Homöopathie
Die Homöopathie ist eine sehr kontrovers diskutierte alternative Heilmethode, die nach dem Grundsatz Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt Krankheiten mit stark verdünnten (potenzierten) Substanzen, die der Krankheit ähnliche Symptome hervorrufen, zu heilen versucht. Sie wurde von Samuel Hahnemann (1755-1843) begründet und hat bis heute Anhänger. Sie wird in Deutschland vor allem von Heilpraktikern, aber auch gelegentlich von Ärzten ausgeübt. In Österreich darf Homöopathie nur von Ärzten nach einer speziellen Ausbildung angewendet werden. Weltweit hat sie insbesondere Verbreitung in den USA, Südamerika und Indien gefunden.
Die vier Grundsätze der Homöopathie:
- similia similibus curentur ("Ähnliches heile Ähnliches"). Bei der Behandlung wird versucht, das Symptombild des Stoffes ("Arzneimittel-Bild") möglichst genau mit dem Krankheitsbild jedes einzelnen Betroffenen in Beziehung zu bringen. ( = Individualisierung der Therapie.) Homöopathisch wird zum Beispiel ein Durchfall behandelt, indem man nach 1.) eine Substanz wählt, die selbst einen Durchfall mit gleichem Symptombild erzeugt und 2.) von dieser eine sehr niedrig konzentrierte Verdünnung wählt, die dem Kranken verabreicht wird. Ziel ist es, das individuell richtige Mittel zu finden und somit möglichst viele symptomatische Übereinstimmungen.
- Arzneimittel-Prüfungen an gesunden Menschen, um empirisch das Symptombild einer jeden Substanz zu finden.
- Herstellung sehr niedrig konzentrierter Verdünnungen (oft 1:1030 bis 1:10200), so dass statistisch kein Molekül des Stoffes mehr enthalten ist. Die Forderung nach Verdünnung entstand ursprünglich, weil zunächst vor allem giftige Stoffe verwendet wurden. Sie erfolgt schrittweise, es soll eine so genannte "Dynamisierung" des Stoffes erreicht werden.
- Die Lehre der chronischen Krankheiten nach Hahnemann. Christian Friedrich Samuel Hahnemann glaubte herausgefunden zu haben, dass die chronischen Krankheiten zu Beginn homöopathisch sehr gut zu behandeln sind, in der Folge aber weniger günstig und im Ausgang hoffnungslos. (Band I. Die chronischen Krankheiten, S. Hahnemann, Haug Verlag). Daraus schloss er, dass hinter den chronischen Krankheiten ein tief liegender Mechanismus bestehen muss, den man mit den bisherigen Forschungen nicht erreicht hatte (1816/1817). So kam er durch Forschung in seinen Krankenunterlagen und durch Nachdenken darauf, dass es sich um chronisch-miasmatische Krankheiten handeln müsse. Diese chronischen und weitervererbbaren Krankheiten erkannte er in der Syphilis, der Sykosis (Feigwarzenkrankheit als Folge der Gonorrhoe) und der Psora (welche er als Folge der Krätzekrankheit Skabies sah). Viele seiner Anhänger kritisierten diese Aussagen. Manche Homöopathen arbeiten miasmatisch, andere nicht. Die miasmatische Homöopathie (deren Grundlagen im 1. Band "Die chronischen Krankheiten" und im "Organon der Heilkunst" von Hahnemann beschrieben sind), ist seit 1991 in der Praxis erprobt. (H. Trott, Samuel Hahnemanns Vermächtnis – von der Psora zur Gesundheit, Oratio Verlag Schaffhausen, 1996)
Geschichte
Der Arzt Samuel Hahnemann übersetzte eine englische Abhandlung über die Heilweise von Chinarinde bei Malaria. Er empfand die in dem Artikel bemühten Erklärungen als willkürlich und verfiel deshalb auf die Idee, als gesunder Mensch Chinarinde einzunehmen. Daraufhin bekam er einige der bekannten Malaria-Symptome. Diese Zufallsentdeckung löste seinen Forscherdrang aus, und er begann, weitere giftige Substanzen selbst einzunehmen, wie z. B. viele giftige Heilpflanzen. Die darauf auftretenden Symptome notierte er. Später behandelte er Kranke mit ähnlichen Symptombildern mit diesen Stoffen. Um sie ihrer Toxizität zu berauben, verdünnte er die Stoffe. Erstaunt war er selbst darüber, dass die Heilwirkung nicht verschwand, sondern sich sogar zu verstärken schien. Die von Hahnemann beobachteten Symptome sind jedoch für Chinin untypisch und entstammen eher einer Allergie Hahnemanns gegen Chinin. Zudem hat Hahnemann vorher tatsächlich an Malaria gelitten, es ist daher gut möglich, dass er sich an die entsprechenden Symptome erinnerte.
Als historischen Verdienst der Lehre Hahnemanns kann auch einiges an Innovationen gesehen werden, die sie zur Zeit ihrer Konstitution als eine sinnvolle Alternative zur damaligen "Schulmedizin" (die von ihm "Allopathie" tituliert wurde) darstellte. Viele damals gängige Mittel und Behandlungen gefährdeten den Patienten mehr, als sie halfen (nicht ganz umsonst nannte man diese Art der Medizin auch "heroische Medizin").Leider ist bis heute die "heroische Medizin" noch nicht ausgestorben; besonders bei der Behandlung chronischer Erkrankungen werden nach wie vor schädigende Medikamente eingesetzt, deren Nebenwirkungen oft erst viel später angesichts umfassender Studien den Nutzen bei weitem überschreiten. (siehe Zytostatikatherapie beim Mammacarcinom, Hormontherapie der Menopause) Das heißt so genannte Drastika mit Wirkstoffen wie beispielsweise Bleiacetat oder Quecksilberchlorid wurden den Patienten verabreicht, was nicht wenige Patienten tötete. Dies erklärt die Bestimmung Hahnemanns, nur jeweils ein einziges Mittel geduldig anzuwenden und die eingehende Beschäftigung mit dem Patienten. Seine (aus chemischer Sicht) oftmals fast wirkstofflosen "Mittel" trugen ebenfalls zur Durchsetzung eines "sanfteren" Weges der Medizin generell bei.
Die heutige Homöopathie hat sich weit von Hahnemann entfernt. Galt zu Beginn noch die Aussage: Die Herkunft der Krankheit ist gleichgültig, Hauptsache ist, die Symptome zu bekämpfen und damit dem Patienten sein Leiden zu lindern, so gilt heute eher der Grundsatz: nicht die Symptome, sondern die Ursachen der Krankheit zu bekämpfen.
Potenzierung
Die homöopathischen Arzneimittel wie z.B. Tropfen, Tabletten, Globuli werden nach den Vorschriften des Deutschen Homöopathischen Arzneibuches ("HAB") durch stufenweises "Potenzieren" aus Urtinkturen (pflanzlichen und tierischen Ursprungs: Symbol: Ø oder mineralischen und chemischen Ursprungs: Symbol O) und aus indifferenten Verdünnungsmitteln wie Weingeist, destilliertes Wasser, Glycerin und Milchzucker hergestellt. Daneben gibt es zahlreiche fabrikmäßig hergestellte Fertigpräparate.
Unter dem Potenzieren oder Dynamisieren verstehen Homöopathen dabei nicht nur eine Verdünnung. Durch mehrstufige Verreibung nach einem festen Schema oder durch Verschüttelung sollen die Arzneistoffe zusätzlich noch eine "Umwandlung" erfahren, bzw. die Flüssigkeit soll sich an die Substanzen der Urtinktur "erinnern". Mit jedem Potenzierungsschritt soll sich angeblich die Wirksamkeit der Ursprungssubstanz erhöhen, weil die latenten, dynamischen Kräfte der Substanz geweckt und entwickelt würden. Diese Sicht ist jedoch höchst umstritten und in keiner Weise belegt. Naturwissenschaftler gehen davon aus, dass ein echtes homöopathisches Medikament chemisch und wahrscheinlich auch physikalisch gesehen praktisch reines Wasser bzw. Milchzucker ist (s.u.). Dies trifft allerdings nur auf die biochemische Sichtweise zu, von der die Medizin nach wie vor beherrscht wird, Biophysiker haben eine differenziertere Sichtweise.
Unter für verschiedene Verdünnungsprozesse wurden Abkürzungen entwickelt:
Dil. | (Verdünnung; flüssige Zubereitung durch Potenzieren) |
---|---|
D1 | einmalige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:10 |
D2 | zweimalige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:10 |
D3 | dreimalige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:10 |
D | -malige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:10 |
C1 | einmalige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:100 |
C2 | zweimalige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:100 |
C3 | dreimalige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:100 |
C | -malige Verdünnung jeweils im Verhältnis 1:100 |
Auch andere sogenannte Potenzen außer D und C (mit jeweils anderem Verdünnungsverhältnis pro Verschüttelungsschritt) existieren, diese werden jedoch wesentlich seltener verwendet. Zu beachten ist, dass das Verfahren C1 nicht das selbe ist wie das Verfahren D2, denn die Zwischenschritte und damit die Anzahl der Verschüttelungen unerscheiden sich.
Entgegen weit verbreiteter Auffassung ist die Verdünnung unter die physikalische Auflösungsgrenze jedoch kein zwingendes Element der Homöopathie. Viele Heilpraktiker und einige Ärzte arbeiten in Deutschland gern mit Niedrigpotenzen (D4, D6), in denen die Stoffe noch in nennenswerter Konzentration vorliegen. Eine D6 enthält den Ausgangsstoff in der Verdünnung von 1:1.000.000, also in µg/g. Bei diesen nur schwach verdünnten Mitteln sind die regulären Dosis-Wirkungs-Beziehungen des verwendeten Stoffes zu beachten und unerwünschte Wirkungen möglich.
Schulen der Homöopathie
Klassische Homöopathie
Die klassische Homöopathie bezieht sich direkt auf Hahnemann. Sie lehnt den Einsatz von Komplexmitteln ab. Im Vordergrund steht die eingehende Anamnese des Patienten, die dann zu einem umfassenden Bild seiner Persönlichkeit führt und daraus abgeleitet das Mittel, das dem Zustand des Patienten am ehesten entspricht. Wesentlich ist, dass nicht mehrere Mittel und Therapien gleichzeitig angewandt werden.
Homöopathie mit Komplexmitteln
Homöopathie und Komplexmittel schließen einander laut der Definition der Homöopathie nach Hahnemann aus. Dennoch werden heute verschiedene Mittel vermengt und dem Patienten gleichzeitig verabreicht. Homöopathie mit Komplexmitteln ist die von Ärzten und Heilpraktikern am meisten verwendete Form der Homöopathie, da die Erfolge relativ reproduzierbar sein sollen. Diese Komplexmittel dienen meist der gezielten Behandlung von bestimmten Symptomgruppen (z.B. Erkältung). Es handelt sich bei Komplexmitteln also nicht um homöopathische Mittel im eigentlichen Sinn, auch wenn homöopathische Substanzen eingesetzt werden.
Tier-Homöopathie
Neben Homöopathie für Menschen wird auch Homöopathie für Tiere praktiziert. Zum Beispiel wird an der Veterinärmedizinischen Universität Wien eine Vorlesung zum Thema "Homöopathie für Nutztiere" gehalten. Eine Ausbildung zum Fachtierarzt für Homöopathie ist vorgesehen. Ein Vorteil für die Landwirtschaft wäre, dass Nutztiere behandelt werden können, ohne Befürchtungen, dass sich Reste von Medikamenten etwa im Fleisch oder in der Milch finden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass milchgängige Schadstoffe, wie sie in manchen schwach verdünnten Homöopathika ("Niedrigpotenzen") enthalten sind, diese Ansätze konterkarieren können.
Rechtlicher Status
Homöopathie ist in Deutschland eine anerkannte Besondere Therapieform im Sinne des Sozialgesetzbuches. Seit 1978 bekennt sich der deutsche Gesetzgeber im Arzneimittelgesetz zum Wissenschaftspluralismus der Medizin. Darunter werden derzeit die Schulmedizin einerseits und andererseits drei Besondere Therapierichtungen verstanden:
- anthroposophisch erweiterte Medizin
- Homöopathie
- Phytotherapie
In Österreich ist die Homöopathie seit dem Arzneimittelgesetz 1983 ein anerkannter Teil der Medizin.
Die europäische Gesetzgebung sieht seit der Richtlinie 2001/83 ein eigenes Zulassungsverfahren für homöopathische Arzneimittel vor. In der Novelle zu dieser Richtlinie (2004/27) wird dieses vereinfachte Zulassungsverfahren erstmals für alle Mitgliedsländer verpflichtend. Die Richtlinie verlangt das "Fehlen einer besonderen Heilanzeige auf dem Etikett oder in den Informationen zu dem Arzneimittel."
Anwendung
Indikationen
Die Homöopathie kann laut ihrer Lehren bei jeglicher Krankheit ergänzend oder als alleiniges Heilmittel angewandt werden.
Ernsthafte Erkrankungen sind jedoch nur durch belegt wirksame Arzneimittel anzugehen. Die Verschleppung einer zielführenden Therapie bei akuten, schweren Beschwerden kann lebensgefährlich sein, so dass hier von eigenen Behandlungsversuchen oder Behandlungsversuchen von ungeeigneten Personen dringend abzuraten ist.
Dosierung
Homöopathische Mittel gibt es in Forum von alkoholischen Lösungen, Tabletten und Globuli. Bei der Einnahme von Lösungen sollte nach Empfehlung von Homöopathen auf die Verwendung eines metallenen Löffels verzichtet werden, da dieser die vermeintlichen "Erinnerungseigenschaften" der Wassers beeinflussen könne. Statt dessen kann ein Löffel aus Holz oder Plastik verwendet werden. Homöopathische Mittel sind unter die Zunge zu träufeln bzw. unter der Zunge aufzulösen und ca. eine Minute im Mund zu belassen, um die Resorption über die Mundschleimhaut zu verbessern. Das beste Ergebnis soll erreicht werden können, wenn die homöopathischen Arzneimittel sofort nach Auftreten der ersten Symptome eingenommen werden.
Ohne Absprache mit dem Arzt sollten homöopathische Arzneimitteln nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.
Homöopathische Hochpotenzen sollen besonders wirksam sein, weshalb von Seiten der Homöopathen gefordert wird, dass diese immer durch einen versierten Homöopathen verordnet werden und der Verlauf beobachtet wird.
Gegenanzeigen
- Alkoholismus (bei Einnahme der alkoholischen Lösung)
- Allergien gegen einen der Inhaltsstoffe bei niedriger Potenzierung
- In Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern nur in Absprache mit dem Arzt einnehmen.
Nebenwirkungen
Als Nebenwirkung wird von Vertretern dieses Verfahrens oft lediglich die sogenannte Erstverschlimmerung, d.h. eine Verstärkung der Symptome, erwähnt. Die Erstverschlimmerung sei ein Zeichen, dass das Mittel anschlägt und das Immunsystem auf den Reiz reagiere. Kritiker sehen darin eine Umdeutung in der Weise, dass das Mittel eben nicht wirkt, das heißt, die Krankheit ihren üblichen Verlauf nimmt, wie er sich auch ohne Scheinbehandlung darstelle.
Die "Erstverschlimmerung" kann eine reguläre unerwünschte Wirkung sein, wenn Verdünnungsstufen angewandt werden, in denen noch nennenswerte Stoffmengen enthalten sind. So können z. B. durch die Anwendung von Mercurius (Quecksilber), Arsenicum (Arsen) oder Nux vomica (Brechnuss), einer Pflanze, die Strychnin-Alkaloide enthält, in geringen Verdünnungsstufen, d. h. einem nennenswerten Stoffgehalt (D4 bis D6), durchaus Vergiftungen hervorgerufen werden.
Vertreter behaupten, die "Wirkung" eines homöopathischen Arzneimittels könne durch allgemein schädigende Faktoren in der Lebensweise und durch Reiz- und Genussmittel ungünstig beeinflusst werden. Kritiker sehen darin eine Schutzbehauptung der Anwender für den Fall, dass sich die Beschwerden nicht bessern.
Empirische Basis
Ihre empirische Basis begründet die Homöopathie mit zwei verschiedenen Erfahrungsbereichen: der Arzneimittelprüfung am Gesunden und der Dokumentation geglückter Behandlungsverläufe.
Weil die Arzneimittel-Bilder durch praktische Versuche an freiwilligen gesunden Menschen ermittelt werden, sollen sie eine empirische Basis dafür bilden, welche Symptome ein homöopathisches Mittel bei Gesunden erzeugt. In den in der Literatur vorhandenen Prüfungen ist es oft unklar, welche Dosis benutzt worden ist. Samuel Hahnemann selbst hat wohl zeitweise hohe, d.h. chemisch relevante, Dosen benutzt, und zeitweise starke (C30) Verdünnungen. Die Tatsache, dass die meisten Prüfungsberichte aus dem 19. Jahrhundert stammen und nicht blind durchgeführt worden sind, macht die Bewertung der Ergebnisse noch problematischer. Eine wissenschaftlich saubere Prüfung von Pulsatilla 3X ist 1978 von Anne Clover (British Homeopathic Journal, Bd. 69, Nr. 3, Juli 1980, S. 134) durchgeführt worden, mit dem Ergebnis, dass die beobachtete Placebo-Symptome so stark waren, dass echte Symptome, falls es überhaupt solche gab, nicht festgestellt werden konnten. [1]
Die Dokumentation geglückter Behandlungsverläufe ist das zweite empirische Standbein der Homöopathie.
In einem "Repertorium" werden die bei der Arzneimittelprüfung beobachteten Symptome in Buchform hierarchisch aufgeführt, und zu jedem Symptom werden alle Mittel genannt, bei denen es bisher auftrat. Die Wertigkeit eines Mittels (1-wertig bis 4-wertig) gibt einen Hinweise darauf, wie bewährt das Mittel bei der Heilung dieses Symptoms ist. Eine hohe Wertigkeit im Repertorium erhält ein Mittel nur, wenn es einerseits bei der Arzneimittelprüfung am Gesunden bei einer hohen Zahl von Probanden dieses Symptom hervorrief und wenn es andererseits auch viele Berichte erfolgreicher Heilung von Fällen mit diesem Symptom gibt. Eine klare statistische Definition für die "hohe Anzahl" gibt es nicht. Deshalb werden in modernen Repertorien auch Kennzeichnungen für bewährte Mittel geführt, die auf die Erfahrung einzelner Homöopathen mit hohem Ansehen zurückgehen. Die so genannten Künzli-Punkte werden zum Beispiel von vielen Autoren zitiert. Dadurch wird aber die empirische Belastbarkeit verwässert. Statt eine Wertigkeit, die auf eine Kombination von vielen Arzneimittelprüfungen und vielen Behandlungsverläufen berührt, rückt man in die Nähe von Einzelfallkenntnissen (en:anecdotal evidence).
Erklärungsversuche
Für die einzelnen Elemente der homöopathischen Behandlung sind die verschiedensten Erklärungsversuche bemüht worden. Aus physikalisch-chemischer Sicht sind die bekannten Erklärungsversuche schlichtweg falsch oder nicht nachvollziehbar. So kann beispielsweise das Modell der Wassercluster (Wirkstoffe verursachen "Abdrücke" in Wassermolekülen) nicht erklären, warum homöopathische Mittel auch in ungelöster Form auf Milchzucker wirken sollen. Die eventuellen Mechanismen einer (vermutlich nicht existierenden) "homöopathischen Heilung" sind unbekannt.
Alle typischen Trägermaterialien in der Homöopathie (Ethanol, Saccharose, Lactose) haben nach Ansicht der Homöopathen eine Gemeinsamkeit: Da ihre Moleküle sowohl hydrophile (wasserlösliche) als auch lipophile (fettlösliche) Strukturen enthalten, soll eine geordnete Anordnung dieser Strukturen um die Ausgangssubstanzen nachweisbar sein. Wie dieser Nachweis erbracht werden soll, bleibt indes unbeantwortet. Es soll ein Negativ-Abdruck der ursprünglichen Moleküle, der auch nach dem Verschwinden der Ausgangssubstanz erhalten bleibt, entstehen. Dieser negative Abdruck würde durch die Potenzierung (= Energiezufuhr) stabilisiert und könne an weitere Trägermoleküle weitergegeben werden. Dieser Erklärungsversuch steht allerdings in Widerspruch zu allen bisher bekannten physikalischen und chemischen Erkenntnissen und lässt sich mit den aktuellen Vorstellungen vom Aufbau der Materie nicht vereinbaren. Hinzu kommt, dass diese Erklärungsversuche nicht auf der Basis naturwissenschaftlicher Untersuchungen erfolgen, sondern einen rein intuitiven Charakter haben.
Angeblich soll dieser Mechanismus auch durch die Tatsache erhärtet werden, dass homöopathische Arzneimittel ihre Wirksamkeit verlieren, wenn sie über den Siedepunkt des zur ursprünglichen Extraktion verwendeten Alkohols erhitzt werden, da dadurch diese stabilisierenden Verbindungen aufgebrochen werden sollen. Da aber die Wirksamkeit der Mittel ohnehin umstritten ist, kann ein solcher "Tatsachenbeleg" naturwissenschaftlich kaum zu gebrauchen sein.
Kritik an der Homöopathie
Die Kritik stützt sich im Wesentlichen darauf, dass es bis heute keinen formalen, reproduzierbaren Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie gibt und die Beweislast auf der Seite der Homöopathen liegt; mit anderen Worten: Solange kein stichhaltiger Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie vorliegt, wird sie von der wissenschaftlichen Welt größtenteils ignoriert oder als Scharlatanerie abgetan werden.
Es gibt bis heute keine naturwissenschaftliche Erklärung, warum die Gabe eines krankmachenden Stoffes den Körper zu einer Heilreaktion anregen sollte. Einige Kritiker meinen, dass die Dokumentation von Fällen aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht genau genug wäre, weil sie z. B. die Reaktion von Laborwerten auf die homöopathischen Gaben nicht zeitnah belegen kann.
Homöopathie-Kritiker verweisen auf unabhängige Studien, die positive Ergebnisse aus der Homöopathie-Forschung nicht reproduzieren konnten. Einige dieser Studien sind aus homöopathischer Sicht umstritten. Heute steht die Mehrzahl der Wissenschaftler an den medizinischen Hochschulen der Homöopathie ablehnend gegenüber. Der Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass die vielen, ca. 100 wissenschaftlichen Doppelblindstudien die Wirkung von homöopathischen Medikamenten nicht über die Wirkung von Placebo-Effekten hinausgehend zeigen konnten. Obwohl es auch Studien gibt, welche die Wirkung homöopathischer Mittel auf Gewebeproben und Zellkulturen untersuchen, sind deren teils positiven Ergebnisse ebenfalls umstritten, da sie noch nicht unabhängig reproduziert werden konnten. Abgesehen von dem bisher ausgebliebenen empirischen Beleg eines Nutzens sind auch theoretische Bedenken anzumerken. Wenn bspw. ein Stoff durch eine Verdünnung ("Potenzierung") seine Wirkung verstärkt, stellt sich die Frage, warum nur der Stoff, der potenziert werden soll, auch tatsächlich potenziert wird, und nicht auch all die anderen Spurenelemente, Reststoffe etc., die sich außerdem noch im Alkohol/Wasser oder im Gefäß befunden haben.
Als Argument gegen die Homöopathie wird z.B. gesagt, dass bei den oft verwendeten sehr hohen Verdünnungen rein rechnerisch kein einziges Molekül der Wirksubstanz mehr vorhanden ist (eine Potenzierung von C 200 etwa entspricht einem Molekül Substanz pro 10400 Molekülen Wasser; das bekannte Universum enthält jedoch nur 1080 Atome). Somit dürfte nach dem naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand auch keine Wirkung auftreten. Außerdem würde selbst das nach heutigen Möglichkeiten reinste herstellbare Wasser die Verdünnungen verschmutzen und die Wirkung beeinflussen. Hohe Verdünnungen können rein technisch nicht entsprechend den Angaben durchgeführt werden. So hat man z.B. eine Phosphor D 200 hergestellt; nach einer analytischen Untersuchung stellte sich heraus, dass es eine D 9 war, eben eine viel geringere Verdünnung.
Manche Homöopathen glauben, Information über die Wirksubstanz werde von der Trägersubstanz "gespeichert", gewissermaßen eine Art Erinnerung des Wassers, ähnlich einem Abdruck in Lehm. Dass ein solcher Mechanismus existiert, und wie er funktioniert, konnte jedoch bislang nicht schlüssig dargelegt werden. Wenn die ungewöhnliche physikalische Eigenschaften von Wasser die Wirkung der Homöopathie erklären sollten, müssten die oft angewendeten Präparate auf Basis von Traubenzucker und Alkohol wirkungslos sein. Dies ist allerdings eine falsche Darlegung, da Präparate auf der Basis von Alkohol und Milchzucker nur bei niedrigen Potenzierungen im materiellen Bereich verwendet werden, bei höheren Potenzen wird ein Alkohol-Wassergemisch verschüttelt und damit die Milchzuckerglobuli getränkt. Die Wirkung wird also duch die im Milchzucker enthaltenen Wassercluster gewährleistet.
Als Argument für den Wirkmechanismus der Homöopathie wird gelegentlich angeführt, dass in Deutschland Mittel verboten sind, die nach medizinischer Sichtweise so verdünnt sind, das sie gar nicht wirken können. Warum müsse man Mittel verbieten, die gar nicht wirken könnten? Es müsse dann doch "etwas dran sein". Kritiker der Homöopathie weisen darauf hin, dass auch die deutschen Behörden sich keineswegs immer auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und besonders in Deutschland die Homöopathie viele Freunde in der Politik hat.
Kritiker weisen auch darauf hin, dass die berichteten Erfolge der Homöopathie, wie auch viele der TCM auf "unspezifische" Effekte zurückzuführen sind (mehr Zuwendung, mehr Hoffnung etc.). Dies sollte auch das Augenmerk der Schulmedzin auf diese Effekte lenken, etwa auf einer partnerschaftlichere Arzt-Patienten-Beziehung ("Compliance").
Befürworter verweisen oft auf Einzelfälle, bei denen die Gabe eines homöopathischen Mittels gewirkt habe; ein oft verwendeter Satz lautet: "Wer heilt, hat recht". In diesen Fällen wird meist nicht berücksichtigt, dass die Krankheit oft von allein verschwindet oder periodisch auftritt. Außerdem bleiben negative Resultate meist unberücksichtigt, so dass ein Erfolg (zum Beispiel bei einer Krebserkrankung) in Wahrheit auf eine Spontanheilung zurückzuführen sein kann. Was aber ist Spontanheilung?
Zitate
- Hahnemann, Originalbeschreibung:
- "Schon im Jahre 1790.... machte ich mit der Chinarinde den ersten reinen Versuch an mir selbst..., und mit diesem ersten Versuch ging mir zuerst die Morgenröthe zu der bis zum hellsten Tag sich aufklärenden Heillehre auf. Ich nahm des Versuches halber etliche Tage zweimahl täglich jedesmal vier Quentchen gute China ein; die Füse, die Fingerspitzen usw. wurden mir erst kalt, ich ward matt und schläfrig, mein Puls ward hart und geschwind; eine unleidliche Ängstlichkeit, ein Zittern (aber ohne Schaudern), eine Abgeschlagenheit durch alle Glieder; dann Klopfen im Kopfe, Röthe in Wangen, Durst, kurz alle mir sonst beim Wechselfieber gewöhnlichen Symptome erschienen nacheinander, doch ohne eigentlichen Fieberschauder. Mit kurzem: auch die mir bei Wechselfieber gewöhnlich besonders charakteristischen Symptomen, die Stumpfheit der Sinne, die Art von Steifigkeit in allen Gelenken, besonders aber die taube widrige Empfindung, welche in dem Periostium über allen Knochen des ganzen Körpers ihren Sitz zu haben scheint - alle erschienen. Dieser Paroxysm dauerte zwei bis drei Stunden jedesmahl, und erneuerte sich, wenn ich diese Gabe wiederholte, sonst nicht. Ich hörte auf und war gesund."
- Johannes Köberling von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (1997)
- „Noch eindeutiger ist die Situation bei der Homöopathie. Für die gläubigen Anhänger dieser Therapieform existiert eine Art Bibel der reinen Lehre, nämlich Hahnemanns Organon. Hahnemann hat vor 200 Jahren ein in sich geschlossenes und von ihm selbst als definitiv erachtetes Lehrgebäude errichtet. Solche geschlossenen Systeme, so unsinnig sie auch sind, üben eine gewisse Faszination auf manche Menschen aus. So haben es die Vertreter dieser Lehre geschafft, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, hier sei eine ernsthafte Alternative zur Medizin zu finden, eine Auffassung die nicht selten auch von sonst kritischen und in anderen Bereichen vernünftigen Menschen geteilt wird. Weder der bekannte Ähnlichkeitssatz noch die Potenzierung durch extremes Verdünnen sind in irgendeiner Weise wissenschaftlich belegt. Erfolgsberichte über homöopathische Heilungen betreffen nie größere Patientengruppen mit bestimmten Krankheiten, sondern bestehen aus einzelnen Fallbeschreibungen. Fallbeschreibungen entziehen sich aber der Falsifikationsmöglichkeit, sie sind prinzipiell wahr.“[2]
Homöopathie in weiteren Ländern
In Indien ist die Homöopathie seit Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet. Behandlungen erfolgten im Bereich der Bekämpfung von Seuchen, wie asiatische Cholera und häufig wiederkehrenden Pestwellen, die jedoch wenig dokumentiert sind.
Wichtige Homöopathen
- William Boericke [3] (1849-1929)
- Samuel Hahnemann (1755-1843)
- Clemens Maria Franz von Bönninghausen (1785-1864)
- G.H.G. Jahr (1800-1875)
- Constantin Hering [4] (1800-1880)
- James Tyler Kent [5] (1849-1916)
- Rajan Sankaran [6] (lebender Homöopath)
- Mohinder Singh Jus [7] (indischer Homöopath, in der Schweiz lebend)
- Babu Rajendra Lal Dutt [8] Indischer Homöopath (1818-1889)
- Georgos Vithoulkas [9] griechischer Homöopath
- Mathias Dorcsi [10] österreichischer Homöopath, Begründer der "Wiener Schule" der "lehrbaren" Homöopathie
Literatur
- Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst 6. Auflage
- Samuel Hahnemann: Reine Arzneimittellehre
- Samuel Hahnemann: Die Chronischen Krankheiten
- Martin Lambeck (Physiker, Professor an der TU Berlin): "Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik" Beck 2003, ISBN 3406494692
- Peter Christian Endler (Humanbiologe, Mitarbeiter des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Homöopathie): Expedition Homöopathieforschung Ein altes Heilsystem wird plausibel ISBN 3-85175-695-9
- Michael Shermer, Lee Traynor (Hg.): Skeptisches Jahrbuch 3. Heilungsversprechen. Zwischen Versuch und Irrtum. Alibri 2000.
- Hans-Werner Lüdke: Homöopathie: Ein fruchtbarer, kein furchtbarer Irrtum. Deutsches Ärzteblatt (Köln) 100(3), S. A107 - A109 (2003), ISSN 0012-1207
Weblinks
- Deutscher Zentralverein Homöopathischer Ärzte Homepage der hom. Ärzte Deutschlands und international
- HomöoWiki Wikimedia-Wiki der Homöopathie
- Marburger Erklärung zur Homöopathie Philipps-Universität Marburg verwirft die Homöopathie als eine Irrlehre
- Erfolge der Homöopathie - nur ein Placebo-Effekt? und Einführung in die Kritik der Homöopathie
- Die Homöopathie ist ein großer Irrtum Kritik von Dr. med. Wolfgang Vahle
- Karl Carstens Stiftung
- Einführung in die Grundlagen der Homöopathie
- Verband Klassischer Homöopathen Deutschlands e.V.
- Verband Klassischer HomöopathInnen Schweiz
- Verein zur Förderung der klassischen Homöopathie, Patientenorganisation Schweiz
- Roche, Lexikon der Medizin
- Service Seite Für klassische Homöopathen
- Deutsche Homöopathische Union in Karlsruhe
- Forschungen zur Wirksamkeit