Pädophilie
Die Neutralität dieses Artikels ist umstritten.
Pädophilie (von griech. pais Knabe, Kind, und philia Freundschaft) nennt man die primäre erotisch-sexuelle Neigung zu Personen vor der Geschlechtsreife (im folgenden "Kinder" genannt). Manchmal spricht man heute auch von Pädosexualität.
Eingrenzung des Begriffes
Die primäre sexuelle Neigung zu männlichen Kindern wird als Päderastie bezeichnet. Diese wiederum ist von Ephebophilie zu unterscheiden, die als eine primäre Neigung zu männlichen Jugendlichen (also nach Beginn der Pubertät) definiert wird.
Eingeführt wurde der Begriff (als "Paedophilia erotica") 1896 durch den Wiener Psychiater Richard von Krafft-Ebing in dessen berühmter Psychopathia sexualis. Im wesentlichen ist es bei seiner Definition geblieben. Für Pädophilie werden folgende Merkmale aufgeführt:
- das sexuelle Interesse gilt Kindern, die sich vor oder zu Beginn der Pubertät befinden
- das sexuelle Interesse ist dabei primär, d.h., ausschließlich bzw. überwiegend und ursprünglich auf Kinder ausgerichtet
- das sexuelle Interesse ist zeitlich überdauernd
Bisweilen wird in Definitionen zusätzlich ein Altersunterschied von mindestens 5 Jahren aufgeführt, um so sexuelles Interesse von Kindern und Jugendlichen an Kindern nicht zu pathologisieren. Dem entgegen steht jedoch die Beobachtung, dass sich eine pädophile Orientierung bereits in der Adoleszenz - oder in der Kindheit - heranbildet.
Pädophilie liegt dann nicht vor, wenn zwar eine sexuelle Erregbarkeit durch Kinder besteht, diese aber nicht primär ist. Es gilt als empirisch abgesichert, dass sehr viele erwachsene Männer auch durch Kinder sexuell stimulierbar sind (Hall et. al 1995, Freund und Watson 1991 und Quinsey et al. 1975), ihr primäres sexuelles Interesse jedoch Erwachsenen gilt während dies bei Pädophilen jedoch primär bei Kindern liegt.
Die Bezeichnung "Pädophilie" wird - vor allem im englischsprachigen Raum - anders (stärker vom Missbrauchsaspekt her argumentierend) und in den Medien oft nicht im streng wissenschaftlichen Sinne verwendet:
- durch die Annahme, dass ein Täter bei sexuellem Missbrauch von Kindern immer pädophil sei - es existieren bei sexuellem Missbrauch aber auch andere Motivlagen; sexueller Missbrauch nahezu ausschließlich von Personen, die nicht primär pädophil veranlagt sind, begangen.
- durch die Anwendung der Bezeichnung auch auf sexuelle Handlungen oder Wünsche, die auf Jugendliche und nicht auf Kinder gerichtet sind.
In diesen Fällen spricht man bisweilen auch von "Pseudopädophilie". Originäre Pädophile werden zur besseren Abgrenzung auch als strukturiert pädophil bezeichnet, da ihre Orientierung fest in der Persönlichkeitsstruktur verankert ist.
Phänomenologie
Über die Anzahl der Pädophilen gibt es keine zuverlässigen Angaben. Vorsichtige Schätzungen gehen von 50.000 bis 200.000 pädophilen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland aus.
Über 80 Prozent der Pädophilen sollen auf Jungen fixiert sein. Unklar ist, ob auf Mädchen orientierte Pädophile lediglich in geringerer Zahl öffentlich in Erscheinung treten und so eine Gleichverteilung der Geschlechtspräferenz unter Berücksichtigung dieses Dunkelfeldes vorliegt.
Nach Studien von Coxell et al. (1999) haben 13 % der Knaben sexuelle Kontakte zu pädophil oder päderastisch veranlagten Männern gehabt. 5,3 % der befragten Männer berichteten, dass sie als Kind unfreiwillige Sexualkontakte mit einem Mann gehabt hätten, der beträchtlich älter war als sie.7,7 Prozent sprachen von freiwilligen Kontakten zu den Männern (näheres im Artikel Sexueller Missbrauch von Kindern.)
Alter des Kindes
In wissenschaftlichen Definitionen ist überwiegend die Pubertät im Sinne der Geschlechtreife ('Gonadarche') als Grenze für den Altersbereich der betroffenen "Kinder" im Zusammenhang mit Pädophilie zu finden. Dieses Alter liegt heute fast überall unterhalb des gesetzlichen Schutzalters (als die einschlägigen Gesetze entstanden, war dies aber häufig umgekehrt). Entgegen der Definition versteht man unter einem Kind aber üblicherweise eine Person vor oder zu Beginn der Pubertät. Problematisch an dieser Grenzziehung ist, dass die Pubertät als eine sichere Marke erscheint, dies aber nur scheinbar so ist. Die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale setzt bei Kindern zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Zwar kann man sie im Prinzip durch Augenschein feststellen, aber die Vorstellung, mit der Pubertät werde die Sexualität gleichsam im Kinde "eingeschaltet" oder wenigstens "umgeschaltet", scheint nicht haltbar zu sein. Vielmehr beginnt die sexuelle Entwicklung bereits viel früher im sechsten bis achten Lebensjahr und führt bei großer Varianz im Durchschnitt bereits mit zehn Jahren zu einem erotischen Interesse.
Das primäre Interesse der Pädophilen ist auf Kinder zwischen 4 und 14 Jahren ausgerichtet, wobei es zwei Gipfel in der Alterspräferenz gibt: der eine Gipfel liegt bei 5-6 Jahren, der andere bei 11-12 Jahren. Das sexuelle Begehren ist beim konkreten Pädophilen in der Regel auf einen Alterabschnitt in diesem Bereich - und nicht den gesamten Bereich - orientiert. Es erlischt oft spätestens bei der Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale beim Kind.
Das primäre sexuelle Interesse der Pädophilen
Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht bei der Pädophilie die primäre sexuelle Ausrichtung auf Kinder. Im Unterschied zu anderen Sexualitäten ist dies nicht zwingend koital ausgeprägt; Pädophile können bereits durch Situationen erregt und befriedigt werden, in denen kein Körperkontakt zu einem Kind besteht. Bei Situationen mit Körperkontakt kann bereits das Berühren des Kindes allein als erregend empfunden werden, ohne dass diese Berührungen im Genitalbereich stattfinden müssen. Der Wunsch nach Geschlechtsverkehr ist bei Pädophilen nur selten anzutreffen. Lautmann spricht hier von einer völlig eigenständigen Sexualform.
Parallel zum sexuellen Interesse ist bei Pädophilie ein Bedürfnis nach emotionaler Nähe zu Kindern festzustellen. Manche Pädophile empfinden ihr Leben als unvollständig und emotional destabilisierend, wenn ihr Wunsch nach emotionaler Nähe keine Erfüllung findet. Es wird daher vermutet, dass Pädophile vermehrt im pädagogischen Bereich beruflich aktiv sind.
Das Bedürfnis nach körperlicher und emotionaler Nähe ist individuell sehr verschieden ausgeprägt und gewichtet. Die Bedürfnislagen können sowohl einzeln als auch zusammen im Vorder- oder Hintergrund stehen. In den 1970er und 1980er Jahren wurde das sexuelle Interesse an Kindern von pädophilen Organisationen noch weitgehend verneint und Pädophilie als nicht-sexuelle Kinderliebe dargestellt. Mittlerweile finden dort auch die sexuellen Aspekte Beachtung.
Sexueller Missbrauch durch Pädophile
Pädophilie als nicht aktiv ausgeübte sexuelle Orientierung wird strafrechtlich nicht verfolgt. Problematisch wird es, wenn es zu sexuellen Handlungen mit Kindern kommt. Dies ist als sexueller Missbrauch von Kindern unter Strafe gestellt. Weiterhin steht in Deutschland der Besitz von Material, das Kinder in sexuellen Handlungen oder Positionen zeigt (Kinderpornografie), seit 1993 unter Strafe (siehe Kinderpornografie).
Schweregrad der Handlungen
Bei aktiven Pädophilen sind weitaus häufiger die "harmloseren" Formen der erotischen Annäherung bzw. Missbräuche im weitgefassten strafrechtlichen Sinn (siehe sexueller Missbrauch von Kindern) anzutreffen als Missbräuche, bei denen körperliche Gewalt im Spiel ist.
Verhalten pädophiler Missbraucher
Während 1988 Finkelhor und I. A. Lewis postulierten, "dass die meisten, wenn nicht alle" der "Kinderschänder" unter den Pädophilen kein Interesse an Kindern und keine Empathie für Kinder hätten, sprechen zahlreiche andere Studien von einer Nicht-Aggressivität und Zuneigung der Pädophilen zu Kindern. (Vgl. etwa K. Howells, "Some meanings of children for paedophiles". Vortrag auf der International Conference on Love and Attraction, Swansea 1977). Dem entspricht auch die Beobachtung, dass sexuell aktive pädophile Männer in stärkerem Maße kinderlieb zu sein scheinen als andere Sexualstraftäter. Ein Pädophiler wird demzufolge oft versuchen, sich mit den Kindern gut zu stellen, um von ihnen gemocht zu werden. Auch scheinen Pädophile häufig in Berufen tätig zu sein, in denen ihnen ein Umgang mit Kindern möglich ist (Lehrer, Pädagogen oder Jugendbetreuer).
Pädophile suchen Kontakte mit Kindern in der Regel einverständlich aufzubauen und bedienen sich durch Schaffung eines Vertrauensverhältnisses - auch zu den Eltern des Kindes - sowie durch langsames Vorgehen bei der Kontaktanbahnung einer differenzierten Konsensstrategie (Lautmann). Dies ist auch bei der Anbahnung sexueller Handlungen bei nicht sexuell abstinent lebenden Pädophilen beobachtet worden. Dabei findet in der Regel eine Entwicklung von zunächst einfacheren (z.B. Petting) hin zu intensiveren sexuellen Handlungen (z.B. masturbieren des Kindes) statt. In der Regel nimmt der Pädophile in diesem Konsensprozess Rücksicht auf das Kind, um die Beziehung nicht zu gefährden oder sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen. Es wurde auch beobachtet, dass lediglich ein scheinbarer Konsens durch Manipulation sowie durch gezielten Aufbau eines emotionalen oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses hergestellt wurde.
Bevorzugte Orte der Kontaktaufnahme und das taktische Vorgehen der Täter
Etliche Fremdtäter gehen bei ihren Aktivitäten taktisch vor: Sie suchen gezielt Orte auf, an denen Kinder häufig anzutreffen sind: Parks, Spielplätze, die Umgebung von Schulen, Schwimmhallen, Spielzeug- und Computerabteilungen der Kaufhäuser, Zoogeschäfte, Rummelplätze und in neuerer Zeit vor allem auch das Internet. Einige der Pädosexuellen holen die Kinder als Freund der Familie sogar bei ihren Eltern ab, manche nutzen bestimmte Wohnungen für ihre Aktivitäten, in denen sie Computer aufstellen, um sich bei Jungen beliebt zu machen. Lehnen die Kinder körperlichen Kontakt mit den Männern ab, wird ihnen mit Entzug ihres "Lieblingsspielzeugs" gedroht. Ein pädophil aktiver Täter gab in einem Fernsehinterview freimütig zu, Jungen weiszumachen, er wäre ein Außerirdischer und müsse an den Genitalien überprüfen, ob das Kind wirklich ein echter Mensch und nicht auch ein Außerirdischer sei. In den meisten Fällen spielen die Täter so sehr den Kinderfreund, so dass die betroffenen Minderjährigen oft nicht verstehen, dass sie von den freundlichen Erwachsenen gezielt manipuliert wurden, um deren sexuelle Interessen zu befriedigen.
Zahlreiche Kinderschutzorganisationen und die Polizei fordern gleichermaßen, dass Orte, an denen sich Kinder bevorzugt aufhalten, sicherer werden sollten, zumal sich den polizeilichen Ermittlungen zufolge die Szene der aktiven Pädophilen immer besser vernetzt. "Pädophile halten sich dort auf, wo Kinder gern sind", sagt Professor Adolf Gallwitz, Experte in der Polizeiausbildung zum Thema "sexueller Missbrauch". Dies gelte besonders für Wohngebiete, in denen viele "Schlüsselkinder" leben, oder auch für Viertel mit einem hohen Singleanteil. Tatort Nummer eins ist für Gallwitz das Internet. In Chatrooms für Kinder und Jugendliche würden sich Pädophile oft als Kinder ausgeben. Davor seien die jungen Internetnutzer häufig nicht gewarnt. Die Freie Universität Berlin arbeitet an einer Studie, in denen die Orte näher analysiert werden, an denen Kinder besonders gefährdet sind, mit dem Ziel, Präventionsmaßnahmen für diese Schwerpunkte zu erarbeiten. Nach den ersten Erkenntnissen seien z.B. Schwimmbäder bei Kinderschändern besonders beliebt, doch das Personal wisse häufig nicht, wie es mit Verdächtigen umgehen soll.
Vermutlich wegen der juristischen Konsequenzen und der Gefahr einer Schädigung der Kinder vermeidet allerdings ein großer Teil der Pädophilen sexuelle Kontakte zu Kindern. Der Anteil pädophiler Täter am sexuellen Missbrauch von Kindern wird auf 2 bis 10 Prozent eingeschätzt (Kinsey-Report, Lautmann, Brongersma, Groth). Internationale Studien belegen, dass straffällig gewordene Pädophile mit etwa 40 bis 50 Prozent im Gegensatz zu anderen Sexualstraftaten (im Mittel: 22 Prozent) ein deutlich höheres Rückfallrisiko für einschlägige Delikte haben (Egg 2001). Allerdings neigen Pädophile eher zu minderschweren sexuellen Handlungen (vornehmlich genitale Berührungen oder orale Stimulation des Kindes), während bei regressiven Tätern Geschlechtsverkehr mit Kindern häufig über einen länger andauernden Zeitraum zu beobachten ist (Deegener). Die Anwendung von Gewalt ist bei Pädophilen selten anzutreffen.
Nach Ansicht von Kinderschützern kann es "gute" Pädosexuelle jedoch nicht geben, denn ihrer Ansicht nach übt jeder, der mit erotischen Gelüsten kinderpornographisches Material konsumiert oder sich Kindern sexuell aktiv nähert, direkt oder indirekt sexuelle Gewalt aus. Es wird argumentiert, dass jeder, der behaupte, Kinder auf eine spezielle Art zu lieben, Kinder nicht wirklich liebe, sondern ganz bewusst das verschobene Machtverhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern ausnutze, um egoistisch seine eigenen sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, denn eine Gleichheit der Macht könne es zwischen Erwachsenen und Kindern nie geben. Von den betreffenden Organisationen wird ferner betont, dass bereits das alleinige Anschauen einschlägiger Kinderbilder, die der illegale Markt bietet, wenigstens eine gefolterte Kinderseele bedeute und daher eine indirekte Ausübung sexueller Gewalt darstelle, auch wenn der Pädophile nicht selbst und direkt als Täter aktiv wird, sondern nur passiv das angebotene Bildmaterial konsumiert.
Therapeutischer Aspekt
Die pädophile Orientierung ist tief in der Persönlichkeitsstruktur verankert und lässt sich dann nicht ohne Schäden an der Persönlichkeit des Betroffenen ändern. Dennoch ist die Inanspruchnahme externer Hilfe angezeigt, wenn die Gefahr besteht, dass es zu sexuellem Missbrauch von Kindern kommen kann oder wenn der Pädophile unter dem mit seiner Orientierung einhergehenden sozialen Druck zu leiden hat. Hierbei bieten sich Gesprächstherapien an, in denen der Pädophile ausreichend über seine sexuelle Orientierung reflektieren und einen ichsyntonen sowie verantwortungsvollen Umgang mit seiner Orientierung erlernen kann. Ein niederschwelligeres Hilfsangebot wird durch pädophile Selbsthilfegruppen sowie durch Foren zum Gedankenaustausch mit gleich orientierten im Internet geleistet. Neuere Studien zeigen auf, dass Therapien straffällig gewordener Pädophiler die Rückfallwahrscheinlichkeit um etwa 12-17 Prozent zu senken vermögen (Hanson 2002).
Kontroversen
Seelische Störung oder sexuelle Orientierung?
Die Frage, ob Pädophilie eine "seelische Störung" ist, wird vielfach bejaht. Sowohl in der International Classification of Diseases, Injuries, and Causes of Death ICD als auch in dem einflussreichen amerikanischen Diagnostic and Statistical Manual DSM wird die Pädophilie als seelische Störung aufgeführt. Um diese Tatsache und um die Details der Definition hat sich jedoch eine Diskussion entwickelt, die hier nicht nachgezeichnet werden kann (vgl. Arch. Sex. Behav.). Immerhin kann folgendes festgestellt werden:
- Es wurde vorgeschlagen, alle Paraphilien, zu denen auch die Pädophilie zählt, aus dem Verzeichnis (DSM) zu streichen, weil die betreffende Definition auf einem Begriff von Devianz beruht, der kein wissenschaftlich medizinisch-psychologischer ist und eine kulturbedingte Wertung beinhaltet. Stattdessen sollen neutraler definierte Begriffe die bisherige Definition ersetzen. (Moser) (Vgl. ICD F66.1)
- Wenn Pädophilie eine Störung ist, so ist doch nicht klar, um was für eine Störung es sich genau handelt (ja nicht einmal, ob es sich um eine Persönlichkeitsstörung handelt oder nicht). Manche Vorschläge, z.B. der, das Phänomen als Impulskontrollstörung zu bezeichnen (vgl. ICD F63), hängen von Details der (DSM-)Definition ab (die sich ständig geändert hat) und reflektieren isolierte Blickwinkel.
- In Untersuchungen an inhaftierten oder psychiatrisierten Pädophilen wurden häufig psychotische oder neurotische Störungen festgestellt (Kalichman 1991, Johnston et al. 1992). Diese konnten aber bei nicht inhaftierten und nicht psychiatrisierten Pädophilen nicht aufgefunden werden (Wilson & Cox 1983, Howitt 1998).
- Auf mindestens ein Viertel der heterosexuellen männlichen Bevölkerung wirken neben Frauen auch präpubertäre Mädchen sexuell erregend (Freund & Costell 1970, Hall et al. 1995, Quinsey et al. 1975).
- Es würde die Diskussion erleichtern, wenn man Pädophilie als sexuelle Orientierung auffasste, doch scheuen davor viele zurück.
Im Hintergrund dieser Debatte steht (als positives oder negatives Beispiel) die analoge Diskussion, die die Homosexualität um 1970 erfahren hat.
Einvernehmlichkeitsfrage
Siehe auch: Informed consent
Ein höchst umstrittenes, aber von pädophiler Seite immer wieder in den Vordergrund gerücktes Thema ist die Frage, ob so genannte "einvernehmliche" sexuelle Handlungen mit Kindern möglich sind. Dass Kinder sexuellen Handlungen mit Erwachsenen zustimmen können, gilt in der Sexualwissenschaft als empirisch abgesichert (Sandfort, Coxell et al.). Dennoch werden in der Sexualwissenschaft einvernehmliche sexuelle Handlungen mit Kindern moralisch weitgehend abgelehnt. Dies stützt sich hauptsächlich auf zwei Begründungen:
- Kinder sind nicht in der Lage, die Konsequenzen sexueller Handlungen zu überblicken und können demnach zwar willentlich (fachl: simple consent), nicht aber informiert (fachl: informed consent) zustimmen (Finkelhor). Problematisch hierbei ist, dass demnach Kinder auch sexuellen Handlungen mit gleichaltrigen Kindern nicht informiert zustimmen können.
- Martin Dannecker stellte das Modell der Disparität der Wünsche bzw. der Ungleichzeitigkeit auf, nach dem Erwachsene und Kinder in einer sexuellen Beziehung unterschiedliche Wünsche haben und in ihrer sexuellen Entwicklung ungleichzeitig sind. Die sexuellen Wünsche der Erwachsenen korrelieren damit entwicklungspsychologisch nicht mit den Wünschen des Kindes.
Bei Verstößen gegen die Zustimmung des Kindes muss zwischen der einfachen und informierten Zustimmung differenziert werden. Verstöße gegen die einfache Zustimmung entsprechen einer Vergewaltigung bzw. sexuellen Nötigung; sexuelle Handlungen mit Kindern werden auch bei Vorliegen einer informierten Zustimmung (siehe Informed consent) von der aktuell vorherrschenden Sexualmoral nicht toleriert, nach der solche Handlungen nur mit zustimmungsfähigen Sexualpartnern zulässig sind (vgl. Verhandlungsmoral nach Gunter Schmidt).
Vermischtes
Übergriffe von Priestern auf Minderjährige
In jüngerer Zeit betrifft ein besonderes Phänomen vor allem die katholische Kirche: die Fälle sexueller Übergriffe von Priestern auf minderjährige Jungen. Derartige Fälle sind zunächst in den USA und dann auch in Deutschland bekannt geworden. Dabei wurde die Bezeichnung "pädophile Priester" übernommen, ohne dass psychologische Diagnosen vorlagen. Eine Untersuchung der Katholischen Kirche zeigte unter Zugrundelegung psychologischer Diagnosen (DSM-IV), dass der überwiegende Teil von 80 Prozent der auffällig gewordenen Prister nicht pädophil orientiert sind.
Pädophilie und Internet
Über Pädophilie wird häufig im Zusammenhang mit dem Internet berichtet. Es steht zu vermuten, dass viele Pädophile das Internet zum Austausch von Kinderpornografie, vornehmlich über Tauschbörsen, IRC und das Usenet, benutzen. Besitzer von Kinderpornografie müssen nicht in jedem Fall pädophil sein; sie können sich das Material auch wegen des "Reizes des Verbotenen" verschafft haben. Genaue Untersuchungen über die Verteilung der Konsumenten kinderpornografischer Inhalte liegen bislang noch nicht vor. Behördliche Stellen gehen allerdings davon aus, dass im Bereich der Verbreitung kinderpornographischen Materials im Internet die Täter "größtenteils homosexuell und pädophil" seien (Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad, die Erkenntnisse zusammenfassend).
Über Chats im Internet kam es in einzelnen Fällen zur Anbahnung sexueller Kontakte zwischen Kindern und vermutlich Pädophilen. Eine amerikanische Studie berichtet, dass etwa 3 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Internet danach gefragt wurden, sich mit jemandem zu treffen, mit jemandem telefoniert hatten oder Geld- bzw. Sachgeschenke erhielten (Finkelhor 2000). Etwa ein Drittel dieser Kinder und Jugendlichen fühlten sich dadurch sehr beunruhigt, ein Drittel der Kontaktpersonen war über 18 Jahre alt, von tatsächlich statt gefundenen sexuellen Handlungen wurde nicht berichtet.
Literatur
- Archives of Sexual Behavior: Special Section on Pedophilia, Vol. 31, No. 6 (Dec. 2002), S. 465-510 (mit Beiträgen insbes. von Green, Schmidt, Rind, u.a.)
- Volkmar Sigusch: Sexuelle Störungen und ihre Behandlung, Thieme 2001, ISBN 3131039434
- Birgit Warzecha: Traumatisierung im Kindesalter: Kindesmisshandlung, sexuelle Gewalt, Pädophilie, LIT, Hamburg 1999
- Ulrich Sieber: Kinderpornografie, Jugendschutz und Providerverantwortlichkeit im Internet. Eine strafrechtsvergleichende Untersuchung. Forum Verlag Godesberg 1999
- Matthias Stöckel: Pädophilie. Befreiung oder sexuelle Ausbeutung von Kindern. Campus-Verlag, Frankfurt/M. 1998
- Frits Bernard: Pädophilie ohne Grenzen: Theorie, Forschung, Praxis. Förster, Frankfurt/M. 1997
- D. Bange/G. Deegener: Sexueller Missbrauch an Kindern. Ausmaß, Hintergründe, Folgen. Psychologie Verlags Union, Weinheim 1996
- Günther Deegener: Sexueller Missbrauch: Die Täter, Beltz 1995, ISBN 3621272518
- Martin Dannecker: Das Drama der Sexualität, Europäische Verlagsanstalt 1992, ISBN 3434460993
- H. Saller: "Sexuelle Ausbeutung von Kindern". In: Deutscher Kinderschutzbund (Hrsg.): Sexuelle Gewalt gegen Kinder - Ursachen, Vorurteile, Sichtweisen Hilfsangebote. Hannover 1987
- C. Adams/J. Fay: Ohne falsche Scham. Wie Sie Ihr Kind vor sexuellem Mißbrauch schützen können. Rowohlt 1989.
- Rudolf Wyss: Unzucht mit Kindern. Untersuchungen zur Frage der sogenannten Pädophilie. Springer, Heidelberg 1967.
Siehe auch: Päderastie -- Schutzalter -- Pubertät -- Sexualität -- Heterosexualität -- Homosexualität-- sexueller Missbrauch von Kindern -- Kinderprostitution -- Babystrich -- Strichjunge
Weblinks
- Text "Pädophilie zwischen Dämonisierung und Verharmlosung" von Dipl. Psych. Sophinette Becker
- http://www.m-ww.de/sexualitaet_fortpflanzung/lexikon/paedophilie.html Pädophilie / Kindsmissbrauch
- paedo.de - Selbstdarstellung der "Pädo-Selbsthilfe- und Emanzipationsgruppe München"
- Homepage der Arbeitsgemeinschaft Pädophilie (Selbsthilfe)
- Catholic Culture (Englisch)
- Pädosexuelle: Pädophile Täter oder sogenannte "Kinderfreunde"...
- Ist Pädosexualität eine Krankheit?
- Doch nicht bei uns ... Sexueller Missbrauch in der Familie
- Sexueller Missbrauch außerhalb der Familie und in Institutionen
- Fremde Onkels sind da, wo Kinder sind - Über Recherchen im Pädophilen-Milieu
- Vor der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe: Die Pädophilie-Debatte in der Katholischen Kirche