Uerdinger Schienenbus
DB VT 95.9 DB 795 | |
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![]() Baureihe VT95.9
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Nummerierung: | VT 95 901–911, VT 95 9113–9669 |
Anzahl: | 557 |
Hersteller: | Waggonfabrik Uerdingen, Rathgeber, Orions, Lüttgens, Waggonbau Donauwörth |
Baujahr(e): | 1950–1958 |
Ausmusterung: | 1983 |
Achsformel: | A1 |
Gattung: | B |
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) |
Länge über Puffer: | 10.650–13.298 mm |
Fester Radstand: | 4,5 m (Prototyp) 6,0 m |
Dienstmasse: | 11,5–13,9 t |
Radsatzfahrmasse: | 6–7 t |
Höchstgeschwindigkeit: | 90 km/h |
Installierte Leistung: | 81/96/110 kW |
Treibraddurchmesser: | 900 mm |
Laufraddurchmesser: | 900 mm |
Leistungsübertragung: | mechanisch |
Bremse: | Druckluft |
Sitzplätze: | 57 |
DB VT 98.9 798 | |
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![]() 798 752-2 der Kasbachtalbahn
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Anzahl: | 329 |
Hersteller: | Waggonfabrik Uerdingen, MAN, WMD |
Baujahr(e): | 1953, 1955–1962 |
Ausmusterung: | 2000 |
Achsformel: | Bo |
Gattung: | B |
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) |
Länge über Puffer: | 13.950 mm |
Dienstmasse: | 18,9 t |
Radsatzfahrmasse: | 9,7 t |
Höchstgeschwindigkeit: | 90 km/h |
Installierte Leistung: | 2 × 110 kW |
Treibraddurchmesser: | 900 mm |
Motorentyp: | Büssing AG U 10 |
Leistungsübertragung: | mechanisch |
Bremse: | Druckluft |
Sitzplätze: | 56+2 |





Uerdinger Schienenbus ist die umgangssprachliche Bezeichnung von Schienenbussen, die von der Waggonfabrik Uerdingen entwickelt wurden. Es handelt sich um dieselbetriebene, zweiachsige Triebwagen in Leichtbauweise. Insbesondere die VT 95 (spätere Baureihe 795) und VT 98 (spätere Baureihe 798) der früheren Deutschen Bundesbahn sind mit diesem Begriff verbunden. Diese wurden im Personenzugdienst auf im Dampflokomotiv- oder Dieselzugbetrieb weniger rentablen Nebenstrecken eingesetzt. Einschließlich aller Lizenzbauten wurden von 1950 bis 1971 1.492 Fahrzeuge gebaut.
Die meisten dieser Fahrzeuge wurden auch von der Waggonfabrik Uerdingen selbst gebaut. Aufgrund der hohen Stückzahlen wurden aber auch Fahrzeuge von anderen Waggonfabriken, zum Beispiel MAN gebaut, obwohl diese Waggonfabriken eigene Schienenbustypen anbieten konnten, wie z.B. den MAN-Schienenbus.
Die bei den Fahrgästen beliebten Triebwagen wurden wegen des lauten Fahrgeräusches gerne auch Rote Brummer genannt. In Norddeutschland wurde der Triebwagen auch oft als Ferkeltaxe bezeichnet. Unter Eisenbahnfreunden wird er auch "Retter der Nebenbahnen" genannt.
Bauarten
Prototypen
Die Deutsche Bundesbahn stellte 1950 zwölf Prototypen in insgesamt drei verschiedenen Ausführungen in Dienst; diese hatten einen Achsstand 4,50 m und einen unter dem Wagen im Fahrgestell eingebauten Dieselmotor. Gebremst wurde durch eine Fußbremse. Die Türen waren zweiflüglig. Die Prototypen hatten die Betriebsnummern VT 95 901 bis 911. Zu den Triebwagen wurden passende Beiwagen in Dienst gestellt.
VT-95-Serie (BR 795, einmotorig)
Aus den gewonnenen Erfahrungen wurde der VT 95.9 entwickelt, die ab 1952 von der Waggonfabrik Uerdingen geliefert wurden. Gebaut wurden 557 einmotorige Motorwagen der Baureihe VT 95.9 sowie 564 Beiwagen VB 142 und 60 einachsige Schienenbusanhänger für den Gepäcktransport.
Die Einrichtung ist sehr einfach und ähnelt einem Autobus (daher der Name Schienenbus): ein Großraumwagen, in dem auch der Lokführer sitzt; je nach Fahrtrichtung umklappbare Sitze, einfache Beleuchtung mit Glühbirnen ohne weiteren Leuchtenkörper. Gebremst wurden die Serienfahrzeuge durch ein Führerbremsventil.
Die Fahrzeuge verfügen über einen Büssing-Motor und ein Sechs-Gang-Getriebe. Sie haben eine Mittelpufferkupplung und Stoßfederbügel statt Puffer.
15 Schienenbusse VT 95 mit 15 Beiwagen VB 142 wurden 1956 auch an die Eisenbahnen des Saarlandes geliefert. Sie trugen das DB-rote Farbkleid mit der Aufschrift SAAR. Mit der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik wurden diese Fahrzeuge von der Bundesbahn übernommen.
1968 erhielten die Fahrzeuge die neue Baureihennummer 795, die Beiwagen 995.
Entgegen der üblichen Betriebspraxis durfte der VT 95 auch mit zwei VB 142 eingesetzt werden.
VT 98 Serie (BR 798 und BR 796, zweimotorig)
Der VT 98.9 wurde aus dem VT 95.9 entwickelt, der für viele Strecken mit einem Fahrmotor zu schwach motorisiert war. Der VT 98.9 hatte daher zwei Fahrmotoren. Da die Triebwagen über Pufferbohlen mit Schraubenkupplungen verfügten, konnten sie andere Waggons mitnehmen oder ans Ende anderer Züge eingestellt werden zur Beförderung mit fremder Kraft.
In allen Schienenbustypen wurden Unterflurmotoren des Typs U 10 von der Büssing AG eingebaut; der gleiche Antrieb wie bei den Berliner Doppeldeckerbussen des Typs D2U. Das Sechs-Gang-Getriebe wurde von der ZF Friedrichshafen AG geliefert.
Zu diesen 329 Triebwagen wurden auch 220 Beiwagen VB 98 mit Packabteil, weitere 100 ohne Packabteil sowie 321 Steuerwagen VS 98 entwickelt. Meistens wurden bei der DB diese Züge in der Zusammenstellung VT+VB+VS eingesetzt. Es gab aber auch kürzere Zweier-Einheiten VT+VS und längere Garnituren, bis hin zu Sechs-Wagen-Einheiten VT+VB+VS+VT+VB+VS. 1968 wurde die Bauartnummer der Triebwagen in 798 geändert, die Beiwagen erhielten die Nummern 998.0-3 und Steuerwagen 998.6-9. Bei den Steuerwagen wurde dabei die Ordnungsnummer um 600 erhöht (VS 98 001 wurde zu 998 601-9).
Einige wenige VT wurden modernisiert und erhielten eine Sonderlackierung in weiß/mintgrün. Diese Schienenbusse verkehrten im Chiemgau (Aschau–Prien), ebenso die Fahrzeuge des „Ulmer Spatz“. Ansonsten behielten die Schienenbusse bis zum Schluss das für Triebwagen der DB typische Rot.
1988 wurden 47 Triebwagen, 23 Beiwagen und 43 Steuerwagen auf Einmannbetrieb umgebaut. Sie erhielten pneumatische Türschließeinrichtungen und Zahltische für den Triebfahrzeugführer. Diese Triebwagen erhielten die Baureihennummer 796.
Sonderbauart VT 97.9 (BR 797, Zahnradtriebwagen)
Acht Motorwagen wurden als Zahnradtriebwagen ausgeführt und als Baureihe VT 97.9 eingeordnet; die sechs Steuerwagen VS 97 001 bis 97 006. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Bergfahrt betrug 15 km/h auf der Zahnstange, sonst 90 km/h. Die VT verkehrten auf der Zahnradbahn Honau–Lichtenstein (Schwäbische Alb) und Passau–Wegscheid. Nach Aufgabe der Zahnradstrecken wurde der Zahnradantrieb ausgebaut. Die Fahrzeuge wurden weiterhin als VT 97.9 bzw. ab 1968 als 797 bezeichnet. Ihr Einsatzgebiet war dann unter anderem die Nebenstrecke Göppingen–Boll (Voralbbahn), bis auch diese Strecke am 27. Mai 1989 stillgelegt wurde.
Einsatz bei der Deutschen Bahn
Regelverkehr
Die Schienenbusse waren auf fast jeder Nebenbahn und im Zubringerdienst auf vielen Hauptstrecken unterwegs.
Die letzten planmäßigen Einsätze im Liniendienst bei der Deutschen Bahn AG erfolgten 2000 vom Bahnbetriebswerk Tübingen aus. Das waren zweimotorige VT 98.9, die meisten einmotorigen VT 95.9 wurden bereits 1980 außer Dienst gestellt. In Köln-Nippes war ein 795 noch bis 1983 für Bahnmitarbeiter im Einsatz.
Bahndienstfahrzeuge
Viele Uerdinger Schienenbusse wurden zu Bahndienstfahrzeugen umgebaut. So wurde der Prototyp VT 95 906 zu einem Indusi-Messwagen umgebaut (neue Baureihenbezeichnung: DB Baureihe 724). Er wurde von der Signalwerkstatt Wuppertal eingesetzt.
Weitere umgebaute Uerdinger Schienenbusse werden noch teilweise heute als Schienenprüfzug, Gleismesswagen, LZB-Messwagen, Gerätetriebwagen oder Signaldienstwagen eingesetzt
Museumsfahrzeuge
Viele dieser robusten und beliebten Fahrzeuge wurden von Eisenbahnvereinen und Museen gekauft und werden noch heute im Museumsbetrieb eingesetzt.
So fahren auch heute noch Schienenbusse für die Deutsche Bahn, auch wenn die betreffenden Leistungen durch die Ulmer Eisenbahnfreunde erbracht werden. Die in Regionalbahn-Produktfarben lackierten Garnituren fahren an den Sommer-Wochenenden im Touristikverkehr auf der Schwäbischen Albbahn und der Donautalbahn zwischen Ulm Hauptbahnhof und Kleinengstingen. Diese Züge laufen im Fahrplan als ganz normale Regionalbahn; der erste Wagen ist mit einem Schild „im Auftrag der DB“ gekennzeichnet. Konsequenterweise gilt auch der reguläre DB-Nahverkehrstarif (bzw. abschnittsweise die Verbundtarife NALDO und DING). Zum Einsatz kommen die ehemaligen Chiemgaubahn-Schienenbusse sowie weitere Schienenbusse, welche im mintgrünen Farbschema der Bundesbahn lackiert wurden. Eine Garnitur wird auch „Ulmer Spatz“ genannt.
Weitere Fahrzeuge werden beispielsweise eingesetzt von
- dem Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen,
- den Passauer Eisenbahnfreunden,
- dem Deutschen Dampflokomotiv-Museum,
- dem Bayerischen Eisenbahnmuseum,
- der Oberhessische Eisenbahnfreunde e. V.,
- der Historischen Eisenbahn Frankfurt,
- der Waldbahn Almetal e. V.,
- dem Förderverein Schienenbus e. V.(Hönnetaler Eisenbahnfreunde),
- der Rodachtalbahn Steinwiesen–Nordhalben.
- den Köln-Bonner Eisenbahn-Freunden (KBEF)
„Uerdinger“ sind auch vorhanden bei
- Verkehrsmuseum Nürnberg (je eine Garnitur VT95 und VT98),
- Deutschem Technikmuseum in Berlin (VT98 als Ausstellungsstück),
- Arbeitsgemeinschaft Historische Brennkraftlokomotiven (stahlgefederten VT98),
- den Freunden der Zahnradbahn Honau–Lichtenstein (zwei VT 97),
- Hammer Eisenbahnfreunden (einer der wenigen noch betriebsfähigen Schienenbusse der Baureihe VT 95,
- der DGEG in Bochum-Dahlhausen (VT 95, nach einem Rangierunfall in äußerst schlechtem Zustand),
- der Pfalzbahn GmbH (2 VT98, 1 Bei- und 1 Steuerwagen mit Dienstabteil).
Deutsche Privatbahnen


Viele Privatbahnen haben gebrauchte Uerdinger Schienenbusse der Deutschen Bahn angeschafft. Die Hersfelder Kreisbahn erwarb Neufahrzeuge, darunter eine dreiteilige Garnitur mit Faltenbalg-Wagenübergängen. Gebrauchte Triebwagen dieses Typs wurden unter anderem von den Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH und der AKN Eisenbahn AG im Nahverkehr eingesetzt.
1993 kaufte die Dürener Kreisbahn GmbH (DKB) zehn VT 98, modernisierte diese und setzte diese in neuer weiß blauer Lackierung auf der Rurtalbahn bis zur Übernahme des Verkehrs durch RegioSprinter 1995 ein.
Weitere gebrauchte VT 98 wurden von der Prignitzer Eisenbahn GmbH gekauft – sowohl von der Deutschen Bahn als auch von der DKB – und in blau-roter Lackierung auf deren Strecken in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt. Seit 2003 wurden die Schienenbusse dort jedoch auch durch Regio-Shuttle RS1 ersetzt, lediglich ein Triebwagen (T11) ist weiterhin für Sonderfahrten betriebsfähig.
Export
- Luxemburg: Die Chemins de Fer Luxembourgeois (CFL) kaufte zehn Motorwagen mit Beiwagen des Prototyps. Eine Garnitur wird als Museumsfahrzeug bei der Museumseisenbahn im Industrie- und Eisenbahnpark Fond-de-Gras in Luxemburg eingesetzt.
- Österreich: Die Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) stellte ebenfalls Schienenbusse als Reihe 5081 in Dienst. Diese Triebwagen wurden auch von der Montafonerbahn Bludenz–Schruns sowie von der Graz-Köflacher Eisenbahn beschafft. Diese Fahrzeuge wurden in Lizenz durch die Simmering-Graz-Pauker AG und den Jenbacher Werken gebaut.
- Weitere Fahrzeuge konnten nach Jugoslawien und Spanien geliefert werden. In Spanien wurden auch mehrteilige Einheiten eingesetzt.
- Türkei: Bei der Deutschen Bahn ausgemusterte Fahrzeuge wurden an die Türkiye Cumhuriyeti Devlet Demiryolları (TCDD) verkauft.
Nachfolger
Als Nachfolger wurde ab Ende der 1980er Jahre die Baureihe 628 gebaut, welche heute zwar noch häufig eingesetzt wird, aber mittlerweile auch ihrerseits häufig durch modernere Triebwagen (Bombardier Talent, Alstom LHB Coradia LINT, Siemens Desiro und andere) ersetzt wird.
Literatur
- Die Schienenbusse der DB – VT 95/98. EK Verlag
- Malte Werning: Schienenbusse - VT 95–VT 98: Triebwagen-Veteranen der 50er Jahre. GeraMond 2001. ISBN 3-7654-7102-X
- 50 Jahre Uerdinger Schienenbus. Eisenbahnkurier Special 56. EK Verlag
- Jörg Hajt: Abschied vom Schienenbus. Heel Verlag
- Jürgen Krantz, Roland Meier: Baureihen VT 95–VT 98. transpress Verlag
Weblinks
- „Der Nebenbahnretter“
- Bilder der VT95 (BR 795) in der Europäischen Eisenbahnbildergalerie
- Bilder der VT98 (BR 798) in der Europäischen Eisenbahnbildergalerie
- www.roter-brummer.de Umfangreiche Darstellung der deutschen Schienenbusse
- Ulmer Spatz
- www.fsbmenden.de Förderverein Schienenbus e. V. Menden
- Arbeitsgemeinschaft Historische Brennkraftlokomotiven
- Die Kasbachtal-Bahn in Rheinland-Pfalz