Stöchiometrie
Die Stöchiometrie (von gr. στοιχειον, „Grundstoff“ und μετρειν, „messen“) ist ein grundlegendes mathematisches Hilfsmittel in der Chemie und dient der Berechnung von quantitativen Informationen, die aus einer Reaktionsgleichung gewonnen werden können. Sie beruht auf dem Massenerhaltungssatz.
Prinzipien der stöchiometrischen Rechnung (anschaulich)
Bei den stöchiometrischen Rechnungen geht es darum, die Menge an Ausgangsstoff, Edukt(en), zu berechnen, die bei einer chemischen Reaktion eingesetzt werden muss. Die Berechnung lässt sich umkehren, so dass man bei Kenntnis der Menge an Edukt(en) die Menge an Produkt(en) bestimmen kann.
Beispielaufgabe: Wie viel Wasserstoff entsteht bei der Reaktion von 1 g Lithium mit Wasser?
1. Schritt:
Zuerst muss die Reaktionsgleichung für die untersuchte Umsetzung erstellt werden. Eine Reaktionsgleichung beschreibt die Stoffumwandlung nicht nur qualitativ (Was?), sondern auch quantitativ (Wie viel?). Deshalb muss man erst einmal wissen, was miteinander reagiert und die Edukte (Ausgangsstoffe) und die Produkte (Endstoffe) bestimmen.
Dies kann man zuerst einmal mit Hilfe einer Wortgleichung machen ...
... um sich dann zu überlegen, wie die Symbol-Schreibweise für die Stoffe lautet:
Damit die Umsetzung auch quantitativ richtig durch die Reaktionsgleichung beschrieben wird, muss die Reaktionsgleichung ausgeglichen werden, momentan enthalten die Edukte 2 H-Atome, während bei den Produkten aber 3 H-Atome vorkommen (dazu siehe: Symbolschreibweise):
Nun ist die Reaktionsgleichung richtig.
2. Schritt: Die Berechnung beruht auf dem Prinzip der Proportionalität: Setzt man die doppelte Menge an Edukten ein, erhält man auch die doppelte Menge an Produkten. Man bestimmt deshalb die Massen der beteiligten Moleküle, die an der Reaktion beteiligt sind. Dazu verwendet man die molare Masse (dargestellt als M) mit der Einheit g/mol, wie sie im Periodensystem zu finden sind.
2 Li | + | 2 H2O | -> | H2 | + | 2 LiOH |
M = 2 × 7 g/mol = 14 g/mol |
M = 2 × ( (2 × 1 g/mol) + 16 g/mol ) = 36 g/mol |
M = 2 × 1 g/mol = 2 g/mol |
M = 2 × ( 7 g/mol + 16 g/mol + 1 g/mol ) = 48 g/mol |
So weiß man nun, dass aus 14 g Lithium 2 g Wasserstoff entstehen, womit man das Ergebnis berechnen kann:
Man kann in dieser Gleichung die Einheit u wegkürzen und sie nach x auflösen:
Alternativ lässt sich das Ergebnis auch per Dreisatz-Rechnung bestimmen.
Das Ergebnis der stöchiometrischen Rechnung ist, dass für jedes eingesetzte Gramm Lithium 0,143 g Wasserstoff entstehen. Mit Hilfe der Dichte kann man dann noch das Volumen des entstandenen Wasserstoffs berechnen: Es entstehen ≈1,59 Liter Wasserstoff.
Siehe auch: Massenanteil, Formelumsatz
Prinzipien der stöchiometrischen Ausgleichsrechnung (mathematisch)
Komplexe Ausgleichsrechnungen lassen sich mit Hilfe von Gleichungssystemen lösen.
Zum Beispiel anhand dieser Gleichung:
Dabei vergibt man für jedes Edukt und Produkt eine andere Variable, so dass die Reaktionsgleichung wie folgt aussieht.
Nun stellt man für jedes Element eine Bilanzgleichung auf. Dazu multipliziert man für jedes Element die einzeln Koeffizienten mit der Anzahl des Elements im jeweiligen Molekül und summiert die Terme. Die Summe der Edukte und Produkte wird gleichgesetzt. Angewendet auf jedes Element ergibt sich folgendes Gleichungssystem:
Vier Unbekannte und drei Gleichungen lassen sich nicht eindeutig lösen. Es gibt jedoch zwei Nebenbedingungen, die es erlauben das Gleichungssystem eindeutig zu lösen: 1. Die Lösungsmenge ist für alle gesuchten Koeffizienten die Menge der natürlichen ganzen Zahlen. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die Welt aus Atomen besteht. 2. Es ist der kleinste Satz dieser Koeffizenten gesucht. D. h. Wenn alle Koeffizenten durch eine ganze Zahl teilbar sind, muss diese Teilung auch vorgenommen werden. Durch diese Nebenbedingungen ist es möglich eine Variable vorläufig festzulegen. Wobei es generell günstig ist sie mit 1 festzulegen und wenn sich gebrochene Zahlen ergeben, denn ganzen Satz aller Koeffizienten mit dem Nenner zu multiplizieren. Wird eine größere Zahl genommen, dann muss geprüft werden, ob die ergebende Lösung der Satz kleinster Zahlen ist. Bei ergibt sich folgende Lösung:
Das Ergebnis lautet nun:
Stöchiometrische Bilanz (mathematische Formulierung)
Um jede beliebige Reaktion bilanzieren zu können, wird zu einer allgemeineren Schreibweise übergegangen. Für eine einfache chemische Reaktion lautet sie beispielsweise:
- wobei die stöchiometrische Verhältniszahlen (auch stöchiometrische Koeffizienten genannt) sind. Da sich für eine Reaktion unterschiedliche Reaktionsgleichungen aufstellen lassen ( oder ), müssen vor der Bilanzierung die stöchiometrische Verhältniszahlen festgelegt werden. Dabei gilt:
- Edukte bekommen immer eine negative stöchiometrische Verhältniszahl
- Produkte eine positive stöchiometrische Verhältniszahl
- und Begleitstoffen (Stoffe die nicht an der Reaktion teilnehmen) bekommen eine stöchiometrische Verhältniszahl von 0
Bei der Reaktion verändern sich die Mengenanteile (genauer die Molenbrüche (n)) der Reaktanten in dem Maße, wie die stöchiometrischen Verhältniszahlen es vorgeben. Die stöchiometrische Bilanz für die Reaktanten i und k ergibt sich als:
Durch einfache Umformung erhält man für den Satzbetrieb
und entsprechen für den Fließbetrieb
Umsatz (Xi)
ist ein Begriff aus der chemischen Reaktionstechnik und beschreibt wie viel Edukt bei einer Reaktion reagiert. Mit dem Umsatz(grad) wird angegeben, welcher Anteil eines Ausgangsstoffes beim Verlassen des Reaktors in andere chemische Stoffe durch chemische Reaktion umgewandelt wurde. Etwas mathematischer ausgedrückt: Der Umsatz ist der Anteil der umgesetzten Menge einer Komponente i bezogen auf die eingesetzte Menge ni,0
- wobei ni die noch vorhandene Menge der Komponente i ist
Sind mehrere Ausgangsstoffe beteiligt, so wird der Umsatzgrad per Konvention für denjenigen Stoff angegeben, der nicht im Überschuss vorliegt.
Beispiel
Einem chemischen Reaktor werden 100 Teile "A" und 50 Teile "B" zugeführt. Die darin ablaufende chemische Reaktion sei
Es reagiert also jeweils ein Teil "A" mit einem Teil "B" zu je einem Teil "C" und "D". In diesem Fall würde der Umsatz auf den Stoff "B" bezogen werden, da "A" im Überschuss vorliegt.
Wenn nun eine Mischung aus 90 Teilen "A", 40 Teilen "B" und je 10 Teilen "C" und "D" den Reaktor verlässt, dann ist der resultierende Umsatzgrad 0,2 oder 20%, denn es wurden 20% des in den Reaktor eintretenden "B" in andere Stoffe umgewandelt:
Ausbeute
Ein Begriff aus der chemischen Reaktionstechnik. Mit der Ausbeute (Y) wird angegeben, welcher Anteil eines Eduktes beim Verlassen des Reaktors in das gewünschte Produkt (P) durch chemische Reaktion umgewandelt wurde. Sind mehrere Edukte beteiligt, so wird die Ausbeute bezogen auf die Leitkomponente (k) angegeben. Die Leitkomponente ist per Konvention derjenige Stoff, der nicht im Überschuss vorliegt.
- Für einen Satzbetrieb gilt:
- Für einen Durchflussbetrieb gilt entsprechend:
Beispiel
Einem chemischen Reaktor werden 100 Teile "A" und 50 Teile "B" zugeführt. Die darin ablaufenden chemischen Reaktionen seien
d.h. es reagiert jeweils ein Teil "A" mit einem Teil "B" zu je einem Teil "C" und "D". Außerdem können zwei Teile "C" zu einem Teil "E" reagieren. In diesem Fall würden Umsatzgrad und Ausbeute auf den Stoff "B" bezogen werden, da "A" im Überschuss vorliegt.
Nun verlässt eine Mischung aus 60 Teilen "A", 10 Teilen "B", 20 Teilen "C", 40 Teilen "D" und 10 Teilen "E" den Reaktor. In der ersten Reaktion wurden also je 40 Teile "A" und "B" in je 40 Teile "C" und "D" umgewandelt. Nach der zweiten Reaktion wurden 20 Teile "C" in 10 Teile "E" umgewandelt.
Hier wäre nun die Ausbeute an "D" gleich 80% (oder 0,8), da (40-0)/50 = 0,8. Die Ausbeute an "C" wäre nur gleich 40% (20-0/50), da ein Teil weiterreagiert hat.
Selektivität
Selektivität ist ein Begriff aus der chemischen Reaktionstechnik. Die Selektivität einer chemischen Umsetzung oder eines Reaktors gibt an, welcher Anteil des insgesamt umgesetzten Ausgangsproduktes unter Berücksichtigung der Stöchiometrie in das gewünschte Zielprodukt umgesetzt wurde. In der Regel setzen sich nicht alle Moleküle zu dem gewünschten Produkt um, da durch Folge oder Konkurrenzreaktionen andere Produkte entstehen können.
Umsatz, Ausbeute und Selektivität
Kombiniert man die Definitionen für Umsatz, Ausbeute und Selektivität mit einander, erhält man einen einfachen Zusammenhang der drei Größen:
Das bedeutet, dass wenn es nur eine mögliche Reaktion gibt, ist S=1 und die Ausbeute X gleich dem Umsatz Y. Es gilt ferner:
und:
Die „Anfangsgründe der Stöchiometrie“
Der Begriff der Stöchiometrie ist ursprünglich theologisch-alchemistischer Prägung, nachdem das grundlegende Hauptwerk „Anfangsgründe der Stöchiometrie“ von Jeremias Benjamin Richter, welches zwischen 1792 und 1794 in drei Bänden erschien, ein Werk der christlich-platonischen Naturtheologie (Physikotheologie) war und sich der Universalschemata der Weltseele in Platons Timaios bediente. Richter versuchte, mit Hilfe geometrischer, arithmetischer und triangularer Zahlenfolgen Stöchiometriegesetze zu definieren. Den Nachweis geometrischer Reihen in chemischen (stöchiometrischen) Verbindungen sah er dabei als christliche Gottesbeweise an, was er in seiner lateinischen Doktorarbeit als „Physicotheologiae probationes de existentia dei“ bezeichnete.
Aus den geometrischen Figuren Hexaeder, Tetraeder und Oktaeder bildete Richter, ähnlich den Planetenbahnen Johannes Keplers, Salz- und Schneekristalle in der Chemie nach und versuchte auf diese Weise, einen Zusammenhang zwischen der Form von Kristallen und der Form der Planeten-Umlaufbahnen zu charakterisieren.
Die Mathematisierung der Chemie, die man als „Stöchiometrie“ bezeicht, sollte nach Richters Auffassung
- mit der Mathematisierung der Musik durch Platons Timaios und
- mit der Mathematisierung der Astronomie durch Keplers Weltharmonik
koordiniert und vernetzt werden, sodass zur Analyse eines chemischen Experimentes zugleich die Analyse der Planetenkonstellation stattfinden sollte, die zur Zeit des Chemie-Experimentes herrschte. Er glaubte, dass diese Planetenkonstellation über die von ihr ausgehenden Gravitationskräfte Einfluss auf das Resultat des chemischen Experimentes ausüben würde.
Das Werk Anfangsgründe der Stöchiometrie ist daher ein astro-chemisch, alchemistisch und spagyrisch geprägtes Werk, das starke Affinitäten
- zur platonischen Sphärenharmonie des Timaiosdialogs
- zur Spagyrik des Mediziners, Theologen und Philosophen Paracelsus und
- zur Astronomie von Kepler besitzt.
Da im Werk Anfangsgründe der Stöchiometrie chemische Experimente in eine mathematische Beziehung zu den Gravitationskräften der Planetenkonstellationen gesetzt wurden, soll jedes Chemieexperiment praktisch einmalig und nicht wiederholbar sein, weil sich die Planetenkonstellationen eine Stunde oder einen Tag nach dem ersten Experiment bereits geändert haben.
Literaturangaben
Werner Kullbach: Mengenberechnungen in der Chemie. Verlag Chemie, Weinheim 1980, ISBN 3527258698