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Kiez

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Am Gröbener Kietz

Der Kiez (früher Kietz) bezeichnet überwiegend im Norden Deutschlands und in Berlin einen überschaubaren, kleinen Stadtbereich, einen Ortsteil oder eine Ortslage als soziales Bezugssystem und in der Regel nicht als Verwaltungseinheit.

Bedeutung und Entwicklung des Begriffs „Kiez“

Die ursprüngliche Bedeutung sagte aus, dass es sich um eine Dienstsiedlung handelte, die in der Regel in der Nähe einer Burg und zumeist als Fischersiedlung an Flussübergängen lag. Diese „echten“ Kietze gibt es nur östlich der Elbe, der Begriff Kietz ist mit einiger Sicherheit slawischen Ursprungs und leitet sich von chyza = Hütte, Haus ab. Die Kietze waren in der Regel Außenrandsiedlungen in Form einer gedrängten, kurzen Dorfzeile und entstanden zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert. An diese Kietze erinnern heute Orts- und Straßennamen vor allem in Nordostdeutschland. Gelegentlich haben sich Spuren dieser Kietze auch bis in die heutige Zeit im Ortsbild erhalten.

Später wurde die Bezeichnung Kiez mit abwertender Intention für verkommene Stadtviertel verwendet.

Die Verwendung des Begriffes für das Hamburger Amüsierviertel St. Pauli, und hier insbesondere für die Reeperbahn, hat den Begriff in gewissem Umfang auch mit Prostitution und ihrem Umfeld besetzt. So dient zum Beispiel die Wendung sie ist auf dem Kiez als Umschreibung für sie betreibt Prostitution. Umgangssprachlich dient die gleiche Redewendung aber auch, um jede andere Form eines Besuchs in St. Pauli zu bezeichnen. Ferner ist in Hamburg auch das Verb kiezen besonders bei jungen Menschen sehr verbreitet und wird als Synonym für ausgehen verwendet. (z. B.: Kommst du heute Abend mit kiezen?)

Auch in Hannover werden seit einigen Jahren einige Straßen als Kiez bezeichnet, in denen eine der Reeperbahn ähnliche Mischung aus Rotlicht- und Ausgehviertel besteht.

Vor allem in Berlin steht der Begriff heute für ein kuscheliges behagliches Wohngebiet. Vergleichbar mit dem Wiener Grätzel oder dem Kölner Veddel bezieht er sich meist auf Gebiete mit gewisser Altbausubstanz und seiner dazugehörigen Bevölkerung, dagegen kaum auf Neubaugebiete, Einzelhausiedlungen oder Industriegebiete. Vor allem geht es um die Rolle des jeweiligen Viertels (Quartiers) als soziales Bezugssystem, nicht unbedingt an festen Verwaltungsgrenzen orientiert. In diesem Rahmen zeichnet sich ein Kiez dadurch aus, dass der Bewohner hier über eine abgeschlossene urbane Infrastruktur mit Läden und Kneipen verfügt. Daher hört man beispielsweise in Berlin oft die Wendung: Der kommt aus seinem Kiez nicht raus, was bedeutet: Jemand verlässt seine Wohnumgebung kaum – weil er alles vorfindet, was er für den Alltag braucht.

Seit Ende des 20. Jahrhunderts sind Bezeichnungen mit -kiez (meist angehängt an den Namen einer prägenden Straße oder eines zentralen Platzes) als Eigennamen bestimmter Gebiete populär geworden.

Historisch: Gröbener Kietz

Alte Fischerhütten, Gröbener Kietz
Schriftzug in einem Kirchenfenster von 1909, Gröben

Rund zehn Kilometer südwestlich von Berlin ist mit dem Gröbener Kietz in der Nähe von Ludwigsfelde ein echter Kietz erhalten, der noch um das Jahr 2000 auch auf seinem Ortsschild die Bezeichnung Kietz trug (heute: Gröben). Erste Erwähnung findet dieser bey Gröben gelegene Kietz 1497. Er soll sich seinerzeit unmittelbar neben einem alten Burgwall befunden haben, von dem heute nichts mehr zu erkennen ist. Als gesichert gilt, dass sich ein Burgplatz rund 700 m westlich von Gröben befand. Eine Karte von 1683 zeigt einen von der Alten Nuthe, dem früheren Lauf des Flusses Nuthe, umgebenen Burgwall und den Kietz. An die vergangene kietztypische Fischerei erinnern heute mehrere traditionelle Fischerhütten aus Lehm, Holz und Stroh sowie brüchige Kähne auf den Wiesen neben der fast verlandeten Alten Nuthe.

Bekannte Kieze heute

Berlin

Seit Ende der 1990er-Jahre wird der Begriff „Kiez“ von den Medien in Berlin stärker aufgegriffen und findet mittlerweile auch in der gehobenen Ausdrucksweise Verwendung. Die meisten der hier genannten Eigennamen mit -kiez stammen erst aus dieser Zeit. Häufiger wird dagegen die Bezeichnung Viertel verwendet.

  • Kiezstraße – bis in die 1930er-Jahre Kietz (Stadtzentrum, südlich Breite Straße) – die alte slawische Fischersiedlung, die erst im 17. und 18. Jahrhundert in die Stadtumwallung einbezogen wurde. Diese Straße hat trotz Überformung in friderizianischer Zeit den Charakter eines Angerdorfes behalten. Zur Havel hin verläuft parallel der Wall am Kiez, bis nach dem Zweiten Weltkrieg ein Weg durch die Gärten entlang des Stadtwalls.

Hamburg-St. Pauli

Hannover

  • Einige Straßen am Steintor (z. B. die Scholvinstraße; ähnliche Situation wie auf St. Pauli, wenn auch sehr viel kleiner und unbekannter)
  • Deisterkiez

Siehe auch