Ethnische Säuberung
Ethnische Säuberung bezeichnet die Vertreibung "unerwünschter" Bevölkerungsanteile aus einem definierten Territorium aufgrund von rassischer, kultureller oder religiöser Diskriminierung und/oder aufgrund von strategischen oder ideologischen Erwägungen.
Der Begriff deckt auch die Arten der hierbei angewandten Zwangsmassnahmen ab. Das Spektrum dieser Methoden reicht von der erzwungenen Ausreise über den sogenannten Bevölkerungsaustausch (Transfer) an einem Ende bis hin zur Lagerverschickung (Deportation) und im Extremfall dem Völkermord am anderen Ende.
Von letzterem unterscheidet sich der Begriff dadurch, dass bei Völkermord die Täter die Tötung von wesentlichen Anteilen der Volksgruppe der Opfer beabsichtigen, während das Ziel der ethnischen Säuberung die Vertreibung ist.
Der euphemistische Ausdruck kam 1992 aus der internationalen Pressesprache ins Deutsche, obwohl der weitgehend synonyme Ausdruck Vertreibung bereits vorhanden war. Der Begriff wurde damals im Zusammenhang des Bosnienkrieges von der internationalen und exjugoslawischen Presse geprägt, um damit die ausgedehnten, vorwiegend von der serbischen Kriegspartei verübten Vertreibungsaktionen zu charakterisieren und anzuprangern. Die im z.B. im Englischen damals nur vorhandenen Begriffe "expulsion" und "exclusion" waren hierfür nicht ausreichend. Der auch aus der Militärsprache stammende Begriff "Säuberung" war nach den grossen Stalinistischen Säuberungen des Kommunismus längst negativ besetzt.
Der Begriff wurde, obwohl eigentlich eine Kritik an Vertreibungen, zum Unwort des Jahres 1992 gewählt, und wird mit Recht mittlerweile international als übliche Bezeichnung für Vorgänge dieser Art verwendet.
Ethnische Säuberungen erfüllen einige der bei den Nürnberger Prozesse n festgelegten Kriterien von Verbrechen gegen die Menschheit. Da es sich bei "ethnischer Säuberung" jedoch nicht um einen eindeutigen juristischen, sondern um einen vorwiegend publizistischen Begriff handelt, erfolgten die Anklagen und Verurteilungen am Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien wegen anders bezeichneter Tatbestände, wie u.a. Verbrechen gegen die Menschheit oder, im Falle des Veranwortlichen für die Massenerschiessungen von Bosniaken in der UN-Schutzzone Srebrenica, wegen Völkermord.
Es gibt auch eine Art sanfte ethnische Säuberung, welche zum Beispiel in Südtirol zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg betrieben wurde. Die Bevölkerung erhielt die Option nach Deutschland auszuwandern oder in Südtirol zu bleiben und die italienische Kultur anzunehmen.
Eine weitere Form der "sanften" ethnischen Säuberung ist das Vorgehen der israelischen Regierung, seit 2003 zunehmend Palästinensern und Palästinenserinnen, die sich außerhalb der Jerusalemgrenze bewegen (wenn sie z.B. in der Westbank arbeiten und dort übernachten oder im Krankenhaus behandelt werden), den Aufenthaltsstatus als "permanent resident" zu verweigern.
Siehe auch: Internationaler Strafgerichtshof, Vertreibung