Der Blutsauger als literarische Figur. Bielefeld: Aisthesis, 1992.
  • Ruthner, Clemens. Unheimliche Wiederkehr. Interpretationen zu den gespenstischen Romanfiguren bei Ewers, Meyrink, Soyka, Spunda und Strobl. Meitingen: Corian, 1993. (Studien zur phantastischen Literatur 10).