Tarabas
Tarabas. Ein Gast auf dieser Erde ist ein Roman von Joseph Roth, der vom 26. Januar bis 16. März 1934 in der deutschsprachigen antifaschistischen Tageszeitung Pariser Tageblatt vorabgedruckt wurde und 1943 im Querido-Verlag Amsterdam erschien.
Oberst Nikolaus Tarabas sündigt erst und büßt dann.
Zeit und Ort
Erzählt werden die letzten sechs Jahre im Leben des Gutsbesitzersohnes Nikolaus Tarabas. Die Handlung führt von 1914 bis 1919 nach New York und Galizien.
Handlung
Der Katholik Nikolaus Tarabas aus dem galizischen Dorf Koryla besucht die Technische Hochschule in Petersburg und beteiligt sich an einem Attentat auf den Gouverneur von Cherson. Zur Strafe schickt ihn sein Vater nach Amerika. Tarabas findet sich in der Fremde nicht zurecht. In New York weissagt ihm eine Zigeunerin, er würde ein Mörder und ein Heiliger werden. Im Jähzorn bringt Tarabas den Wirt einer New Yorker Bar beinahe um und wird polizeilich gesucht. Unverhofft kommt ihm der Ausbruch des Krieges zu Hilfe. Über den Hafen Riga kehrt Tarabas nach Koryla zurück. Bevor Leutnant Tarabas bei seinem Regiment in Cherson einrückt, verführt er noch die Cousine Maria. Der Vater bemerkt das und jagt den Leutnant aus dem Hause. Im Krieg wird Tarabas als außerordentlicher Frontoffizier zum Hauptmann befördert. Tarabas führt die Untergebenen mit eiserner Faust. Er lässt töten und tötet. Als dann die Revolution ausbricht, hält Tarabas die Reste seiner Kompanie zusammen - auch mit Stock und Fäusten. Ein wildfremder rothaariger Soldat, ein Jude, erscheint und behauptet, die Revolution habe gesiegt und der Bürger Tarabas könne nach Hause gehen. Der Hauptmann lässt sich nicht entmachten - schon gar nicht vom einem Juden, den er für einen sicheren Unheilsbringer hält. Tarabas dringt zu den neuen Machthabern vor, tritt resolut auf und wird tatsächlich als Oberst eingesetzt. Er soll in der Garnison Koropta ein Regiment aufstellen. Koropta liegt nicht weit von Tarabas' Heimatort Koryla entfernt.
Was Tarabas und der Leser zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen: Die militärische Macht übt General Lakubeit aus, ehemals Advokat von Tarabas' Vater. Der frisch gebackene Oberst stellt das Regiment auf, indem er einfach in Koropta herumlungernde Männer gewaltsam rekrutiert. Bei einer Inspektion macht General Lakubeit seinen Oberst Tarabas darauf aufmerksam, dass unzuverlässige Soldaten zu entwaffnen und aus dem Regiment zu entfernen sind. Tarbas lässt die "Entlassungskandidaten" betrunken machen. Währenddessen kommt es zu einem Pogrom gegen die in Koropta wohnenden wehrlosen Juden. Tarabas, Haupt der Ordnungsmacht in Koropta, ist während der Exzesse wie vom Erdboden verschluckt. Die Häuser an der Hauptstraße werden von christlichen Bauern und Soldaten angezündet. Auch Getreue des Obersten Tarabas kommen bei den Ausschreitungen durch Christenhand um. Tarabas soll die Juden schützen. So befiehlt er, ein jeder Jude soll sich nicht auf der Straße blicken lassen. Da läuft ihm der rothaarige jüdische Bethausdiener Schemarjah über den Weg. In seiner Wut misshandelt ihn der Oberst. Tarabas meint, Schemarjah ist der Vater jenes rothaarigen Revolutionärs, der ihn nach Hause schicken wollte.
Tarabas erkennt, nachdem er das Verbrechen an Schemarjah begangen hat - er hat ihm den Bart ausgerissen - er ist ein Unhold, ein Mörder sogar. Tarabas will büßen, will seinen ganzen mörderischen Glanz ablegen. Gesagt, getan. Tarabas legt die Zeichen seiner Macht ab und streicht zerlumpt durchs Land; bettelt und arbeitet auch gelegentlich. Das entbehrungsreiche Leben als Landstreicher ruiniert die Gesundheit des vormals robusten, kerngesunden Soldaten. Bevor Tarabas stirbt, bittet er Schemarjah, der inzwischen fast den Verstand verloren hat, um Vergebung. Der Jude vergibt dem Christen, wird sein Alleinerbe, weiß aber keine Verwendung für das Geld.
Tarabas wird mit militärischen Ehren in Koropta beerdigt
Zitat
Man soll jedem Armen Gutes tun[1].
Selbstzeugnisse
- Joseph Roth schreibt am 22. Mai 1933 in einem Brief an Stefan Zweig: Glänzender Stoff, fern von Dtschld., aber mit deutlicher Beziehung dazu[2].
- In einem Brief an Carl Seelig vom 7. Juli 1934 hält Joseph Roth allerdings nicht mehr viel von seinem Roman[3].
Rezeption
- Hesse[4] nennt 1934 den Tarabas eines seiner [Joseph Roths] schönsten Bücher und resümiert: Die Dichtung ist echt und sie reicht dorthin, wo es Buße und Heiligung gibt.
- Nürnberger[5] sieht im Tarabas ein Zuviel gestellter Vorgänge, die ohne überzeugendes Konzept präsentiert werden.
- Thema der Novelle ist die Mißhandlung der osteuropäischen Juden[6].
Verfilmung
Der Film Tarabas von Michael Kehlmann mit Helmuth Lohner, Erik Frey und Günter Mack wurde 1982 im Fernsehen gesendet[7].
Literatur
Quelle
- Fritz Hackert (Hrsg.): Joseph Roth Werke 5. Romane und Erzählungen 1930–1936. S. 479–628: Tarabas. Ein Gast auf dieser Erde. Roman. 1934 Mit einem Nachwort des Herausgebers. Frankfurt am Main 1994. 815 Seiten, ISBN 3-7632-2988-4
Sekundärliteratur
- Volker Michels (Hrsg.): Hermann Hesse: Eine Literaturgeschichte in Rezensionen und Aufsätzen. Frankfurt a.M. 1975, ISBN 3-518-36752-8
- Helmuth Nürnberger: Joseph Roth. Reinbek bei Hamburg 1981. 159 Seiten, ISBN 3-499-50301-8
- Ulrike Steierwald: Leiden an der Geschichte. Zur Geschichtsauffassung der Moderne in den Texten Joseph Roths. Diss. München 1992. 198 Seiten, ISBN 3-88479-880-4
- Eva Raffel: Vertraute Fremde. Das östliche Judentum im Werk von Joseph Roth und Arnold Zweig. Tübingen 2002, ISBN 3-8233-5654-2
- Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A–Z. S. 519. Stuttgart 2004. 698 Seiten, ISBN 3-520-83704-8