Schloss Biebrich
Das Schloss Biebrich ist die barocke Residenz der ehemaligen Fürsten und späteren Herzöge von Nassau am Rheinufer im Wiesbadener Stadtteil Biebrich. Das Gebäude entstand nicht als einheitlicher Entwurf, sondern wurde zwischen den Jahren 1700 und 1750 immer wieder erweitert, bis sich schließlich aus einem kleinen Gartenhäuschen eine dreiflügelige Anlage entwickelt hatte. Als solche zählt sie heute zu den bedeutendsten Barockschlössern am Rhein. Auf der vom Rhein abgewandten Seite breitet sich der weitläufige Schlosspark aus, in dem alljährlich an Pfingsten ein bekanntes Reitturnier stattfindet. Heute ist im Schloss unter anderem das Hessische Landesamt für Denkmalpflege untergebracht. Daneben dient es Repräsentationszwecken der Hessischen Landesregierung.
Baugeschichte


Ausbau zum Lustschloss unter Fürst Georg August (1700 bis 1721)
Obwohl das Schloss Biebrich heute ein einheitliches Erscheinungsbild bietet, entstand der Bau nach keinem einheitlichen Plan.[1] Vielmehr entstand durch eine komplizierte Baugeschichte das heutige Bild.
Georg August Samuel von Nassau-Idstein (* 1666) war gerade erst 12 Jahre alt, als sein Vater starb und er Graf wurde. Da er noch nicht volljährig war, wurden zunächst zwei Vormunde mit der Regierung beauftragt. Georg August nutzte diese Zeit unter anderem durch Studien in Gießen, Straßburg und Paris. Dabei lernte er auch verschiedene Höfe kennen, wobei ihn Schloss Versailles besonders beeindruckte. 1684 wurde er Graf, 1688 vom Kaiser aufgrund seiner Teilnahme an der Befreiung Wiens von der türkischen Belagerung und nach Zahlung einer großen Geldsumme in den Fürstenstand erhoben. [2]
1696 erwarb der Fürst zunächst ein Grundstück direkt am am Rheinufer in Biebrich und ließ ein einfaches Gartenhaus errichten, das aber nur tagsüber zu nutzen war. 1701 bis 1703 ließ er es von Julius Ludwig Rothweil zu einem Wohnschlösschen ausbauen. 1704 bis 1706 wurde dann etwa 86 Meter weiter östlich für die Fürstin ein identischer Pavillon erbaut. Da dem Fürsten der Standort mittlerweile so gut gefiel, beauftragte er 1707 den Baumeister Maximilian von Welsch ein barockes Gesamtkonzept zu entwickeln. Vorbild sollte die Orangerie in der Kasseler Karlsaue sein mit dem Ziel, die beiden Pavillons durch Galerien und einen Mittelbau zu verbinden.
Welsch verwirklichte diesen Plan in der Folge, indem er in die Mitte eine Rotunde setzte, die mit den beiden ehemaligen Pavillons jeweils durch eine Galerie verbunden war. Die Rotunde erhielt dabei eine ebenerdigen Grottensaal, eine sogenannte Sala Terrena, die mit Wasserspielen ausgestattet war. Dieser Grottensaal war durch eine Öffnung in der Decke mit dem Festsaal im 1. Obergeschoss verbunden. Der Festsaal war von einer mit einem Fresko ausgemalten Kuppel überwölbt, die, nach dem Vorbild des römischen Pantheon, ebenfalls eine Öffnung erhielt. Das Fresko stellte antike Götterfiguren dar, damit man gewissermaßen aus der Unterwelt in den Himmel blicken konnte. Dieses Konzept wurde jedoch noch zu Lebzeiten des Fürsten aufgegeben, indem die beiden Öffnungen in den Decken verschlossen wurden. Die beiden Galerien waren ebenfalls mit Deckengemälden und feinen Stuckaturen versehen. Die Arbeiten von Welsch, zu denen auch die anlage eines barocken Gartens einschließlich abschließender Orangerie gehörten, dauerten bis 1721, zuletzt (1719-1721) wurden die beiden Galerien um ein Stockwerk erhöht. Dies geschah wohl nicht nur deshalb, um mehr Platz zu bekommen, sondern war wohl eher eine Verlegenheitslösung, um das undichte Flachdach zu beseitigen.[3] [4]
Ausbau zum Residenzschloss unter Fürst Karl (1721 bis 1744)

Fürst Georg August starb 1721, sein "Versailles am Rhein" war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vollendet. Mit ihm starb auch die Linie Nassau-Idstein aus, weshalb das Fürstentum an Fürst Karl von Nassau-Usingen (* 31. Dezember 1712, † 21. Juni 1775) fiel. Da Karl zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährig war, übernahm zunächst seine Mutter, Fürstin Charlotte Amalie von Nassau-Dillenburg, die Regierung. Karl wollte nach seinem Amtsantritt im Jahre 1730 seine Residenz aus dem hinteren Taunus in Usingen hierher an den Rhein verlegen. Er beauftragte deshalb Friedrich-Joachim Stengel das Schloss als Dreiflügelanlage zu vollenden. Ab 1734 wurde zunächst der Ostflügel erbaut, der im Erdgeschoss den Marstall und im Obergeschoss die fürstliche Verwaltung erhielt. Ab 1737 wurden die 1721 unterbrochenen Arbeiten an der Rotunde und den Galerien fortgesetzt. 1740 begann Stengel schließlich mit dem Westflügel, der 1744 mit seiner kostbaren Innenausstattung weitgehend beendet war. Restarbeiten zogen sich aber noch bis 1750 hin. 1744 verlegte Fürst Karl die Residenz offiziell von Usingen nach Biebrich.[5]
Nassauische Haupt- und Sommerresidenz (1744 bis 1866)
Bis zur Fertigstellung des Stadtschlosses 1841 in Wiesbaden war Schloss Biebrich Hauptresidenz der nassauischen Fürsten und Herzöge. Danach diente es bis 1866 nur noch als Sommerresidenz.
Luxemburgischer Privatbesitz und Verwaltungsbau (seit 1866)
Nach der preußischen Annexion 1866 blieb das Schloss zunächst im Privatbesitz von Herzog Adolph von Nassau-Weilburg. Zwei Jahre später veräußerte er die 1844 bis 1848 errichteten Gewächshäuser mit dem wertvollen Baum- und Pflanzenbestand. Sie bildeten den Grundstock des Palmengartens in Frankfurt am Main.
Seit 1890 wurde das Schloss von der Luxemburgischen Finanzkammer verwaltet und 1934 an den preußischen Staat verkauft. Die Büchersammlung von Herzog Adolph wurde, nachdem Adolf Großherzog von Luxemburg geworden war, 1934 nach Schloss Berg in Luxemburg transportiert und besitzt mittlerweile 30.000 Bände.
1945 wurde der Ostflügel bis auf seine Außenmauern zerstört und erst 1982 in veränderter Form, spiegelbildlich zum Westflügel, wiederaufgebaut.
Architektur
folgt
Schlosspark
Siehe hierzu Hauptartikel Schlosspark Biebrich

Ursprünglich gehörte zum Schloss Biebrich ein französischer Garten, für den man das Gelände hinter den Gebäuden aufgefüllt hatte. Dieser Garten wurde von Maximilian von Welsch um 1720 angelegt und hatte ein regelmäßiges Wegemuster, dass von Balustraden und der Orangerie eingefasst war. 1817 gestaltete Friedrich Ludwig von Sckell den Garten in einen englischen Landschaftspark um und erweiterte ihn nach Norden. Die ehemalige Orangerie wurde dabei abgebrochen. Auf der erweiterten Fläche lagen auch die Grundmauern einer mittelalterlichen Burg, auf denen der Baumeister Carl Florian Götz eine romantische künstliche Ruine, die Mosburg errichtete.[6] Der ursprünglich angelegte See im südwestlichen Teil des Parks wurde später zugeschüttet und dient heute als Fläche für das jährliche Pfingst-Reitturnier.
Heutige Nutzung
Das Schloss, das im Eigentum des Landes Hessen steht, wird vom Hessischen Immobilienmanagement verwaltet. Die Rotunde, die Galerien sowie die Erdgeschosse der Pavillons dienen heute als repräsentative Kulisse für Empfänge der Landesregierung und als städtisches Standesamt. Außerdem sind mehrere Behörden im Schloss untergebracht. Dazu zählt die Hauptdienststelle des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, die im Westflügel residiert. Im Ostflügel befindet sich seit dem Wiederaufbau im Jahr 1982 die staatliche Filmbewertungsstelle Wiesbaden, eine Einrichtung der Bundesländer, dessen Vorführsaal als Veranstaltungsort für „Filme im Schloss“ genutzt wird. Hier befinden sich auch das Kuratorium junger deutscher Film und die archäologische Abteilung des Landesamtes für Denkmalpflege. Das Untergeschoss der Rotunde nutzt ein Cafe.[7]
Der Schlosspark ist frei zugänglich. Im Süd-Westen der Anlage findet seit 1929 jährlich an Pfingsten das Internationale Reitturnier statt.
Quellen und Literatur
Quellen
- ↑ Baedeker Wiesbaden Rheingau, Ostfildern-Kemnat 2001, ISBN 3-87954-076-4
- ↑ Gottfried Kiesow: Das verkannte Jahrhundert - Der Historismus am Beispiel Wiesbaden, ISBN 3-936942-53-6, S. 16 f.
- ↑ www.nassau-info.de
- ↑ Gottfried Kiesow: Architekturführer Wiesbaden - Die Stadt des Historismus, ISBN 978-3-936942-71-2, S. 298 ff.
- ↑ Kiesow: Architekturführer, S. 303
- ↑ Kiesow: Architekturführer, S. 308 ff.
- ↑ Baedeker, S. 90
Sonstige Literatur
- Eckhard Olschewski: Die Schlösser in Saarbrücken und Biebrich - Zwei Residenzen des Grafenhauses Nassau-Saarbrücken, Verlag für Geisteswissenschaften, ISBN 3897391864
- Bernd Modrow, Claudia Gröschel: Fürstliches Vergnügen. 400 Jahre Gartenkultur in Hessen, Verlag Schnell + Steiner, Regensburg 2002, ISBN 3-7954-1487-3
- Rolf Faber (Hrsg., im Auftrag der Arbeitsgemeinschft 1100 Jahre Biebrich): Biebrich am Rhein 874 - 1974, Chronik, Verlag H. G. Seyfried, Wiesbaden 1974
- Manfred Handke, Bernd Modrow, Martina Nath-Esser (Verf.), Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen (Hrsg:): Parkpflegewerk für den Schloßpark Biebrich in Wiesbaden: Grundsätze zur Pflege, Wiederherstellung u. langfristigen Erhaltung d. histor. Parkanlage als Kulturdenkmal. (Edition der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen: Monographien; 1), Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Bad Homburg v. d. Höhe 1987
- Sonja Geurts: Schloß und Schloßpark Biebrich. Landschaftspark nach Entwürfen von Friedrich Ludwig von Sckell mit Schloß und Mosburg. (Edition der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen: Broschüren Historische Baudenkmäler, Parks und Gärten in Hessen; 8), Schnell u. Steiner, Regensburg 2000, ISBN 978-3-7954-1311-8